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WiidcnUich nscktinkn ttti Rummccn. Prönumcra«!«»-- dr-is 22 j S»r. Ldlr.) vicrlclultzruch, Z Ltztr. für rat ga gc Jahr, ohne Er tz öl, u»g, in allrn Ttzillcn drr Prrnsiilchrn Menarltzie. für die Man »ränumrrirl aus tzlcsc« kiirratur-Blail in Drrlin in der Errebiti»» trr Allz. Pr. Sniais-gcilung (^ri<rri<tztstr. Rr. 72); in d-r Prövin, st «ic im Ausland» r»i »rn WrdNööl. Pali - Atintrrn. Literatur des Auslandes. Brrlin, Miltw sch den 18. November 1840 Dänemark. Die Seejungfrau. Ein Mabrüicn- Von H. L. Andcrscn.") Weit draußen im Meere ist das Wasser so blau, wie die Blätter der schönsten Kornblume, und so durchsichtig, wie klares Krpstall- glaS; aber eS ist sehr tief, tiefer als irgend ein Ankertan langt, und man müßte viele Kirchthiirme über elnanver stellen, ehe sie vom Grunde bis oben über den Wasserspiegel reichten. Dori nuten wohnt ras Meecvolk. Man darf aber nicht etwa glauben, daß dort nur reiner weißer Sandboden ist; nein, da wachsen die wunderbarsten Blumen und Pflanzen, die so geschmeidig in Stiel und Blättern sind, daß sie bei der leisesten Bewegung des Wassers hin und her gehen, als wenn sie lcbenvig wären. Kleine und große Zische spielen zwischen ihren Zweigen wie die Bögel oben in den Bäumen. An der allertiessten Stelle liegt des SeekonigS Schloß; seine Mauern sinv von Korallen und die langem Bogenfenster vom reinsten Bernstein, das Dach aber find Muschelschalen, die sich öffnen unv schließen, je nachdem daS Wasser fließt; es sicht prächtig a»S, denn in jeder Schale liegen glänzende Perlen, wovon eine einzige der Hauptschmuck in der Krone einer Königin scpn würde. Der Scckönig hier unten war viele Jahre schon Witwer, aber seine alte Mutter hielt für ihn HanS. Eie war ein kluges Weib, aber doch stolz auf ihren Asel, darum hatte sic zwölf Austern an ihrem Schwanz; Vie anderen Bornehmen durften nur sechs tragen. — Sonst verdiente sie viel Lob, besonders weil sic die kleine» Prin- zessinncn, ihre Enkelinnen, so hübsch hielt. Das waren sechs nied liche Kinder, aber die jüngste war die schönste von allen; ihre Haut war so klar und durchsichtig wie ein Rosenblatt, ihre Augcn jo blau wie die tiefste See; doch, eben so wie die Anderen, hatte sie keine Füße, Ler Leib endete in einen Fischschwanz. Den ganzen langen Tag durften sie unten im Schloß in den großen Sälen, wo frische Blumen aus dcn Wänden wuchsen, spielen. Die hohen Bcrnsteinfcnster wurden ausgemacht, und dann schwammen die Fische zu ihnen hinein, wie bei unS die Schwalben hercingcflogen kommen; aber die Fische schwammen gerade zu dcn kleinc» Prinzessinnen hin, fraßen auS ihrer Hand und ließen sich streicheln. Bor dem Schloß war cin großer Gartcn mit scuerrothen und dunkelblauen Bäumen; dir Früchte daran strahlten wie Gold und die Blumen wie brcnncnvcS Feuer, indem sie in einem fort Stiel und Blätter bewegten. Die Erde war der feinste Sand, aber blau wie Schwcfclffainmen. Uebcr Allem dort unten lag cin wunderbarer blauer Schleier; man hätte viel eher glauben sollen, daß man hoch oben in der Lust stände und über und unter sich nur Himmcl sähe, als daß man auf dem Meeresgründe wärc. Bei Windstillc konnte man die Sonne scheu, die wie eine Purpurblumc erschien, aus deren Kelche allcS Licht ausströmtc. Jcdc der kleinen Prinzessinncn hatte ihr Plätzchen im Gartcn, auf dcm sie graben und pflanzen konnte, was sie wollte; die Eine gab ihrem Blumenbeet die Gestalt eines Walisisches, einer Anderen gefiel cs besser, daß cS wie eine Seejungfrau aussah, die Jüngste aber machte das ihrige ganz rund wie die Sonne u§d hatte nur Blumen darauf, die roth wie jene schimmerten. Sie wat ein selt sames Kind, still und nachdcnkend, und alS einst die anderen Schwe stern sich mit dcn wunderschönsten Sachen putzten, die sic von dcn gestrandeten Schiffen erhielten, verlangte sie außer den rosenrothbn Blumen, die der Sonne über thr glichen, nur eine schöne Marmor- Statue. DieS war ein lieblicher Knabe, auS wcißcin, klarcn Gestein gehauen und durch ein Stranden aus den Sccbodcn gekommen. Sie pflanzte neben die Statue eine rosenrothe Trauerweide, die herrlich wuchs und sich mit ihren frischen Zweigen über sie bis auf dcn ') Don dem Dichter, dessen „Dildertzuch des MondeS" in diesen Plättern so viele rhcunabme gesunden, geben wir chice ein Mntzrsicn, das zu »cn NtueUeu Erzcugmncn seiner Muse gehört. Man wird auch darin dcn voclischen Sinn und das große DarsteilungStglenk wieder erkennen, die jene Mond, scl cindiider so an,letzend gemacht ga, es ist, als halte der Dichter durch dieses Matzrchen das bekannte ewraMw ätr»,» »-"u.a m »»m-e Kui»«-r!le zu SÄmndttt Mücken wvltcN / denn ^tieniand lucht hier über das Weid, das „oben reizend gestaltet, unten als Fi,ch lieh endigt." blauen Sand hcrunterbing, auf dem dtc Schattcu sich violett und in Bewegung, wie die Zweige, spiegelten; cS sad aus, als wenn der Gipfel unv die Wurzeln spielten und einander küssen wolltcn. RichtS machte ihr mehr Freude, als von der Mcnschenwelt oben zu hören; die alte Großmutter mußte AllcS erzählen, waS sic von Schiffcn unv Stävlcn, Mcnschcn und Thiercn wußte; am aller- schönsten gcficl ihr, daß aus der Erde die Blumen so dufteten, waS die in der Meerestiefe nicht thun, daß die Wälder grün wären und die Lhierchen, die man in ihren Zweigen sähe, so laut und herrlich singen könnten, daß cs einc Lust wäre; dicse Thierchcn, glaubte sie aber» müßten Fische sepn, wie hier in dcn Bäumen des Meeres. „Wenn Ihr fünfzehn Jahr vorbei sepv", sagte die Großmutter, „sollt Ihr Erlaubniß bekommen, auS dcm Meere aufzutauchcn, im Mondschein auf dcn Felsen zu sitzen und die großen Schiffe zu scheu, die vorbei segeln; Ihr sollt die Wälder und Städte dann sehen!" Im nächsten Jahre war die eine Schwester fünfzehn Jahr, aber die Anderen, — sie waren immer cin Jahr auS einander, und da hatte die Jüngste also noch volle fünf Jahre, ehe sie aus dcm Mcercs- grunvc hinaufkommen unv schaucn konnte, wie cS bei uns auSsähr. Jedoch vcrsprachcn sic, sich einander zu erzählen, was sie gesehen und am ersten Tage am schönsten gefunvcn hatten; denn ihre Groß mutter erzählte ihnen nicht genug, eS war zu viel, worüber sie Be scheid haben mußten. Keine hatte so große Sehnsucht, als die Jüngste, gerade sie, welche die längste Zctt warten mußte und so still und gedankenvoll war. Manche Rächt stand sie am offenen Fenster und sah durch daS tiefblaue Wasser auf, in welchem die Fische mit ihren Flossen und Schwänzen ruderten. Mond und Sterne konnte sic erblicken, freilich schienen sie ganz blaß, aber durch daS Wasser sahen sie viel größer als vor unseren Augcn auS; glitt auf einmal etwas wie eint schwarze Wolke unter ihnen hin, da wußte sie gleich, daß eS ent weder cin Walisisch wäre, der über ihr schwämme, oder auch ein Schiff mit seinen vielen Mcnschcn; die dachten gcwiß nicht, daß ein schönes kleines Secjüngferchcn unter ihnen stände und mit ihren weißen Händen nach dem Schiffskiel hinauszcigte. Jetzt war die älteste Prinzessin fünfzehn Jahr und durfte auf dir Oberfläche steigen. AlS sie zurückkam, wußte sie hundert Dinge zu erzählen, aber das Schönste, sagte sie, wäre, im Mondschein auf einer Sandbank in der ruhigen See zu liegen und die große Stadt an der Küste anzuschauen, in welcher die Lichter blitzten, wie hundert Sterne, die Musik und dcn Lärm und das Gcräulch von Wagen und Menschen zu hö>^», und die Kirchthiirme mit ihren vielen Spitzen zu sehen, von denen die Glocken läutetcn; gerade weil sie zu diesem Allen nicht hinkommcn durfte, sehnte sic sich am allermeiste» danach. O! wie horchte nicht die jüngste Schwester, und wenn sie seit dem in der Nacht im offenen Fenster stand und durch das dnnkel- blane Wasser sah, dachte sic an dic große Stadt mit allem dcm Lärm und Getöse, und dann schien cS ihr, sie könnte die Kirchcnglocken zu sich herunter läuten hören. Im folgenden Jahre erhielt die zweite Schwester Erlaubniß, zu steigen und zu schwimmen, wohin sie wollte. Sie tauchte gerade aus, indem die Sonne untergiug, und diesen Anblick fand sie für den prächtigsten. Der ganze Himmcl hatte wie Gold ausgesehen, er zählte sic, und die Wolken, — ja, deren Scköuhcit konnte sie nicht genug beschreiben! Roth und violett waren sie über ihr hingesegelt, doch viel geschwinder noch als sie, war eine Hcerdc wilder Schwäne, wie cin langcr wcißer Schlcicr, über das Wasser dort hinunter- geflogen, wo die Sonne stand; sic hatte hinschwimmcn wollen, aber die Sonne sank, und der Rosenschimmcr wurde von der Mccresfläche und den Wolken eingesogcn. DaS Jahr darauf kam die dritte Schwester nach oben; sie war dic dreisteste von ihnen Allen, darum schwamm sie eincn breiten Fluß hinauf, der sich ins Meer mündcte. Liebliche grüne Hügel mit Wcinranken sah sie; Schlösser und Gchöfle guckten auS prächtigen Waldungen hervor; sie hörte, wie die vielen Vögcl sauge», und die Sonne schien so warm, daß sie oft uutcrS Wasser tauchen mußte, um ihr glühendes Gesicht zu kühlen. In einer Bucht traf sie eine große Menge kleiner Menschenkinder an; ganz nackt liefen sic umhcr und plätscherten im Wasser; sie wollte mit ihnen spielen, aber sie liefen erschrocken davon, und dann kam ein kleines schwarzes Thier gesprungen, dies war cin Hund laber sie hatte noch keinen Hund gesehen), der bellte sie so erschrecklich an, daß ihr Angst wurde und sie wicocr in die offene Sce zu kommen suchte; doch nimmer konnte