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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 14.06.1912
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1912-06-14
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19120614029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1912061402
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1912061402
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1912
-
Monat
1912-06
- Tag 1912-06-14
-
Monat
1912-06
-
Jahr
1912
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Haupt-Filiale Dresden: Seenratze 4. l (Telephon tü.'ll. Nr. 302. Freusg, aen 14. Juni ISIS. 126. Zstirganri. Die vorliegende Ausgabe umfaßt 10 Leuen Vas Müssigste. * Der Kaiser Hai heute vormittag in Han nover die Königs-Ulanen besichtigt. (S. Dtschs. R.) * Das deutsche Vesuchsgeschmadcr hat den Hafen von NewPork verlassen. (S. Ausl.) * In Smyrna hat die zwangsweise Aus- weisungderJtaliener begonnen. (S. d. des. Artikel.) Ow Hjchsrunz üerbLNwrüerAngen. Man schreibt uns: Im preussischen Handelsministerium sind erneute Erhebungen über die Notwendigkeit einer Linsüyrung des zweiten Teils des Gesetzes über die Sicherung der Bauforderungen eingclcitc:. Von ihrem Aus fall wird es abhängen, ob für einzelne Gemeinden zunächsi für eine Reihe von Jahren die Bestimmungen des zweiten Teils des Gesetzes in Kraft gesetzt wetten. Die früheren Erhebungen über die Konkurse von Bauunternehmern, die die Gerichte veranstaltet hatten, haben zu keinem Ergebnis ge führt, weil cs unmöglich war. festzusiellen, welche von den ausgefallenen Hypotheken Lurch Bauforde rungen entstanden sind und welche sich auf andere Forderungen bezogen. Es ist deswegen eine neue Enguetc eingelcitct, die sich in zwei Richtungen bewegt. Einmal werden unter Mitwirkung der Ge richte die Verluste fesigestellt, die Len Handwerkern durch Zwangsversteigerungen entstanden sind. Ferner werden durch Vermittlung der Handwerkskammern und der Innungsvcrbände die Verluste de: Hand werker ermilielr. Beide Ergebnisse so»l das Sta tistische Landesaint verarbeiten. Die Untersuchungen erstrecken sich auf einen Zeitraum von 3 Jahren, näm lich von 1909 bis 1911. Sie beziehen sich aus folgende Or.e: G osz-Berlin, Breslau, Kassel, Köln, Dortmund, Kiel und Stettin. Auf diesem Wege hofft man zuverlässige Unterlagen für die Entscheidung der Frage zu gewinnen. Die Er hebungen sollen bis zum Ende d. I. be endet sein. Falls sich hcrausstellt. dasi in einzelnen der oben angegebenen Gemeinden tatsächlich ein Bauschwindel in dem behaupteten Umfang besteht, jo dürste eine Einführung des zweiten Teils des Gesetzes zunäch st auf die Dauer von 10 Jahren durch Kö nigliche Verordnung verfügt werden. Nach den Bestimmungen des Gesetzes kann die landes herrliche Verordnung über das Inkrafttreten des zweiten Teiles zurückgenommen werden, und hieraus ergibt sich auch die Möglichkeit, sie von vornherein auf eine begrenzte Zeit zu erlassen. Bevor jedoch Lie Königliche Verordnung ergeht, muß die betreffende Gemeinde, die amtliche Handelsvertretung, die Handwerkskammer des Bezirks und die gesetzliche Ärbeitervertretung gehört werden. Diese Organe müssen also um eine Aeußerung über die Frage der Einführung de» zweiten Abschnittes ersucht werden. Hierbei handelt es sich naturgemäß nur um beratende Gutachten, an deren Ausfall die Negierung bei ihrer Entschließung nicht gebunden ist. In bezug auf die Stellungnahme der Gemeinde dürfte es sich um einen Beschlusi des Magistrats und der Stadtverordneten versammlung handeln. Als amtliche Handelsver tretung kommen naturgemäß die Handelskammern, daneben für Berlin auch die Aeltesten der Kauf mannschaft in Frage. Eine gesetzliche Arbeitcrver- tretung besteht gegenwärtig nicht, da das Gesetz über die Arbeitskammern nicht zustande gekommen ist. Es kann daher auch ein Anhören der Arbeiter in der im Gesetz vorgesehenen Form nicht erfolgen. Die Einführung des zweiten Teils des Gesetzes ist kein Akt der Landesgesetzgebung und bedarf daher einer Zustimmung des Landtages nicht. Die erste Wirkung der Einführung des zweiten Teils des Gesetzes für eine Gemeinde wäre die Errich tung eines Bauschöffenamtes, dessen Aufgabe es ist, die voraussichtlich entstehenden Bau kosten abzuschützen, den Daustellcnwert festzustellen, die Anmeldungen von Baufordcrungen entgegen zunehmen, zu prüfen und zu bescheinigen. Das'Bau schöffenamt hat ferner als Einigungsamt kür die Baugläubigcr zu dienen. Auch das Löschen des Bau vermerks und di» Rückgabe der Differenzkaution ge bürt zu seinen Obliegenheiten. Die Errichtung des Amts erfolgt durch Ortsstatut oder durch Anordnung der Landcszcntralbehörde. In Handwerkerkrcisen nimmt man zuversichtlich an, dasi die eingeleitcten Erhebungen dahin führen werden, dasider zweite Teil des Gesetzes jedenfalls für Groß- Berlin cingcfiihrt wird. In einer Kommission des Herrenhauses wurde erklärt, daß beispielsweise im vergangenen Jahr in einem westlichen Berliner Vor ort 102 Personen Bauerlaubnis erhalten hätten, von denen noch innerhalb desselben Jahres 72 in Vermögensverfall geraten wären. Die Finanzen ües Reichs unü üer LuKüesltsaren. Tas Kaiserliche Statistische Amt veröffentlicht eine Tarslcllung der Finanzen des Reichs und der deutschen Bundcsslaaren, insbesondere der Ausgaben und Einnahmen, der wichtigeren Bestandteile des StaatsveruivgcnS sowie der Schulden. Tie Nacl>- weise beziehen sicb durchweg für die Voranschläge auf das Rechnungsjahr >911, für die Staarsrcä)- nungen auf das Jahr 1909. Insgesamt betragen die Staatsausgaben nacb deu Voranschlägen der Bundesstaaten 6097 Millionen Marr jdarunrer außecoroenlliape 308), sür das Reich 3133 (darunter ausserordentliche 217), zusammen in Reich und Bundesstaaten 9250 (darunter außerordentliche 525,. Die Staatseinnahmen belaufen fick in den Bundesstaaten auf 6083 Mil- lionen Mark, im Reich auf 3153, zusammen in Reich und Bundesstaaten 9236 (darunter außerordent liche aus Grundstock, Anleihen und sonstigen Staats fonds 318 bzw. 217). Unter den ordentlichen Ausgaben und Ein nahmen der Bundesstaaten stehen die Erwerbs einkünfte mit 2965 bzw. 3937 Millionen Mark an erster Stelle. Der Hauptanteil entfällt auf die Staatsci sc »bahnen mit 2155 bzw. 2866. Ter Rest verteilt sich auf Tomänen, Forsten, Bergwerke, Staatsdampfschiffahrt, Post, Telegraph und die son stigen Staatsbetriebe. Tic ordentlichen Ausgaben und Einnahmen des Reichs ans Erwerbsanstalten (783 bzw. 905 Millionen Mark) entfallen hauptsächlich auf Post und Telegraph (663 bzw. 746) und die Eisenbahnen (110 bzw. 129». Nach den Erwerbseinkünften gewähren Steuern und Zölle die stärksten Einnahmen. Die Bundes, st a a t e n erheben an: direkten Steuern 758, Auf wandsteuern 110, Verkehrssteuern 106 und Erb schaftssteuern 23, zusammen 997 Millionen Mark. Das Reich bezieht aus Zöllen 787, aus Auf- Wandsteuern Ü69, aus Verkehrssteucrn 238 und aus der Erbschaftssteuer 39, zusammen 1733 Millionen Mark. Zahlenmäßige Nachweise über das Staats- vermögen der einzelnen Bundesstaaten konnten nur in bezug aus wicbtigerc Bestandteile erbracht werden. Neben llcberschüssen früherer Rechnungs jahre, verfügbarem Staatstapitalvermögeii usw. be sitzen die Bundesstaaten an Domänen ein Areal von 769097 Hektar, an Forsten 5017 616 Hektar. Tic Staatseiscnbahnen repräsentieren eine Länge von 54 705 Kilometer (ini Reich 1X95, und ein Anlage kapital von 16 236 'im Reich 822, Millionen Mark. Tie fundierten Staatsschulden be ziffern sich zu Beginn des Rechnungsjahres 1911 sür die Bundesstaaten auf 14 880 «darunter Preußen 8922, Bayern 21661, für das Reich auf 4524 Mil lionen Marl. Tic schwebenden Schulden be tragen insgesamt 991 Millionen Mart: sie entfallen in der Hauptsache auf das Reich ,300» und Preußen (610). Der englilche Trsnsparisrbeiterllreik. Ein Haupthindern is für die weitere Aufnahme der Arbeit in den Londoner Docks ist der Mangel an Leichtern, die man unmöglich fahren lassen kann, da die Korporation der Leichter leute, deren sämtliche Mitglieder im Ausstand sind, das Monopol haben und niemand sonst auf den Leich tern fahren darf. Die Haftnbehördcn haben des halb eine Aenderung der Bestimmungen beschlossen, die es ermöglicht, die Lizenz als Leichterführer allen befähigten Bewerbern zu gewähren. Der Serleuteftreik in Frankreich. Marseille, 14. Juni. Im Verlaufe einer Ver sammlung der eingeschriebenen Seeleute erklärte der Sekretär des Syndikats, die eingeschriebenen Seeleute von Marseille würden in den Ausstand treten, wenn die Regierung der Transatlantischen Gesellschaft Seeleute der Kriegsmarine sür den Dampfer „Provence" zur Verfügung stelle. Le Havre, 14. Juni Der Dampfer „Provence" ist gestern abend hier erngetrosfen. Zahlreiche Kohlen arbeiter und Matrosen gingen an Land und ver einigten sich mit den Ausständigen. — Zehn Seeleute des „St. Bartholomy", die sich an Land begeben hatten, als das Schiff im Nothafen lag, wurden den Gerichten überwiesen. Die Reeder sind entschlossen, nicht nachzugeben. Paris, 14. Juni. Der „Bataille syndicaliste" zu folge hat der Generalsekretär des Verbandes der ein geschriebenen Seeleute Rivelli an die Gruppen der sämtlichen Hafen folgendes Telegramm gerichtet: „Falls die Regierung emwilligt, den Postdampfer „Provence" mit Matrosen der Kriegsmarine zu be mannen, dann haltet euch bereit, auf meine Auf forderung dem Schiff die Abfahrt unmög lich zu machen." Die Daye in Marokko. In einem aus Fez in Paris eingetroft'enen Tele gramm heißt es, daß die Meldungen über die Lage um Fez sich widersprechen. Reiter der Hyaina sollen die Gebiete der Beni Uarain, der Djebälla und der Nlllta durchstreifen und die Stämme zu einer neuerlichen Erhebung zu bewegen suchen. Am 8. Juni erschien eine Abteilung der Zemmurs vor Maziz, wurde jedoch durch das Goschützseucr der französischen Artillerie zurückgetrieben. Aus Fez wird weiter gemeldet, General Lyautey habe es bei dem Sultan Muley Hasid bei dessen Abreise durchgesetzt, daß dieser sich unzweideutig und schriftlich verpflichtete, erst dann adzudanken, wenn die Verhältnisse cs Frankreich gestatten, die Ab dankung anzunehmen. Drr Sultan in Rabat. Rabat, 14. Juni. Der Sultan ist gestern früh hier cingetroffcn. Die Straßen Der Stadt sind festlich geschmückt. General Ditte erschien mit den Spitzen der französischen und schcrifischcn Behörden zum Empfange des Sultans. Die spanisch-französischen Marokkoverhandlungen. Der französische Minister des Aeußcrcn Poin- care gab in der Kammerkommission sür auswärtige Angelegenheiten trotz äußerster Reserve der Hoffnung Ausdruck, daß die französisch-spanischen Vorbespre chungen demnächst zu einem beide Länder befrie digenden Abschluß kommen werden. Weiter wird gemeldet: Paris, 14. Ium. Der Madrider Korrespondent des „Matin" meldet, Canalcjas habe ihm bezüg lich -er marokkanischen Verhandlungen erklärt, die französische und die spanische Regierung wünschten, daß die Verhandlungen rasch zu Enlde geführt wür den, aber es seien noch ziemlich verwickelte Fragen zu regeln. Gleichzeitig mit der Prüfung dieser Fragen würde auch die Formel festgesetzt, die dem Abkommen als Grundlage dienen sollte. Diese Aeußcrungcn Canalejas bestätigten deutlich, daß noch nicht alle Schwierigkeiten überwun den seien. Die „Agenzia Stefani" dementiert. Die „Agenzia Stefani" erklärt die vom ottoma- nischcn Kriegsministerium veröffentlichten Nachrich- ten über am 5„ 8. unL> 7. Juni bei Homs startgesuir- dene Kämpfe für falsch. Am 5. und 6. Juni habe überhaupt kein Kampf bei Homs stattgefunden, und am 7. Juni seien die Türken mit beträchtlichen Ver lusten in die Flucht getrieben worden. Die franzöfische Kammer und der Protektorats vertrag. Paris, 14. Juni. Die Kammer wird heul« nach mittag die Beratung des marokkanischen Protektorats vertrages sowie der über die marokkanische Ange legenheit erngebrachten Interpellationen beginnen, ll. a. werden das Wort ergreifen Lachud, Dume- nil, Bluysen, Fcrry und Iau res. Die Kongo-Konferenz. Die deutschen Delegierten zu der Kongo-Kamerun- Konferenz, Botschaftsrat Frhr. v. d. Lancken-Wake nitz, Konsul Bassel, Geh. Oberregierungsrat Meyer und Hauptmann a D. Marguardsen, sollen am Frei tag in Bern cintreffen. Wenn auch über die Dauer der bevorstehenden Verhandlungen zwischen den deutschen und französischen Regierungsvertretern Bestimmungen naturgemäß noch nicht getroffen sind, so wird Loch von beteiligter Seite mit einer Tagung von mindestens vier Wochen gerechnet. r. Der bist üu? Roman von Marie Diers. Aber als nun Mutter im Schwarzseidenen aus der Schlafstube kam und Vater und die Jungens in ihren guten Röcken erschienen und sie Walter noch den Schlips binden und seine bedauernden Worte über ihr Zurückbleiben mit unterschlucken mußte, als die rumplig« Kutsche vorfuhr, in der so gut, so gut noch Platz gewesen wäre (Hans hätte sowieso schon lieber auf dem Bock gesessen), da wollte ihr doch ihr junges Herz beinah zerbrechen. Und als sie am Wagen stand und der Mutter eine Decke über die Knice stopfte, war es ihr einen raschen, schrecklichen Augenblick lang, als hasse sie die Mutter. Nun konnte sie weinen! — Aber nein, da waren sa die Kinder. Glocke und Hammer sollte sie mit ihnen spielen. „Das ist fein, Elsi, daß du hier ge blieben bist," sagte der siebenjährige Fritzel. Es wurde Abend. Der Kopf war ihr wüst von dem Lärmen und Spielen, die Augen heiß von den ungeweinten Tränen. Ging denn der Tag heute gar nicht zu Ende? Sie saß auf dem Dettrand bei Fritz, der ihr immer noch am meisten zu erzählen hatte. Seine Gedanken liefen immer seinen Worten voraus, dann mühte sich der kleine Mund, und er sah aus wie ein schnappendes Fischchen. „Hör mal, Elsi, wenn nu alle alle, alle Kutschen auf der ganzen, ganzen Welt —" Draußen ging die Hausglocke. Ein rascher Schritt vom Flur her — Else horchte auf. Etwas wie ein Blitz, wie eine unmögliche Ahnung durchzuckte ihren Körper. Wer mar dos? So ging doch kein Bauer — Sie riß Fritzchens Hände von ihrem Hals ab, stürzte nach vorn. Im Flur brannte eine kleine, yualmende Küchenlampe. Im Havelock — nein, sic träumte doch nur — „Guten Abend," sagte Wolf Eagers ganz ruhig ..Sie erlauben, daß ich den nassen Mantel abnchwe? Es war drüben in Holzhagen nämlich etwas lang weilig. Da dachte ich — aber Sie sind ja sehr freundlich —" Er hatie den Mantel schon abgestreift, und Else, halb bewußtlos, kaum wissend, was sie tat, und was geschah, nahm ihn aus seinen Händen und hing ihn an den Ständer. Sie zitterte. „Was wollen Sie hier nur?" fragte sie, noch immer wie im halben Traum. „Sic seb'n, Fräulein Else," sagie Wolf geradezu, „Ihnen nebenbei adieu sagen." „Ach so — mir adieu sagen." Plötzlich schien ihr alles ganz richtig und in der Ordnung und über alles Begreifen hinaus schön. „Ich werde Ihnen Tee machen, es ist so schlechtes Wetter draußen. Sie sind doch nicht zu Fuß ge kommen?" „Nein, ich bin geritten. Dos Pferd habe ich gleich in Ihren leeren Pferdcstall gestellt, wir haben ja heute ein bißchen Bäumchen verwechseln gespielt." Wie seine Augen lachten und sein Mund! Welche Frische, welche spielende Kraft sein Wesen aus strömte! Sie sah ihn an und wußte nicht, wie ihre ganze Erscheinung eine einzige schrankenlose, jubelnde Bewunderung war. Da rührte es ihn wie ein Schreck. Es war hier ja so süß wie gefährlich. — So viel galt er ihr? Hätte «r dann so kommen dürfen, wie er kam? — Sie ging ihm voran durchs Eßzimmer. Dort standen die Ueberreste vom Abendessen der Kinder. „Es sieht hier noch so wild aus," sagte sie entschul digend. „Ich hatte keine Zeit zum Aufräumen, Fritzchcn —" Da tönte schon von fern und dumpf, aber deutlich sein wütendes Gebrüll. „Else — Elftes —" „Ach, er weckt ja die andern auf!" rief sic ganz erschreckt. „Ich muß hin —" Umgedreht und fort war sic. Das Gebrüll ver stummte. Wolf stand am Tisch mit den Resten, das stille, gelbe Licht einer Petroleumhängelamve erfüllte den Raum. Vor den Fenstern stand die schwarze Nacht. Wie er sich plötzlich vorkam! Wie ein Einbrecher! Hatte er denn während der ganzen tollen Reiterei keinen Gedanken daran gehabt, daß er Else um ihren Ruf bringen könnte? Und jetzt? Was weiter? Traute er sich zu, in diesem wundersamen Tete-a-tete den Kops kühl zu behalten? Er wußte es jetzt: er hatte so ein verschwommenes Bild davon gehabt, daß er Else inmitten der Kinoer- schar antreffcn würde, ein paar entzückende Stünd chen voll verhaltener, spielender Seligkeit verleben, dann wieder nach Haus reiten und der verehrten ge schätzten Mama Därenwendcr ins Gesicht einen schönen Gruß von Else überbringen. Er wollte ja nachher gar keine Heimlichkeit aus der Sache gemacht sehen. Nun drohte der Faden seinen Händen zu ent gleiten. Es war hier alles anders, als er gewollt hatte. Und Else — so fassungslos, viel zu fassungslos für solche gefährliche Stunde. Wäre es jetzt nicht das beste, hinaus und aufs Pferd, ehe sie wicderkam? Es wäre zwar die Krö nung seines albernsten Streichs, den er je begangen hatte, aber von zwei Uebeln doch das geringste. Da aber kam Else schon zurück, und — er sah es staunend — als eine andre, die sie gegangen war. Noch lag eine leise, bange Schamröte auf ihrem Ge sicht von der Lüge, die sie ihrem Brüderchen aufge bunden hatte: da sei ein fremder Mann, der Papa sprechen wolle, und den sie anhören müße. Aber dieser bewußten Lüge gegenüber und der Gewißheit, diese Lüge vielleicht noch mehr als einmal, sogar den Eltern gegenüber, vertreten zu müssen, war ihr be fangener, betäubter, wie umzaubcrter Sinn plötzlich wieder klar geworden. Dieser Besuch war nichts, über das sie sich freuen durfte! Und als sie jetzt wieder vor ihm stand und von neuem ihr armes, junges Herz festhalten mußte, daß es ihm nicht entgegcnflog, da fühlte sie mit Er beben: ja, spielende Kraft ging von ihm aus. eine Kraft, die mit Menschen und Schicksalen spielt. Sic fand demgegenüber plötzlich den Ton für ibn. „sic haben mir adieu sagen wollen. Herr Doktor. Ich danke Ihnen recht schön, es tut mir leid, daß Sie solch Wind und Wetter dazu hotten. Leben Sie also wohl, viel Glück!" Er sah sic verdutzt an, all sein Heller, leichter Frohsinn kam ihm zurück. Sic gab ihm den Abschied, ihren verheißenen Tee hatte sie wohl ganz vergessen. Oder vielmehr vergessen wollen. Sic war doch nicht so fassungslos unü wehrlos, wie er erst gedacht hatte. Er nahm ihr Händchen, das sich ihm. Audienz be endend, entgcgcnstrccktc. Wahrhaftig, cs war ganz kühl! Er faßte es und Las andere dazu und zog Else sanft, aber fest vom prosaischen Eßtisch fort auf die Schwelle zu der dunklen Weihnachtsstube. Nur in einer Ecke leuchtete das Transparent der Krippe. Ihm ward plötzlich still und selig ums Herz. Er fühlte etwas von dem Weben eines reinen Mädchen lebens, in das man nicht einbricht nach Laune und zum Spaß. Diese dunkle Weihnachtsstube mit dem Hellen Punkt der alten, lieben Christgeschichte nahm jein stürmisches Herz gefangen, und mit zarten Lippen berührte er ihre Hände, eine nach der andern. „seien Sie mir nicht böft," sagt« er, „ich gehe jetzt." Vor seinem Ton, der ihr zum Herzen drang wie nichts anderes im ganzen Leben bis zu dieser Stund«, sank all ihr kühler Stolz hilflos zusammen. Tränen füllten ihre Augen. Wie hab' ich dich lieb — wie hab' ich dich lieb — stammelte ihre junge Seel«. Er sah ihr noch einmal lange ins Gesicht, drückte ihre Hände und ging. Draußen stieß ihm ein heftiger, lauer Wind ent gegen, schwer hing der nasse Mantel um seine schultern. Er holte ftin Pferd aus dem stockdunklen Stall und ritt langsam aus dem Dorf in di« finstern Felder hinein. Nur rechts und links blinkte der noch un getaute Lchn«e. Er batte sich diesen Einbruch anders gedacht. Lustiger, prickelnder, mit heißem Kopf dann heimzu stürmen von einer tollen, abenteuerlichen Minne sahn. Nun war sie Siegerin geblieben, di« kleine, stolze, seine Seele. Nun stand er vor der großen Frage: Alles oder nichts! (Fortsetzung in der Morgenausgabe.)
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