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Sonnabend Nr. 141. 19. August 1843 ßM? Deutsche Allgemeine Zeitung. ZM «Wahrheit und Recht, Freiheit und Gesetz!» Deutschland. SsUon der Eibe. Sicherung gegen Wasserschaden. "Dresden! Die GtaatSschuldscheine. Detmold. Einführung des braun schweigischen Strafgesetzbuches. Lübeck. Die Unruhen. Rechtfertigung des Lieutenants Nachtigal. S Frankfurt a. M. Hoffmann von Fal lersleben. Preußen. Zur Gewerbsstatistik. Spanien. "Paris. Finanzmaßregcln. Die Volljährigkeitserklärung Die Unterwerfung der Junta von Barcelona. General Scoane au Ehrenwort entlassen. Großbritannien. Der Examiner über Graf Krastnski's „Reforma tion in Polen". * London. Ein neues Portfolio. Frankreich. Die ganze Municipalität von Mans ist aufgelöst. Löwe- Weimars als Schutzherr der Katholiken in Bagdad. "Nismcs. Die Äaßregel der Regierung gegen den Vertrieb der Journale. Die Mord- tbat in Mühlhausen. Nievrrlande. "Amsterdam. Anklage eines Journals. Ungewißheit über die Finanzplane. Italien. chNom. Feuersbrunst in den Heumagazinen. Päpstliches Le eret gegen eine Schrift. Schweden und Norwegen, Statistisches über Norwegen. Türkei. "Aonstantinopei. Die serbische Angelegenheit. Griechenland nimmt die Insel Wuwala in Anspruch. Die Unruhen in Albanien. Währung in Bosnien. Nachrichten von Teheran und Erzerum. Jz- zed-Mohammcd. Der österreichische Jnternuntius verwendet sich für die europäischen Juden. Churchill'« Journal darf wieder erscheinen. — Die Streitigkeiten mit Montenegro. Handel undHnduftrte. Kiel. Die schleswig-holsteinische Landes bank. Magdeburg-Leipziger und Magdeburg - Halbcrstädter Eisen bahnfrequenz. Berlin. «nkundigungen. Deutschland. A- ^on der Eide, 16. Aug. Eins der lösungswürdigsten und zugleich hoffnungslosesten Probleme ist: Grundsätze ausfindig zu ma chen, auf welche, analog andern Versicherungsanstalten, Assecuran- zen gegen Wasserschaden zu gründen wären. Da das Wesen der Affecuranz einerseits auf einem in der Gesellschaft weit oder doch in einer breitern Sphäre derselben gleichmäßig vorwaltenden Interesse am Object der Versicherung, andererseits auf einer unter alle Thcil- nehmer gleich verthcilten Gefahr und auf dem angemessenen Verhält nisse des wahrscheinlichen Schadens zur Summe der versicherten Ob jecte und seiner weiten und nicht zu dichten Verthcilung über das ganze Versicherungsgebiet beruht, so nehmen sich Wasserschaden unter diesen Umständen von einer ähnlichen Behandlung wie andere durch Versicherung zu ersetzende oder auch nur zu mildernde Verluste schon von selbst aus. Die bei Wasserschaden, welche nur gewisse kleinere Gebiete, Enclaven der nicht bedrohten Gegenden, fast regelmäßig be treffen, Jnteressirten sind zwar ebenfalls sämmtlich die Gefährdeten, sie sind aber auch die jedes Mal wahrscheinlich sämmtlich Beschädig ten und müßten, als kleine Minorität, auf eine Versicherung unter sich beschränkt — denn nur der Bedrohte versichert — um die Nachthcile unglücklicher Jahre auszugleichen, die Vortheile der glücklichen daran sehen, ohne auch nur entfernt die Chancen der Wahrscheinlichkeitsrech nung für sich zu haben. Hier scheitern die scharfsinnigsten Combina tionen, und der beste Beweis für die Unausführbarkeit der Sache ist der Umstand, daß die industrielle Speculation sie noch nicht ausgebeu tet hat. Nirgend — das Sterben ausgenommen — befindet sich der menschliche Erfindungsgeist mit seinen kläglichen Einrichtungen denNa- turverhältniffcn gegenüber in einer so niederschlagendcn Ohnmacht wie vor den Extravaganzen dieses Elements, welches wie das Lebensblut alles Lebens, so und näher noch auch das alles Wohlstandes und Ge- deihenß' ausmacht, und wo es ausschreitet, sich zum Feuer verhält wie Schlagflüsse zu den Entzündungen: wo jenen nicht vorgebeugt wird oder werden kann, kommt, wenn sie eingetroffen, alle physische Hülfe zu spät. Wenn man dir misliche Lage der, wie die Sachen stehen, unausbleiblichen Ueberflutungen fortwährend ausgesetzten Gegenden und nächstbei die Anstalten betrachtet, welche das sonst für Alles Nath schaffende Zeitalter zur Abwehr der oft geprüften Gefahr getroffen — oder auch nicht getroffen —hat, so wird der Nothschrei, der noch vor kurzen Pausen wiederholt auS den Niederungen und flachen Strom gebieten ertönte, doppelt verletzend, so für den Verstand wie das Ge- müth. Die Philanthropie nimmt dann zwar auf ihre Schulter, was die Wafferbaukunst von der Hand weisen mußte, oder versäumt hat, aber nicht selten — und dies auch bei andern Gelegenheiten — sehen wir große Summen zur Abhülfe von Uebeln, denen in der Regel da mit nur theilweise und momentan abgeholfen ist, gesteuert, die, wenn es bei der Sachlage bleibt, voraussichtlich wiederkchrcn müssen, um dann abermals nur philanthropisch calmirt zu werden, und die, vor dem eingetrcffenen Unglücke zur Verstopfung seiner Quelle verwendet, namenloses Elend erspart, unersetzlichen Verlusten vorgebeugt hätten. Was könnte oft nicht Großes geleistet werden mit dem hinter her dem Unglücke nachgcworfcnen Gelbe, wenn der Geist der Vor aussicht es in die Hand genommen, es anstatt zu Palliativen zu Präservativen verwendet hätte — wenn man auch so bereitwillig wäre, zu thun, wie man es, zu geben ist! Das Testament unserer Vorfah ren enthält prachtvolle Paläste und Ziergärten, aber auch versandete Flüsse und verrollte Strommündungen. Es ist ungemein viel gesche hen, um diese bösen Sätze aus der Erbschaft zu streichen, aber noch unendlich viel bleibt zu wünschen übrig, wo die Naturvcrhältniffe und der Reichthum der allerdings oft unerschwinglichen Mittel cs gestat ten. So viel aber auch für den Wasserbau geschehen ist, kann man sich doch nicht verhehlen, daß es allermeist, wie fast alle Tendenzen unsers Zeitalters, sich um die Axe des unmittelbaren Nutzens dreht. Hier aber handelt es sich um Verhütung, Abwehr des Schadens. Da für ist unsere Zeit weniger gestimmt, sie, die schnelle Erzeugerin so unermeßlicher Werthe, betrachtet geringschätziger einseitige Verluste, auf welche sie, des Ersatzes durch ihre Kunstfertigkeit sich bewußt, stolz verzichtet und daher auch der Gunst des Elements cs überläßt, auf den Raub zu verzichten. Darum wird gedrängt zur Schiffbarmachung der Flüsse, werden herrliche Schleusen gebaut, Meerengen getieft, aber die Deiche wollen nicht wachsen, obgleich die verschlämmten Flüsse und Flüßchen, von Gießwäffern übersättigt, alljährlich höher schwellen. Die Gesellschaft will unmittelbaren Nutzen und wo sie Schaden verhüten soll, muß jener dabei sein, muß er sich berechnen lassen und ergeben als industrieller Lohn unter philanthropischem Titel. Daher florirt auch die Association, wo die Vorsicht ergiebig, wo das Resultat ge meinsamer Bemühungen augenscheinlich und rasch erfolgt und wieder kehrt. Auf diesen Triebfedern beruht so manches auch nicht durch As sociation geschaffene, im Prunke philanthropischer Herrlichkeit getra gene Unternehmen unserer Zeit. Ob cs recht und klug ist, am Ei gensinne der Natur zu verzweifeln, wo sie zu ihrer Sclbsterhaltung unsere Ordnung, wie sie eben beschaffen ist, über den Haufen wirft — die Hände in den Schoos zu legen mit jenem stoischen Gleichmuthe, der sich damit tröstet, daß Gott die Bäume nicht in den Himmel wachsen läßt und wol sehr philosophisch aber bürgerlich unfruchtbar ist; wo Unermeßliches zu Grunde geht, Natürliches, für welches Er findungskunst und rascher Verkehr nicht entschädigen kann? Denn in welchem Verhältnisse steht Das, waS die nachlässig bewehrte Flut fast regelmäßig zerstört, zu Dem, was Unternehmen erzeugen, welche die Kosten der Abwehr für sich zehnfach in Anspruch nehmen! Inmitten der wogenden Hab - und Genußsucht des Zeitalters, im Gedränge des ungemein lebhaften UtilitätsvcrkehrS hat die Charitas eine mächtige Herrschaft über die Gemüther erworben und dies ist ein tröstlicher An stick. Ein höchst achtbarer, freilich auch einseitiger und daher oft in "einen Mitteln sich vergreifender, sein Ziel verfehlender Wohlthätig- leitssinn durchweht die Gesellschaft und wo Unglück Viele in Gemein- chaft betrifft, bleibt die Beihülfe der Vielen nicht aus. DieS ist die vorzugsweise praktisch entwickelte Seite des PhilanthropismuS. Man !ann sich freilich die Bemerkung nicht versagen, daß diese Philanthro pie bei der enorm progressiven Ausbildung schroffer Gegensätze zwi- chen Reich und Arm und dem vorherrschenden Streben der Massen rach Vernichtung dieser Gegensätze unter Umständen schon als Gebot der Klugheit erscheint. Wie ungemein erfreulich die allgemeine Bereit willigkeit, die ansehnlichen Opfer hei ähnlichen Gelegenheiten, wie die, von welchen hier die Rede ist, zu bringen, dem Menschenfreunde sich darstcllt, kann man sich doch nicht verhehlen, daß eö mit unserm blühen-