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«1. Jahrgang. O WL. Sonnabend, 14. April 1V17^ R8SS Drahtanschrift: 8rrnsprrcher.Sa»in«ln»nw,«r: »»ALI. Rur sür Slachlg.sprLch«: , «» v^»«, b»t Aul»»«, <M> S»m>- „d nur et» > Mg) , » «., U» d«, »«orte, ».« «. »et ckmnaU,»r Z»st«»»n, durch d<e Post 3,»« M. <«»n« B«Ite0g«I»>. I N»»,l«. LU einhaltt^ ZrU« <et»« » SU»«,» » Vi v»rp>g»p<tHe »nd in Rnmmern I „ch««»«> -»ui»»rti,««,ftr»^Lora»U>«»cht»,,. »<t««dIa1lI»VI. Schristleitung und LxnqttgftchSstaft«!«- Moricnstratz« »8 40 Druck u. »erlag von Slepsch » «eich«»» in Dreobea »» Mi« dexütche, vue»»^,«^« (.D,e«d»r u«zr.>) ^uiUM. — Un»ert«^«e Schriststiicke »erden nicht »»ibewidrt. Friedensbestrebungen der russischen Mbeiterrater. Mridle m>» ftenoIN Nb« Uri« u»b Friede». — Slnleudr «acht »« bradiiariiche» Realer»», in «»bland. — Rniiische «rbeit« i« »b«Itea Rrieaarat. — Sine »e»e Hetzrede Llatzd «rarg». — Eine Rnndaebu», des sranrWche» Rrieirminifterr. Her deutsche Nbendberlcht. V«,li». 1». «»ril. adeuds. sAmtttch. «. T. v.s Sei «rra» kei» Kamps Starkes Feuer »ur bei Sulleeaurt. U« der«iS»e«Fr»»t. besonders »Srblich von Reims. dauert di« «rtilerieschlacht a». Bei «uberive sCiampagues scheitert« «i« srauzösischer An- »riss. I» Oste« nichts von Bedeut»««. Der österreichisch.ungarische Kriegsbericht ist bereits im Vorabend-Blatte enthalten. der englische Welttonrern. Der englische Machtkonzern hat sich in den letzten Wochen ganz beträchtlich eriveitert. Der Eintritt der Ver einigten «Staaten in den -Krieg hat die englisch-amerikanische Interessenverflechtung, auf die hier seit langer Zeit schon bingewiesen worden ist, offenbar werden lassen und dürfte auch eine Reiche weiterer Kriegscrkläruidgen iin Gefolge haben. Vorläufig hat Kuba die Beziehungen zu Deutsch land abgebrochen und die Kriegserklärung ausgesprochen. Uebcr die Haltung Brasiliens ist bis zur Stunde amtlich nichts bekannt, man kann aber kaum Saran zweifeln, üah auch die brasilianische Regierung dem Beispiel Nord- awerikas folgen und, wenn nicht den Krieg erklären, so doch die Beziehungen zu Deutschland abbvechen wird, viel leicht in der Tat schon abgebrochen hat. Dasselbe kann von Guatemala und Peru gesagt werden, von Panama, das seit langem nichts anderes als ein Vasall -er Bereinig ten Staaten ist, ganz zu schweigen. Argentinien bleibt, wie Chile, neutral, soll aber nach Reuter die „Gerechtig keit" des Schrtttes Wilsons anerkannt haben. Heute ist also, abgesehen von diesen Ausnahmen und abgesehen von den Fenerländern, die sich heute vielleicht sagen: „Wir Wilden sind doch die besseren Menschen", so ziemlich der ganze amerikanische Kontinent mit England, Frankreich, Rußland und Italien, Portugal, Serbien und Rumänien, China, Südafrika und Australien vereinigt gegen Deutschland. Das ist, wenn man etz äußerlich betrachtet, ein Meisterstück der englischen Diplomatie und kann nach englisch-amerika nischer Ansicht ein Erfolg für die Zukunft werde», der einen Weltkrieg und die Milliarden, die die Herren der Londoner Litn und der Neuuorker Wallstreet darin in vestiert habe», wert ist. Der englische Konzern hat nahezu die ganz« Welt unter feine Botmäßigkeit gebracht und hat. wie man vor dem Kriege gesagt haben würde, ein „neues Gleichgewicht »er Mächte" geschaffen — ein Gleichgewicht, das im Gründe natürlich nichts anderes als die Stabilisier»«« des englischen UehergewtchtS. der eng lischen Vorherrschaft bedeutet. Das war auch schon früher so. als König Ebnard und nach ihm Lord Grey unter dem Feldgeschrei ,ch»l»n« ok poner," die europäische Gin- kreisung Deutschlands vollendeten. Heute sehen wir, wie die englische Politik den Versuch macht, möglichst alle Staa ten der Welt in den Bann der EinkretsungSidec zu ziehen, gleichzeitig aber Englands Vormachtstellung in Europa fester zu verankern. Die Ausdehnung her Einkretsungs- politik auf überseetzsche Staaten bat für die augenblickliche kriegerische Auseinandersetzung keine sonderliche Bedeu tung. man dürste sich auch in England klar darüber sein, daß weder Brasilien noch sonst ein Staat, der möglicherweise uns noch den Krieg erklärt, große Waffenhilse leisten kann. Der einzige augenblickliche Gewinn besteht in den deutschen Schiften, die hier und dort noch in Beschlag genommen wer den können. Damit ist aber angesichts der gegenwärtigen Wirksamkeit unserer Unterseeboote nicht viel erreicht. Um so mehr erwartet man in London von der Zukunft. Durch die Einreihung Chinas und Südamerikas in den englischen Machtbereich soll Deutschlands wirtschaftlicher Entwicklung da- Wasser abgegrabe«, sollen die ausgedehnten und anfnahmesähtgen Absatzgebiete der überseeischen Welt dem Leutsche« Handel und der deutschen Industrie verschlossen «erden. ES handelt sich also um die politische Ergänzung de- seit langem eingesührte» Systems der Schwarzen und Grauen Listen. Eine Häudlerpolitik, der man aber den großen Zug und die Zielbewusstheit nicht absprecheu kann. Durchsichtiger noch als England- Ueberseepolitik stnd Lie Versuche, die von den Londoner Machthabern heute zur Sicherung und Ausdehnung der englischen Machtsphäre tn Europa gemacht werden. In diesen Tagen ging «ine Mel. dun- über Verhandlungen der englischen Regierung mit dem russischen Ereftttiv-AuSschuß durch die Presse. Danach sollt« England als Sicherbett für di« bisher geleistete uard in Zukunft noch zu leistende Geldhilfe von Rußland die Ver pfändung einiger Stützpunkte am Rigaischen und Finnischen Meerbusen und die Abtretung einiger beute von Deutsche land besetzten Gebietsteile an der Ostsee verlangt haben. Dieselbe Forderung hatten, wie gemeldet wurde, die eng lischen Teilnehmer an der Petersburger Konferenz dem Zaren gegenüber erhoben, waren aber abschlägig beschiedeu morden. Bei dem Exekutiv-Ausschutz scheinen sie mehr Glück zu haben, wird doch sogar gemeldet, daß die russische Ostseeflotte unter englisches Kommando kommen solle. Würde England sein Ziel erreichen, dann wäre der russische ! Teil der Ostsee englisch geworden, Rußland also noch mehr vom Meere abgeschnitten, als es bisher der Fall war, gleich zeitig aber Schiveden und Dänemark in die englische Macht sphäre einbrzogen. Zwar weiß man, daß England seit langer Zeit schon Rußland die Dardancllen-Durchfahrt ver sprochen hat, schon im ersten Stadium des Krieges haben aber die Engländer die den Dardanellen vorgelagerten Inseln besetzt und sich dadurch die Möglichkeit gesichert, von vornherein Rußlands Secgcltung im Mittelmecr für den Ernstfall illusorisch zu machen. Wird nun Rußland auch von der Ostsee abgeschnitten, dann ist es späterhin vicllcich! noch ein großer Staat, nicht aber eine Macht, die selbständig in der großen Politik nntrcdcn kann. Es wäre linier eng lische Vormundschaft gekommen »nd könnte nur die Politik treiben, die ma» in London gutheißt. Da gleichzeitig der allgemeine politische und besonders der wirtschaftliche Ein fluß Englands, und waö dasselbe heißt, Amerikas tn Ruß land während des Krieges stark zngcnommen hat, ist immerhin eine gewisse Gewähr dafür gegeben, daß Rußland bei der englischen Stange gehalten werden kann. Alles kommt jetzt darauf an, ob sich eine russische Regierung zu den von England gewünschte» Abtretungen entschließen kann. .Ist das der Fall, dann befindet sich Rußland den Londoner Machthabern gegenüber in derselben Lage, wie seit Kriegsausbruch schon Frankreich. Hundert Jahre lang haben die französischen Könige um Calais in früherer Zeit gekämpft. Heute ist die Stadt wieder englisch geworden und Boulogne und Le Havre dazu. Heute befinden sich auch die Franzosen in so starker finanzieller Abhängigkeit von England und Amerika, daß gar nicht abzusehcn ist, wie sic sich davon wieder befreien können. Der krieg mag aus- gehcn, wie er will, eine selbständige Großmacht wi'-K Frank reich nach dem Kriege nicht mehr sei», und Rußland nur in dem Falle, daß es gewaltsam einen Schnitt macht und den Kops ans der englischen Schlinge wieder hcrauszieht. Rußland hat die Möglichkeit, mit Deutschland und seinen Verbündeten einen ehrenvollen Frieden zu schließen, und diese Möglichkeit bedingt, wie die Dinge heute liegen, für das russische Reich die andere, in der Zukunft eine selbständige Politik zu treiben, eine wirkliche Großmacht zu bleiben. Andernfalls wird cs eine Beute des großen politischen Trusts, unter dessen Gewalt England und Amerika die Welt zu zwingen suchen. Es ist heute noch nicht abzuschen, in welcher Gestalt das neue Rußland aus dem brodelnden Kessel der Revolution erstehen wird, welche der sich vielfach kreuzenden «nd widerstrebenden Kräfte schließlich den Sieg davontragen werben. Im Gefühl ihrer Stärke, das auch durch -te diplomatischen Erfolge Englands nicht gemindert wirb, sehen die Mittelmächte dem schlicß- lichen Ergebnis entgegen. Fester als te stehen sie zu sammen und vertrauen auf den Sieg. Sie bieten heute in hartem Kampfe dem englischen Wcltkonzeru die Spitze, sie werden «ach dem Kriege so stark und sicher dastehen, daß sie ihm. wofern er überhaupt den Krieg überdauert, wo fern nicht das kunstvoll geflochtene Netz plötzlich Löcher bekommt, auch wirtschaftlich und diplomatisch gewachsen sein werben. Wenn die Welt nach dem Willen Englands in Trümmer gehen soll, uns werden die Ruinen tragen. Mit diesem Bewußtsein gehen wir in de« Entscheidungskampf und werden siege«. Ariede»«bestr»bunger> de» russischer» Arbeiterrates. b. Die „Mitteilungen des Arbeiterrates" schreiben: Da die provisorische Regierung die auswärtige Politik in dem volksfeindlichen Geist« des alten Regimes fortführen und dem Krieg« kein Ende M setzen gedenkt, beschloß der Arbei terrat, der die Macht in Petersburg besitzt, derproviso» rischen Regierung die Bestimmung über die äußere Politik zu entziehen. Der Arbeiterrat setzte ein eigenes Komitee für auswärtige An gelegenheiten et«, das allein -a- Vertrauen des Volkes be sitzt. Da» Komitee wir- sofort direkte Friedens unterhandlungen mit dem Feinde aufnehmen. Eine Sonderabteilung reist nach Stockholm zur sofortigen An bahnung von Unterhandlungen. Ginkeude Macht der p>»»is»rische» Regier«»-. b. Gin a«S Petersburg in Stockholm eingetrofseuer Herr, der mit den poitttschen VerRft'üisieu Russland» genau beknnet ist und Beete bar^u zv. . "Listen Radikalem hat, gibt dem Stvckhvlnrer Korrespondenten der „Tgl. Rdsch." folgende Schilderung der politischen Lag«: Die provisorische Regierung verliert von Tag zu Tag mehr an Boden. Die Haltlosigkeit des politischen Kurses und die Unausgeglichen heit der politischen Anschauungen der einzelnen Kabinetts» mitgliedcr, die sich täglich in ihren offiziellen Erklärungen gegenseitig widersprechen, hat das Ansehen der provi sorischen Regierung auf das empfindlichste geschädigt. Durch di« Uneinigkeit zwischen den Regic- rungsmitgliedcrn. speziell zwischen Kerenski und Miljukow, werde kein Beschluß mehr gefaßt, der nicht schon innerhalb weniger Stunden widerrufen werden müßte. In sämtlichen Regierungsinstitutionen und Ministerien herrscht durch die Verabschiedung der alten Beamten und di« Neubesetzung durch lmreaukratisch ungeschulie Kräfte größte Unordnung. Die Arbeit wird weiter erschwert durch die Ernennung von Arbeiter- und Svldatendelegierten in allen Behörden, ohne deren Einwilligung kein noch so unbedeutender Schritt unternommen werden kann. Eine erfolgreiche Arbeit ans demokratischer Grundlage zur Durchführung der neuen Reformen ist daher so gut ivi« ausgeschlossen. Die Lebens- Mittelkrise, die in Petersburg durch das Preis- geben -er Jntendanturvorräte an die Bevölkerung für kurze Zeit behoben worden war, beginnt von neuem sich drohend geltend zu machen, da die ausgcstapclteu Borräte bis anf unbedeutende Rcstbcstände verbraucht sind. Die auf allen Transportwege» herrschende Unordnung, die in keiner Weise hinter den Zuständen vor der Revolution zurücksteht, läßt eine ausreichende Versorgung der Indu striezentren für die nächsten Monate als ausgeschlossen er scheinen. Mit immer größerem Nachdruck drängen sowohl i dcr Soldatenrat wie der Arbeiterausschuß auf beschleunigte Einberufung der konstituierenden Versamm lung, um von der provisorischen Regierung endgültig be freit zu werden, nm die Macht, die sic tatsächlich schon be sitzen. auch offiziell in ihre Hände zu erhalten. Die klar blickenden russischen Patrioten sehen mit größter Unruhe der drohenden Entwicklung der Ereignisse entgegen, da -er politische Kurs unaufhaltsam der Anarchie nnd -er völligen Auflösung entgegenzieht. Durch die in letzter Zeit immer stärker zutage tretenden Gegensätze zwischen den Arbeitern und Soldaten erfährt die politische Lage eine weitere Komplikation. Die Arbeiter Heten immer energischer für einen sofortigen Friedens schluss und für die Durchführung der radikalsten Refor men ein, während die Soldaten eine gemäßigtere Haltung einnehmen. Die Auflösung des russischen Staatswesens könne nur noch eine Frage von wenigen Wochen sein. h. Die „Nowofe Wremsa" schildert die innere Lage in Rußland in sehr schwarzen Farben und betont, daß noch schwere innere Kämpfe zu erwarten seien. Die Partei der Rechten habe sich durchaus nicht mit der Um wälzung abacfunden, sondern treffe Vorbereitungen, um im gegebenen Moment den Kampf mit den Revolutionären aufzunehmcn. Die Führer des neuen Rußlands seien über die Vorbereitungen, die von den Anhängern des alten Regimes getroffen würden, unterrichtet und verfolgten ihre Pläne mit einer gewissen Beunruhigung. Alle Anzeichen sprächen dafür, daß die Reaktion mit allen Kräften die von dem Arbeiter- und Soldatenrat ausgehenden Frie densbewegungen unterstützen würde, um die provisorische Regierung zu stürzen. Zwei Mitglieder des Arbeiterrates im obersten Kricgsrat. Der Korrespondent der „Dativ News" meldet aus Petersburg vom 11. April, die provisorische Regierung habe zwei Mitglieder -«S revolutionären Arbeiterrates in den obersten KricgSrat mit beratender Stimme berufen. Tscheidse uud SereuSki über Krieg uud Friede», d. Tscheidse sagte in seiner Eröffnungsrede zum Kvligreß der Vertreter des Arbeiter- und Soldatenrates u. a.: Die Stunde ist gekommen, wo die Völker sclbsi die Kriegs- und Fried enSfragc entscheiden müssen. Wir können schon jetzt erklären, daß wir uns allen denen anschlicßen werden, die daran festhalten, daß all-- Regierungen von allen Eroberungen abstchen und zur Umarbeitung ihrer Traktate schreiten müssen. In diesen, Geiste müssen wir arbeiten, und unsere Tätigkeit muß end kick, zu einer Liquidierung deS Krieges führen. Als Rcgierungsvertroter ergriff zum Schluß Iustizminister KerenSki -aö Wort, ivelcher sagte: Die Größe -er voll' brachten Revolution besteht darin, daß in und mit ihr -je russische Demokratie anf dem Schauplatz« anstritt, wodurch die Kriegszielc verändert wurden. Die Demokratie will Völker, die in Freiheit, Freundschaft, Gemeinschaft und Brüderlichkeit miteinander leben. Es gibt aber Stunden, wo man seine Interessen wahren muß, und «tu« solche Stunde ist nun da. Darin» wies die russische Demokratie für sich jede Lösung dieses Krieges auf annektiouistischer Basis zurück. Aber solange wir das Wort vom Verzieh, auf Eroberungen jenseits unserer Grenze nicht anssprechen hören, müssen wir auf unserem Posten lnrbleiben und die Freiheit des Skaterlandes verteidigen. Im Namen der Helden, die in diesem Kriege ihr Blut an der Front ver gossen haben, müssen wir jenen Weg weitergehcn, den sie betreten haben, unb danach streben, eine freie, unabhängige nnd mächtige europäische Demokratie zu bleiben. Die Güter des Za re». b. Einer Petersburger Drahtmeldun« zufolge be stimmte die provisorische Regierung: Nicht allein die so genannten Apanagendomänen, sondern auch diesenigen Do mänen, Fabriken. Bergwerke usw., die bisher zum persö». lichen Besitze des Zaren gehörten und als Staatseigentum erklärt werden sollen, werben zukünftig von densenigen Ministerien verwaltet werden, zu denen sie ihrer Natur nach gehören. Die verfügbaren Kapitalien des Zaren sollen nicht beschlagnahmt werden, doch wird etue neue Zivllltste sür die Zarensamilie ausgestellt werde».