Volltext Seite (XML)
Dienstag. Rr. «4. 4. Juni 1878. Weißerih-Ieitung. Arnts-Wtatt für die Königs. Amtshauptmannfchast Dippoldiswalde, sowie für die Königs. Kerichls-Aemter und die Stadträtl-e zu Dippoldiswalde und Irauenstein. Verantwortlicher Redakteur: Carl Jehne in Dippoldiswalde. Dieses Blatt erscheint wöchentlich drei Mal: Dienstags, Donnerstags und Sonnabends. — Au beziehen durch alle Post- Anstalten und die Agenturen. — Preis vierteljährlich 1 Mark 23 Pfg. — Inserate, welche bei der bedeutenden Auflage des Blattes eine sehr wirksame Verbreitung finden, werden mit 10 Pfg. sür die Spalten-Aeile, oder deren Raum, berechnet. Abermals bringt der Telegraph die Schreckensbotschaft von einem ' Attentat auf Se. Maj den Kaiser Wilhelm. Dieselbe berührt um so schmerzlicher, weil der greise Monarch bei dieser erneuerten Frevelthat nicht unverletzt ge blieben ist! — Bis jetzt liegen über die Unthat folgende Nachrichten vor: Als der Kaiser am Sonntag Nachmittag '/,3 Uhr seine Spazierfahrt machte, wurde „Unter den Linden" aus einem Hause auf ihn geschossen und er im Gesicht, am Kopf, den Armen und am Rücken verwundet. Er kehrte sofort in das kaiserl. Palais zurück, ward in's Bett gebracht, den Aerzten v. Lauer, v. Langenbeck und Wilms zur Behandlung übergeben und alsbald eine Anzahl Schrotkörner entfernt. Se. Maj. hatte starken Blutverlust. Als man in die Wohnung des Mörders (Unter den Linden Nr. 18) eindrang, schoß er auf die sich nahenden Personen mit Revolvern, die im Zimmer lagen; dann brachte er sich selbst eine schwere Verwundung am Kopfe bei, worauf er endlich verhaftet werden konnte. Er ist ein vr. xllii. Landwirth C. Ed. Nobiling, 1848 in Kollno bei Birnbaum (Reg.-Bez. Stettin) geboren und ist seit zwei Jahren in Berlin wohnhaft, soll auch früher Hilfsarbeiter beim kgl. statisti schen Bureau in Dresden gewesen sein. Nobiling ist der That geständig, schweigt aber hartnäckig über die Motive, die ihn zu der Unthat veranlaßten. — Er hat die zwei Schüsse aus dem Fenster des 2. Stockes und aus einem mit Schrot geladenen Doppelgewehr abgegeben. Er ist in der Krankenstation der Stadtvoigtei in Haft; seine Mutter kam zu ihm. In Berlin herrscht begreiflicher Weise eine furchtbare Erregung und Entrüstung; aus allen Stadttheilen strömten die Massen nach der Gegend „Unter den Linden." — Abends 7 Uhr fand Sitzung des Staatministeriums statt. Das erste, Sonntag Nachmittag '/»5 Uhr in Berlin zur Ausgabe gelangte Bulletin lautet: „Bei dem auf Se. Maj. den Kaiser und König verübten Attentate sind 2 Schrotschüsse abgefeuert worden. Gegen 30 Schrotkörner sind in das Gesicht, den Kopf, beide Arme und den Rücken eingedrungen. Keine der Wunden deutet auf unmittelbare Lebensgefahr. Se. Majestät leiden an heftigen Schmerzen, haben aber das Bewußtsein keinen Augenblick verloren. Das Allgemeinbefinden hat sich wieder in er freulicher Weise gehoben." Abends 6 Uhr 16 Min.: Der Zustand des Kaisers giebt zur Zeit zu keinen ernsten Besorgnissen Anlaß. Ein großes Unglück zur See hat unsere deutsche Flotte betroffen! — Die Panzerschiffe „Preußen," „König Wilhelm" und „Großer Kur fürst" waren von Wilhelmshafen nach Plymouth in See gegangen; — im Kanal zwischen Deal und Folkestone, nur wenige Seemeilen vom Lande entfernt, unter blauem Himmel, bei ruhiger See, hat sich am Vormittag des 3l. Mai das Gräßliche ereignet, daß die beiden letzgenannten Panzerschiffe, „König Wilhelm" und „Großer Kurfürst," in Collision geriethen und daS letztere in wenigen Minuten, nachdem die Dampfkessel explodirten, zu Grunde ging! Von der 600 Köpfe starken Bemannung sind gegen 255 gerettet und über 300 ertrunken! Die Schwere des Verlustes, den Deutschland in dem Untergange dieses Schiffes erlitten, tritt weit zurück vor dem Leid, welches in Tausende von Familien getragen wurde. Die Aufregung ist überall eine ungeheure. Der Kronprinz von Deutschland hat sich auf die Nachricht von dem Unglück sofort von London nach Dover begeben. Der Zusammenstoß soll dadurch erfolgt sein, daß der „König Wilhelm" bei einer scharfen Wendung, welche er machte, um einer ihm entgegenkommenden Barke auszuweichen, mit voller Kraft in den „Großen Kurfürst" hineinfuhr. Das Panzerschiff „König Wilhelm" ist ebenfalls sehr schwer be- schävigt, und das Vordertheil mußte sofort mit Segeln und Hängematten verstopft werden. Die englische Admiralität leistet allen Beistand und wird das Schiff in ein Dock nach Portsmouth geleiten, wo es hergestellt werden muß. Der „Große Kurfürst" führte etatmäßig über 500 Mann, einschließlich der Offiziere; er hatte am 31. Mai folgende Personen an Bord: 20 Offiziere, 10 Seekadetten, 80 Mann vom Seebataillon, 76 Heizer, Maschinisten, 7 Stabswacht meister, 4 Schreiber, 270 Matrosen, 30 Handwerker. DaS Schiff war ein „Thurmschiff;" bei einer Länge von 94 Metern, einer Breite von 16,» Metern und einem Tiefgang von 7,e Metern hatte e« eine Fahrgeschwindigkeit von 14 Knoten; der Schiffskörper war ganz aus Eisen mit doppeltem Poden; der Dampfer hatte 6 Kessel, daS Schiff 8 Kanonen, '4118 Tonnen Gehalt und 5400 Pserdekräfte.