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SächsischeStMszeÜnng Staatsan^eiger für den Zreiftaat Sachsen Erscheint Werktag» nachmittag- mit dem Datum de- ErscheinungStage-. Bezugspreis: Monatlich 3 Mark Einzelne Nummern 1b Pf. Fernsprecher: Geschäftsstelle Nr. 21295 — Schriftleitung Nr. 14574. Postscheckkonto Dresden Nr. 2486. — Stadtgirokonto Dresden Nr. 140. Ankündigungen: Die 32 mm breite Grundzeit» oder deren Raum 30 Pf , die 66 mm breite Grundzeile oder deren Raum im amtlichen Teile 60 Pf., unter Ein gesandt SO Pf Ermäßigung aus Geschäftsanzeigen, Familiennachrichten u. Stellen gesuche. — Schluß der Annahme vormittag- 10 Uhr. Zeitweise Nebenblätter: Landtags-Beilage, LerkaufSliste von Holzpflanzen auf den Staat-forstreviere«. Verantwortlich für die Redaktion: I. B.: OberregterungSrat Han- Block in Dresden. Nr?Ws Dresden, Sonnabend, 18. April 1925 Marx im Berliner Sportpalast. Berlin, 17. April. Im Sportpalast hatten sich heute abend etwa 20 000 Personen eingefunden, um den Piäsidemschastttandidaten Maix sprechen zu hören. Nicht alle Besucher konnten Einlaß finden, sodaß die Redner abwech selnd im Saale und im Freien sprechen mußien. Nach dem Fahneneinmarsch des Reichs banners begrüßte Herr Ullrich vom Reichs banner oi: Versammlung und erteilte dem Abgeordneten Müller-Franken da- Wort. Der Redner brionte, es gelte, das Erbe Eberts zu verteidigen. Alle Re publikaner müßten gesammelt werden zu einer großen Einheit. Die Spitze des Reiches müsse in deu HSnd«n der Republikaner bleiben Er eünnerte da'an, daß die Deutsche Volks- par'.ei ,m Oktober 1922 für Ebeit eingetreien sei. Marx sei ein loyaler Republikaner. Ec sei ein Richter und er, der Redner, wünsche, daß Deutschland viele solche objektive Richter haben möge. Der Redner selbst >ei stets für den Völker bund eingetreten. Wern die Sozialdemokiatie für einen bürgeilicken Kandidrten eintree, so müss: er betonen, daß die Sozialdemokratie aneikenne, daß kein Mensch mehr für deu Fueden gea.beiwt. habe, als der verstorbene Papst Benedtx. Uber Thälmann meinie Redner, sei nicht viel zu sagen, aber viele Konmunisten würden am 26. April lieber für einen Bürgerlichen st mmen, als für einen So ialdemokia en. Es gehe jetzt nicht um die Person, scndein um die Zukunft von Trutschland. Köln müsse befreit werden. Er bedaure, daß diese Angelegenheit nickt schon immer be hieben worden sei. Man dürfe heute nicht an die Vergangenheit, sondern an die Zukunft Deutschlands denken. Menn die republi kanischen Parteien zusammenhalten würden, sei ihr Sieg sicher. Darauf sprach Reickstag-abgeordneler Erke lenz, der erklärte, daß die Monarchie in Deutsch- land vorerst vnschw mden sei. Selbst H'nsenbuig, der heute km'idicre, hab: erklärt, daß er ein treuer Wächter der Verfassung sein wolle, und für Hindenburg hätten sich Ludendorff und Hiller erklärt. Wenn die demokratischen Parteien zu- sammengehal-en hätten, wäre es zum 9. No vember 1918 nickt gekommen. Wir kämpfen auch heute gegen die monarchische Ge sinnung des deutschen Volkes, vr. Strese mann sei gegen die Kandidatur Geßler gewesen, wir er heute noch gegen die Hindenburgs sei. Dann nahm Reichskanzler a. D Marx da- Wort zu seinem Thema „Wege und Ziele der deutschen Politik zur Sicher stellung und Erhaltung der Einheit des Reiches". Er führte dabei u. a. aus: Die Einheit des Deutschen Reiches in dem von Bismarck geschaffenen Rahmen ist das wert- vollste Eibe, das uns aaS der Vorkriegszeit über kommen ist. Als Folge des verlorenen Krieges sind uns leider sehr gewichtige Gebietsteile verlorengegangen. Mil lionen deutscher Brüder wurden aus den Kreisen der nationalen Etnigung ausgeschloffen. Aber auch das uns noch gebliebene Deutschland war in seiner äußeren Einheit stark gefährdet. Einflußreiche Kräfte unter unseren früheren Feinden blieben am Merk, die Deutschland ganz nach österreichisch-ungarischem Vorbild am lieb sten auseinandergerissen hätten. Damit wäre daS deutsche Volk um die Frucht seiner idealen innerpolitischen Bestrebungen ganzer Jahr hunderte gebracht worden. Seit mehr als sechs Jahren regiert sich nun daS deutsche Volk in demokratischer Weise selbst. ES war gerade der demokratischen Regierungsweise und dem Umstande, daß es Männer des Volkes waren, die die hochpolitischen Entscheidungen de« letzten schweren Jahre zu treffen halten, zu ver danken, daß rm- der Rest der äußeren Reichscinheit erhalten blieb. Cie haben das E be unserer Väter erfolgreich zu schützen vermocht, obwohl man eS ihnen in Wahrheit nicht leicht machte. Um der Erhol tung des Reiches willen mußte seit dem Tage von Versailles manche Unterschrift gelüstet werden, die, wenn man ihre Tragweite unter dem Ausschluß jenes ausschlaggeben-I Ter unversehrte Linksblock. Politik des deutsch-französischen Ausgleichs. Paris, 17. April. Der Triumph der R akiion war von kurier Daurr. Sie hat zwar das Kabinett Herriot aus den Angeln zu heben vermocht, aber das eigent liche Ziel ihres Kampfes, die Sprengung des Kartells der Linken, hat sie nicht er- reicht. Tas Bündnis zwischen Sozia lismus und bürgerlicher Demokratie, das dem politislen Wollen der großen Mehrheit des Land-s entsprach und das die pnlamentartfche Grundlage für das Kabinett Herriot gebildet hat, ist aus den Stürmen dieser W-che unversehrt hervo gegangen und hat in der Zusammen setzung des Ministeriums Painlevä eine neue Auferstehung erfahren. Die sozialistische Fraktion hat auf Grund der jüngsten Beschlüsse des Nationalrats zwar die aktive Beteiligung an einer neuen Regierung abgelehnt, jedoch die pacla- mentarische Unter st ützung zugesagt, alleidings unter der Voraussetzung, daß die Politik Herriots, die Politik der Demokratie und des sozialen Fortschritts im Innern und die Politt! der friedlichen Verständigung ucd des internatio nalen Ausg eichs nach außen wie bisher weiter geführt wrrd. Ter entscheidend: Gesichtspunkt für die sozialistische Fraktion war, daß Painlevä, wenn auch manche der oon ihm zur Mitarbeit berufenen Politiker bei einzelnen innen und au enpolitischen Problemen keineswegs auf ocm Boden der sozia listischen Auffassung stehen, in der Zusammen setz ng seines Kabinetts jedes Zugeständnis an die Rechte abgelehnt hat. Wohl hat sich Caillaux verschiedentlich als ausgesprochener Gegner der von der sozialistischen Partei geforderten und in einem von der Fraktion eingebrachten Gefetzentwurf beantragten direkten Erfassung des Veimögensbesitzes zur Lösung der Finanzkrisr bekannt; aber seine ganze politische Veigangenheit bürgt dafür, daß er auch nicht entfernt die Absicht haben kann, die steuerliche Last der notwendigen Fmanzreform auf die Schultern der breiten Massen abzuwälzen. Es ist unter diesen Umständen nicht anzunehmen, daß ein Kompromiß in der Finanzfrage, über das bereits zwischen dem neuen Kabinett und einer Abordnung der sozialistischen Fraktion unter Führung von Leon Blum rnd Auriol verhandelt wird, auf unüberwindliche Schwierig keiten stößt. Auf außenpolitischem Gebiete ist das neue französische Ministerium der Fortsetzung der Politik internationaler Verständigung günstig. Briand, d:r neue Außenminister, hatte bereits vor d ei Jahren auf der Konferenz in Cannes nicht nur in der Reparations frage, sondern auch auf dem Gebiete des Sicherheitsproblems Lösungen in Aussicht genommen, deren teilweise Durchführung erst Herriot nach dem Sturze des Nationalen Blocks Vorbehalten geblieben ist. Painleoö selbst ist ein überzeugter Pazifist, und Caillaux hat vor und während des Krieges zahlreiche Beweise seines aufrichtigen Friedenswillen- gegeben. Auf französischer Seite wären danach auch in der neuen Regierung alle Voraussetzungen für die Fortsetzung einer Politik des deutsch-französischen Ausgleichs und für das Gelingen der durch da- deutsche den Momentes der Erhaltung der Reichseinheit beurteilt hätte, wohl kaum ge- geben worden wäre. Herne stehen wir an einem gewissen Abschluß dieser Sorgcn um die Reichscinheit, wenn auch noch nicht alle Sicherhri en gewonnen sind. Tie Männer waren gut beraten, di- unter allen Umständen an dem Rechts- titel der unantastbaren Reichseinheit Garantieangebot eingeleiteten Ver- Handlungen zur Lösung der Sicherheits- frage gegeben. * Interpellation Poiuearös über die Kriegsschnldsrage. Paris, 17. Ap il. Die Kammer wird nach den vorläufig ge troffenen Dispositionen im unmittelbaren Anschluß an die Regierungselk ärung in eine Diskussion über die allgemeine Politik des neuen Kabinetts eintreien. Auch im Senat dürfte eS darüber zu einer Aussprache kommen, da Poin- carö die Absicht zugeschlieb:n wird, das Ministe rium durch eine Interpellation zu einer Er- tlärung über die Frage der Kriegsschuld zu zwingen. Caillaux hat bekanntlich die von allen bisherigen französischen Regierungen vertre tene These des Versailler Vertrag esvon der Alleinschulo Deutschlands wiederholt öffentlich auf das schärfste bekämpft. Man rechnet damit, daß diese Debatte noch cor dem Ende der nächsten Woche zu End: geführt wird und die beiden Häuser d?s Parlaments sich daun über die Kommunalwahlen bis Ende Mai vertage!' werden. Die durch die Übernahme der Minisier- präsidsntschast durch Painlevv erforderlich gewor- deneNeuwahl des Präsidenten derKam- mer dürfte bis dahin verschoben werden. Als Kandidat der Linken wird dafür im Falle der de- finitiven Ablehnung Herriots der Abgeo:dnete Godard genannt, d:r in dem zurückgetretenen Kabinett das AibellsmiEerium innegehabt hat. An Stelle des als Nachfolger des Senators Steeg zum Gouverneur von Algier ernannten Abgeord- neten Violet ist der Abgeordnete Lamoureux als Berichterstatter der Finanzkommission auserseh:n. Außerdem werden mehrere dec anderen pnma- nenten Kommis onen dec Kammer für ihren in das Kabinett eingetreienen bisherigen Präsidenten Nachfolger zu wählen haben. * Tie bevorstehende Regierungs erklärung. Paris, 18. April. „Malin" glaubt zu wissen, daß die mini- stcrielleSrNSrung des neuen Kabinetts sehr kurz sein wird. Sie werde sich, berichtet das Blatt, damit begnügen, daran zu erinnern, daß cs zwei Dinge gibt, die augrnblicklich die Aufmcrkfamkeit der Allgemeinheit in Anspruch nehmen müsse, nämlich die Sicherheit Frank- reichs und die finanzielle Sanierung des Landes. Die neue Regierung wcrde sicherlich von dem Parlament den weilest, gehenden Kredit verlangen. Die finanzikllcn P änc, die man vorlegen wolle, könnten nicht innerhalb 24 Stunden ausgearbeitet werde«. All- Vorschläge und alle Anregungen würden grundsätzlich durch dcn Ainanzminister geprüft, defs n technische Sompctc«; niemand verkcnnc« dürfe und der ja als der Urheber der Einkommen- tcucr bktrachtcl werden kö««e. Die Erklärung wcrdc schließlich hcrvorhebc«, daß die Regierung cine weitgehende linksgerichtete Politik brtrcidcn werde. Sie werd, jekoch an Kammer und Senat dcn Appcll richtcn, vorerst alles bei- rite zu stellen, was dt, Parteien trennen könnte, id mir die zwei wesentlichen Dinge in- Auge zu assen, dcncn sich da» Land vorerst widme« müsse. - fest hi eiten, und um dieses Prinzips willen vor den wirtschaftlichen und finan ziellen Opfern nicht zurückichreckten. Es ist der Geist dcr jungen dcutichen Demo kratie, der hier seinen politischen Befähigungs nachweis in überzeugender Form erbrachte. Größere Gefahren, als die Reichseinheit in den letzten Jahren zu bestehen hatte, wer den ihr nach vernünftigem Ermess:n in abseh barer Zukunft wohl nicht mehr drohen. Dau wurden jetzt auch durch neue inter nationale Abmachungen festere Klam mern um sie gelegt. Die deutsche Staatsrinheit, von dem dcut- schen Volke gewollt und duichgcjetzt, bestand ihre Feuerprobe. Tie politischen Kräfte der Demokratie haben sie gesichert. In längeren Ausführungen schilderte sodann Marx die Gefahren, die der Reichscinheit von innrn her drohe» könne». Er wandte sich dabei gegen die These, daß innerer Hader und nationalerZwiespalt ein unauslöschbarer Erbfehler des deutschen Volkes sei und belräHigte seine Auffassung mit dem Hinweis auf die Tatsache, daß da» deutsche Votk in vielen Fällen aus eigenem Entschluß und in tiefem Er leben der nationalen Aufgaben alle politischen und sozialen Unterschiede, olle besonderen Interessen, beiseite Ich ob und dami zlän ende Zeugnisse seines einheitlichc» «Sillens und seincS nationalen Zusammengchörigkcitsgefühls ablegte. Wie gewaltig im deutschen Volk: der Wille zur politischen Einheit ist, so fuhr Marx fort, daS bewies für jeden Vorurteilslosen wieder das Weimarer Verfassungswerk. In ihm weht ein selten lebendiger Hauch sozi- alster ^Gesinnung und umfassenderTole- ranz und des deutschen Zusammen gehörigkeitsbewußtseins. Wir wollen im Kerzen Europas eine Kulturnation sein, an )er jeder Volksgenosse seine Freude und seinen Stotz hat. Wenn ich vorhin von den inter nationalen Abmachungen für die Festigung unserer staatlichen Einheit sprach, so dachte ich dabei an daS so schwer hcimgrsuchte besetzte Grbiet im Westc». Lie deutsche Diplomatie hat die Aufgabe, das für die Befriedung Europas und seine weitere wirtschaft liche Entwicklung so außerordentlich be- deutsame Vcrständigungswerk von Lonton fortzusetzen. Das Abkommen von London muß in fruchtbringender Weise weiter geför dert werden. Wir wissen heute, daß wir zur Erhaltung des Friedens an der Westgrenze und zur Sicherung dieser LandeSgrenze in unserem Wunsche nach Wiedervereinigung mit dem durch den Versailler Vertrag dort von uns losgetrennten Volksgenossen Opfer bringen müssen. Ler Sicherheitspakt wird die Regelungen des Versailler Vertrages, welche die deutsche Weflgrenze betreffen, unterstreichen. Wir stehen vor Verzicht bekräftigungen, die uns gewiß nicht leicht fallen w erden. Aber das Werk einer deutsch-slanzösischc» Verstän- digung ist ein wertvolles politisches Ziel und sichert uns kulturelle und wirtschaft liche Entwicklungsmöglichkeiten, die wir nicht unterschätzen sollen. Aber weil wir um de- Fri den- willen zum Sicherheitspakt be eil sind, um so m:hr dürfen und müssen wir an di, «»natürlichen GrcnzverhäU. nifse im deutschen Osten und auch an die kulturelle Verwandtschaft erinnern, die uns mit Oesterreich, dem ge- fchichilih so bedeutsamen Keinland: deutscher Kul tur und Politik, verbindet. Die nationale Einigung mit vcfterreich und das Etstehen des seit einem Jahrhundert vo« deuischen Volke so sehnsüchtig herbeigewünshten Die neue sranMche Negierung.