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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. Pränumeration--Preit 22« Silbergr. THIr.) vicrleljährlich, Z THIr. für LaS ganjc Jabr, ohne Erhöhung, in allen Theilen her Preußischen Monarchie. Magazin für die Pränumerationen werden von jeder Buchhandlung (in Berlin bei Veit u. Cvmp., Iägerstraßc Nr. 2d), so wie von allen König!. Posi-Acmtern, angenommen. Literatur des Auslandes. 7. Berlin, Donnerstag den 16- Januar" 1845. Portugal. Politik, Religion und Sitten im heutigen Portugal. Obgleich Portugal seit zwei Jahrhunderten Englands treuer Bundes- genösse ist, so sind doch seine Zustände weniger bekannt als die irgend eines anderen europäischen Staats. Nur wenige Reisende haben mehr als die Haupt städte deö Landes gesehen, und nur wenige portugiesische Schriftsteller haben es gewagt, ihre Ansicht über die Angelegenheiten ihres Landes frei auszusprcchen. Die neueste Schrift über Portugal ist jedoch von einem Portugiesen und führt den Titel: „Gestern, heute und morgen" (tkunlem, lloje e ^munka). Der Verfasser ist weder Absolutist noch Republikaner; er scheint der Ansicht zu sepn, daß, welche Partei auch den Sieg davontragen möge, eS jedenfalls in seinem Vaterland viel zu ändern, viel zu verbessern giebt. Der Radikalfehler, an welchem das Land leidet, ist der, daß die Einkünfte deö Staats nicht dazu hinreichen, die öffentlichen Ausgaben zu decken. Und doch fehlt eö dem Lande nicht an Hülssquellen. Leider aber befindet sich seit einigen Jahren eine Hälfte der Bevölkerung immer im Zustand der Empörung gegen die bestehende Regierung. Daher wird der Boden, obwohl fruchtbar, nicht ausgebeutct, der Handel liegt danieder, und die reichsten Quellen der Einnahme versiegen. Im Parlament sehen wir eine unruhige Opposition, deren System cs ist, durch alle mögliche Mittel den Gang der Regierung zu hemmen und den Augenblick herbeizusühren, wo sie selbst, mit der Leitung der Geschäfte betraut, gegen ähnliche Hindernisse zu kämpfen hat; läßt dieser Augenblick zu lange auf sich warten, so trägt fie kein Bedenken, aus irgend einem Punkt des Königreichs eine insurrectionelle Bewegung zu erregen, um die herrschenden Männer zu stürzen. Daher muß jede Verwaltung große Summen darauf ver wenden, um sich zu erhalten und die Empörungen zu bezwingen. Die Minister, statt ihre Zeit und Kräfte der Verbesserung der Einrichtungen des Landes zu widmen, sind nur mit der Sorge beschäftigt, die Angriffe und Umtriebe ihrer Gegner sowohl inner - als außerhalb de» Senats zu vereiteln. Außer den verschiedenen monarchischen und constitutioncllen Parteien, welche, da fie alle auf dem Boden der constitutioncllen Monarchie stehen, sich nur durch die Modifikation einiger Prinzipien unterscheiden, giebt es auch ein republikanische. Zwei Tendenzen giebt eS übrigens, in welchen sich fast alle Parteien vereinigen: diese sind erstens das Mißtrauen gegen den Einfluß Englands, und zweitens die Idee, Spanien und Portugal zu Einem Staat zu verbinden. Doch über die Mittel, diese Vereinigung zu bewirken, sind sic keineswcgeS einig. Die Monarchisten möchten die beiden Kronen durch die Ver mählung der Königin von Spanien mit dem jungen Prinzen von Portugal verbinden. Die Republikaner dagegen wollen beide Staaten in einen einzigen unter dem Namen der Iberischen Republik verschmelzen. Das Muster dieser Republik ist die der Vereinigten Staaten, und die Verwirklichung dieses Plans läge nicht so fern, als eS scheint, wenn nicht fremder Einfluß ihr in den Weg träte. Es ist bekannt, daß die portugiesischen Liberalen im Jahre 1820 mit den spanischen wegen Vereinigung der ganzen Halbinsel unterhandelten. Von Jahr zu Jahr befestigt sich die Idee immer mehr, daß diese Maßregel für die beiden Länder eine sehr heilsame wäre. ES giebt nicht bloß kein Land, das weniger bekannt wäre als Portugal, sondern auch keines, daS mehr verleumdet worden wäre, seitdem Lord Bpron in einem seiner poetischen Ergüsse sich darin gefallen hat, die bitterste Satire auf das portugiesische Volk zu schreiben. Jeder, der den Fuß an die Küsten Lusita- nienS setzt, glaubt sich verpflichtet, nach einem kurzen Aufenthalt mit dem be rühmten Dichter Chorus zu machen. Es ist dies einer von den Umständen, welche eS erklärlich machen, warum die Engländer in Portugal so übel an geschrieben sind. DaS Unglück Portugals waren die Jesuiten. Zu den wohlthätigstcn Maß. regeln des Marquis Pombal gehören zwei, die fast allein seinen Sturz über lebten, nämlich die Vertreibung dieses Ordens und die Reform der Universität Coimbra. Seitdem hat namentlich Dom Pedro für die Civilisirung des Landes am meisten gethan. Einer seiner ersten RcgicrungSaktc war die Aufhebung aller geistlichen Orden. Nur die Frauenklöster wurden geduldet ; doch war es nicht mehr gestattet, für immer bindende Gelübde auszusprcchen. Den Nonnen erlaubte man, zu ihren Familien zurückzukehren, was aber wenige benutzten. Die Zahl derer, die geblieben find, lichtet sich täglich mehr. Man sieht jetzt unter ihnen nicht mehr jene jungen blaffen Gesichter, dir durch die Gitterfenster der düsteren Klostermauern furchtsame Blicke werfen. Auch mehrere geistliche Prozessionen wurden abgeschafft. Das Volk in Lissabon ging so weit, Altäre umzustürzcn, die die Frömmigkeit an den Ecken gewisser Straßen errichtet hatte und die mit Heiligenbildern verziert waren. In den Provinzen kanicn solche Erzesse nicht vor; oder überall wurden die Beichtstühle weniger besucht, und die römische Kirche in Ponugal schien allen Einfluß zu verlieren. Der Papst weigerte sich, Donna Maria und die von ihr ernannten Mitglieder des Klerus anjucrkcnncn, und schleuderte eine Bannbulle gegen Portugal. Es bildete sich nun eine Partei, an deren Spitze der Bischof von Visen stand und die keine andere Bischöfe und Geistlichen als die vom Papst ernannten anerkennen wollte. Da cs nun seit der Revolution wenige Pfarrer dieser Kategorie giebt, und da ein Theil der Bewohner jedes Ortes gegen die Religion überhaupt indifferent war, während in den Augen der Anderen die angcstellten Priester für Eindringlinge galten, so war die Folge hiervon, daß die Kirchen fast leer standen. Doch die Gläubigen, die dem Papst treu geblieben waren, versam melten sich heimlich in Privathäusern und selbst in Kellcrn, um das Wort dericnigcn Priester zu hören, die mit einer Bulle des Papstes versehen waren. Die Negierung entschloß sich endlich, dem Papst Anerbietungen zu machen. Dieser erklärte anfangs, vor der Bewilligung gewisser Konzessionen sich in keine Unterhandlung einlassen zu wollen: doch da Seine Heiligkeit cinsah, daß eine zu große Strenge Portugal für immer von Rom trennen könnte, so ent- schloß er sich endlich, einen Nuntius nach Lissabon zu schicken. Dem Nuntius gelang eS bald, alle Parteien zu versöhnen. Doch konnte er die Wiederher stellung der Klöster und die Zurückrusung der Jesuiten nicht durchsetzen. Die Ernennungen zu den BiSthümern und anderen geistlichen Würden wurden be stätigt und die alten Prozessionen wiedcrhergcstcllt. Gegenwärtig gewinnt Rom den verlorenen Einfluß im Stillen wieder. Doch ein großer Fortschritt hat sich aus allem Früheren ergeben; der Aberglaube hat einen Stoß bekom men, von dem er sich nicht leicht wieder erholen wird. Das portugiesische Volk betrachtet nicht mehr die Bekenner einer anderen Religion mit feind lichem Vorurthcil und glaubt nicht mehr, daß cs kein Heil gebe außer in seiner Kirche. In keiner der größeren Städte Portugals können die Kirchen mit denen Italiens und Spaniens, sep eS in Hinsicht der Architektur oder der inneren Aus schmückung, verglichen werden; doch außer denen von Alcoba^a und Batalha giebt eS mehrere in Lissabon, welche schöne Proben deS gothischen StplS sind. Man muß wissen, daß die kostbarsten Gegenstände, mit denen sie versehen waren, zu ihrer Zeit von den Franzosen geplündert worden, und seitdem haben ihre Einkünfte bedeutend abgenommen. Die neueren Kirchen zeigen eine Art von Architektur, die nur ihnen angchört. Es ist zum Theil der griechische Stpl mit Verzierungen im sarazenischen Geschmack und mit christlichen Sprüchen, in deren Mitte Statuen von männlichen und weiblichen Heiligen auss Gcrathewohl angebracht sind. Die Fastenzeit ist die große Epoche der religiösen Pro- Zessionen. Diese durchziehen die Hauptstraßen der Städte, indem sie von einer Kirche zur anderen gehen. Man sicht dabei maskirte Personen, die auf ihren Schultern ungeheuere Gruppen oder einfache Statuen von Holz tragen, welche Gegenstände aus der Schrift darstellen. Sonst waren es Büßer, die daS Ge. schäft von Trägern übernahmen. Diese Statuen sind gut ausgeführt und etwa» größer als in der Natur. Die der heiligen Jungfrau ist oft mit kost, baren Edelsteinen geschmückt. In den Zwischenräumen gehen phantastisch ge- kleidete junge Kinder, mit Flügeln von Seidenstoff versehen, um Engel darzustellcn. Die Würdenträger der Kirche kommen dann in dem ganzen Pomp ihrer priester lichen Kleider, unter reichen Baldachinen, welche die angesehensten Personen des Ortes tragen. Hinter ihnen defilircn die niederen Priester, große brennende Kerzen in der Hand haltend. Der Zug ist von sämmtlichen Truppen der Garnison umgeben, welche mit wallenden Fahnen marschiren und kriegerische Nclodicen spielen. Jede Gemeinde feiert ein Fest zu Ehren ihres Schutzpa trons. Nach der Messe versammelt sich die Bevölkerung vor der Kirche oder vor einem auf der Straße errichteten Altar, der mit Laub und Blumen ge schmückt; dort tanzt und singt man bis tief in die Nacht, unter dem Lärm der Petarden und Feuerwerke. Die höheren Klassen der Gesellschaft ermuntern durch Schenkungen und oft durch ihre Gegenwart jene Feste, die an sich nichts TadelnswcrthcS darbietcn; denn sie werden weder durch Trunksucht, noch durch Streitigkeiten und andere Unordnungen geschändet, und das Volk zeigt sich dabei in sehr vortheilhaftem Licht. Die Sitten der Portugiesen sind so nüchtern als die der anderen Na- tioncn Europas, obgleich in der niederen Klasse die Sünden des WeibeS nicht so verpönt find, als z. B. in England. Die Bauern werden der Träg heit beschuldigt. Aber fie verdienen diese Beschuldigung nicht; denn die beiden Geschlechter beschäftigen sich mit Arbeiten, die so schwer find, als irgend ein