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Wochenblatt für . Reilhenilllnd, Siegmar, Neustadt, Rabenstem und Rottluff. Erscheint jeden Sonnabend nachmittags. Bezugspreis: Vierteljährlich 30 Pf., durch die Post bezogen vierteljährlich 75 Pf. — Anzeigen werden außer in der Geschäftsstelle (Reichenbrand, Nevoigtstratze II) von Herrn Friseur Weber in Reichenbrand und von Herrn Kaufmann Emil Winter in Rabenstein entgegengenommen und die Ispaltige Petitzeile oder deren Raum mit 20 Pf. berechnet. Schluß der Anzeigen-Annahme Freitags nachm. 2 Uhr. Fernsprecher Amt Siegmar 244. — Postscheckkonto Leipzig Nr. 12 559, Firma Ernst Flick, Neichenbrand. ^2 46 Sonnabend, den 16. November 1618 Ein Aufruf des Ministers des Innern. In Dresden hat sich ein »Vereinigter revolutionärer Arbeiter- und Soldatenrat" gebildet.«Er hat sich in den Besitz sämtlicher Machtmittel des Staates gesetzt. Die Garnison ist von Anfang an auf seine Seite getreten. Die Abgesandten des Vereinigten Arbeiter- und Soldatenrates haben dem unterzeichneten Minister erklärt, daß sie trotz aller von ihnen geplanten politischen Umwälzungen zweierlei aufrecht erhalten wollen: die öffentliche Sicherheit und die Versorgung des Landes mit Ernährungsmitteln und Rohstoffen. Die Erhaltung der Ordnung und Ernährung im Lande ist in der Tat das wichtigste Gebot der Stunde. Bricht die eine oder andere zusammen, so wird das Elend des ohnehin hart geprüften sächsischen Volkes und Landes unabsehbar werden. Dies zu verhüten, mutz der gemeinsame Wunsch aller redlich gesinnten sein, gleichgültig, welchem Stand und welcher Partei sie angehören. Das Land vor Unordnung und Hungersnot zu bewahren, ist nur möglich, wenn die Staats maschine, insbesondere aber alle Behörden und Dienststellen im Bereich des Ministeriums des Innern, in Tätigkeit bleiben, wenn alle Beamten, unbeirrt durch die politischen Ereignisse, unentwegt ihre Pflicht tun und wenigstens die laufenden Geschäfte erledigen. 2m Einverständnis mit dem Gesamtministerium richte ich an alle Beamten und Angcstelltm im Bereich des Ministeriums des Innern die dringende Aufforderung, auf ihren Posten auszuharren und ihre Pflicht wie bisher zu erfüllen. Ganz besonders wende ich mich mit diesem Ersuchen an diejenigen Beamten, denen die schwierige Aufgabe der Lebensmittelversorgung des Landes obliegt. Mehr als je mutz in diesen schweren Tagen das Wort gelten: Reber alles das Vaterland. Der Minister des Innern. gez. vr. Koch. Brotkartenausgabe in Reichenbrand. Die Ausgabe der Brotkarten auf die nächste Versorgungszeit an die Haushaltungen hiesiger Gemeinde erfolgt gegen Rückgabe der alten Brothefte Freitag, den 22. November 1918, im hiesigen Rathanse und zwar an die Haushaltungen des I. Bezirks Brotkartenh est Nr. 1— 150 r 151— 300 lachm. von 2 — 3 Ahr 1 „ 3 — 4 „ j ! im Meldeamt n. Bezirks 301— 450 451— 600 2 3 — 3 — 4 ! im Meldeamt m. Bezirks 601— 750 2 — 3 im Sparkassen ¬ 751— 900 3 — 4 , i zimmer rv. Bezirks ,, 901—1050 2 — 3 im Gemeindekassen- 1051—1200 3 — 4 „ j zimmer. Zur Inempfangnahme haben die Hanshaltungsvorstande oder deren Stellvertreter (Ehe frauen) zu erscheinen. An ander« Personen erfolgt die Ausgabe nur in Behinderungsfällen (als solche gelten nur Krankheit) und nur gegen Abgabe eines von dem fraglichen Haushaltungs vorstand« ausgestellten Ausweises. An Kinder können Brotkarten nicht ausgehändigt werden. Außerhalb der obengenannten Zeiten werden Brotkarten nicht ausgegeben Die Hausbesitzer bez. deren Stellvertreter werden ersucht, ihre Mieter — Haushaltungsvorstände — an die pünktliche Abholung der Brot- und Fleischkarten zu erinnern. Reichenbrand, am 15. November 1918. Der Gemeindevorstand. 4. Termin Gemeinde-Einkommensteuer 1918. Der am 15. d. M. fällig gewesene 4. Termin Gemeinde-Einkommensteuer 1918 ist bis längstens den 30. November 1918 an unsere Steuerkasse zu entrichten. Siegmar, 16. November 1918. ' Der Gemeindevorstand. Brotkartenausgabe in Neustadt. Die Ausgabe der Brot- rc. Karten auf die nächste Versorgungszeit an die Haushaltungen hiesiger Gemeinde erfolgt gegen Rückgabe der alten Brothefte Freitag, den 22. November 1918, im hiesigen Rathanse. Die Ausgabe der Karten erfolgt in folgender Weise: im Sparkassenzimmer im Registraturzimmer Brotkart.-Nr. 1 — 50 251 — 300 von ^9— M Uhr, „ „ 51—100 301 — 350 „ V-9-»/<9 „ „ 101 —150 351 — 400 „ V.9- 9 „ , „ „ 151—200 401 — 450 „ 9—MO , , „ „ 201 -250 451 - 550 „ MO—MO „ . Zur Inempfangnahme haben die Haushaltungsvorstände oder deren Stellvertreter (Ehefrauen), zu erscheinen. An andere Personen erfolgt die Ausgabe nur in Behinderungsfällen (als solche gelten Krankheit) und nur gegen Abgabe eines von dem fraglichen Haushaltungsvorstande ausgestellten Ausweises. An Kinder können Brotkarten nicht ausgehändigt werden. Ausnahmen von vorstehenden Bestimmungen werden nicht zugelassen. Die obengenannten Zeiten sind streng einzuhalten, außerhalb derselben werden Brottarten nicht ansgegeben. / Es wird noch ausdrücklich darauf hingewiesen, daß für die vorstehenden Ausgabezeiten die Nummern der Brottartenhefts matzgebend sind, was bei etwa stattgefundenen Umzügen besonders zu beachten ist. Die Hausbesitzer bez. deren Stellvertreter werdm ersucht, ihre Mieter — Haushaltungsvorstände — an die pünktliche Abholung der Brot- rc. Karten zu erinnern. Neustadt, am 15. November 1918. Der Gemekndevorstand. Die Ausgabe der Brot- und Fleischkarten. Freitag, den 22. November 1918 abends 5—K Uhr durch die Brotpfleger in den bekannten Ausgabelokalen. Die Haushaltungsvorstände werden nochmals darauf hingewiesen, datz die Karten zu der an gesetzten Zelt abgeholt werden müssen, und nicht abgeholte Karten an die Aufsichtsbehörde zurückgegeben werdm müssen. Der Gemeindevorstand zu Rabensteiu, am 14. November 1918. Voümilchkarten-Ausgabe Freitag, den 22. November 1918 in der üblichen Weise im Rathause, Zimmer 5. Es können an jede Person nur die Milchkarten für 1 Familie ausgehändigt werden. Ziegenhalter bekommen keine Karten. Der Gemeindevorstbnd zu Rabenstein, am 14. November 1918. Fundamt Rabenstein. Gesunden: 1 Münze mit Kette, Schlüssel, 1 Geldtasche. Der Gemeindevorstand zu Rabenstein, am 15. November 1918. Gemeinde-Einkommensteuer. Am 15. d. M. wird der 4. Termin der Gemeindesteuer fällig und ist bis spätestens den 30. November 1918 an die hiesige Ortssteuereinnahme abzuführen. Nach Ablauf dieser Frist mutz gegen Säumige das mit Kosten verbundene Mahn- und Beitreibung«, verfahren eingelettet werden. Rottluff, am 14. November 1918. Der Gemeindevorstand. Kirchliche Nachrichten. Parochie Reichenbrand. Am 25. Sonntag n. Trin., den 17. November, Vorm. 9 Ahr Predigtgottesdienst: Pfarrer Rein. Dienstag Abend 8 Ahr Iungfrauenverein. Mittwoch, am 2. Butztag, Vorm. 9 Uhr Predigtgottesdienst mit Abendmahl. Beichte Vr9 Ahr: Htlfsgelstlicher Schwarze. Nachm. 5 Ahr Abendkommunion: Pfarrer Rein. Donnerstag Nachm. 2 Ahr Grotzmütterchenverein, Parochie Rabenstein. Am 25. Sonntag n. Trin., 17. November, Vorm. 9 Ahr Predigtgottesdienst: Hilfsgeistlicher Leidhold. Abends 8 Ahr Versammlung des ev. Zünglingsvereins. Mittwoch, 20. November, Allgemeiner Butztag: 9 Ahr Predigt gottesdienst mit Beichte und heil. Abendmahl: Hilfsgeistlicher Leidhold- Nachm. 5 Ahr Beicht- und Abendmahlsgottesdienst: Pfarrer Kirbach. Wochenamt: Pfarrer Kirbach, ab Freitag Hilfsgeistlicher Leidhold. Annemarie. Roman von A. Wilcken. ForUetzuns- Nachdruck verboten. „Ach, Editha" — Paul Windisch verschloß seiner Frau Mit einem Kuß den Mund, „das ist ja schon lange her. Jetzt sind wird alte Leutchen geworden." „Aber recht närrische, Herr Doktor," gab Editha prompt zurück. An der langen Tafel, über welche das Licht der beiden großen Kronleuchter seine blendends Helle warf, die sich in dem alten Familiensilber und dem feinen Kristall wider spiegelte, gruppierten sich die geladenen Gäste. Man hatte schon, bevor zu Tisch gegangen wurde, von dem frohen Er eignis allerlei vernommen. Und als jetzt der vor Freude strahlende Gutsherr die Verlobung seiner Tochter Annemarie Mit dem Glasen Enno von Tollen kundgab, rauschte ein tosender Beifall durch die große Versammlung. Man erhob sich von den Sitzen, Händedrücke wurden gewechselt, Küsse ausgetauscht. Die Keilens waren sehr beliebt, man gönnte der kleinen Annemarie das Glück. Und wenn doch hin und wieder ein Neidgefühl aufkommen wollte, so wurde es durch den Jubel der anderen erdrückt. Graf Tollen nahm mit stolzem Glücksgefühl die Glück wünsche entgegen. Die junge Braut war umflossen von hohem Liebreiz, ihre Schweigsamkeit schrieb man dem stillen Glück zu, welches unfehlbar das junge Mädchen beherrschen mußte. Es folgte Trinkspruch auf Trinkspruch, ernste und heitere, kleine, versteckte Witzeleien liefen mit durch — man geriet in eine äußerst belebte Stimmung. Erich Tobaben saß weit entfernt von dem Brautpaar; ihm war als Tischdame die ewig lachende, kleine Senators- tochter zugeteilt worden. Herbert hatte Fräulein von Döhren zu Tisch geführt. Seine Liebenswürdigkeit bezauberte die ganze Umgebung, er unterhielt seine Tischdame in angenehmer Weise, scherzte mit der Dame zur anderen Seite und mit seinem Gegen über trank Fräulein Grotkopp mit lockendem, vielsagendem Augenblinzeln zu — kurz, er war hinreißend. Dieses konnte man von Erich Tobaben weniger sagen. Sprach er auch eifrig dem Wein zu, so wollte sich doch die rechte Stimmung nicht bei ihm einstellen nach der furchtbaren Niederlage des heutigen Tages. Er mußte fortwährend über das „Warum" nachdenken. Auch peinigte ihn der Anblick der wirklich liebreizenden Braut. Was konnte diesen Umschwung in ihren Gefühlen ver anlaßt haben? Für so flatterhaft konnte er sie nicht halten. Hatte sie doch noch vor kurzem seinen Schwüren gelauscht, seine Liebesworte erwidert in einer reizenden Hingabe. Er hatte sie aufrichtig gern gehabt, wenn schon er es mit der Treue nicht so genau nahm. Und nun war sie für ihn verloren, sie und der große Reichtum, an den er so hohe Erwartungen geknüpft, der ihm gestatten sollte, seinen verschwiegenen kleinen Leiden schaften nachzugehen. Und nun wollte sie nicht, wandte sich von ihm, ging hin und verlobte sich mit einem alten Herrn. Dessen Reich tum konnte sie doch nicht locken, da sie ja nach seiner Meinung im Schoß des Reichtums groß geworden, die Persönlichkeit selber am Ende noch weniger. Jugend gehört zu Jugend. So blieb der Titel. Denn daß sie in ihrer Weltabgeschiedenheit von seinen — Tobabens — kleinen Liebesabenteuern gehört hatte, war ausgeschlossen. So grübelte der flotte Husar unablässig und konnte seines Lebens nicht froh werden. Fränlein Grotkopp gab sich alle erdenkliche Mühe mit ihm. Der schneidige Husar gefiel ihr, und wenn sie auch vorläufig nicht an eine Heirat dachte, so harrte sie doch den Wunsch, ihn öfter zu sehen, ihn in ihr Haus zu ziehen. Er mußte Besuch bei ihnen machen. Und sie schwatzte und lachte und war glücklich, wenn ein verlorenes Lächeln um seine Lippen irrte. Es war neun Uhr, als die Tafel aufgehoben wurde. Im Wintergarten wurde der Kaffee aufgetragen. Auch hier waren vorteilhafte, mit großen Kosten verknüpfte Verände rungen vorgenommen worden. Schmiegsame Korbsessel luden zum Sitzen ein. Man blickte durch blumenumsponnene Fenster in den magisch erleuchteten Garten hinaus. Unter grünen Palmenwedeln saß eS sich schön, ein Tischchen zur Seite, wo in kostbarem Porzellan der Mokka stand. Bunt beleuchtete Grotten links und rechts. Ueberall lebende Blumen; sie rankten sich an Gitterspalieren empor. Ueber dem Ganzen lag der gedämpfte Schein vieler kleiner elektrischer Lampen. Ein „Ah" der Bewunderung ging von Mund zu Mund, als man von der Pracht hier drinnen in den prachtvollen, parkähnlichen Garten sah, der von Hunderten kleiner Lampions erleuchtet wurde. Der Wintergarten konnte die ganze Gesellschaft nicht fassen. Einige begaben sich daher unter die hohen, leise im Abendwind rauschenden Bäume. Sie saßen auf bequemen Sesseln und Bänken, die zierlichen Mokka-Täßchen in der Hand, oder lustwandelten auf den breiten Wegen umher, den einschmeichelnden Weisen der Musikkapelle lauschend. O zauberische Nacht! Du hast die Macht, aufgeregte Nerven zu beruhigen; aber du fachst auch stürmisches Blut zu rascherem Lauf an. Graf Tollen hatte seiner Braut den Arm gereicht; sie verloren sich unter den Bäumen.