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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 18.03.1898
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-03-18
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18980318020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898031802
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898031802
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1898
-
Monat
1898-03
- Tag 1898-03-18
-
Monat
1898-03
-
Jahr
1898
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Lieber nur noch ein Zusatz angenommen, nach dem es zur Verlängerung der Ersatzfrist im Einzelfalle der Zustimmung des Bundesraths, zur Verkürzung der des Reichstags bedarf und etwaige Bewilligungen von Ersatzbauten vor Ablauf der gesetzlichen Lebensdauer innerhalb einer mit dem Reichstage ru vereinbarenden Frist durch Zurückhaltung anderer Ersatzbauten aus- zugleichen sind. Bei der Abstimmung wurde das (Aesetz mit allen gegen 7 Stimmen angenommen. Dagegen stimmten die Socialbemokraten, die beiden Volksparteien und die Polen. Der Centrums-Abgeordnete Müller-Fulda, der die Anregung gegeben, daß die Flotte statt in sieben, schon in sechs Jahren fertig gestellt wird, und der vorgestern für die Vorlage gestimmt hatte, zog es gestern vor, statt seinen Fraclionsgenossen zu folgen, sia> den Herren Richter, Bebel, Iazdzewski und Genossen anzu schließen. Man halte ihn schon, als er für die sechs Jahre cintrat, im Verdachte, daß er damit die Vorlage zu Fall zu bringen beabsichtige. Seine gestrige Haltung erscheint nicht nur als Bestätigung dieser Annahme, sondern beweist auch, daß eine Einigung des CentrumS auf die Vorlage nicht zu erreichen gewesen ist und nickt mehr zu erreichen sein wird. Unter diesen Umständen hak das Centrum auch kein Interesse daran, die Entscheidung im Plenum weiter hinaus zu zögern; es willigte daher ein, daß die Vorlage bereits am 23. d. im Plenum zur zweiten Berathung kommt. Damit ist auch so gut wie entschieden, daß das Flottengesetz noch vor Ostern definitiv genehmigt werden wird, und eS bleibt nur noch zu wünschen übrig, daß die Majorität eine recht ansehnliche sein möge. Diesem Wunsche giebt denn auch die „Norvd. Allg. Ztg." in einem durch den Druck als officiös gekennzeichneten Artikel Ausdruck, in dem hervor gehoben wird, daß die verbündeten Negierungen in der Deckungsfrage dem Reichstage sehr weit entgegen gekommen und darum zu der Erwartung berechtigt seien, die Volks vertretung werde nunmehr die Verpflichtung empfinden, durch die Form der Behandlung in der zweiten Lesung und durch „möglichst einmüthiae" Annahme der Vorlage auf das Inland wie auf das Ausland den Eindruck patrio tischer Opferwilligkeit zu machen. Sollte nun auch die Minderheit der Ansicht sein, das von den Negierungen in der Deckungsfrage bewiesene Entgegenkommen sei deshalb kein besonderes Opfer, weil von ihren Vertretern das Vorhanden sein einer solchen Frage gar nicht anerkannt werde, so hoffen wir doch, daß die Gegner des Gesetzes darauf verzichten werden, im Plenum noch lange Debatten über Einzelheiten Hervorzurusen, die ja doch nur mit einer neuen Niederlage der Opposition enden könnten. WaS die „möglichst einmüthige" Annahme des Gesetzes betrifft, so geben wir uns nach der gestrigen Stellungnahme des Abg. Müller-Fulda also sanguinischen Erwartungen nicht hin, aber eine erhebliche Mehrheit für das Gesetz erwarten auch wir. Zweifellos werden die beiden Volksparteien, die Polen, die Welfen, die Elsässer und die Socialdemokraten mit „Nein" stimmen. Diese Parteien bringen zusammen rund 120 Stimmen auf, zu denen sich noch die der oppositionellen Mit glieder des Centrums gesellen. Da aber die Polen, die Elsässer und die süddeutsche Volkspartei bei Abstimmungen, deren Ergebniß von vornherein fest siebt, sich nicht zahlreich einzusinden pflegen, und da ferner den Centrumsführern sehr viel daran gelegen sein muß, die von ihnen ahfallenden Genossen der Zahl nach nicht genau bekannt werden zu lassen, so werden sckwerlich mehr als circa 100 ablehnende Stimmen abgegeben werden, denen bei dem Eifer der Flotten freunde sicherlich 220—240 zustimmende gegenüber sieben werden. Bei den Parieiverhältuissen „dieses" Reichstags ist eine solche Mehrheit immerhin eine sehr ansehnliche und wird auf das Ausland einen nicht geringen Eindruck machen. Wenn es wahrscheinlich ist, daß die Ablehnung dcS 8 8 der MtUtatrstrasprocctzorVnuun, mit der die vorgestrige Sitzung des Reichstages schloß, das Zustandekommen des Gesetzes nicht ernstlich gefährdet, so ist der gestern von dem Hause hinsichtlich der Zusammensetzung der Kriegs gerichte gefaßte Beschluß ein Ereigniß von voraussichtlich schwerer wiegender Bedeutung. Die Regierungsvorlage hatte, abweichend von der bestehenden preußischen Einrichtung, dem Kriegsgerichte auch ein juristisches Mitglied beiaegeben. Die Commission des Reichstages glaubte noch einen Sckritt weiter geben zu sollen und stellte zwei juristische Mitglieder drei militairischen gegenüber. Der gestern von der äußersten Linken wieder aufgenommene Gedanke, die Juristen in die Mehrheit zu bringen, war bald wieder auf gegeben worden. Wie bereits in der Commission dargcthan war und wie gestern wieder der preußische Kriegsminister v. Goßler und der Generalauditeur Ittenbach betonten, würde die Consequenz des Commissionsbeschlusses eine kost spielige , weit über das Maß des ständigen Bedürfnisses hinauSgebende Vermehrung des Mililairrichter - Personals sein, während die Erfahrungen der preußischen Mililair- siistiz bewiesen, daß sogar rein militairisch besetzte Militairgerichte zweckentsprechend arbeiten könnten, mit hin die Notbwendigkeit, in der Zuziehung des juristischen Elements über den Vorschlag der Vorlage noch hinaus zugeben, zum Mindesten erst festzustellen wäre. Man möge also, meinte Herr v. Goßler, doch erst die künftigen Erfahrungen abwarten, bevor man zu einer so wcitgreifenden Erweiterung des Beamtenapparates schreite. Höchstens könnte die Möglichkeit offen gehalten werden, in schwereren und complicirteren Fällen einen zweiten richterlichen Beamten hinzuzuziehen. Wie bereits am DienStag, so erklärte Herr v. Goßler auch gestern, er glaube nicht, daß die verbündeten Negierungen ihre Zustimmung würden geben können, wenn der Reichstag in oiesem Puncte bei dem Be schlüsse seiner Commission stehen bliebe. Trotzdem beharrte das für die Abstimmung entscheidende Centruin unter der Führung der Juristen Groebcr und Spahn dabei, daß zwei Juristen im Kriegsgerichte sitzen müßten, während der Redner der^freisinnigen Vereinigung, der Abgeordnete Görtz, dem Hause mit großer Wärme ans Herz legte, ein so wichtiges Gesetz nicht wegen einer principiell so untergeordneten Frage, wie die, ob ein, ob zwei Juristen, in Gefahr zu bringen. Der Centrumspartei schloß sich auch ein großer Theil der nationalliberalen Partei an und der Commissionsbeschluß wurde gegenüber dem kon servativen Anträge auf Wiederherstellung der Regierungs vorlage aufrecht erhalten, lieber einen zweiten vom Kriegsminister als wesentlich bezeichneten Differenzpunct, die Zulässigkeit der Verhaftung von Osficieren in Uniform, kam die Tiscnssion gestern noch nicht zum Ab schlüsse. Auch hier ist di: Vorlage von dem bisher in Preußen bestehenden Nechtszustande abgewichen, indem sie zuließ, daß ein Officier, der ein Verbrechen begeht, auf frischer That von Jeder mann verhaftet werden kann. Die Reickstagscommisston ist darüber hinaußgegangen und hat beschlossen, die Verhaftung auch zuzulassen, wo ein mit Verlust der bürgerlichen Ehren rechte bedrohtes Vergeben vorliegt. Nicht mit Unrecht bob der Svcialdemokrat Haase, der keine Unterscheidung zu Gunsten der Oisiciere will, die Unmöglichkeit hervor, daß vorkommenden Falles ein Mann aus rem Publicum prüfen soll, ob es sich um ein Vergeben handelt, das mit dem Verluste der bürgerlichen Ehrenrechte bedroht ist. Von der Militair- verwaltung wie von conservativer Seite wurden für die Wiederherstellung der Vorlage die aus dem militairischen Ehrgefühl herzuleilenden ideellen Momente und der vorzüg liche Geist res deutschen OfficierstanveS geltend gemacht. Die Verhandlung wird heute fortgesetzt. Es bestätigt sich, wie wir nach der „N. Fr. Br." mit- tbeilten, nicht, daß Ltstcrrcich seine Truppen und Schiffe von Kreta zurückziebt. Der betreffende, anscheinend ofsiciöse Passus der Mittheilung des Wiener Blattes lautet wörtlich: Die Zurückziehung des deutschen Kriegsschiffes „Oldenburg" aus den kretische» Gewässern wird, wie wir vernehmen, keineswegs die Zurück,Ziehung der öslerrnchisch-ungariscken Kriegsschiffe von Kreta zur Folge haben. Auch Deutschland verbleibt, wie die „Köln. Zeitung" constatirt, trotz der Abfahrt der „Oldenburg" nach wie vor in dem europäischen Concert, und die Abberufung seiner Flagge bedeutet nur, daß es als am wenigsten in Kreta interessirte Macht die weiteren Schritte zur Beruhigung Kretas den anoeren Großmächten überläßt. Nicht ganz in der gleichen Lage be finden sich die beiden anderen Treibundmächte Oesterreich - Ungarn und Italien, die als Mittelmeermächte ein Interesse daran haben, daß ihre Flaggen neben denen der übrigen Mächte vor Kreta verbleiben. Oesterreich-Ungarn insbesondere ist zwar dcrect an sämmtlichen Fragen, die Kreta und Griechenland betreffen, nicht interejsirt, hat aber allerdings an dem ganzen Complcx der Orient- Fragen, welche immerhin von der weiteren Entwickelung dec kretischen Angelegenheit beeinflußt werden können, ein näheres Interesse als Deutschland. Oesterreich-Ungarn wünscht darum auch bezüglich Kretas das Einvernehmen mit den anderen Mächten ausrechtzuhaltcn und würde sich nur dann zurückziehen, wenn dieses Einver- nehmen nicht mehr sollte erhalten werden können. Im Grunde genommen kommt auch diese Darstellung auf einen schließlichen Verzicht Oesterreichs an der endgiltigen Lösung der Kretafrage und auf ein Zurücktreten vor den drei Garantiemächten Rußland, England und Frankreich hinaus. Durch das Belassen seiner Kriegsschiffe vor Kreta und seiner Truppen in der Nähe der Insel will Oesterreich nur bekunden, daß es bei der Ordnung der Verhältnisse nach wie vor gekört werden und ein Wort mitsprechen, nicht aber seine etwa abweichende Ueberzengung zum Couflict treiben will. Oesterreich wird schließlich gegen dieCandidatur desPrinzenGeorg Protest einlegen, aber mit diesem Protest sich doch zurück ziehen. Immerhin wird dadurch die Lage des griechischen Prinzen auf Kreta, wenn er dort noch als Gouverneur ein rieben sollte, nicht erfreulicher, denn der Widerstand der Muhamedaner gegen den Prinzen wird in der Ablehnung Oesterreichs einen neuen Rückhalt erblicken. Auch die allgemeine Lage wird nicht verbessert, wenn Oesterreich in Gegensatz zu Rußland zu treten gezwungen wird. Einen Mißklang sucht die Römische „Tribuna" in den Besuch der deutschen Truöcntcn in Italien zu bringen. Vor der Ankunft der deutschen Gaste in Rom war die Annahme verbreitet, die Reise bezwecke die osficielle Erwiderung des vorjährigen Besuches der italienischen Studenten in Deutsch land. Daker war überall ofsicieller Empfang, Festessen rc. vorgesehen. Und nun bringt plötzlich das genannte Blatt an erster Stelle einen langen ironischen Artikel, in welchem es behauptet, die angeblichen „Studenten" seien zum größten Theil weder Studenten, noch osficielle Vertreter der deutschen Hochschulen, sondern in dec Mehrzahl Touristen einer Baseler Reise agentur. Die kostspieligen officiellen Festlichkeiten in Italien seien darum deplacirt gewesen. Tbatsache ist, so fügt der römische Correspondent des „Berl. Tagebl." hinzu, daß bei dem Commers im Künstlerverein weder der deutsche Bot schafter, noch der italienische Unterrichtsminister erschien, daß ferner der römische Bürgermeister, der die deutschen Gäste schon zu einer Soiree im Capitol eingeladen hatte, in letzter Stunde die Einladung zurücknahm, sowie den dem italienischen Festcomite bereits versprochenen Zuschuß zu den Festlichkeiten zurückzog. Wir erhalten hierzu folgende Meldung: * Rom, 18. März. (Telegramm.) Der Vicepräsident des hiesigen deutschen Künstlervereins, vr. Noack, richtete an die „Tribuna" eine Zuschrift, in der er unter Bezugnahme aus den vorgestrige» Artikel dieses Blattes die Behauptung widerlegt, daß die hier und in Neapel als deutsche Studenten gefeierte Reise gesellschaft nicht aus Studenten bestehe und feststellt, daß dieser Gesellschaft 70 Studenten und Professoren und Lö Ver wandte derselben ongchören. Danach scheint es sich lediglich um eine Entstellung der Thatsacken durch die „Tribuna" zu handeln, in welcher nur ein neues Schweifwedeln vor der französischen „Bruder nation", veranlaßt durch die mißlaunigen Bemerkungen Pariser Blätter, erblickt werden kann, und wir sind der Zuversicht, daß eine befriedigende authentische Aufklärung über die vom „Berliner Tageblatt" hinzugesügten angeblichen Thatsachen nicht lange auf sich warten lassen wird. Uebrigens ist in Folge der Ausstreuungen der „Tribuna" der thatsächlich be geisterte Empfang der deutschen Studenten in Pisa nicht ohne Widerspruch durch die Socialisten geblieben. Es wurde am Bahnhofe gepfiffen und geschrien. Die Folge war aber nur eine Steigerung der begeisterten Kundgebungen der Mehrzahl der Pisaner Studenten und des Publikums, sowie der Zuvorkommenheit deS Bürgermeisters, des RectorS und der Professoren. Der Festcommers nahm einen glänzenden Verlauf. In Südafrika scheinen sich Dinge vorzubereiten, welche derChamberlain-Rhodes'schen Politik den Boden unter den Füßen wegziehen könnten. Bekanntlich ist das Alpha und Omega des Chamberlain'schen Südafritaprogramms die Theorie, daß Eng land dort den Rang der Paramount Power, der Vormacht, ein nimmt, keinerlei fremden Einfluß neben sich duldet und ins besondere über die Südafrikanische Republik das Souverainetäts- recht ausllbt. PräsidenlKrüge r,der in diesem Punct den Volis- raad sowie die Gesammtheit seiner Landsleute hinter sich hat, bestreitet grundsätzlich und auf das Entschiedenste, daß Englands Souverainetätsanspruch Völker- und vertragsrechtlich begründet sei. Er hat diesen Standpunct in seiner nach London gesandten Antwort auf die letzte Chamberlain'sche Depesche klar und bestimmt formulirt und die Veröffentlichung des Wortlauts zugesagt, so bald das betreffende Document an seine Londoner Adresse gelangt sein wird. Daraus erhellt zur Genüge, daß man in Pretoria die Austragung des Differenzpunctcs nicht länger mehr dila torisch zu behandeln gesonnen ist, sondern eine Entscheidung herbeiführen will. Wessen sich die Boeren von englischer Seite zu versehen haben würden, wenn sie in ihrer strengen Wachsam- Feuilleton. Durch eigene Kraft. 28j Roman von Alexander Römer. Nachdruck verboten. „So — also ein ungebundenes Genie, aber die Sturm- und Drangperiode scheint mir hinter Ihnen zu liegen, das da ist ein reifes Werk. Sie werden hier Aufträge, Anerkennung, Anregung finden, in der Weltstadt, in der Kaistrstadt, und ein gewisses Concentriren dürfte Ihnen heilsam sein, Wie stehen sie denn mit der Eichsfeld? Natürlich versöhnt nach solch einem Strafact! Sie runzeln die Stirn, aber ich kann mir nicht denken, daß ich bei Ihnen noch einen wunden Punct treffe. Ich kann mir ja die Vergangenheit ungefähr zusammenreimen — jung, heißblütig. Beide mittellos, da mußte das Mädchen schließ lich vernünftig rechnen, aber jetzt —" Claus hatte anfangs ärgerlich stutzend, dann mit immer wachsender Verwunderung zugehört. Donnerwetter! hatte Emily etwa dieser hohen Dame gebeichtet und sich in ihr eine Kupplerin geworben? Man mußte doch immer mehr Erfah rungen machen in der vornehmen Welt. Er war ein sehr schlecht geschulter Hofmann, er lachte laut gerade heraus. „Hahaha! Bitte unterthänigst um Verzeihung, Durchlaucht, aber der Spaß ist kostbar. Sie meinen, die Eichsfeld würde mich allenfalls jetzt nahmen, — sehr gütig von ihr, in der That, — aber leider — ich hab' sie satt, gründlich satt. Ich bin heilsfroh gewesen, bin ja erst zum Menschen geworden, als ich von ihr los war — Pardon — aber, ich schwatze ja nicht aus der Schult, daS muß sie gethan haben. Wie könnten sonst Durchlaucht wissen — aber wirklich, Durchlaucht müssen ver zeihen, der Spaß ist zu famos!" Er wand sich so urwüchsig vor Lachen, wie seine Gestalten da auf dem Bilde. Die Prinzessin spielte nervös mit ihrer Uhrkette, und wenn er hätte oufmerken können, so würde er in ihren Mienen einen Ausdruck gewahrt haben, der ihn nicht mehr ermunterte, „Du" zu ihr zu sagen. Aber er sah und merkte nichts. Ihn erfüllte nur dieser Spaß. Mit dieser Sorte von Leuten muß man doch sehr vorsichtig sein, dachte die Prinzessin bei sich. „So lassen wir da« Thema fallen", sagte sie nachlässig, „ich hab« mich gefreut, die Bekanntschaft de« Meister», der diese« Werk schuf, gemacht zu haben, und habe einmal gefunden, was nicht immer der Fall ist, daß sich die Persönlichkeit des Künstlers mit dem Inhalt des von ihm Geschaffenen deckt." Sie nickte das Entlassunzszeichen, welches er auch verstand, und mit einigen Kratzfüßen schob er sich rückwärts zur Thür hinaus. Bei der Entlassung war die Gnade mäßig, dachte er, aber wenn ich mir die durch Erfüllung ihrer Wünsche hätte erkaufen sollen — danke. Lustig pfeifend schritt er zu Fuß von der Villa Sphynx bis zur Stadt. Siebenundz wanzigsteS Capitel. Baronin Cäcilie war sehr leidend und blieb viel in ihren Zimmern. Sie zog sich ganz von der Geselligkeit zurück. Die Saison war vorüber, und sie haßte es, die Kirkel zu besuchen, wo sie die Braut ihres Sohnes einführen mußte. Die Hochzeit war auf Wunsch der Prinzessin für April an beraumt. Di« Baronin äußerte oft, daß es fraglich fein werde, ob ihr Gesundheitszustand eS erlaube, derselben beizuwohnen. Prinzeß Ada ging leicht über diese pessimistischen Aussprüche hinweg, plauderte von der Aussteuer und Ottiliens glänzenden Erfolgen in der Gesellschaft. Jedermann fand die Braut ihres Sohnes reizend, und Mignonne tvar als künftige Baronin Waldstätten salonfähig. „Di« Menge ist wandelbar", sagte sie lachend; „was sie meinem Schützling verweigert«, daS gesteht sie jetzt der den Müttern und Töchtern ungefährlich werdenden jungen Frau zu." Ueberhaupt war Prinzeß Ada sehr liebenswürdig für ihre theure Cäcilie. Sie besuchte sie zuweilen, sandte täglich Blumen und Briefchen. Ottilie benahm sich der gestrengen, eiskalten Schwiegermutter gegenüber sehr zurückhaltend. Sie beobachtete ziemlich jede äußere Form und blieb im Uebrigen kühl und stolz. Frau Cäcilie fand keine einzige Waffe gegen den Eindringling. Sie stand völlig allein in ihrem Unglück, wie sie es nannte. Auch an Emily hatte sie keine Stühe. DaS Mädchen war völlig unverändert. Wenn sich auch mancher Wandel schon allmählich vollzogen, die große Dienst eifrigkeit und Unterwürfigkeit der ersten Jahre merklich ab genommen hatte, jetzt trat sie oft tyrannisch auf, zeigte un verhohlen ihr heftige» Temperament und ihre Ungeduld. Sie wußte eS, wie unentbehrlich sie der Tante geworden war, wie diese sie jetzt um keinen Preis würde von sich lassen wollen. Ottiliens Stellung zum Schwiegervater ebnete sich leichter. Der alte Herr hatte lange recht einsam in seiner Familie gestanden; weder seine Gattin noch sein Sohn theilten seine Interessen, doch nahmen sie Rücksicht auf seine Neigungen und Bequemlichkeiten. Zwischen ihm und seiner jungen Schwieger tochter bildete sich rasch eine Art geistigen Rapports. Sie empfand instinctiv das gütige Wohlwollen, das er, unbeeinflußt durch Vorurtheile, ihr entgegentrug, und wie ein warmer Odem in all der konventionellen Kühle wehte es sie an. Sie dankte es ihm dadurch, daß sich ihr Auge für all seine kleinen Wünsche schärfte und sie ihr Möglichstes that, sie ihm zu erfüllen. „Laß die alten Prisen sagen, was sie wollen", äußerte der alte Herr zu seinem Sohn, „Du hast einen Schatz gehoben, Felix. Sie ist ein liebes Geschöpf, halte sie werth, Mensch, und werde ein solider Familienvater. Alles Uebrige ist eitel, wie schon Salomo sagte." Felix freute der Ausspruch des Vaters, er war wirklich jetzt gründlich verliebt in seine schöne Braut. In diesem traulichen Verkehr entfalteten ihre Reize sich erst. Daneben entwickelte sie sehr kluge Ansichten, einen praktischen Blick, und sie kannte die Welt, in der sie während der letzten Jahre gelebt hatte, besser, als er es ihr zugetraut hatte. Sie stimmte auch nicht für den Plan, auf Haßbach zu leben — wenn er geahnt hätte, wie ihr davor graute und aus welchen Gründen —aber das ahnte er nicht. Ihr Familienanhang dort war ja jedenfalls unbequem, glücklicherweise tvar ihr Vater im fernen Welttheil verschollen und tauchte hoffentlich nie wieder auf. Sie sprach eingehend mit dem Schwiegerpapa auch über die pecuniären Einrichtungen. Sie hoffte mit den Summen, welche Felix bisher bezogen hatte, den künftigen Haushalt zu bestreiten, da die gütig« Prinzssin ihrerseits noch ein Nadelgeld für die junge Frau der Aussteuer zufügte. Ottilie ging mit einem Heer von guten Vorsätzen in diese Ehe. Die drängte alle unnützen Gedanken zurück und erfaßte mit einer gewissen Leidenschaft ihre Zukunftsaufgabe. Felix mußte ein anderer Mensch werden, er besaß Gaben und Fähigkeiten, er war in diesem weichlichen Leben erschlafft. Sie lernte ihn in diesen Wochen und dem intimen Verkehr näher kennen, sie wollte seinen Ehrgeiz wecken, er regte sich auch in ihr, sie strebte jetzt nach Glanz, nach einer Stellung in der Welt. Mit solchen Bildern und Gedanken suchte sie sich zu betäuben und das, was ihr« Seele braucht« und was sie nicht haben konnte, wegzuleugnen. Felix war zum RegierungSrath vorgerückt, er lachte und fand ihren Ehrgeiz allerliebst, er küßte sie und lag zu ihren Füßen in süßer Liebeständelei. Der Brautstand war nur kurz. Die Wochen entschwanden mit unheimlicher Geschwindigkeit. Eine Wohnung war ge- miethet worben, die Aussteuer beschafft, freigebig und glänzend. Ottilie baute Luftschlösser, wie sie ihr Heim behaglich und reizend gestalten, wie sie ihren Gatten zur Häuslichkeit erziehen wollte. Er liebte sie ja, und er war kein schlechter Mensch. In ihrem Geist arbeitete es fieberhaft, ihr Eifer sah beinahe nach Liebe aus. Wenn Felix Carritzre machte, so rückte die Aussicht, auf Hebbach leben zu müssen, in unmögliche Ferne, dann konnten sie später das tiefverschuldete Familiengut veräußern. Sie hütete sich, diese Gedanken zu verrathen, aber im letzten Grunde gipfelte in ihr Alles in der Todesangst: wenn Du auf Heßbach leben müßtest! So rückte der Hochzeitstag heran. Da von Seiten der Braut gar keine Familie vorhanden war — die Tanten hatten als Erwiderung der ihnen gesandten Ver lobungsanzeige und Ottiliens freundlichem Brief eine aus einem Briefsteller entnommene Epistel eingeschickt —, so wurde die Ver mählung im engsten Kreise in -der Villa Sphynx gefeiert. Alma, Gräfin Pfeiler, war geladen worden und fungirte als Freundin der Braut. Sie fand, daß Ottilie eine famose Partie machte, nannte Felix, mit dem sie, wo sie ihn traf, ein Neck- und Witz geplänkel unterhielt, einen modernen Ritter vom Geist. Frau Cäcilie hatte sich aufgerafft, um der Trauung beizu wohnen. Sie wagte nicht, den sehr entschieden ausgesprochenen Wünschen der Prinzessin zuwiderzuhandeln, aber was es sie kostete, wußte Gott allein. So äußerte sie sich noch am Morgen des Hochzeitstages zu ihrem Gemahl. Sie schloß sich über eine Stunde ein, um im Gebet auf den Knien zu liegen, was sie aber nicht hinderte, später bei der Toilette die Jungfer zu quälen. Emily fehlte ihr auch heute wieder. Sie lag mit Migräne im Bett und wohnte der Feier nicht bei. Die Baronin fing an zu ahnen, daß Emily sich starke Hoffnungen auf den Vetter gemacht hatte, und wenn sie ausnahmsweise einmal gerecht in ihren Gedanken war, so mußte sie sich gestehen, daß es nicht minder schlimm gewesen wäre, wenn Felix sich da hätte einfangen lassen. Nach der Vermählung ging das junge Paar auf die Hochzeits reise an die italienischen Seen, die Prinzessin an einen be freundeten Hof und die Baronin nach Abbazia, um ihre ge brochene Gesundheit im südlichen Klima zu stärken. Ihr Gemahl sehnte sich nach Rul)«, und obgleich er auf Heb bach wenig Aussicht hatte, diese gerade zu finden, weil Sorgen und Erörterungen trübster Art dort wohl seiner warteten, ent schloß er sich doch, einstweilen dahin zu gehen und nach dem Rechten zu sehen, bis sein« Homburger Lurzeit heranrückt«.
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