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Mimmch, von SS. Mai 187K Nr. 145. Erscheint: Täglich früh 7 Uhr- Inserat« werde» angenomnieu: bisAbeudsü,Sonn tag« bis Mittag« IL Uhr: Maeknstr»»« 18. Anzeig in dies. Blatte finden ein« ersolgreich« Verbreitung. Auslage: 19,000 Exemplare. Druck und Eigenthum der Herausgeber: Litpsch Reich ardt. — Veracktwortlicher Redacteur: ÄUtiUS Nejchardt. Abonnement: Btetteljahrlich 20 Ngr. bei uneutgeldlicherLie- serung iu'S HauS. Durch dir Nöuigl. Post »ierreljährl. 22'/»Ngr Einzelne Nummer» 1 Ngr. Inseratenpreis«: Für den Raum einer gespaltenen Zeile: 1 Ngr. Unter »Eingesandt" die Zeile 2 Ngr. Dresden, den 25. Mai. — Die Erzherzogin Sophie von Oesterreich, Mutter des Kaisers, war für gestern Abend am königlichen Hoflager zu Pillnitz auf Besuch angesagt. Es war bestimmt, daß die hohe Frau den Eisenbahntrain bis Nieder-Sedlitz benutzen, dort aus steigen und sich in bereit stehenden Hofequipagen nach Pillnitz begeben sollte-. — Borgestern Nachmittag sah sich Se. Mas. der König mit seinem Adjutanten den Haifisch am Palaisplatz an und verweilte unter sichtlichem Interesse j Stunde daselbst. — Die König!. Polizeidirection veröffentlicht unter dem 21. d. M. die kolossale Liste aller der Sachen, welche im Rayon der sächsischen Staatseiscnbahn, in den Coupo's, auf den Per rons, in den Wartesälen re. als herrenlos im Jahre 1869 aufgefunden und bisher aufbewahrt wurden. Ihre Zahl geht in die Tausende und finden sich oft sehr seltsame Dinge darunter. — Bei dem norddeutschen Postamte zu Constantinopel sind gegenwärtig als Bundesbeamte angestellt ein Vorsteher, ein Postassistent, ein Bttreaudiener und ein Briefträger, die letzteren beiden sind ihrer Nationalität nach Griechen. Sämmt- ttche Beamte haben Dienstwohnung. Die zunächst im Orient zu errichtende norddeutsche Postanstalt dürfte Alexandrien sein. — Zur Förderung uird Verbreitung des rationellen Huf beschlags hat der landwirthschaftliche Kreiüverein zu Dresden sechs Ehrenpreise von je Zehn Thalern für solche Schmiede ausgesetzt, welche sich im Laufe des Jahres einer Prüfung im Hufbeschlage bei der hiesigen Thierarzneischule unterziehen und solche gut bestehen. — Die Hinterlader sind bekanntlich keine neue Erfindung. Daß sie bereits vor länger als einem Jahrhundert in Sachsen bekannt gewesen, darüber belehrt uns die „Neue freie Presse," welche folgendes erzählt. „Moritz von Sachsen, der Sohn Au gust des Starken und der schönen Aurora von Königsmark probirte am 19. März 1733 auf der Viehweide in Dresden rin Geschütz, dessen Lauf hinten weiter, als vorn war, und Mn hinten mit einer Kugel, einem Korkstöpsel und Pulver ge laden wurde. Das Geschütz stand auf einer Maschine, wodurch <s leicht gerichtet und dirigirt werden konnte und wurde durch rin Lauffeuer gezündet. Die Wirkung des Schusses war über raschend. Die Kugel schlug durch zwei starke Balken durch, und beschädigte auch noch die dahinter befindliche Mauer. Man hat über die weiteren Versuche mit diesem Geschütze nichts ge hört. vielleicht ist cs jedoch dasselbe, welches noch vor 30 Jahren auf der Festung Königstein in der Rumpelkammer lag." — 2Lenn eine vergnügliche Sonntagsfahrt mit erner Privatanklage auf der Landhausstraße dir. I I endet, so muß rrstere wenig Vergnügen geboten haben. Eine solche Episode spielte sich am Abend dcü vergangenen Sonntags vor dem Zimmermann'schen Gasthof im Plauen'schen Grunde ab, wo in der neunten Stunde ein Zweispänner hielt, dessen Insassen sich noch mit einigen Gläsern Bier stärken wollten Während Kutscher und Fahrgäste hierum beschäftigt waren, sauste ein Korbgcflecht heran, beladen mit 5 Dörflern, das auf der Rück kehr von der Residenz zu den heimischen Penaten begriffen, in dem Moment, als es vor demselben Gasthof Behufs bierstoff licher Labung seiner Passagiere hielt, mit den Rüden: die hin tern Pferdeschenkel des Lohnkutschers kratzte, worüber der Letz tere sehr ungehalten wurde und den Dörflern die bittersten Vorwürfe machte. Das Kraut dieser Vorwürfe muß jedoch schon sehr bitteren Geschmackes gewesen sein, denn das Quintett der Korbflechte sprang herab, um den Kutscher zu züchtigen. Da es jedem Gastwirth unangenehm sein muß, wenn ver botene Turnübungen und ungesetzliche Ringkämpfe vor seinem Portale angestellt werden, die mit dicken Köpfen, blauen Augen und krummen Nippen endigen, so schwebte der Wirth als Friedensengel aus dem Hause und legte sich schlichtend in'S Mittel, nicht ahnend, daß er dabei den Kürzesten ziehen würde; denn ein wahrer Wald von Püffen und Ohrfeigen regnete auf ihn herab, bis endlich einige anwesende Dresdner als Gäste das Sonntagsrepertoir änderte und den Plauen'schen Winkcl- rjed, der sich für die Freiheit der Zweispännerei geopfert hatte um» ihr „eine Gasse" öffnen wollte, heraushieben Trotzdem, daß der Zweispänner, in welchem auch einige Damen saßen, schon der Stadt zurollte, wurden die Preiskümpfer vor dem Gasthofe noch lange nicht über den Sieg einig, so daß sogar der eine der Bauern am Halse stark blutete. Die Parteien beabsichtigen nun, auf der Landhausstraße und zivar im Hinter gebäude, wenn auch auf ruhigerem Weg, ihren Kampf um das Recht fortzusctzen. — Ein Reiter, welcher am vergangenen Montag über dm Ferdinandsplatz trabte, verlor einige Banknoten (12 Thlr.) welche ein Arbeiter aufhob u>K» dem Verlierer mit der Zuver sicht, ein Douceur zu erhalten, chrerbietigst überreichte. Aller dings wurde seine Hoffnung zu Wasser, denn als der reitende Herr die beiden Fünf- und die 2 Einthalerscheine wieder in seinem Besitz hatte, ritt er mit einer flüchtigen Handbewegung weiter. — Jener taubstumme Bursche, welcher nach einer län geren Detention im hiesigen Polizeigefängnisse vor mehreren Wochen Gelegenheit zum Entweichen gefunden hatte, ist gestern Mittag durch einm Criminalgendarm in Neustadt zufällig auf der Straße getroffen, wieder erkannt und verhaftet wordm. Merkwürdiger Weise hat der Vagabond die Sprache jetzt wiedererlangt, will aber nicht deutsch, sondern nur polnisch verstehen. — Wie die B. B. Z. erfährt, soll Professor Semper in Zürich, nachdem seine Entwürfe zu dem neuen Hostheater die Genehmigung des Königs erhalten haben und ihn: die Oberlei tung des Baues definitiv übertragm worden ist, mehr und inehr geneigt sein, von der Professur am Schweizerischen Poly technikum zurückzutreten und »rach Dresden überzusiedeln. — In einer der vergangenen Nächte hat, wie uns mit getheilt wird, aberinals ein höchst frecher Diebstahl in einem Grundstücke auf der Albrechtsgasse stattgefunden. Zum Glück für den Hausbesitzer ist der Dieb »roch rechtzeitig und che er die bereits zusammengepackten Diebstahlsgegenstände weggebracht, vom Nachtwächter gestört worden. Leider freilich gelang es ihm, sich der Festnahme durch schleunige Flucht über eine Gar tenmauer zu entziehen. Er hatte aber, nachdem er vorher das Eisengitter vor einen» Souterrainfenstcr gewaltsam aus der Wand gesprengt, mittelst Eindrückens einer Fensterscheibe, und Einsteigenü durch das Fenster bereits Zutritt in das Haus ge funden, als wie gesagt, der Nachtwächter auf das Geräusch aufmerksam gemacht, und so wenigstens das erreicht worden rvar, daß der Dieb gestört und ohne Mitnahme von Werth sachen flüchtig wurde. — Narrenspiel will Raum haben. Das bewies ein Vor fall im Neustädter Rathhause, den der Muthwille und die Langeweile hcrbeiführte. Am Diontag belustigte sich in Neu stadt ein im Rathhause conditionirender Geschäftsführer eines Kleidcrmagazins dainit, Feuerwerkskörper in die nebenan befiird- liche Brodniederlage zu werfen, um die junge Verkäuferin zu necken. Zuletzt versuchte das Mädchen dem Treiben dadurch ein Ende zu machen, daß sie mit der Kohlenschaufel die hin- eingeworfenen Gegenstände hinausschleuderte. Dabei explodirte leider der eine Feuerwerkskörper uird beschädigte das Mädchen so stark an dem einen Auge, daß ein herbeigerufcncr, in diese»: Fache sehr renommirter Arzt sich sehr bedenklich über die Wie derherstellung des Auges aussprach. Man sieht, auch große Kinder treiben gefährliche Spiele. — Am Montag Mittag traf einen Droschkenkutscher an: Ende der alten Brücke in Neustadt ein seltener Unglücksfall. Derselbe, in: Begriff, nach einem der Bahnhöfe zu fahren, wollte eben die Wagenbremse lüften, verlor aber dabei das Ucbergewicht und stürzte so unglücklich auf das Pflaster, daß er unter das Pferd zu liegen kam, welches ihn ein Stück sort- schleifte. Er verletzte sich nicht blos in: Gesicht, sondern cS ging ihm noch ein Rad über den eine»: Arm. — Auf der Sophienstraßc stürzte eine große, für mehrere Fenster berechnete Marquise am Montag Vormittag herunter und wurde eine gerade vorübergehende Frau durch den an der Marquise befindlichen schweren eisernen Stock stark verletzt, so daß sie sofort in ärztliche Pflege gebracht werden mußte. — Einen sehr sonderbarer Diebstahl vollführten einige un bekannte Diebe, indem sie das Pulverhaus der Fundgrube St. Johannes zu Fürstenau bei Allenberg aufsprengtcn und daraus ein Faß Pulver holten, dasselbe vor dem Hause zerschlugen, .50 bis 60 Pfund davon Mitnahmen, das übrige aber auf den Boden schütteten. Es war Sprengpulver, das bekanntlich nicht überall zu verwenden ist. — Am Montag Nachmittag passirte neuerdings eine aus mehrere»: Personen bestehende Zigeunerbande unsere Stadt, die ihre Richtung nach Bölynen zu nah»:. Der kleine Wagen, voi: einem altersschwachen Pferde gezogen, war mit Eoulissensetzen, Seilen und Leitern bepackt. Es schien also das Quintett der „höheren" Kunst zu huldigen. Der Durchzug der Banden durch Dresden wurde von der Gensdarmerie gehindert. — Das Hotel zur Stadt Wien in Neustadt ist durch Kauf in andere Hände übergegangen. Der neue Besitzer soll Canzlcr heißen, früher in Stettin und zuletzt in Schandau Hotelier gewesen sein. Tie Kaufsumme soll 115,000 Thaler betragen. — Bei der Rückkehr in sein, in der Pirnaischen Vorstadt gelegenes Gcschäftslocal fand vorgestern Abend in der 7. Stunde ein Barbicrstubeninhaber einen seiner Gehülfen, einen geborenen Dresdner, an einem zusammengedrehten Handtuche an der Wand hängen. Er befreite ihn sogleich von der gjährlichen Schlinge und brachte ihn durch energische Rettungsversuche bald wieder zum Bewußtsein. — In einer der jüngst vergangenen Nächte find aus einem Parterrelocale in der Pirnaischen Vorstadt rnehrere Betten dadurch gestohlen worden, daß der Dieb die, vor dem Fenster befindlichen Eisenstäbc herausgebrochcn, eine Fensterscheibe ein gedrückt hat und dann in das fragliche Local eingestiegen ist. — Gestern Mittag ward auf der Annenstraße ein kleines Schulmädchen von einem Bierwagen überfahren und nachdem man sie schnell hervorgezogen, von Postbeamten mit verletztem Fuße nach der Wohnung geführt. Den langsam fahrenden Kutscher kann insofern keine Schuld treffen, als das Mädchen nicht auf den Weg sah und ihre ganze Aufmerksamkeit meh reren vorübergehenden, singenden Rekruten widmete. — Dresden wird immer mehr und mehr Weltstadt un steht bald Berlin besonders in Reklame machen nicht nach. In den gestrigen Vormittagstunden engagirte z. B. eine hiesige Firma Schiffner im Ehaisenhaus 2 Dienstmänner, welche ihre Dienstmützen absetzten und dafür jeder einen großen amerika nischen Riesenstrohhut auf ihr „theures Haupt" bekamen, un: nun damit in den Straßen herum zu spazieren. Der Hut des Einen war mit rothem und der des Andern mit gelbein Bande verziert, auch war auf jedem eure Etikette angebracht: „a Stück 5 Sgr." — — Wie oft sind nicht schon sogenannte Gelegenheitsdieb stähle dadurch ausgeführt worden, daß Vorzimmer, in denen sich Kleidungsstücke oder andere leicht zu verbergende Gegen stände befinden, offen 'gelassen werden. Mancher Bettler, der nicht zu stehlen beabsichtigte, hat der sich ihn: bietenden günstigen Gelegenheit nicht zu widerstehen vermocht und ist dadurch zum Diebe geworden. So sind vor wenigen Tagen in Neustadt aus eurem unverschlossener: Vorsaale diverse Frauenkleider ver schwunden, die augenscheinlich eine Frau gestohlen, welche kurz vor de»: Vermissen der Kleider in der fraglichen Wohnung ge bettelt hat. — Auf der goldnen Höhe wurde am 18. d. M. eine von 9 landwirthschaftlichen Vereinen sehr zahlreich besuchte Be zirksversammlung unter dem Vorsitze des Herrn Grafen zur Lippe-Weißenfeld abgehalten. Nachdem der Vorsitzende die An wesenden, unter ihnen auch Militairs, die während des Winters die landwirthschaftlichen Vorträge in Dresden gehört hatten und Seminaristen, denen solche Vorträge seit Kurzem ge halten werden, herzlich begrüßt und auf die Nothwendigkeit der Fortbildung hingewiesen hatte, sprach zunächst Herr -Hofrath Prof. Stöckhardt aus Tharand über die Bedeutung der Mi neralstoffe für die Ernährung der Pflanzen und dann Herr Mcdizüuürath Prof. Heubner, über die Bedeutung der Mine ralstoffe für die Ernährung der Thiere. Im elfteren Vor träge, der durch heiteren Humor gewürzt und durch viele Ex perimente erläutert wurde, wurde gezeigt, daß die mineralischen Bestandtheile einer Pflanze gefunden werden, wenn inan sie verbrennt und die Asche chemisch untersucht, daß sie in ver schiedenen Pflanzen auch in verschiedenen Mengen Vorkommen, und daß sie dem Boden zugesctzt werden müssen, wenn der selbe sie nicht schon selbst in genügender Menge enthält; daß aber selbst der an Mineralstoffei: reichste Boden keine kräftigen Pflanzen zu erzeugen vermag, wenn in demselben nicht auch Stickstoff, der ihn: durch Jauche und Guano zugeführt werden kann, in ausreichender Quantität enthalten ist. Für Samen bildung uiü> Keimbildung ist Phosphor nöthig, der geivöhnlich durch Superphosphat dem Boden mitgethellt ivird oder auch durch den neuerdings in Nassau aufgesundenen Phosphorit in denselben gebracht werden kann. jVersuchc mit letzterem, der durch Agent Schröer in Dresden zu beziehen ist, werden em pfohlen. Kalk uird Talk sind für die Blätter- und Knollenbll düng nothwendig. Der Kalk hat übrigens viele gute Eigen schaften; z. B. macht er den Kali im Boden frei, neutralifirt den sauren Humus und regt' den trägen Huinus zu schnellere Zersetzung an. Der Redner schließt mit folgenden 3 Äufsir deruirgen an seine Hörer: I. Nutzen Sie den Untergrund aus 2. Wo Wasser in: Ucberflusse vorhanden ist, entfernen Sie dasselbe; denn sie wollen Landpflanzen, nicht Wasserpflanzen bauen. 3. Versorgen Sie den Acker reichlichst mit Nährstoffen für Blätter und Samen. — Vor 15 Jahren hatte man den Redner ausgelacht, als er behauptete, daß es bei rationaler Bewirthschaftung möglich sei, 800 Ctr. Runkeln auf dem Acker zu bauen, jetzt hat man bei uns 1250, bei Königsberg 135-' und in Frankreich 1800 Ctr. vom Acker gewonnen. — Nack kurzer Pause begann Herr Medizinalrath Heubner seinen streng gegliederten, anziehenden Vortrag Das Thier bedarf neben stickstoffhaltigen und stickstofflosen auch mineralische Nährstoffe von welch letztere:: Salz, phosphorsaurer Kalk und Eisen un erläßlich sind. Das Salz wirkt als wirklicher Nährstoff, al Heilmittel und als Präservativmittel; der phosphorsaure Ka! der in Samen und Eiern vorkommt, dient zum Aufbau dec Knochengerüstes und wird in Eiern, Jungen und Milch i großen Mengen vom Thiere ausgeführt, muß also zuvor i» der Körnernahrung demselben geboten werden; Eisen schützt di Thiere vor Bleichsucht und ist denjenigen am nötigsten, welck fortwährend im Stalle gehalten werden, sich also nicht auc- arbeiten können. Nachdem dies Wes durch zahlreiche, über zeugende Beispiele erläutert ist, schließt Redner wegen vor.;.