Volltext Seite (XML)
«r. NS. Erscheint: Täglich früh 7 Uhr. Inserate werden «igcnommrn: bis Abend-v,Sonn tags bis Mittags 12 Uhr: Mariensiraße 18. Anzeig, in dies. Blatte, da« jetzt in 10.000 Exemplaren erscheint, finden eine erfolgreiche Verbreitung. 4. Derbe. 1864. Abonnement: Vierteljährlich 2üNg7- bei uncntgcldlicher sernng in's Hau?. Durch die Königl. Pos! vierteljährlich 22 Ngr. Einzelne Nummern l Ngr. Anseraienpreise: Für den Raum einer gespaltenen Zeile: 1 Ngr. Unter „Einge sandt" die Zeile L Ngr. Druck und Eigenthum der Herausgeber: ikitpsch öl Rtichardt. - Verantwortlicher Redacteur: Julius Neilhardt. Dresden, dm 4. December. — In letzter Gewerbevereinsfitzung wurden zunächst die Geschäfte erledigt. Der Secretär berichtet darauf, daß in Folge einer Aussprache eines fiüheren Vortragenden ein sehr werthes Mitglied in Verlegenheit gekommen sei. Es sei damals gesagt worden: „In Berlin hat man Jaloufienläden, die in Stahlbändern hängen und dadurch größere Feuer sicherheit gewähren, als die am Dresdner Nachhause, bei de nen man nur Hanfgurte verwendet hat. Der Stadtrath fragte sogleich bei dem Verfertiger letzterer Läden, dem Schlos sermeister Herrn Kühnscherf, in dieser Angelegenheit an. Der Vortragende hatte aber die Sache nur oberflächlich angesehen. Jene Gurte haben blos den Zweck, ein Gegengewicht zu tra gen, welches die Arbeit des Ladenaufziehens zu erleichtern be stimmt ist, mit der Festigkeit und Feuersicherheit des 'Ladens aber nichts zu schaffen. Ein zweiter Einwurf, der gegen jene Läden gemacht wurde, erwies sich ebenfalls als falsch. Es wurde nämlich gesagt, es gingen jene Läden in Holz. Sie gehen nicht in Holz, sondern in Eisen. Herr Seifensieder meister Thümmler am Freiberger Platze bezeugt, daß ihm Herr Kühnscherf 6 gleiche Läden gemacht habe, die auch nicht einm Spahn Ho'z weder in der Führung noch sonst wo ent halten. Bei der Aufmerksamkeit, die man sowohl den Ver einsfitzungen, als den Berichten über dieselben schenkt, ist es doppelt nöthig, daß jeder Vortragende seiner Sache gewiß sei, besonders dann, wenn er tadelt oder lobt. — Herr Näh maschinenfabrikant El. Müller stellt eine neue Nähmaschine fär Schuhmacher und Lederarbeiter auf. Es arbeitet diese Maschine äußerst nett und zwar mit 2 Nadeln. Unten ent steht Kreuzstich, oben doppelter Steppstich. Es knüpft sich hieran eine Aussprache über die jetzige amerikanische Reklame und wird festgestellt, daß das deutsche Fabrikat sich sowohl durch Solidität, als durch fortschreitende Verbesserungen vor dem amerikanischen vorteilhaft auSzeichne. Besonders freudig wird die Mittheilung ausgenommen, daß sich Dresden auch in Amerika einen Markt in diesem Fache gesichert habe. — Herr Kaufmann Harnapp legt eine Riemenscheibe vor, die auf eine neue, vortheilhafte Art auf den Axen befestigt werden kann, Der Form nach ist dieselbe von anderen nicht unter schieden. Die Nabe ist aber geschlitzt und hat an beiden Seiten des Schlitzes Backen mit ein oder mehreren Löchern. Durch diese Löcher werden Mutterschrauben gesteckt, mittels deren die Nabe fest zusammengezogen und die Scheibe dicht auf die Welle befestigt wird Die Vortheile, welche di, Er findung (es rührt dieselbe von dem Obermaschinenmeister der Dampfschifffahrt Herrn Reichel her) gewährt sind folgende: die Welle wird nicht durch eine Nuth geschwächt und dabei auch die Arbeit, welche das Ruthen erheischt, erspart. Das Verstellen der Scheibe kann auf die ganze Länge der Welle ausgedehnt werden, selbst, wenn dieselbe nicht ganz abgedreht ist und nimmt gegen die frühere Befestigungsart eine viel kürzere Zeit in Anspruch. Die Scheibe legt sich dicht und fest an die Welle an, so daß jeder Theil der Nebenfläche die Welle berührt, wodurch eine weit größere Festigkeit gegen früher erzielt wird. Die Scheibe wird nicht, wie bei dem Anlreiben mit dem Keil, von der Welle abgetrieben und wenn die Lage einmal bestimmt ist, nicht wieder verrückt. Unglücksfälle, wie sie schon so oft durch Hängenbleiben des Riemens am Keil vorgekommen sind, werden ganz vermieden. Außer auf Riemenscheiben ist diese Erfindung auch auf Zahn räder und alle anderen rotirenden Maschinentheile patentirt. Wer sich für dieselben näher interessirt, kann dieselben auf dem Dampfschiffbauplatze zu Blasewitz in Thätigkeit sehen. Herr Echloffcrmeister Schwab legt eine neue Art von Schau- fensterlädcn in einem Model vor. Es haben dieselben zugleich den Zweck, die Einsätzläden, die bei ihrer Handhabung zu viel Zeit, Kraft und Raum beanspruchen, zu verdrängen. Die Schwäbischen Läden erfordern einen Falz in der Mauer, der von nur geringer Breite und der Höhe des Ladens ist. Vor demselben ist ein Verschluß, eine Art schmaler Thüre. Der Laden selbst besteht aus Blcchtafeln, die in Eisenrahmen ein- gespannt sind, mittels Bändern zusammengelcgt, durch Riegel oben und unten befestigt und durch 3 Schlösser so verschlossen werden können, daß ein unbefugtes Oessnen kaum zu denken ist. Wird der Laden aufgemacht, so legen sich die einzelnen Theile wie die Blätter eines Buches auf einander und werden dann durch einen einzigen Schub in den Mauerfalz einge schoben und durch die Thüre hinter demselben verschlossen. Die Festigkeit des Hauses wird durch diese Vorrichtung keines wegs geschwächt und das Oeffnen und Schließen ist in we niger als einer Minute besorgt. Der Apparat erregte Aus sehen; man erkannte, daß er praktisch ist und so werden wir ihn bald im Großen ausgeführt sehen. Herr vr. Rentzsch legte einen Bierling'schen mit Kohlenhitze gebackenen Stollen zur Beurtheilung vor. Es fand derselbe allgemeinen An fang und ließ nur einen Wunsch übrig, den nach — mehr. — Der Chorgesangverein „Euterpe" feierte am Freitag in Braun's Hotel sein drittes Stiftungsfest und hatte, wie alljährlich, zu diesem Zwecke ein Concert veranstaltet, dessen Hauptinteresse in dem zweiten Theile bestand, welchen eine hier noch nicht zu Gehör gebrachte Composition von Sigis mund Neukomm: „Hochgesang von der Nacht" für Solo- und Chorgesang mit großem Orchester ausfüllte. Die wackere Aus führung dieser gediegenen und schwierigen Tondichtung gereicht dem jungen Verein, sowie namentlich seinen! Dirigenten, Herrn Hoforganist Ed. Kretzschmer, zur größten Ehre; die Solopar- tieen waren bei Frau Jenny Kretzschmer, Herrn Hofopern sänger Weiß und Herrn Elmendorfs in guten Händen. Das Laade'sche Musikchor brachte den instrumentalen Theil zu sei ner vollen Geltung. Nach beendigtem Concerte folgte ein heiterer Ball. — Gestern Abend in der fünften Stunde meldete man plötzlich unterm Rathhaus: daß im Keller des Hauses Nr. 15 am Altmarkt der Ausbruch eines Feuers geschehen sei. An Ort und Stelle geeilt, drang unaufhörlich der Rauch aus der Tiefe und die Veranlassung war folgende. Zwei Markt helfer aus dem Geschäft von C. A. B. Schmidt, waren in den Keller geschickt worden, um Spiritus abzuziehen, der dort in drei Eimern lagerte. Die beiden Leute bedienten sich hier bei unvorsichtiger Weise eines offenen mit einem Taglicht ver sehenen Leuchters. Bei dem Aufdrehen des Hahnes geht die Spille los, der Spiritus entquillt und entzündet sich sofort an der Flamme des Lichtes, womit man dem Fasse allzunah gekommen. Es waren sofort zwei Spritzen auf dem Platz die aber hier keine Thätigkeit entfalten konnten ; man bediente sich viel mehr der in solchem Fall schon so oft bewährten Bucherschen Feuer- löchdosen, wovon schleunigst drei Stück in Anwendung kamen. Außerdem wurden zur Verhütung ferneren Umsichgreifens und zur Erstickung des Brandes starke Quantitäten Dünger in die Kellerlöcher und Eingangs gestopft. In der achten Stunde war der ausströmende Rauch und Oualm noch bedeutend, man hoffte jedoch sehr bald dem drohenden Elemente völlig Einhalt zu thun. — Aus Amsterdam wird berichtet: Ein glänzendes Re sultat krönte gestern Abend die erste Vorstellung von Wag- ner's „Tannhäuser" im Stadttheater. Ohne bereits jetzt in Details zu treten, was wir uns für eine zweite Aufführung vorzubehalten wünschen, müssen wir indeß mit allen Zuschau ern gestehen, daß alle Hauptrollen ausgezeichnet ausgefüllt wurden. Der Tenorist Tichatschek als Tannhäuser machte durch seine Helle, kräftige Stimme, durch seinen reichen Vor trag, durch seinen vortrefflichen Ausdruck den größten Ein druck im Duett mit Venus und mit Elisabeth in seiner größ ten Scene vom letzten Acte war er der große Sänger, der routinirte Schauspieler, der alle seine Nuancen zur Geltung bringt, der überall den wahren Ton anzuschlagen weiß. — Vorgestern sind die Reservegewehre der Leipziger Jägergarnison aus dem Schlosse Pleißenburg per Leipziger Bahn nach Dresden befördert worden. — Nachdem gestern früh 7 Uhr der 16. Zug österrei chischer Truppen angekommen und um 9 Uhr wieder abge reist war (Parkbespannungsescadre Nr. 27 — 2 Offiziere, 87 Mann, 136 Pferde und 5 Fuhrwerke), trafen Nachmittag 2 Uhr die zweite Abtheilung der Parkbespannungsescadre (2 Ossiziere. 87 Mann, 138 Pferde und 5 Fuhrwerke) und außerdem ungefähr 400—500 Mann ausgediente Mannschaf ten der in den Herzogthümern verbleibenden Brigade „Kalik", hier ein und gingen um 4 Uhr Nachmittag nach Böhmen weiter. Gestern Abend um 5. 7 und 10 Uhr sind die letz ten Transportzüge — Windischgrätzdragoner führend — hier durchpassirt. — Ein bei einem hiesigen Handwerker in Arbeit stehen der Geselle erhielt in diesen Tagen von seinem Meister den Auftrag, in Begleitung seiner Lehrlinge sich auf ein in der Nähe gelegenes Dorf zu begeben und dort eine Arbeit zu verrichten, mit deren Ausführung der Meister betraut worden war. Zwischen dem Gesellen und den Lehrlingen herrschte aber nicht das beste Einvernehmen, weil er verschiedene Un artigkeiten der Letzteren abgestellt hatte, die ihnen unter sei nem Vorgänger ungerügt durchgegangen waren. Deshalb hatten denn auch die Lehrlinge ihre gleichzeitige Verschickung mit dem Gesellen auf das Land als willkommene Gelegenheit begrüßt, um ihm einmal Etwas auszuwischen. Auf dem Rück wege nach der Stadt, unweit Blasewitz, wurde der Geselle urplötzlich von mehreren dem Arbeiterstandc angehörigen jun gen Leuten attaquirt, die ihm dort aufgelauert und nach ihm mit Steinen warfen. Jedenfalls waren sie von den Lehrlin gen hierzu gedungen worden, und würden im Verein mit die sen sich sicher über den Gesellen recht ordentlich hergcmacht haben, wenn nicht zum Glücke für Letzteren ein unbekannter Herr zufällig dazu gekommen wäre, der sich seiner freundlich angenommen und ihn bis in die Stadt begleitet hätte. — Am l.d.M. hatte in Leipzig ein Fabrikant aus Glau chau die Theatervorstellung besucht und vermißte bald nach dem Austritte aus dem Theater seine Brieftasche mit 1200 Thaler. Die Rocktasche, in der sich letztere befunden, war etwas aufgcrissen, und so vermuthet man, daß ihm die Brief tasche beim Herausgehen aus dem Theater gestohlen worden ist. Einigermaßen Schuld bei seinem Mißgeschick trägt er insofern, als er die mit einer so bedeutenden Werthsumme be schwerte Brieftasche in eine Außenbrusttasche seines Ueberzieh- rockes gesteckt hatte- — f Oeffentliche Gerichtsverhandlung vom 3Z December 1864. Ein Verbrechen, das glücklicherweise lange nicht zur Sprache kam in diesem Saale, gelangt heute zur Aburtelung, es ist Meineid. Zwei Angeklagte erschienen vor dem Richter, Jeder von ihnen bringt einen Vertheidiger mit, die Herren Advocat Schanz und Kuntzsch. Die erste Ange klagte ist Johanna Christiane Haase aus Niedersteina, 21 Jahr alt. In den letzten Jahren diente sie bei einer gewissen Alter mann bis Ostern 1863, dann in Leuben bei Büttner bis zum Juni: In diesem Monat wurde sie in der Klinik in Dresden entbunden, ging dann wieder in Dienst zum Handelsmann Meier auf der Töpfergssse. Bestraft ist sie noch nicht, wohl aber aus eigner Schuld in Untersuchung gewesen. Sie saß 12 Tage in Haft, weil sie erzählt, sie hätte heimlich ein Kind geboren und es im Garten begrabrn. Es stellte sich aber heraus, daß das Ganze eine unnütze Lüge war; denn sic war noch gar nicht niedergekommen. Auch heute scheint ihre Unklugheit die Schuld zu sein an ihrem Erscheinen auf der Anklagebank. Ihr Nebenmann auf dem ominösen Platze ist der Oeconom und jetzige Agent Friedrich August Lehmann zu Dresden, 39 Jahre alt. Er hat Frau und Kinder, Ver mögen besitzt er nicht, seine Frau hatte noch 1000 Thlr.,' von denen sollen aber schon 4 bis 500 Thlr. verlebt sein; denn die Oeconomie betreibt er nicht mehr; er kauft und verkauft „Papiere", auch vermakelt er Grundstücke. Er ist der Anstiftung zum Meineide beschuldigt. Wegen eines Gutes entstand ein Prozeß der Lehmannschen Eheleute gegen die verehelichte Altermann, in welchem die Angeklagte Haase als Zeuge fungirte. Im August 1863 stand Termin in der Sache an und zwar am König!. Gerichtsamt im Bezirksge richt. Da mußte die Haase schwören. Wie schon erwähnt, diente sie bei einer gewissen Alterman und diese ist die Schwiegermutter der Angeklagten Lehmann. Beide, die Al termann und die Haase saßen eines Tages zu Hause und nähten. Es wurden dabei gewöhnliche Sonntagsgespräche gepflogm. Die Altermann sprach von ihrer Tochter, der verehelichten Lehmann und sagte unter Andrem zu ihrer Dienstmagd: „Das L (meine Tochter) hat mich verklagt wegen des Gutes, der schlechte Kerl auch. Nun soll sie es aber grade nicht kriegen, sie weiß es, der Pastor weiß es auch. Sie würde das Gut erhalten, wenn sie nur ge folgt hätte!" Dieser letzte Zusatz ist nun das Fundament der heutigen Anklage. Aber es schwanken hier die Lesearten. Man weiß nicht, ob die Altermann gesagt hat: „wenn sie nur gefolgt hätte" — oder: „wenn sie folgt!" Die Haase mußte nun beschwören, was die Altermann zu ihr an jenem Sonntage gesagt und dabei soll sie den Zusatz: „wenn sie folgt" weggelassen, also wissentlich Etwas verschwiegen haben. Die Aussagen der Haase, die häufig von Thränen begleitet sind, sind unklar, schwankend, man kann das Richtige nicht herausfinden. Daß sie den Meineid nicht mit Willen ge schworen, darüber wird der Zuhörer im Laufe der Verhand lung klar. Selbst der Herr Staatsanwalt Held läßt mitten in der Verhandlung die Anklage gegen die Haase fallen, das Schicksal Lehmanns legt er in die Hände der Zeugin Homela. Ja, cr verzichtet sogar auf die Abhörung der meisten Zeugen. Nur die 51jährige Zeugin Johanna Christiane Homela aus Groß-Dobritz wird abgehört. Sie belastet sehr den Ange klagten Lehmann. Er soll sie aufgefordert haben, gerade so vor Gericht auszusagcn, wie die „Male," ^o wurde die Haase immer genannt. Das bestreitet er heut ihrer in Gegenwart.' Herr Staatsanwalt Held bezieht sich im Anfänge seiner Rede zuerst auf die Haase. Ihre Sache stellt sich heut ganz an ders dar. Eine Vcrurtheilung sei unmöglich. Was den Lehmann betreffe, so sei es zu bedauern, daß er noch immer mit der Wahrheit zurückgeblieben. Wenn noch ein Verdacht auf Anstiftung zum Meineide gegen ihn vorliegt, so ist er selbst die Schuld daran. Indeß es fehlen Beweise und Herr Held beantragt auch hier die Freisprechung. H rr Advocat Richard Schanz nennt die Haase, seine Clientin, einen Spiel ball der Criminaljustiz, da sie schon wegen Verbrechen in Un tersuchung und Haft gewesen, die sie gar nicht begangen. Sie erzählte von Kindermord, von Verheimlichung der Schwangerschaft — und doch hatte sie noch gar nicht ge boren. Zwei Vorwürfe seien ihr zu machen, die zwar zu ihren Ungunstcn im Ganzen sprechen, in diesem Falle hier ihr aber nur