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Erscheint Dienstagsund Freitags. Zu beziehen durch alle Postanstalten. Weißerih-Zeitung Preis pro Quartal 10 Ngr. Inserate die Spalten-Zeil« 3 Psg- Ms- »ad Iuztigk-Mt der KSaiglicht» Gerichts-Jemltr «ad StMrächk zk Kippoldtswaldt vli- /rauellütiv. VkrMworllichrr NrLsrtkur: Carl Zrhnr in Vippoldiswaldk. Monats-Bericht. Wir beginnen unsern Monatsbericht im neuen Jahre mit Wiedergabe der Worte, welche der „Kölner Zeitung" unter'm 1. Januar aus Versailles geschrieben wurden: „Seit mehr als zehn Jahren war es heute das erste Mal, daß alles Volk nicht mit ängstlicher Spannung am Neujahrsmorgen nach den Tuilerien horchte, um zu erfahren, ob der Mann der PlebiScite politisch gut Wetter für's neue Jahr zu machen gewillt sei. Statt dessen hatte König Wilhelm in der Spiegel galerie des Versailler Schlosses alle Paladine seines Heeres und HauptquartiereS um sich versammelt, um sie an diesem ersten Jahresmorgen persönlich zu be grüßen. Es war eine stattliche Versammlung, ca. 500 Köpfe. Die edelsten Namen Deutschlands hatten sich hier Rendez-vouS gegeben, und der Glanz der Uniformen war nicht im Stande, die Bedeutung dieses weltdenk würdigen Moments beim Beschauer in den Hintergrund zu verdrängen. Ein deutscher König und Kaiser, der die Fürsten, Herzöge und Führer von Deutschlands Volk in Waffen im Prunksaale Ludwigs XIV. empfängt, um ihnen Dank zu sagen für die bewiesene Ausdauer, den unentwegten Muth und die kraftvolle Energie, denen man das im Feldzuge Erreichte verdanke und um hin zuzufügen, daß noch nicht Alles geschehen sei und noch manche Kraftanstrengung gemacht werden müsse, um einen ehrenvollen und vor allen Dingen dauernden Frieden zu erreichen. So der König." Die Kraftanstrengungen begannen schon am andern Tage. Die Nordarmee unter Manteuffel wurde am 2. Januar von General Faidherbe angegriffen. Nach mehrtägigen Kämpfen gelang es, die Franzosen nach Lille an der belgischen Grenze zurückzuwerfen und den Versuch derselben, nach Paris durchzubrechen, zu ver eiteln. Am 6. Januar begann Feldmarschall Prinz Friedrich Carl die Offensive gegen die französische Westarmee unter Chanzh. In einer Reihe glänzender Gefechte wurden die Franzosen hinter Le Mans zurück geworfen, verloren über 20,000 Gefangene und ein un ermeßliches Armee- und Eisenbahnmaterial. Nicht ohne ängstliche Spannung verfolgte inzwischen das Publikum den Zug des französischen Generals Bourbaki, welcher im Süd osten gegen General Wer der aufgebrochen war, in der unverkennbaren Absicht, die belagerte Festung Belfort zu entsetzen, nach dem Elsaß durchzubrechen und die deutschen Rückzugslinien zu bedrohen. Schritt vor Schritt dem Gegner das Terrain streitig machend, zog sich der kühne Werder in eine Defensivstellung, an welcher Bourbaki mit seinen vier Armeecorps abprallte. Gewiß hat der Kaiser die allgemeine Stimmung mit den Worten seines Telegramms getroffen, daß Werdern und seinen tapfern Truppen die höchste Anerkennung gebührt. Merkwürdiger Weife fiel mit dieser glänzenden Waffenthat das für die deutsche Nation hochwichtige Ereigniß zusammen, daß König Wilhelm Mittelst Proklamation vom 18. Januar die ihm von den deutschen Fürsten angetragene Kaiserwürde annahm, gerade 170 Jahre später, al« sein Vorfahr Friedrich I. die Königskrone erhielt. Der nächstfolgende Tag, der 19. Januar, brachte wieder eine glänzende Waffenthat, in dem General v. Göben die inzwischen wieder vorge rückte Nordarmee bei St. Quentin auf'S Haupt schlug und 4000 Gefangene machte. So waren in dem kurzen Zeiträume von 14 Tagen sämmtliche neugebildete Armeen, welche der Diktator Gambetta durch den gewaltigsten Terrorismus ge schaffen, vernichtet und ein enormes Armeematerial in unsere Hände gefallen. Inzwischen war das, in den ersten Tagen des Monats begonnene Bombardement von Paris mit großer Energie fortgesetzt worden. Die immer dichter fallenden verheerenden Wurfgeschosse der Deutschen ver fehlten ihre Wirkung auf die Pariser nicht. Die be lagerte Armee machte am 19. einen größeren Ausfall, aus dem man auf die verzweifelte Lage der Hauptstadt schließen konnte, deren endliche Capitulatton nicht mehr auf sich warten lassen sollte. Die Verhandlungen hierüber durch JuleSFavre wurden bereits am 23. eingeleitet, und am 28. Abends wurde unter dem Zu- geständniß eines dreiwöchentlichen Waffenstillstandes die Capitulation abgeschlossen. Die gefürchteten Pariser Forts wurden von deutschen Truppen besetzt, die Pariser Armee kriegsgefangen. Eine Constituante nach Bordeaux wird binnen 14 Tagen einberufen! Die große moralische Bedeutung der KriegSer- eignisse dieses Monats besteht, wie ein Publicist des „Dr. Anz." richtig bemerkt, darin, daß sich dadurch die Idee der Regierung der nationalen Vertheidigung, die Kriegsübung der Gegner durch die Zahl der aufge botenen Streiter zu überbieten, tatsächlich widerlegt und als irrthümlich herausgestellt hat. Nicht nur die durch Gambetta'S Machtwort aus dem Boden gestampften französischen Armeen sind bei St. Quentin, Le ManS und vor Belfort den deutschen Soldaten unterlegen, sondern eS hat sich dort, was weit wichtiger ist, ja für den gegenwärtigen Krieg voraussichtlich entscheidend sein wird, das System der Massenaufgebote von Volks wehren und mobilisirten Nationalgarden, gegenüber dem deutschen Wehrsystem eines streng militärisch geschulten und vorgebildeten Volksheereö, als total unbrauchbar erwiesen. Den ferneren Bestrebungen der französischen