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ilsdrufferTageblati für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter iniii: Nr. 151 — 9Z. Jahrgang Sonnabend, den 1. Juli 1933 Postscheck: Dresden 2640 W Telegr.-Adr.: „Amtsblatt* Wilsdruff-Dresden Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft/ Das «Wilsdruffer Tageblatt* an allen Werktagen nachmittags 5 Uhr. Bezugspreis monatlich 2,— RM ffrei Haus, der Postbestellung 1,80 AM. zuzüglich Bestellgeld. Einzelnummern 10 Apfg. Alle Postanstalten und Post- Wochenblatt für Wilsdruff u. Umgegend Gewalt,Kriegod.sonftiger — 2 2-2 Betriebsstörungen b-stclit Lein Anspruch auf Lieferung der Zeitung oder Kürzung des Bezugspreises. Rücksendung eingcsandter Schriftstücke erfolgt nur, wenn Rückporto beiliegt. Anzeigenpreis: die »gespaltene Raumzeile 20 Rpfg., die «gespaltene Zeile der amtlichen Bekanntmachungen «0 Reichs» Pfennige, die 3 gespaltene Reklamezeile im textlichen Teile l RM. Nachweisungsgebühr 20 Reichspsennige. Borge- werden nach Müg^k^it Fernsprecher: Amt Wilsdruff Nr. 6 b"?ücksichttgt.b°An?ei^ annahme brsvorm.lOUHr. Für Richtigkeit der durch Fernruf übermittelten Anzeigen ubern. wir keine Garantie. Jeder Rabattanspruch erlischt, wenn der Betrag durch .. - Klage eingezogen werden muß oder der Auftraggeber in Konkurs gerät. Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft Meißen, des Amts ¬ gerichts und des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt Fronten und Waffen. Für und gegen Gold. — Deutschland als ehrlichster Schuldner. — „Die Seele wohnt im Blut." „Ein großer Staat besteht nur durch sich selbst und aus eigener Kraft; er erfüllt den Zweck seines Daseins nur, wenn er entschlossen und gerüstet ist, sein Dasein, seine Freiheit und sein Recht zu be haupten; ein Land wehrlos zu lassen, wäre das größte Verbrechen seiner Regierung." Eeneralseldmarschall von Moltke, der dieses eigent lich doch selbstverständliche Wort einmal hat aussprechen müssen, um eine Schwächung der deutschen Wehrmacht verhüten zu helfen, war nebenbei auch insofern ein über aus kluger Politiker, als er im Reichstag nur als Ab geordneter zu sprechen pflegte, wenn er etwas — zu sagen hatte. In London auf der Weltwirtschafts- konferenz aber wird, je weniger man zu sagen hat, desto mehr geredet. Und je weniger man zueinander spricht, desto mehr redet man sich auseinander. Da man das selbst zu fühlen beginnt, hält man Monologe, in denen über das eigentliche Thema der Konferenz, über die Voraussetzung für ein wirklich gegenseitiges Helfen, also über die Frage der Währungsstabilisierung, schon gar nicht mehr geredet wird. Wenn man will, so kann man das als eine Begleit musik zu der sich ganz allein weiter vollziehenden Entwicklung der Dinge bezeichnen. Diese Entwicklung ha nunmehr zu einer deutlich nach außen hin sichtbare! Fro^ntbildung geführt. Auf der einen Seite stehei die Scharen jener Länder, die allerhand Entwer tungsexperimente mit ihrer Währung ver anstaltet haben oder im Begriff sind, es zu tun. Sv „manipulierten" mit ihrer Währung, und ihr Feldgeschre lautet: Kontrollierte Inflation, möglichst große Kredit auswcNung, um das allgemeine Preisniveau nicht etwc bloß dem Papierwert nach, sondern tatsächlich in die Höh, zu treiben. Auf der Gegenseite steht die Front der Gold , 2 .. der : nnr noch recht wenige davon gibt es, und s< manches schleicht sich jetzt davon. Auch hier will mar Krediterweiterung, Preissteigerung, — aber beides nich mit künstlichen währungspolitischen Experimenten herbei- geführt, sondern auf dem natürlichen, eigengesetz lichen Wege der Bedarfsdeckung. Mit der „Goldländer konferenz" einerseits, der Ablehnung jeden Stabilisierungs abkommens zwischen Dollar, Pfund Sterling und Fran andererseits, wurden diese Frontbildungen und Gegen sätzlichkeiten „evident", wie die Österreicher sagen würden Aber noch deutlicher wurde, daß sich auf dieser Weltwirt schaftskonferenz doch eigentlich immer mehr die Er kenntm^ durchzusetzen beginnt: Jeder Staat muß erst ein mal b e r s r ch selbst Ordnung schaffen, ehe mar an den Wiederaufbau der weltwirtschaftlichen Veziehun gen Herangehen kann. Das hat auch der neue ameri kanische Delegierte in London, Professor Moley, schon ge äußert, als er seinen Fuß auf englischen Boden setzte Amerika werde sich um keinen Beschluß der Londons, Konferenz kümmern, der es auf seinem einbestimmter -Wege zur Selbstsanierung stören würde. Er hätte mi -Moltke hinzufügen können, daß Amerika nur durch sw selbst und aus eigener Kraft bestehen wolle und sei! Dasein, seine Freiheit und sein Recht zu behaupten ent Mosten sei. Allerdings wäre es da nicht erst notwendig gewesen eine Weltkonserenz, den englischen König und sein Mikro phon zu bemühen, wenn man sich einander nur saget Will: ein jeglicher müsse erst mal gründlich vor der eigener Tür kehren, wenn man später eine gemeinsame sauber, Straße haben soll. Ein zwischen den Völkern gut funk tionierendes Telephon hätte für die Feststellung eines Lolchen Ergebnisses auch genügt! -I- ' Militärisch will man uns Deutsche nach wie vor unte! Len Druck halten, der sich schon ganz allein aus unsere! Wehrlosigkeit ergibt, aber man will es auch als ein Ver brechen an der ganzen so überaus friedfertigen Mensch cheit „anprangern", wenn unsere nationale Regierung jes nicht weiter ertragen will, „ihr Land wehrlos zr lasten", was ja Moltke als der Verbrechen größtes be Zeichnet! Ebensowenig dürfen wir aber im wirtschaft lichen Kampf um die Behauptung „unseres Daseins unserer Freiheit und unseres Rechts" uns selbst wehrlos wachen, auch wenn ein formales „Recht", nämlick Schuldverschreibungen an das Ausland, in Besitz unserer Gläubiger ist. Das Recht aus Dasein kein papiernes, sondern ein von der Natur der- liehenes Recht. Aber wie hat der Re chsbank > Präsident mit dieser Schar von Shylocks ringen müssen die auf ihre Scheine bestanden und die Überweisung unserer Schuldzinsen in fremder Währung an die Aus- landsgläubiger verlangten. Von der ursprünglich beab sichtigten völligenSperre dieser Zinszahlungen au! unsere Ausländsanleihen ist Dr. Schach! abgeganger und hat gerade bei den Verpflichtungen für die „poli tischen Schulden" — die Dawes- und die Uoung-An- leihe— dem Drängen der Gläubiger sehr weit nach Ter Mzler KM die men Mister Das Ergebnis der Ministerbesprechung. In der Ministerbesprechung am Freitagnachmittag be grüßte der Reichskanzler zunächst die nenernannten Minister, den Reichswirtschaftsminister Dr. Schmit! und den Reichsernkhrungsministcr R. Walter Darrs sowie den stellvertretenden Parteiführer der NSDAP^ Rudolf Hetz, der ebenfalls zum erstenmal an eine! Ministerbesprechung teilnahm. Der Reichskanzler sprach sodann sein Bedauern über den Rücktritt des bisherigen Reichswirtschafts- und Ernährungsministers Dr. Hugenberg aus, dessen verdienstvolles Wirken in der oeutschen Politil und insbesondere im Reichskabinett er noch in einem Schreiben zum Ausdruck bringen werde. Der Reichskanzler berichtete dann über seinen Besuch beim Reichspräsidenten in Neudeck und hob hervor, daß er besonders erfreut gewesen sei über die Frische und dasgu 1 eBefindendes Reichspräsidenten, der dem Reichskabinett die besten Grütze und Wünsche übermitteln lietz. Übernahme der freigewordsnen preußischen Ministerien durch Darre und Schmitt. Der preutzische Ministerpräsident Göring teilte mit, daß auf seinen Vorschlag vom Reichskanzler als Reichs statthalter für Preußen der Reichswirtschaftsministcr Dr. Schmitt zum preußischen Minister für Wirtschaft und Arbeit und der Rcichsernährungsministcr Darrö zum preußischen Landwirtschaftsminister ernannt worden sind. Das Reichskabinett genehmigte die Ernennung des Diplominigenieurs Gottfried Feder zum Staatssekretär im Neichswirtschaftsministerum und erklärte sich damit einverstanden, daß der bisherige Ministerialdirektor im Reichswirtschastsminifterium Dr. Poste zum zweiten Staatssekretär im Neichswirtschaftsministerium vorge- schlagcn wird. Ncichsbankpräsident Dr. Schacht berichtete schließ- lich über die am Sonnabend in Kraft tretende Regelung des Transfers der Zinsen und Amortisationen de, ausländischen Anleihen, wie sie auf Grund der Londoner Verhandlungen mit den Auslandsgläubigern nunmehr stattfindet. Das Reichskabinett billigtedie Vorschläge des Reichsbankpräsidenten, und der Reichskanzler dankte Dr. Schacht im Namen des Reichskabinetts fü, seine unermüdlichen Bemühungen, der vor handenen Schwierigkeiten Herr zu werden. Wmr Loch, kWM.Wf.LaniMWs Das sächsische Miislerium des Innern hat an das evange lisch-lutherische Landeskonsistorium zu Händen des Herrn Prä sidenten Dr. Dr. Seetzen folgende Anordnung gerichtet: „Durch die politischen Ereignisse der letzten Zeil und die Vorgänge im kirchenpolitischen Leben anderer deutscher Länder sind innerhalb des evangelischen Kirchenvolkes Sachsens Spann ungen und Unruhen entstanden, deren sofortige Behebung um der Kirche und um des Evangeliums willen notwendig ist. Der kirchliche Notstand ist in Sachsen um so größer, als infolge des Todes des bisherigen Landesbischofs die evangelisch-lutherische Landskirche ihres verfassungsmäßigen Vertreters entbehrt. Dis kirchlichen Behörden haben von sich aus bisher keine durchgrei fenden Schritte zur Behebung dieses Notstands und zur An passung der kirchlichen Verhältnisse an den durch die nationale Erhebung geschaffenen Zustand unternommen. Infolgedessen sieht sich das Ministerium des Innern gezwungen, aus Grund der Reichspräsidentenverordnung zum Schutze von Volk und Staat vom 28. Februar 1933 (Nelchsgesetzbl. S. 83) folgendes anzu ordnen: Der Pfarrer Friedrich Coch in Dresden wird mit der Wahrnehmung aller dem Landesbifchof der evangelisch-luthe rischen Landeskirche des Freistaates Sachsen zustehcnden Rech te und Befugnisse auf so lange betraut, bis ein Landesbischof nach der künftigen Verfassung der in Bildung begriffenen „einen evangelischen Kirche deutscher Nation" gewählt oder anerkannt worden ist. Pfarrer Coch wird Wester ermächtigt, bis auf weiteres alle dem evangelisch-lutherischen Landeskonsistorium, dem Lan- deskirchenausschusse und dem ständigen Synodalausschusse zu- slehenden Rechte auszuüben. Die Notverordnung über Ermächtigung des Landeskon sistoriums vom 7. Juni 1933 (Kirchliches Gesetz- und Verord- nungsblatt der evangelisch-lutherischen Landeskirche Bl. 31) wird außer Kraft gefetzt. Die vorstehenden Maßnahmen treten mit sofortiger Wir kung in Kraft." Sin drief Sinbendurgs an Mer in der Krchensrage. Reichspräsident von Hindenburg hat an Reichs kanzler Hitler in der Frage der Auscinandersetzunge« in der evangelischen Kirche folgendes Schreiben gerichtet: „Sehr verehrter Herr Reichskanzler! Die Ausein- andersetzungcn in der evangelischen Kirche und die Gegen- sätze, die zwischen der preußischen Staatsregierung und der Leitung der preußisch-evangelischen Landeskirchen entstanden sind, erfüllen mich als evangelischen Christen wie als Oberhaupt des Reiches mit ernster Sorge. Zahl reiche an mich gerichtete Telegramme und Zuschriften bestätigen mir, daß die deutschen evangelischen Christen dÄch diese Auseinandersetzungen und durch die Sorge um die innere Freiheit der Kirche aufs tiefste bewegt sind. Aus einer Fortdauer oder gar einer Verschärfung dieses Zustandes mutz schwerster Schaden für Voll und Vater- land erwachsen und die nationale Einheit leiden. Vor gegeven; es bleibt dort fast alles wie bisher und nm die Tilgungsbeträge für die Uoung-Anleihe werden nich transferiert. Auch bei den rein privaten Schulden wird ein Drittel der bisherigen auch weiterhin an das Ausland in fremder Währung überwiesen und — an de: „Substanz" unserer Verpflichtungen ändert sich nichts. Nichts an der Schuldsumme, nichts an de! Zinshöhe, nichts an der Tilgungsari. Der deutschen Wirt schaft wird kein Pfennig an der Erfüllung ihrer Schuld verpflichtungen nachgelassen. Wir wollen, soweit die Kräfte reichen, ehrliche Schuldner bleiben. Aber den letzten Blutstropfen abzapfen lassen wir uns denn doch nicht! Ehe das Ausland so wett vorgehen konnte, haben wir uns gewehrt, „denn eine Grenze hat die Gläubigermacht": das Recht aufs Dasein nämlich, das Rechr darauf, im Wirtschaftskampf mit den anderen und im Streben zu eigenem Wiederaufbau nicht die letzten Waffen hergeben zu müssen. Denn auch in diesem Ringen „ein Land wehrlos zu lassen, wäre das größte Verbrechen seiner Regierung". „Ein großer Staat besteht nur durch sich selb st und aus eigener Kraft", - aber diese Kraft ist nicht bloß eine solche der militärischen und der wirtschafts politischen Energie, sondern auch eine solche des „v olks ¬ schützenden", des „volkserhaltenden" Wol lens. Wem sagte bisher das bloße Wort „Bevölke- rungspolitik" viel? Niemandem oder höchstens nur seh! wenigen. Nun aber konnte man lesen oder hören, mit welch drängendem, stürmisch pulsierendem Leben dsi Neichsinnenminister Dr. Frick jenen farblos vieldeutigen Begriff erfüllte. Bevölkerungspolitik — das ist kurz und knapp gesagt: die Selbstverteidigung der Rasse. Hier wurde endlich einmal in umfassender Darstellung ein Bild von den verschiedenen Erscheinungs formen, vor allem aber von den drohend-bitteren Not wendigkeiten dieses Kampfes um das Dasein eines Volkes gezeichnet. Gewiß sind auch hier viele äußere Waffen vonnöten, um in diesem Ringen nicht zu unterliegen oder um gar siegreich vorwärtszustoßen. Aber die stärksten Waffen hierbei, die kein Staat uns zur Verfügung stellen kann, entstammen dem eigenen Blut, dem eigenen Wollen. Denn das nationale Er wachen eines Volkes, sein Anfspringen zum Widerstand und Kampf, sein Sicheinsetzcn für das Recht aufs Dasein, sein Wille, „nur durch sich selbst zu bestehen und aus eigener Kraft", — das alles spricht und fordert in diesem Volke das Blut, in dem, nach uraltem Völkerglanbem, die Seele wohnt. Dr. Pr.