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WSchentlick erscheinen drei Nummern. PränumeraNonS-Preis 22j SUbergr. (5 Tblr.) vierleßährück, z Tb!r. für dnS ganze Jahr, ohne Erhöhung, in allen '^heilen her Preußischen Msn-nsm. für die Pränumerationen werden von ieder Buchhandlung (in Berlin hei Belt u. Comv., Iägerftraße Nr. 25), so wie non allen König!. Post-Aemtein, angenommen. Literatur des Auslandes. , 1/ 101. Berlin, Sonnabend den 2J August 1843. Aegypten. Uebcr die Civilisation Aegyptens seit der Niederlassung der Griechen unter Psammetichus bis auf die Eroberung Alcranber's des Großen. Nach einem Aufsatze Lctronne's in der kevU« üsn Oeux 31oulje«. Vor dem Jahre 1821 sind die meisten Schriften über die ägyptische Archäologie unter dem Einflüsse einer historischen Ansicht abgefaßt worden, welche man damals für ausgemacht ansah, daß nämlich die Eroberung der Perser und ihre (ast 200 jährige Herrschaft den bürgerlichen und religiösen Einrichtungen Aegyptens und demzufolge auch den Künsten den Todesstreich versetzt habe. Diese Voraussetzung mußte natürlicherweise den Schluß nach sich ziehen, daß alle Denkmäler von eigentlich ägyptischem Charakter und ohne Beimischung eines fremden Prinzips, ausschließlich den pharaonischen Zeiten angehörten. Diese Ansicht schien während der französischen Expedition neue Bestäti gungen zu erhalten und liegt daher auch den archäologischen Abhandlungen der großen Oesoripcioo äs I'Lxzpre zu Grunde, indem aus den damals be kannten Thatsachen nichts Anderes gefolgert werden konnte. Jenen Unter gang ägyptischer Bildung dehnte man damals sogar auf das Schrift.System aus, und Fourier glaubte, daß die Kenntniß der Hieroglyphen-Sprache in der griechischen Zeit größtentbcils verloren gewesen wäre: andere Gelehrte sahen das Vorkommen hieroglyphischer Zeichen auf einem Monumente ägyp- lischcr Architektur und Skulptur für den unbestreitbaren Beweis an, daß es vor Kambyses zu setzen sey, und hielten die vielen griechischen Inschriften auf solchen Denkmälern für Erdichtungen einer späteren Zeit. Selbst der Stein von Rosette konnte dieses Vorurtheil nicht ganz vernichten, und Manche er- klärten wohl mit dem gelehrten Mongez den hieroglyphischcn Tert dieses Steins für eine reine Erfindung und sinnlose Zusammenstellung der ägyptischen Priester, um das Volk glauben zu machen, als verständen fie die heiligen Zeichen noch. Als daher Letronne in einer im Juli 1821 in der französischen Akademie gelesenen Denkschrift aus den griechischen Inschriften auf den Fayaden der Tempel zu Tentyra, AntäopoliS, .Xpollinopolw minor und anderen alten Städten den unmittelbaren und bestimmten Schluß zog, daß diese Gebäude, so ägyptisch sie auch auSsähen, unter den Griechen und Römern erbaut oder sicherlich verziert worden wären, gab sich selbst Champollion die Mühe, die Unwahrscheinlichkeit dieser Behauptung hervorzuheben, die er wenige Monate später durch seine merkwürdige und so höchst wichtige Entdeckung nicht bloß bestätigt, sondern auch in noch weiterem Sinne geltend sehen sollte. Schon im März 1822 hatte Letronne eine genauere Untersuchung des Hauptpunktes, auf den es hier bei Bekämpfung der hergebrachten Grunbansicht ankam, ob nämlich die persische Eroberung auf die Künste und Einrichtungen Aegyptens wirklich den zerstörenden Einfluß ausgeübt hätte, den man ihr Schuld gab, unternommen und nachzuweiscn gesucht, daß die Civilisation Aegyptens unter den Persern nur schwache Veränderungen erlitten und bis auf Alexander beinahe ungestört geblieben wäre; als die der französischen Akademie den 22. September 1822 vorgelcgte Entdeckung Champollion'S für die ägyptische Archäologie eine neue Aera begann, welche unter Anderem auch den Beweis geliefert hat, daß eine große Zahl der Bauwerke, welche das Nil- thal erfüllen, in der auf einander folgenden Herrschaft der Perser, Griechen und Römer erbaut, verziert, vollendet oder wiederhergestellt worden sind. Daß nun über diesen Punkt, der einer der wichtigsten in der ganzen Geschichte ist, heute noch ausgezeichnete Gelehrte im Zweifel schweben, daß selbst Sir Gardner Wilkinson, einer von den Männern, welche die ägyptischen Alter- thümcr am besten studirt haben, die Meinung festhärt (in seinem Werke: Ueumvra smi vustouw ot Go ancient Lgxprisn«, Th. I, S. 181, I's 1, 212), als hätten die Perser den Künsten und Einrichtungen Aegyptens den Todesstreich versetzt und jedes Denkmal eines guten ägyptischen Styls müßte vor diese Epoche gesetzt werden; — dieses Beharren bei jetzt ganz unhaltbaren Ansichten kann nur daher rühren, daß die Hauptfrage über den Einfluß der persischen Herrschaft noch nie genügend besprochen und in ihren Einzelheiten mittelst einer fortgesetzten Vergleichung der Schriften und Monumente untersucht worden ist. Letronne hat demnach einem dringenden Bedürfnisse der archäologischen Forschung entsprochen, indem er seine oben angedeuteten Untersuchungen, deren Veröffentlichung durch die Entdeckungen Champollion'S unterbrochen worden waren, jetzt, wö man alle Mittel besitzt, durch Zusammenstellung und Prüfung der beidcrartigen Quellen zu einem be stimmten Resultate zu gelangen, wieder ausgenommen und der Welt vor- gelegt hat. Seine Denkschrift ist jedoch nicht blos für die Geschichte der Kunst und Sitten von Bedeutung, sondern hat diese auch für die Geschichte der Wissen schaften. Von dem Zustande derselben bei den alten Aegyptern hat man sich nämlich seit Bailly im Allgemeinen eine sehr hohe Vorstellung gemacht, und heute noch schreiben unterrichtete Personen diesem Volke mathematische und astronomische Kenntnisse in einem Grade zu, von dem man zu der Zeit, wo Griechen wie Plato und Eudoxus Aegypten besuchten, keine Spuren findet, Kenntnisse, welche die alexandrinische Schule durch ihre eigenen Anstrengungen Punke für Punkt erst wicdcrgewinnen mußte. Um das Verschwinden dieser vermeinten Wissenschaft zu erklären, nimmt man seine Zuflucht zu Eroberungen und Umwälzungen, welche Aegypten zerrüttet, seine Einrichtungen zerstört, seine Priester-Kollegien zerstreut und ihre gelehrten Doktrinen vernichtet hätten. Wenn sich nun aber zeigte, daß diese unglücklichen Einwirkungen niemals statt gefunden; daß in Aegypten, wie in China, die fremden Invasionen von sehr schwachem Einflüsse auf Lie Landesverhältnisse waren, und daß im Gegenthcil die ägyptische Civilisation ihren eigenthümlichen Charakter rein bewahrt hat von SesostriS bis Alexander, so würde auch dieses Verschwinden der Wissenschaften zu einer grundlosen Hypothese werden, und es wäre dann be wiesen, daß zu den Zeiten des Plato und Eudoxus die Aegypter gerade noch alles das wußten, was sie in den blühendsten Zeiten ihres Reiches gewußt hatten. AuS der Unvollkommenheit der Kenntnisse bei eben so einsichtsvollen als von Eifer beseelten Schülern, wie die Griechen, ginge nothweudig hervor, daß auch ihre Lehrer nicht mehr besessen hätten, und diese vermeintliche Urweisheit der Aegypter, so wie die der Inder und Chinesen, würde dahin gehören, wohin die neuere Forschung schon so manche Urheiten glücklich verbannt hat. ES kann hier von vorn herein die Behauptung ausgesprochen werden, für welche die Letronnische Abhandlung neue Beweise beibringt, daß eS vor der Schule zu Alexandria keine wahrhaft so zu nennende Wissenschaft bei den alten Völkern gegeben hat. Bei Untersuchung der Frage, ob die persische Eroberung in dem inneren Zustande Aegyptens so große Veränderungen hervorgcbracht habe, als man gewöhnlich annimmt, muß man auf den Zustand des Landes in der Zeit vor Kambyses, 525 vor Chr., zurückgehen. Man muß darüber gewiß werden, ob in diesem Jahrhundert, seit der Niederlassung der Griechen, wirklich so zahlreiche Zeichen des Verfalles der Künste und Einrichtungen sichtbar werden, und ob die Kraft, welche die gigantischen Werke von Theben und Memphis aufgeführt hatte, geschwächt war oder noch ungestört fortwirkte. I. Bis aus die Zeit des Psammetichus, um <i«>0 vor unserer Zeitrechnung, war Aegypten nicht nur, wie aus dem bestimmten Zeugnisse Herodot's allgemein bekannt ist, allen übrigen Völkern gänzlich verschlossen, sondern auch den Griechen überhaupt so ganz unbekannt, daß es, wie wir in der Odyssee sehen, als ein Land der Wunder und Fabeln mit Italien und Sicilien noch jenseits ihres geographischen Horizontes lag. Ja, bis zur Gründung von Cyrcne kannten selbst die Bewohner der Cykladcn die Lage von Libyen so wenig, daß nur ein kretischer Schiffer, welchen einst die Winde dahin verschlagen hatten, den Weg zu führen im Stande war. Aegypten und Griechenland hatten bis her durchaus keine Berührung mit einander gehabt. WaS man von ägyp tischen Kolonnen des Jnachus, Cecrops und DananS erzählt, ist u posteriori erfundene Geschichte, von der die alten Griechen nichts wußten. Selbst die Erwähnung des hundertthorigen Thebens in der Ilias (IX, Z8I) wird von den Kritikern für eine spätere Interpolation gehalten, und eben so sind die augenscheinlichen Achnlichkeiten der Religion beider Länder aus künstlichen Assimilationen entstanden, welche der Zeit nach Psammetich angeboren. Dieser, der mit Hülfe der Ionier und Kurier seine n Mitkönige besiegt und sich zum Alleinherrn Aegyptens gemacht hatte, öffnete deshalb den Griechen das Land, gestattete ihnen Niederlassungen und begünstigte sie auf alle Weise, erst um durch ihre Unterstützung seine Herrschaft zu sichern, dann wohl auch aus Ueberzeugung, welche Vortheile für ihn aus dem Handel entsprängen, der außer den Griechen auch noch von den Phöniziern betrieben wurde. Die Griechen fanden hier eine neue Welt, ihr Genie wußte die Vorzüge dieser uralten Civilisation zu schätzen, und wenn sie von den Aegypter» auch nicht Geschmack gelernt haben, so muß man doch als gewiß annehmen, daß sie sich ihre so bedeutend ausgebildete Technik aneigneten, vermittelst deren sie in ss