Volltext Seite (XML)
Erscheint täglich nachm, mit Ausnahme der Soun- u. Festtage. Bezugspreis: Bierteljährl. 1 Mk. SV Pf. (ohne Bestellgeld). Post-Bestellnummer 6858. Bei autzerdeutschen Postanstalten laut Zeitungs-Preisliste. Einzelnummer 10 Pfennige. Unabhängiges Tageblatt für Wahrheit, Recht und Freiheit, vucdilruclttkel, HeaalMon unä SerebäNssielle; Presden, Pillnitzer Straße 43. Inserate werden die 6 gespaltene Petitzeile oder deren Raum mit 15 Pf, berechnet, bei Wiederholung bedeutender Rabatt. Redaktions-Sprechstunde: 11—1 Nhr. Fernsprecher: Amt l. Nr. 1566. Nr. 180. Katholiken r Roma». onntag, den 9. August 1903. Protestanten: Roland. Ä. Jahrgang, Der dentsch-russische Handelsvertrag mühte, wenn es allein ans den Beginn der Verhand lungen von Regierung zu Regierung aiikäme, der erste sein, der von den neuen Vertragen dem Reichstag vor gelegt würde. Aber die Aussichten ans ein baldiges Ende der Verhandlungen, zu deren Führung soeben die deutschen Unterhändler, die sich nach Petersburg begeben, ernannt worden sind, scheinen nicht allzu gute zu sein, obwohl an dein guten Willen ans beiden Seiten nicht zu zweifeln ist. Die Berliner Regierung hat es ja nie an Entgegenkommen gegen das Ausland fehlen lassen; dasselbe lässt sich zwar nicht von den russischen Staatsmännern sagen, aber sie wissen zu genau, wieviel auch für Rnsstand bei einem Scheitern der Verhandlungen ans dem Spiele steht, als daß sie wünschen könnten, dasselbe durch die Taktik der Verschleppung herbeizuführen. Die Frage ist jedoch, ob dieser gegenseitige gute Wille nicht an anderen Momenten allznstarke Hemmnisse findet. Und an solchen Momenten fehlt es nicht. Die größte Schwierigkeit bildet der rnssischerscits ausgestellte ausge sprochene Kampftarif. Die Sähe dieses Tarifes sind der art, dah sie den Absatz deutscher Jndustrieerzeugnisse in Ruß land zu unterbinden drohen. Offenbar geht die russische Regierung von der Annahme ans, daß die Gefahr einer völligen Vernichtung des deutschen Absatzes nach Rußland die deutschen Unterhändler bestimmen werde, ans jede Er höhung der landwirtschaftlichen deutschen Einfuhrzölle zu verzichten. Ja, man schmeichelt sich dort gar mit der Hoff nung, daß der neue deutsche Zolltarif mit seinen Getreide- Mindestzöllen für Rußland gegenstandslos geinacht werden könnte. Man sieht daraus, wie notwendig es war, diese Mindestzölle durchznsetzen; denn ohne sie wäre jetzt aller- dings ein Zurückweichen der deutschen Unterhändler auf die Zollsätze der alten Verträge zu befürchten gewesen. Unsere deutschen Staatsmänner sind nicht ganz von einem Verschulden für die beleidigende Einschätzung ihrer Standhaftigkeit durch ihre russischen Kollegen freiznsprechen. Durch die Gemütlichkeit, mit welcher sich die deutschen Unterhändler beim Abschluß der letzten Handelsverträge vom Auslande „herumkriegcn" ließen, und durch das zögernde, vorsichtige Verhalten der Berliner Regierung bei den Zollstreitigkeiten mit einzelnen Ländern ist im Aus lande ganz allgemein die Auffassung geweckt oder min destens genährt worden, daß man durch Schroffheit, Droh ungen und Kampfesmaßregeln von Deutschland so ziemlich alles erlangen könne, was man wolle. Um gerecht zu sein, muß man unseren Staatsmännern allerdings zngebcn. daß ihre Stellung immerfort geschwächt wird durch das blindwütige Drauflosgehen der einheimischen Freihändler auf unsere Zvllrüstnng. Das große Geschrei, das von dieser Seite gemacht wird, unterstützt durch den internationalen Zusammenhang einer potenten Freihandels- Presse, erzeugt im Anslande den Eindruck, daß das deutsche Volk nicht hinter seiner Regierung stehe, wenn eS zu einen: Zollkriege kommen sollte. Ja, man möchte im Anslande vielfach sich einreden, Handelsverträge mit erhöhten Getreide- und Viehzöllen müssten in Deutschland eine Revolution heransbeschwören; das ist die Folge des Brot- nnd Fleischwnchergeschreis der sozialdemokratischen Presse und ihrer freisinnigen Verbündeten. Die deutschen Unterhändler werden daher gleich zu Anfang der Verhandlungen durch ein entschiedenes Auf treten zu zeigen haben, daß alle Spekulationen ans eine nachträgliche Durchlöcherung des neuen Zolltarifs ganz ver fehlt und aussichtslos sind. Politische Rundschau. Deutschland. — Ueber König Georg von Sachsen schreibt die „Deutsche Tagesztg.": „Bekanntlich ist dem König Georg mehr als seinem Heimgegangenen Bruder sein strenger Katholizismus znm Vorwurf gemacht worden. Dieser Vorwurf würde nur dann berechtigt sein, wenn er dabei die Interessen der evangelischen Landeskirche verletzt oder nicht genügend gewahrt hätte. Das wird aber kein gerecht und billig Denkender behaupten können. Wenn er an seinem Bekenntnisse mit fester Treue hängt, so kann ihm das auch in den Augen eines überzeugten evangelischen I Ehristen nur zur Ehre gereichen. Oder würde man ihm nicht mit Recht einen Vorwurf machen können, wenn er, j um volkstümlich zu sein, die Bekeuntnistreue verleugnen und konfessionelle Gleichgiltigkeit zur Schau tragen wollte? Er hat, als er seine Negierung antrat, versprochen, die ^ Rechte und Interessen der evangelischen ! Landeskirche sorgsam zu wahren und auch in ^ dieser Beziehung, wie überall, in den Bahnen seines könig- i lichen Bruders zu wandeln. Es ist nichts, garnichts ge- > schehe.i, das zu der Annahme auch nur einigermaßen be- s richtigen könnte, daß er dieses Versprechen nicht gehalten habe oder nicht halten werde. Auch die evangelische Kirche darf mit Vertrauen auf ihn sehen." — Ein Neichstagswahlfeind. In einem Artikel der national sozialen „Zeit" wird gelegentlich erwähnt, daß sich seit einiger Zeit auch ein dem Kaiser sehr nahe stehender einflußreicher Hanseat im Sinne der Ab ändernng des Reichstagswahlrcchts bemühe. Ein anderes Blatt nennt den Namen: Ballten, Vorsitzender des Auf sichtsrats der Hamburg-Amerika Paketfahrtsgesellschaft. — Geschmacklosigkeiten und Rohheiten. Nr. I. > Zum sechzigsten Geburtstage des steierischen Schriftstellers Peter Rosegger, schreibt die „Angsb. P. Z.". bringt die l „Jugend" in Nr. 31 Seite 3 ein Bild mit der Unterschrift: „Seinem lieben steierischen Landsmanne P. R. z. 30. Ge- I burtstage. (Arpod Schmidhammer»." Was zeigt das Bild? Auf einer Bergalm sehen wir am Rande eines Tränkbrunnens sitzend Peter Rosegger, augenscheinlich einen belehrenden Vortrag haltend seinem Gegenüber — in Gesichtszügen und Kleidung der göttliche Heiland. Draußen auf der Alm. fern von dieser Gruppe, weidende Rinder und Schafe, von einem Hirten in grobbäuerischer Haltung bewacht. Was das ganze Bild sagen will — man kann sich verschiedene Gedanken machen, man kommt immer zu dem Urteile: Geschmacklos! — Nr. II. Die Nr. 30 der Berliner „Lustigen Blätter" zeigt als Titelbild einen Zug mit Purpur beklei deter Kardinäle mit den bei solchen Witzblättern gewohnten Gesichtszügen ?c. Darunter steht: „Znm Konklave!" — „Kompromisse, Kontrakte und Wirrungen, Wühlen und Wogen im heiligen Ehor, und aus so und so viel tastenden Irrungen geht ein Unfehlbarer schließlich hervor." — Nr. I I I. Nr. 31 der „Jugend" enthält ein weiteres Bild zum Thema „Unfehlbarkeit". Papst Leo XII!., eben im Begriffe, in vollem Ornate ein Portal zu durchschreiten, wird von Ge vatter „Tod" «grinsend verzerrtes, höhnisch lachendes Gesicht» ansgebalten! Darunter die Unterschrift: „Noch ein Unfehl barer." Dieselben Preise, die solche Rohheiten verbreiten, sind sonst über alles, was sich ans katholische Angelegenheiten bezieht, an» besten unterrichtet. — Präsident Steijn soll nach einer Zuschrift an den „Reichsboten" beabsichtigen, katholisch zu werden. Die Absicht sei hervorgegangen ans der „Einwirkung der ihn im Reichenhaller Krankenhanse pflegenden katholischen Schwestern — wohl auch im M o r P h i u m d u s e l." <!!> Ter Einsender scheint anzunehmen, das; die Schwestern den: Kranken eigens zu diesem Zweck katholisierendes Morphium- Pulver eingegeben haben. Ueberdies handelt es sich nicht um Ttejn sondern um Oberst Schiel. — Tic Zuwanderung polnischer Arbeiter ans Galizien. Schaudernd berichtet die „National-Zeituug", daß nach der Aeußernng eines polnischen Blattes im künf tigen Jahre 300000 <?> Personen in Preußen Arbeit finden könnten. Ja, woher kommt denn diese Eiiiwanderung Pol nischer Landarbeiter nach den Ostprovinzen? Doch daher, daß diese Provinzen fortgesetzt große Arbeitermengen teils durch die Auswanderung, die durch die Maßregeln gegen die Polen nur gefördert wird, teils durch die inländische Abwanderung nach dem Westen verlieren und dafür Ersatz brauchen. Tie Abwanderung nach dem Westen datiert aber seit der Zeit, da die nationalliberalen Zechenherren im Rnhrrevier, um die Forderungen ihrer einheimischen Arbeiter möglichst herabzudrücken, die billigeren polnischen Arbeiter aus dem Osten heranzogen. Jetzt freilich ist dieser „Vorzug der Billigkeit" inzwischen größtenteils wohl verloren gegangen, da auch die Polen ihre Lebens haltung den neuen Verhältnissen angepaßt haben. Aber die Wirkung ist geblieben, und ihre Urheber sind und bleiben in erster Linie die nationalliberalen Groß industriellen des Westens. Beim Geldbeutel hören selbst Die Feier des Namenstages Kaiser Napoleons I. in Dresden vor SO Jahren. (10. August 1813.) Nach der mörderischen Schlacht bei Bautzen (21. Mai 1813) hatte sich Napoleon nach Dresden begeben, um von hier aus, während eines mit Preußen und Rußland ge schlossenen Waffenstillstandes, die ungeheueren Rüstungen zu betreiben, deren er zum Kampfe gegen die Alliierten lle- durfte. Die Ironie der Weltgeschichte wollte es. daß an demselgen Tage (10. August 1813), an dem Napoleons Namenstag mit einer großartigen Illumination hier in Dresden gefeiert wurde, gleichfalls helllodernde Feuerzeichen von Berg zu Berg bis zur schlesischen Grenze die Kunde von dem Abläufen des Waffenstillstandes trugen und zum Kampfe gegen den Eroberer aufriefen. Ans Anlaß der Wiederkehr des 90. Jahrestages jener Feier ist es gewiß für den Freund vaterstädtischer Geschichte von Interesse, auf Grund einer Kostenrechnung die Einzelheiten der Na- poleon zu Ehren veranstalteten Illumination näher keimen zu lernen. Die Rechnung ist aufgestellt von einem ge wissen Gottlob Haiiptmann und zum Zwecke der Zahlnugs- anweistmg von M ircolini gegengezeichnet. Sie lautet nach der uns im Original vorliegenden Niederschrift: Bei der Allergnädigst anbefohlenen Illumination am 10. August 1813 zum Napoleons Tage, wobei 1. Eine Dekoration am Königl. Schlosse ans dem Gange gegen die Schloßgasse, mit einem großen X in einem Lorbeerkranz und die Kaiserliche Krone darüber und einer Sonne umgeben, von Holz errichtet und gemalt war. Auch darunter das Mauer und Simswerk des Ganges mit Brettern und Latten bekleidet, und olles reich mit GlaSlampen erleuchtet; ferner: 2. Auf der Schloßgasse das Schweizer Tor ebenfalls mit Latten bekleidet, und nebst den auf dem Haupt- simS befestigten 5 eisernen Oircunloln mit Glas lampen erleuchtet; endlich 3. Auf dem ganzen Wege, welchen Se. Kaiser!. König!. Majestät von Allerhöchst Dero Wohnung in Friedrich stadt bis durch den Zwinger zu nehmen hatten, waren im Zwinger 13 eiserne (Hinixlol^ ausgestellt und mit GlaSlampen erleuchtet. Von der Zwingerbrücke bis zur Kaiser!. Wohnung in Friedrichstadt zu beiden Seiten der Straße 80 auf hölzerne Säulen befestigte Pechpsannen, so mit Pechiackelstücken und Kiehn unter halten wurden, angebracht. Auch alles das nachhero wieder abzntragen und bei Seite zu schassen. Haben die Kosten betragen: Als: 88 Ntlr. 12 gr. Vor 11 Stämme <Iiv,-»c^ Bauholz, zu dem Dekorationsgerüste und (Uramlnl Säulen im Zwinger; ungleichen 80 Stück olliuw Sänlchen unter die Pechpfannen; anch sämmtliche Bretter und Latten. 118 „ 21 „ Vor sämtliche Arbeitslöhne, bei Errichtung der Dekoration, Erleuchtung derselben am Königl. Schlosse sowol, als bis nach Friedrichstadt; auch Wiederabuahme der selben. 373 „ 3 „ Vor 28?>0 Stück GlaSlampen gehörig mit Öl und Dochten zu versehen ü 3 gr. An ArbeitSlon solche vor und nach der Illumination zu reinigen >3 rtlr. Und für Wachsstock beim Anzündcn 1 rtlr. Vor die an der I1c>< cuntion gefertigte Malerarbeit. 1 „ 3 pf. Vor «livorno eiserne Nägel. 18 „ Vor 30 Stück leinwaudene Säcke zum Kiehn und Pcchfackelstncken ü 9 gr. 3 pf. pro Stück. 1 „ Vor 1 Fuder Kiehn ans Laugebrück nebst klein machen und Fnhrlon. 3 „ 14 „ 9 pf. Vor noch Klafter Kiehnholz aus hiesigem Holzhof ine.1. klein machen und Fuhrlon. 12 Rtlr.— gr. 4 23 3 >7 Rtlr. 12 gr. Vor 2'Z Etr. kurze Pechfackelstücken ö 13 rtlr. an den Wachsfabrikant Sack bezahlt. 3 „ 12 „ Vor Klempicer Arbeit die vorrätigen Pech- Pfannen dnrchzngehen und zu icgurriivn. 2 „ 7 „ Vor einige Schmiede Arbeiten an starken Nägeln znm Gerüste PP. 7> „ 10 „ Sämtliches Fnhrlohn von Holz und Brettern und wieder znrückznfahren. 1 „ 3 „ Vor die Löcher im Steinpflaster auf der (Wli'nMi-im^ovieder zu zupflastern; hierüber. l>7 „ 18 „ An Tischler Arbeit, nämlich im Königl. Schloß in die Fenster znm Ausstellen der Wachslichter -ioo Stück neue Leisten ge fertigt »nd nebst den vorhandenen >10 Stück neu eingepaßt und befestigt. Auch am Balkon Sr. Majst. des Königs die Stützen zn de i Fackeln ausgestellt und be festigt. Nachherr alles wiederabgenommen und übergeben. Vor dergleichen Arbeit im Königl. Palais, sowol für die Lichter als Fackeln dergleichen Leisten und Stützen gefertigt, befestigt und wieder abgenommen. 21 „ !> „ An Klempnerarbeit, nämlich 780 blecherne Tillen gemacht n 9 Pf.; wovon 730 ins Schloß »nd 20 ins Palais gekommen; auch solche ans die Leisten zum Aufsteckeu der Wachslichter befestigt. 8 um uin 791 Ntlr. 8 gr. — Pf. >)-> am Dresden In. Ang. >813. Vorstehende 701 Ntlr. 8 gr. — Pf. sind aus Se. Kgl. Majst. Chatonlle dato haar »nd richtig bezahlt worden. Worüber gebührend gnittiret Johann Gottlob Hauptinanii ,h.