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Hptd u. Redaktion kittden« Neustadt tl. Meitzner Gasse 4. Lie Zeitung erscheint Tteustag, Lsnuersta, und konnabend früh. Abonnement»- Preis: »itHeljährl.Mk.1,8a. Zu beziehen durch die kaiserlichen Post« «palten und durch unsere Boten. >ei freier Lieferung tut H<mS erhebt die Mjl noch eine Ge bühr von 25 Pfg. älh fische A och eilmZ. Inserate werden bis Montag, Mittwoch u. Freitag Mittag angenommen und kosten: dielspasl.ZeileldPsg. Unter Eingesandt: 30 Pfg. Litt unterhaltendes Blatt für den Bürger und Landmann. Amtsblatt für die kgl. AmtShauptmannschasten Dresden-Altstadt und Dresden-Neustadt, für die Ortschaften des kgl. Amtsgerichts Dresden, sowie für die kgl. Forstrentämter Dresden, Tharandt und Moritzburg. Verantwortlicher "Redakteur und Verleger Herrmann Müller in Dresden. Inseraten» Annahmefteklen: Dir Arnoldische Buchhandlung, Jnvalidendank, Haasenstein LVogler. Rudolf Moise, G L. Daube « To. in Dresden, Leivzig, Hamburg, Berlin, Frankfurt a/M. u. s. w. Ar. 1V9. Donnerstag, den 15. September 1887. 49. Jahrgang. Politische Wellschau. Deutsches Reich. Berliner Börsengerüchte hatten am Montag daS russische Geschwader schon auf der Höhe von Swinemünde in Sicht kommen lassen. Am Tage darauf war aber noch nicht einmal etwaS von Vorbereitungen zur Abfahrt auS Kopenhagen be kannt. Infolge dessen finden die Zweifelnden wieder Gehör bei denen, welche bestimmt di« Ankunft deS Cjarea erwarteten. Diese stützten sich vor Allem darauf, daß Herr v. Bülow den Kaiser nach Stettin begleitete, während sonst zu Manövern für gewöhnlich kein Ver treter deS auswärtigen Amtes sich im Gefolge deS Kaisers befindet. Weiter hatte auch ein lebhafter Depeschenwechsel zwischen Berlin und Kopenhagen statt- gesunden, gut unterrichtete Personen hatten Andeutungen fallen lassen, wonach ein Besuch deS Czaren nicht aus geschlossen sei — kurz, eS hatte reichlichen Stoff für frischt, fröhliche KombinativnSjäger gegeben. DaS Alles scheint durch daS Schweigen in Kopenhagen zu Wasser zu werden, indessen haben die Zuversichtlichsten noch nicht den Muth sinken lassen, sie hoffen noch be stimmt auf die Ankunft der russischen Panzerschiffe mrt dem Czaren, dem märchevumwobenen Czaren an Bord. Auf den Fürsten BiSmarck hat die Anziehungskraft, welche der Name deS Czaren ausübt, diesmal keine Wirkung gethan, er hat den Kaiser nicht nach Stettin begleitet. Der oificielle Grund dafür ist die ermattende Wirkung, welche die Kissinger Bäder nach einiger Zeit äußern. Dem Fürsten ist jedenfalls die Ruhe zu gönnen. Er hat noch kurz mit der bulgarischen Krage aufge räumt, indem er die zugedachte Rolle eines Vermittlers für Deutschland zurückwies und nun die Stellung nahme der anderen Mächte abwartet. In mehreren Auslassungen der officiösen „Nordd. Allgem. Ztg." ist dieser Standpunkt klar gelegt. Zunächst ist dabei die Behauptung deS „Pester Lloyd" widerlegt worden, daß Fürst BiSmarck sich zum Vermittler in der Affaire krnroth direkt angeboten habe. Darauf erwiedert die „Nordd. Allg. Ztg.", wenn dl«S wahr wäre, so hätte daS deutsche Kabinett die von der Pforte gewünschte Vermittelung nicht ablehnen können. DieS sei aber bekanntlich geschehen. Deutschland sei mit der Entsendung Troroth'S nicht nur einverstanden, sondern auch bereit, den anderen Mächten daS Eingehen auf diesen Plan anzuem- pfehlen, wenn derselbe zuvor von den betheiligten Kabi netten, der Pforte und Rußland, amtlich beantragt würde. Die Pforte aber wünschte, Deutschland möt-te ohne vorgängigen türkischen oder russischen Antrag im eigenen Namen den anderen Mächten die Ernennung eines russischen Generals zum Statthalter Vorschlägen. Da durch würde Deutschland eine Verantwortlichkeit in Orientfragen übernehmen, die ihm bisher nicht obliegt. Die Lage der Dinge im übrigen Europa sei nicht der artig, daß die Reichspolitik sich veranlaßt fühlen könnte, ihre Aufgaben zu vermehren und ihre Kräfte zu theilen. Sie würde außerdem, wenn sie eigene Anträge in der bulgarischen Frage stellte, sich auch verpflichtet halten, den Mächten darüber Auskunft zu geben, wie sie sich die Durchführung deS Beantragten verstelle. Letztere hänge zunächst von der Pforte ab. An der fuceränen Macht sei es, Entschließungen zu fassen, wie der Wider stand der Bulgaren zu überwrnden sei. — Daß diese Entschließungen der Pforte nicht allzu rasch erfolgen, dafür bürgen schon die Geldverlegenheiten, in denen die Pforte sich jetzt befindet. Wenn gemeldet wird, daß der türkrscke Kriegsminister die Frage eines militärischen EinrückenS in Ostrumelien studire, so erregt diese Nach richt zusammengehalten mit der, daß die vttomanische Bank die Auszahlung der Gehälter an die fremden Officiere in türkischem Dienste eingestellt hat, nur ein Lächeln. Wenn nicht einmal mehr Geld für die fremden Officiere flott zu machen ist, dann können die Bul garen wegen einer türkischen Okkupation ruhig schlasen. Der Kaiser und die Kaiserin mit dem Prinzen und der Prinzessin Wilhelm, sowie großem Gefolge sind am 12. September 4'/, Uhr nachmittags auf dem pracht voll dekorirten Bahnhofe in Stettin eingetroffen AlS der kaiserliche Zug nahte, intonirte daS MusikkorpS der auf dem Perron ausgestellten Ehrenkompagme, welche aus Mannschaften deS 34. Regiments kombinirl war, die Nationalhymne. Während die Kaiserin am Arme der Prinzessin Wilhelm den Wagen verließ und sich in'S Kaiserzimmer deS BahnhofeS begab, schritt der Kaiser, der dem Waggon rasch entstiegen war und die Be grüßung der Generalität und der Spitzen der Behörden entgegen genommen hatte, von dem Prinzen Wilhelm gefolgt, die Front der Ehrenkompagnie ab. Sodann erfolgte die Abfahrt vom Bahnhofe nach dem Schlosse durch die prächtig dekorirte Feststraße. Im ersten Wagen hatte der Kaiser mit dem Prinzen Wilhelm Platz genommen; im zweiten Wagen saß die Kaiserin mit der Prinzessin Wilhelm. Vom Bahnhöfe ab bildeten die Kriegervereine und Innungen in den Straßen Spalier, daran schloffen sich 17,000 Schulkinder an, welche Guirlanden in den Händen trugen; hinter ihnen waren die Vereine und Korporationen ausgestellt, welche am Bahnhofe keinen Platz gefunden hatten. Hinter diesen stand, Kopf an Kopf gedrängt, eine auS der ganzen Provinz zusammengeströmte Menge, welche die Majestäten auf dem ganzen Wege bis zum Schlosse mit unbeschreiblichem Jubel begrüßte An mehreren Punkten der Feststraße wurden den Majestäten von jungen Damen und Schülerinnen Blumenspendea dargebracht. Im Schlosse war die erste Kompagnie d,S Grenadier-Regimentes König Friedrich Wilhelm IV. (1. PommerscheS Nr. 2) mit der Fahne und der Musik alS Ehrenwache aufgestellt. Abends 8'/, Uhr fand im Hofe deS königl. Schlosses, welches durch Fackeln, bengalische Flammen und Mag nesialicht tageShell erleuchtet war, großer Zapfenstreich mit Serenade statt, welcher von sämmtlicken Mufik- korps deS II. Armeekorps mit Ausnahme derjenigen deS GrenadierrrgimentS König Friedrich Wilhelm IV. Nr. 2 und deS Neumärkischen DragonerregimentS Nr. 3 unter Leitung deS Generalinspicievten der Armeemusik, Voigt, auSgesührt wurde. Der Kaiser und die Kaiserin, sowie der Prinz und die Prinzessin Wilhelm erschienen wiederholt am Fenster, von der zahlreichen Volksmenge, welche schließ lich die Nationalhymne anstimmte, begeistert begrüßt. Am Dienstag fand auf dem Krrkower Erercierplaye die große Parade deS II. Armeekorps statt, hieran schloß sich nachmittags 5 Uhr ein Paradediner in den Räumen deS Stettiner Schlosses, zu welchem die Generalität, die Obersten und StabSofficiere, sowie die Militär- bevollmächtigten und Militärattaches Einladungen er halten hatten. — Ueber daS Aussehen deS Kaiser ist nur eine Stimme der Bewunderung, der greise Monarch soll außerordentlich wohl und frisch sein. Auch von der Kaiserin wird Günstiges gemeldet. Der Kronprinz macht täglich von Tvblach auS größere Fußtouren. In dem Befinden deS hohen Herrn ist eine entschiedene, wenn auch allmälige Besserung sichtbar. Prinz Ludwig von Baiern ist von Wilhelmshaven abgereist und m Bremen eiugetroffen. In Posen hat am 10. September eine Versamm lung von ca 80 Getreidehändlern, Müllern rc. statt- gesunden, in welcher gegen 5 oder 6 Stimmen die Re solution angenommen wurde, daß die Erhöhung der Getreidezölle dem wirthschaftlichen Interesse der Provinz Posen, insbesondere dem Interesse deS GetreidehavdelS und der Müllerei in hohem Grade widerspräche. Der „ReichSaozeiger" meldet den am I. Oktober in Kraft tretenden Anschluß Badens an die Braont- weinSsteuer-Genoffenschast. Unser handelspolitisches Verhältviß zu Oesterreich- Ungarn muß in nächster Zeit durch eme neue Verein barung geregelt werden, da der bestehende Handelsvertrag vom 23. Mai 1881 nur bis zum letzten Tage diese- JahreS giftig ist. Der bestehende Vertrag gewährt die übliche gegenseitige Meistbegünstigung und eine Reihe von Erleichterungen und Zusicherungen hinsichtlich deS GrenzverkehreS, sieht aber von der Bindung irgend welcher Zollsätze ab. Ueber daS Scheitern eine- Tarifvertrages be merkte eine dem Reichstage im Jahre 1881 vorgelegte Denkschrift, die deutsche Regierung sei bereit gewesen, ihren Feuilleton. Sarah Bernhard s Schützling oder Ein blinder Passagier. Novelle von I. HariSberg. (3. Fortsetzung.) Der sehr zuvorkommende Franzose führte ihn dar auf in daS Zwischendeck, woselbst er ihm nun die be sagte Echlafkoje anwieS und über alles Weitere die nöthigen Instruktionen ertheilte. Dem jungen Maler wurde jetzt wieder etwaS leichter zu Muthe; er sah sich der ersten und größten Gefahr der Entdeckung enthoben; als der Koch sich anschickte, in seine kulinarische Ab- theilung zurückzukehren, brachte er ihm wiederholt vor züglichsten Dank dar und ließ dabei fallen, daß e« ihn sehr glücklich machen würde, wenn er diesen ihm erwiesenen «roßen Dienst früher oder später gebührend anerkennen könnte. Fast sämmtliche Passagiere hatten sich auf daS Ver deck begeben, um noch einen letzten Anblick ihre- Heimath- lankeS zu genießen. Fritz wendete sich, nachdem der Matrose da- Zwischendeck verlassen, ebenfalls dahin. ES war ein wunderbar reizender Anblick, den Havre mit seinen vielen stolzen Gebäuden, mit dem au-gedehnten Mastenwalde und der malerischen Umgebung im goldenen Glanze der uotergehendea Sonne bot. Manches Auge wurde naß bei diesem letzten Blicke auf die heimath- licke Erde. Auch Fritz wurde ganz eigenthümlich zu Muth«, al- ihm dieser Abschied-gruß zu Theil wurde. Gr versuchte sich zu ermannen; er wollte und durfte nicht an seine Heimath denken. Nach einer Weile zog er sein Skizzenbuch hervor und bannte daS herrliche Panorama in dasselbe fest. AlS die Sonne untergegangen war und die Küste anfing sich zu verschleiern, suchte er daS Zwischendeck wieder auf. Bald wurde daselbst daS Abendbrot auSgetheilt; nach Beendigung dieser Mahlzeit unterhielt er sich noch etwa eine halbe Stunde mit zwei von seinen Bekannten auS dem Emigravten- hotel, dann zog er sich in seine Koje zurück. Am folgenden Morgen, bereits in aller Frühe, arbeitete ein EchiffSzimmermann durch Vermittelung deS Kochs an einer Staffelei für den Maler. Letzterer beabsichtigte nun, den Entwurf von Havre zu »erwerthen respektive nach demselben eia Gemälde für die Küchen kabine auszuarbeiten. Ein Helle- Plätzchen, welches da- Atelier zu vertreten hatte, stand ihm im Zwischendeck zur Verfügung. Da ihm die Seekrankheit nichts weiter, alS eine vorübergehende Appetitlosigkeit zu verursachen vermochte, so machte er sich, sobald er im Besitze der nöthigen Vorrichtung war, an - Werk. ES war am siebenten Tage nach der Abfahrt de- „Labrador" von Havre, alS morgen- nach dem Frühstück rm Steward dem jungen Maler die Ordre brachte, der Kapitän erwarte «hn io der Kajüte, er habe sich un gesäumt dahiu zu begeben. Alles Blut wich dem Schuldbewußten auS dem Kopfe; nicht eia Wort vermochte er in seiner eatfttzlichen Ueberraschung Hervorzubriagen. Er legte Pinsel und Palette hin und folgte mit schwankenden Schritten dem Matrosen. Der Befehlshaber deS DampferS, «ine kurze ge- ! drungeoe Gestalt, mit ernsten, harten Gesichtszügen ' und gebräuntem, bartlosem Antlitz in den hohen Vierzigern, ! saß, als die Beiden auf sein „Herein!" in die Kajüte ! traten, an einem ovalen Tische und schien in eine auf demselben auSgebreitete Seekarte vertieft zu sein. „Hier, Herr Kapitän, der junge Mann, den Sie zu sprechen wünschen", stellte der Steward den Maler vor. „Lon, Sie können abtreten, Charles", befahl in schneidigem Tone, ohne die Blicke von der Karte zu er heben, der Seefahrer. „So, nun treten Sie näher, junger Mann", wendete er sich dana endlich, nachdem der Steward die Kajüte schon eine geraume Weile verlassen hatte, an den in banger Erwartung Dastehenden, indem er ihn mit scharfen, durchdringenden Blicken musterte. „Ihr Name ist Fritz Kern — Sie sind auS Hohevschwand gebürtig, i ein Schweizer also, stimmt daS?" Der Maler bestätigte, erbleichend an den Tisch herantretend, sein Nationale. „Ihr Name kommt in den Paffagierlistea nirgend- vor, waS zwar begreiflich ist", fahr sodann der Kapitän in dem angeschlagenen, ungemüthlichen Tone fort. „Ich will Ihnen gleich klaren Wein einschenken. ES ist ei« Passagier auf dem Schiffe, welcher Sie kennt; er ist sogar auS dem nemlichen Dorfe gebürtig, welche- Sie als Ihren Hetmathsort nennen. Dieser denuncirte Sie alS Thäter eineS kriminellen Verbrechen-. Er sagt unter Anderem, daß Sie die betreffende, meuchlerische Lhat vorige- Jahr, etwa Mitte September, zu welcher Zeit er sich behufs Ordnung seiner Vermögen-Verhältnisse einige Tage in Hoheoschwand aufhtelt, verübt und al-