Suche löschen...
01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 14.10.1920
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1920-10-14
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19201014016
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1920101401
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1920101401
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1920
-
Monat
1920-10
- Tag 1920-10-14
-
Monat
1920-10
-
Jahr
1920
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Morgen »Ausgabe v«»«gspreis: NLU'LL nioaaU. M. tll.—, !LbkI. f«k 4lddol,r dki. vSV. M. 7,'>0 m-oalllch, Vd.nd.'Lutzob» all»l« M S-— »,»«Ulch. varch »ter« ««4»4rltz«« glllst«» In« Ha»« q»- bkach« «»»aiUch M. IV«—, »UN«IsIdrItch »I. V.—' »„ch »I« t»»«»dsld V»,gchla»d« S«!a»<.A»1ia»« >»»a«lich M.7^ia. »i«n«l,Ldr. sich M. Lk.K) t«»1tchllck«ch v^d,ft,I-4»»dtt. B»1land«v«llanöi »»natUch M. lü.— a»t Dr»cklach«»-V»rt». : Mora«. «Igada » Pt, » P,. A«t,a»e 40 Ps. ^mrdels-IeUung Da« Sechziger Tageblatt enthalt die «uutUitze» vrla»ut«achm»ge« de» Nate» und des Pollzeiamtc» der »ladt Sech,t». de» «mtbgertchiS Sechzig und der «üchstschen Staatsmmttterieu »reSdea sowie verschtedraer anderer vetz-rde«. Nr. 480 Donnerstag, de« t4. Oktober 114. Jahrgang Anzeigenpreis: N. 2.2äi Aazelg«n o»»B«dSrd«a tm amNtch«« Teil dl« Nonparilllezell« M.LL0t o.»a«lo. M.t»—: kt«la« Anz,lg«a dl« Ronpar«Ill»z«ll< M Ü4cr »on auswärts Mk. 1S0, Dslchdsteanzrlg«» mit platzvarlchrltten i« Pr«tl« «rdsdl. Platz »nb vataaasrlchrls» »da« Verdiadllchk.tl. B«tlaa«nprets. 11k »I, V,s»»t«»fta,« Md. IL— a«Ito, für T«»!a»slag« Mk iS.— n«tt» »r» Mill«. Paltaajloz« Pastzetzützr «ztr«. ,i«r«Ioe»<d-a»IchlatzÄr.>4»or, «aus. >«»04. — P«stl<i>«aidoalo72».. Schrlfttelluno -ad Dilchtlste»«!«: Lrtpztg, Zohannchgal« A». tz, Verla, ivr. Rslahald ch L», d»ch,I, 1V20 Die Redeschlacht in Halle Stimmungsbild vom Parteitag der U. S. P. (Drahtbericht unsere» nach Halle entsandten Redaktion» Mitgliedes.) L. L. Halle, 15. Otto-e-r. Man fühlt sich an den Jungbrunnen jene» Dresdner Parteitages der Sozialdemokraten erinnert, au dem so viel schmutzige Wäsche ge waschen wurde. Heute sagte Lri spien, mau mühte tief beklagen, -ah die Methode der russischen Kommunisten dazu zwinge, den Schleier von persönlichen Treibereien und Anschwärzungen zu ziehen, die hinter de« Kulisse« her Parteileitung und auch draußen im Lande versucht würden, und man mühte sadistisch veranlagt sein, wenn man nicht ein sähe, daß angesichts dieser häßlichen persönlichen Vorgänge in der Arbeiterbewegung dieser Parteitag so früh wie möglich obgehalten werde« mußte. 3« der Tat, dieser Parteitag driirgt der Arbeiterbewegung keine Ehr«. So viel per öniiches, nur persönliches, Gezänk in wichtigen Au- aeleaenheiten, die chliehlich da» Wohl und Weh« der ganzen Arbeiter schaft, und darüber hinaus de» Ganzen, angehen, da» ist peinlich, «amrntllch da man immer gerne behauptet hat, dergleichen Ueder- treldungen usw. kämen nur im bürgerlichen Lager vor. Demgegenüber bars doch wohl ausgesprochen werden, daß mit so trüben, znm Teil schoflen Mltteür, wie sie im Kampfe der K. P. D. und ll. S. P D. sich etvgeführt zu haben scheinen, zwischen bürgerlichen Parteien nur selten gearbeitet worden ist. Ls ist kaum ein ehrenrühriges Schimpfwort, das tn di«s«n Kampf nicht gefallen wäre, vor dem man in öffentlicher Sitzung zorückschreckt: gchscher, Betrüger, dewvhte Gaunerei, Ver achtung jedes anständigen Arbeiter» usw., das schallt rmr so durchein ander. Aber die Tatsachen scheinen auch danach zu sein. Ä» Jungbrunnen? Vielleicht für gewisse Kreise der Arbeiterschaft, dt» sich von diesen Stänkerelen überrascht und entsetzt abwenden werden, vatz die Versammlung eigentlich ans zwei Versammlungen besteht, die stlludig scharf getrennt gegeneinander stimmen und bei Beifalls- und Mlßsallensällßerungen mitten dorchgeschnitten ist, daß Adolf Hoffmann » »er Spitze der Linken in immer kürzeren Zwischenräumen ausstehen und beschwichtigend in den eigenen Reihen wirken muh. ist das wenigste. Aber bedenklich ist das Gift lange aufgesammelter Verärgerung, das selbst Duzbrüder in Erbitterung gegeneinander aufreizk. Proletarier aller Länder, verüntgt euch! Don Einigkeit ist zwischen Rusten und Deutschen, Kommunist« und Unabhängige« und zwischen den Unabhängigen selber kümmerlich w«nlg zu spüren. Das Evangelium der Menschen- and Völkerverbrüderung ist unter den Genossen selbst noch nicht durch- gedrungen. Sie schelten, dah dos Christentum mit seiner Ltebeslehre sich utcht durchgeseht habe oder sich untreu geworden sei, und haben sich über Glaubenskämpse erhaben gefühlt; aber was sich hier abspielt, das ist gehässiger Streit nur die rein« Lehre oder um die allein richtige revolutionäre Gesinnung oder um das wahre Verständnis für den prole tarischen Klastenkampf. Was Erl spien zur Rechtfertigung rechten Flügels und zur Krttik des linken über das Rätcsystem und Gewalt und Terror sagte, war durchaus beachtenswert und fand auch eine gewisse ruhige Aufmerk- sanckoit im Hause. Aber mehr als diese Auseinandersetzung über Ideen und Unterschiede der Taktik interessierte doch die Maste der Delegierten immer wieder das Persönliche, auch das allzu Persön liche. Stundenlang konnte darüber geredet werden, ohne dah aus dem Zuhörerkreis Zeichen des Ueberdrusses laut wurden. Crispien selbst sorgte reichlich für Abwechselung ja seiner Rede, denn er wußte wohl, bah er seinem Publikum nicht dauernd di« schwere Speis« begrifflicher Darlegungen zumnien durfte. So mischte er zu seinen grundsätzlichen Erörterungen über schwierige Programmsragen kleinere Erzählungen über seine eigene Entwickelung und kleine und große Blamagen von Genossen aus der linken Hälfte des Saales. Aber für den Geschmack anderer Leute war es zu viel an per sönlichem Klatsch, der schon gestern überwuchert hatte. Wenn man ge- ycfft hatte, daß er heute bei Beginn der großen Redeschlacht, zu der alles Gestrige nur Vorpostengeplänkel war, zurückkreten würde, so hat diese Hoffnung getäuscht. Auch was heule verzapft wurde, war, tm ganzen auf die Länge des Tage» verteilt, geistig reiAich dünn. Das Referat Däumigs, das die zweite Hälfte des Tages füllte, war ruhig, aber akademisch und trocken gehalten. Dänmig stürzte sich nicht in geistig« Unkosten. Er schien es nicht darauf abgeseyen zu haben, irgend jemand von der Rechten zu überzeugen, sondern von vornherein darauf zu verzichten, in dem Gefühl, dah die Stimmen der anderen Hälfte des Saales ja ohnehin schon gewonnen waren. Es war gerade,zu auffällig, wie wenig Däumig von den Bedingungen sprach, so daß man Lededours Ungeduld begreifen konnte, der plötzlich dazwischen sprang und ihm entgegenrief: Reden Sie doch endlich von den Bedin gungen! Heraus mit der Sprache!, was wieder einmal große Erregung und minutenlange« Lärm auf beiden Seiten zur Folge hatte, aber auch dann blieb da», was DLuniig über die Bedingungen äußerte, merkwürdig flau, allgemein und nichtssagend. Er konnte sich jedenfalls an agitato rischer Kraft mit der Absage Erispiens und namentlich mit dessen schwung vollen Schlußworten nicht vergleichen. Er verzichtete auf ein näheres Eingehen auf die einzelnen 21 Punkte. Er erklärte, er sei überzeugt, dah die Entwickelung so geh« werde, dah sie mit der Annahnr« dieser Bedingungen recht behalten würden. So schnitt die Opposition heute sehr viel matter ab als der rechte Flügel. (Den Sitzungsbericht steh« Seit« 9.) Ein Organ für die deutschen Moskowiter (Drahtberichk unsererB«rliner Echriftleitung.) Benin, 16. Oktober. Der Vorsitzende der Pressekomortsfion der U. S. P., Paul Schwint, hat die Nummer 1 des .Mitteilungsblattes für die Anhänger der dritten Internationale' herauSgebracht. Das soll die Antwort sein auf die Ab lehnung des Aussichtsrates und der Verlogsgenossenschaft .Freiheit', dem Verlangen der Presiekommission zu entsprechen und die bisherigen Re dakteure zu entlassen. Das Mitteilungsblatt ist dementsprechend auch angefüllt mit gepfefferten Vorwürfen gegen üte .Freiheit' und üoS .ver sippte Pruteibönzenkwr'. Ein neuer kommunistischer Kongreß der astatischen Völker Moskau, IS. Oktober. In MoÄ-au sand ein« Sitzung des Exekutivkomitees der dritten Inler- nationale unter Vorsitz von Sinowjew statt, in der über die Agi tation im fernen Osten beraten wurde. An den Verhandlungen nahmen japanische, chinesisch« und koreanisch« Kommunisten teil. Ein japanischer Delogierter teilt« mit, daß es in Japan über 8 Millionen Proletarier gebe, die bis auf 2 Prozent alle lesen und schreiben können. Si« sind jedoch vom bürgerlichen Lha.winlsnnis angesteckt nnd tragen ihr Loch ohne Murren. 6n der letzten 'Zett stehst jedoch die Un,sufriedenh«ik un>r den japanischen Proletariern, uirb es ist zu Zusammenstößen aufständischer Bergarbeiter mit Truppen gekommen. — Das Exekutivkomitee beschloß, euren Kongreß der Völker des fernen Ostens i« einer Stadt Sibiriens zu veranstalten. Das Abstimmungsergebnis in Kärnten Klagenfurt, 13. Oktober, Ahr nach ,. Soeben ertönen vom Stadthausturm die 16 Böllerschüsse, die der in der größten Erwartung befindlichen Bevölkerung verkünden, daß in einer Stunde da» Ergebnis der Volksabstimmung vom Rathaus bekannt gegeben wird. Das Ergebnis ist folgendes: Distrikt Rosegg für Oesterreich 1918 St., für Jugoslawien 233t Et. Distrikt Ferlach für Oesterreich 6482 SU, für Jugoslawien 1984 Et. Distrikt Bleiburg für Oesterreich 5140 St., für 3ugo,lawi«u .M» Et. Distrikt Völkermar« für Oesterreich 8304 St., für .Jugoslawien 2442 St. zusammen 21852 8t. 15096 St. 59,14 Prozent der Stimmberechtigten haben also für Oesterreich ge stimmt. Zn den Straßen der Stadt herrscht ungewöhnlich reges Leben; alle Häuser find beflaggt. Alles strömt nach dem Neuen Platz, der von einer vieltausendköpfigen Menschenmenge besetzt ist. Von den umliegenden Höhen ertönen Böllerschüsse; alle Glocken läute«. Einigung im Berliner Zeilungsstreik Arbeitsaufnahme wahrscheinlich am Donnerstag. (D r a h t de r i ch t.) Berlin, 13. Oktober. Von dem Reichsarbeitsministerium wird heut« mitgeteilt: 2m Reichsarbeitsministerium fanden heute unter Leitung d«S Mnisterial- rates Dr. Sitzler und ln Anwesenheit des Staatssekretär» Dr. Hirsch vom Reichswirtschaftsminlsterium zwischen Vertretern der Arbeitnehmer und ArbettgÄxr de» Großberliner Zeltungsgcwerde» Verhandlungen statt. Die Verhandlungen führten nach langem, außerordentlich schwierigem Verlauf und durch weligehendstes beiderseitige» Entgegenkommen zu einer »ollen Einigung. Die getroffenen Vereinbarungen unter liegen noch der Zustimmung der beteiligten Verbände und Gewerk schaften, dl« am Donnerstag vormittag folgen dürste L» ist zu erwarten, daß ln den vom Streik betroffenen Gebiete« di« Arbeit noch am Donnerstag ausgenommen werden wird. Der neue tschecho-slowatisch« Gesandte in DerUn. Zum tschecho slowakischen Gesandten in Berlin ist der ehemalige Mnisterprästdent Tuszar ernannt worden, der Anfang Dezember seinen Posten an- treten wird. Daß die tschecko-slorookische Republik dem Ausbau der Beziehungen zum Deutschen Reich« Werl beilegt, geht schon aus der Berufung des erfahren« Politiker» auf Lief« Posten hervor. Gefahr für das Kabinett Giolitti Wiederaufleben des Arbeit-Kampfes? (Drahtbericht.) Mailand, 13. Oktober. Der .Seeolo' spricht von der Möglichkeit des baldigen Rücktritts Giolitti». Er werde voraussichtlich durch den gegen wärtigen Kammerpräsidenten de Nicola ersetzt werden, einen ge wandten Parlamentarier, deu Giolitti selbst an die Spitze des Parla ments gewünscht habe. Wie der .Corriere d<lla Sera' mitteilt. Hot die parlomentarisch- natlonalistifche Gruppe beschlossen, nicht mehr der Mehrheit der Kammer anzugehören, die das Kabinett Giolitti unterstützt. Die Zeitung bemerkt, es sei nicht ausgeschlossen, daß außer den Nationalisten auch die R e ch t slibe r a l e n, die eine ziemlich starke Fraktion bilden, Giolitti die Gefo'gjchaft verweigern. Die nationalistische Richkmg stimmte, nachdem sie Nitti gestürzt hotte, für Giolitti in der Hoffnung, daß er die Autorität des Staae» wiederherstelle und sich das Programm de» Londoner Vertrage» einschließlich Fiume» zu eigen machen würde unter Zurückweisung direkter Verhandlungen mit Jugoslawien. Wie .Corriere della 6«ra' weiter meldet, Haden die Arbeiter am Montag neue Versuche zur Besitzergreifung von Fabrikanlagen unternommen. Trotz des kürzlich unterzeichneten Abkommens sperrten die Arbeiter die Ausgänge und verhinderten die Angestellten daran, die Fobrikräume zu verlassen. Die Polizei konnte jedoch schließlich die Arbettermassen an der Durchführung ihres Vor. haben» hindern. Da» Organ de» italienischen A r bei te r v e r da n de S ver öffentlicht einen Auszug au» dem Entwurf über die Uebernahm« ter italienischen Industr 1 e, dessen Hauptpunkte folgende sind: Der Arbeiterrat wird den Ankauf der Rohmaterialien kontrollieren. Er wird ferner den Verkauf der erzeugten Produkte regeln und die Preise fest sehen. Der Rat wird auch di« Löhn« bestimmen, ebenso die Art der Arbeit, die jeder zu verrichten hak. Die Arbeiten werden mit aller Strenge überwacht. Der Rot wird sich auch mit dem Ankauf neuer Maschinen und mit der Ausschaltung abgenutzter Maschinen befassen. Schließlich wird er die Veyneidung von Krisen in der Industrie und die Verhinderung der Ueberschuxmmung der Märkte mit billigen Waren puftteb«. —. , Das Geheimnis des Garderobenfchrankes Bei Daimler in Untertürkheim (bestens bekannt seit langem durch seine guten Motoren, in unrühmlichster Erinnerung feit 1918 durch feine skandalöse Preispolitik gegenüber dem Staat), bei dieser großen Firma war es kürzlich zu einem allgemeinen Streik gekommen. Daimler hatte Panzerautos für die Reichs wehr oder den Grenzschutz gebaut; keinem Arbeiter war es ein gefallen, dle Herstellung solcher Kriegswagen abzulehnen; erst, als die Fahrzeuge fix und fertig auf dem Hofe standen, entflammt« das revolutionäre Gemüt irgend eines Beschränkten, er hehle die Genossen aus und man beschloß, die Ablteserung der Wagen zu verhindern, eventuell sie zu vernichten. Die Fabrikleitung rief deu Betriebsrat an und der entschied nach gewaltiger Gehirn arbeit schließlich, daß im Sinne der Revolution zu verfahren sei. Woraus dis Arbeiter, entgegen den Anordnungen ihrer Vor gesetzten, die 'Panzerautos abmontierten. Die Firma beantwortete diese Tat mit Entlassung der schuldigen Arbeiter und des Be triebsrats; was wieder den Streik der gesamten Belegschaft zur Folge hatte. Schließlich entstand aus diesen Zwistigkeiten, aus Krach über den Steuerabzug und anderen Dingen ein aus gesprochener Generalstreik. Was ist ein Generalstreik, oder gar ein gewöhnlicher Streik in Deutschland? Eine Alltäglichkeit, eine Selbstverständlichkeit; für die eine Seite die Kleie, für die andere Seite das Weizen mehl im ständig graulicher werdenden Graubrot des Lebens. Es lohnte also nicht, über solche Dinge groß zu orakeln. Aber der Streik bei Daimler, oder doch seine Begleit erscheinungen und die zufälligen Entdeckungen, fallen aus dem Rahmen des Gewohnten heraus. Wie gestern zu lesen war, hat die Untersuchung der schiedsrichterlichen Kommission allerhand Erbauliches festaestellt. Der Betriebsrat der Firma, der bisher 500 000 Mark kostete (in Worten fünfhunderttausend Mark) Hal seine und die Arbeitszeit der Arbeiter zu Dingen benutzt, die mit der Fabrikarbeit zwar in Verbindung, aber in einer ganz merk würdigen stehen. Sozialismus ist Privatarbeit! sagten sich diese revolutionären Vorkämpfer des irdisclien Paradieses. In den Garderobenschränken der Arbeiter und des Betriebsrats fand man außer für rund 1 Million entwendete Handweckszcuge Pfusch arbeiten, hergestellt aus dem Material und mit den Maschinen und Werkzeugen der Firma. Allerhand Gegenstände waren da an- gefertigt worden, die mit Daimlers Fabrikaten und ihrem. Renommee nichts zu tun hatten; aber auch nichts mit den prioalet oder häuslichen Bedürfnissen der Hersteller. Diese letztere Be gründung der privaten Fabrikation hätte immerhin noch etwat wie eine Entschuldigung^möglichkeit für sich gehabt, wenn sie auch die tolle Perspektive eröffnet, einmal sämtliche Arbeiter einer Aiesensabrik während der Dienstzeit an der Fertigstellung von Gegenständen für Mutters Bedarf schaffen zu sehen. Zu billigen wäre es doch keineswegs, daß nur der Betriebsrat und seine Günstlinge solche Vorteile zögen; das ist weder sozialistisch noch brüderlich gehandelt. Allein es handelt sich nicht einmal um Arbeit für den eigenen Bedarf: die Herren haben Werkzeuge und Material in riesigen Mengen gemaust und Sachen gebaut, um sie zu verkaufen. Und nicht genüg damit, gingen sie nach Feierabend auch in die Stadt und aufs Land und arbeiteten, mit dem Material und Handwerks zeug der Firma auf eigene Rechnung; daß sie dadurch den Hand werkern, Meistern und Gesellen, das Brot wegnahmen, kümmerte diese sonderbaren Sozialisten wenig. Für sie genügte es, Geld zu verdienen; bas aber gelang ihnen, weil sie ja die Konkurrenz unterbieten konnten infolge billigeren — Einkaufs. Die Gegner des Betriebsrätegedankens werden die An gelegenheit weidlich ausschlachten. Wir wollen sie nicht unter stützen, aber es hält schwer, ihnen entgegenzutreten. Denn der Fall bei Daimler ist nicht der einzige. Aus anderen süddeutschen Fabriken wird der gleiche Befund gemeldet, und vergessen sind noch nicht die Vorkommnisse in den staatlichen Werken in Spandau, in Adlershof und auf den Kieler Werften. Auch dort hatten die Arbeiter die Privatfabrikation eingesührt und sogar den Staat, also die Volksgemeinschaft, um Millionen geschädigt, während es bei Daimler schließlich ja nur die verwünschten Kapitalisten trifft. Das entschleierte Geheimnis der Garderobenschrünke von Unlertürkheim ist leider mehr als der Beweis von Ilnredlichkeik: es offenbart mit unwiderlegbarer Deutlichkeit die heutige Un möglichkeit einer Sozialisierung. Reben dem Ruf nach der «Aktion*, mit dem jedes revolutionäre Hasenherz die Legiti mation seiner Moskau-Unoerdächtigkeit und die Berechtigung er wirbt, die S. P. D. und die U. S. P. D. als Horde von Arbeiter verrätern zu brandmarken, neben diesem dummen Schlagwort ist es das der «Sozialisierung', mit dem die Massen gespeist werden; diesmal von den Parteien rechts von den Kommunisten. Auf dem Betriebsrätekongreß schrieen sie nach der Sozialisierung und in Kassel vereinigte man sich ebenfalls auf dies Feldgeschrel; auch die Mehrheitssozialisten im Lande wollen eben etwas haben, das nach Vereinigung von Wille und Tat ausstekt. Es soll hier nicht etwa die Idee des Sozialismus verunglimpft werden; es soll nicht einmal eine Wiederholung der Feststellung erfolgen, daß man bei -em heutigen Zustande der Wirtschaft nicht sozialisieren kann. Das letztere haben nicht nur die Kapitalisten gesagt, nicht nur die Freunde eines Ausgleichs zwischen Unter nehmertum und Arbeiterschaft — das haben auch Sozialisten be hauptet. Si« alle waren einig in der Marxschen Erkenntnis, daß eine Vergesellschaftung nur bei Höchstcnlwicklung und Höchst leistung der Privatwirtschaft erfolgen könne. 3a, die vernünftigen Sozialisten gehen noch weiter; so schreibt der österreichische So zialdemokrat Dr. Max Adler: Die Tragik de» Sozialismus liegt -irin, -aß er, der ein System der Verteilung des Re'cktum» -er Besell- schajt ist, ia eurem Zeitpunkt chrer größten Verarmung za
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite