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Ur. LSL. Ui«'«*. prri» 7». «M. »»« «i»,rl»e «»»>»„ Mittwoch, DtüW Mgemrinc Zatung. ' UF I»sr,tt„»»,d»4r .««hrheit ud »echt, FrchtU,»b «rsttz!» Telegraphische Depeschen. »cherlin, I. Dec. Sr. Maj. Kanonenboot Cyklop, 4 Geschütze, Commandant Kapitänlieute- nanl v. Schuckmann 1., hat am 6. Oct. Nagasaki ver- lassen und am 10. Oct. vor Shanghai geankert. Lasset, 1. Dec. Dem Vernehmen nach ist morgen in Berlin -wische» der Regierung und einem Theil hessischer Agnaten ein Abfindungsversuchstermin. (N. Frkf. Pr.) * Münster, 1. Dec. Die Nachricht de» West, salischen Merkur, daß die Laudräthe angewiesen seien, dem katholischen Kleru« wieder die Leitung dr- Religionsunterrichtes in der Volksschule anzubie- ten, wird als unrichtig bezeichnet. * Stuttgart, 1. Dec. Die Gesammtzahl der bei der Reichstagsersatzwahl im 15. würtembergischen Wahlkreise (Blaubeuren-Ehingen) abgegebenen Slim- men betrug laut amtlicher Zählung 15691; hiervon erhielt der zum Abgeordneten gewählte Stadtschultheiß Joseph Müller in Ehingen (C.) 8106, besten Ge genkandidat Landrichter Landauer in Ellwangen (Centr.) 7585 Stimmen. * Wien, 1. Dec. Das Abgeordnetenhaus be gann heute die Berathung des Wehrgesetzes. Zeit hammer erstattete den Bericht der Majorität, Rech bauer denjenigen der Minorität (Bewilligung der Kriegs stärke von 800000 Mann auf ein Jahr). Graf Richard Elam sprach unter dem Beifall der Rechten für die unveränderte Annahme der Regierungsvorlage. Czedik begründete den Antrag auf Herabsetzung des Friedens standes auf 230000 Mann, wodurch das Budget um 3 Mill, entlastet werden würde. Grocholski bekämpfte diese» Antrag und sprach für die Regierungsvorlage. Schaup ist für den Minoritätsantrag, MattuS mit Rücksicht auf die politische Situation für die Fortdauer des gegenwärtige» Kriegsstande- auf zehn Jahre; der Redner bestreitet, daß seine Partei für da« Wehr- gesetz stimme, weil sie nationale Concesfioyvl erwarte. Sal«. «in Be«,an»n«n»t»»p web- che« die Annahme der Vorlage involvire, nicht ertheilen, solange er die Principien der Regierung nicht kennt. Nachdem noch Dzwonkowski für den Antrag der Majo rität gesprochen hatte, wurde die Weiterberathung auf morgen vertagt. *Sudapest, 1. Dec. An der Conferenz der liberalen Partei interpellirte Falk, ob Deutschland, da di« Verhandlungen bisher refultatloS gewesen, vom 1. Jan. 1880 nicht außer der Eingangsabgabe noch «inen Zuschlag erheben werde, wenigstens über diesen Punkt müßte man ein förmliche- vertragsmäßiges Ab kommen mit Deutschland treffen. Der HandelSminister antwortete und erwähnte, diese Eventualität sei der Aufmerksamkeit der Regierung nicht entgangen; dies bezügliche Verhandlungen seien im Gange und er hoffe, in den nächsten Tagen sich bestimmt äußern zu können. (Wiederholt.) * London, I. Dec. Der Time« wird au« Kabul von heute gemeldet: „In Gemäßheit der Anordnung de« vicekönig« ist der Emir heute i» Begleitung des Kapitäns Turner von Kabul nach Peschawer abgereist." *Neuzork, 80. Nov. Die Botschaft des Präsidenten Haye« an den Congreß, welche vor zeitig veröffentlicht worden ist, beglückwünscht denselben zu der glücklichen Ausführung deS Gesetze« über die Wiederaufnahme der Baarzahlungen, wodurch eine große Wiederbelebung der Geschäfte und eine Verbesse rung des Nationalcredit« herbeigeführt worden sei, und schlägt den legislativen Körperschaften vor, die 5- und 6proc. BondS, im Betrage von 7S2 Mill. Doll, durch 4proc. zu ersetzen. Was die Münzgesetzgebung anbe- trifft, so erscheine es räthlich, dieselbe während der mit den europäischen Nationen schwebenden Verhand lungen zu vertagen. Jedoch wüste eine Suspension der Ausprägung von Silberdollars eintreten, da eS außerdem unmöglich sein werde, die Gleichheit deS Werthe« zwischen Gold- und Silbermünzen aufrecht zu erhalten und das Ziel der Doppelwährung zu er reichen. Die Ausgabe von Papiergeld, wie es die Legal-Tender-Acte gestatte, sei, DringlichkeitSfälle aus genommen, wider die Verfassung, die Politik der Ver einigten Staaten sei stets dahin gegangen, eine Ver mehrung der Nationalschuld zu vermeiden. Wenn eine Aenderung in den bestehende« Zöllen nothwendig werden sollte, empfehle sich die Auflegung von Kaffee- und Theezöllen. Die Beziehungen zu den auswärtigen Ländern seien friedliche, die meisten der mit Spanien in Betreff der Insel Cuba schwebenden Fragen hätten eine glückliche und ehrenvolle Lösung gefunden, mit Deutschland seien wiederholt in Betreff der Naturali sation und Auswanderung Fragen entstanden, die kai serlich deutsche Regierung hab« aber jederzeit das leb hafte Verlangen an den Tag gelegt, den Bestimmun gen der Verträge in stricter Weis« nachzugehen. Nach Samoa sei ein Kriegsschiff gesendet worden, uni von den, den Unionsstaaten zugestandenen Privilegien Besitz da- Projekt emeS unter den Auffnöit» der Umons- staaten auSzufÜhrenden Panamatanal« nicht mehr zwei felhaft sei» sollte, werde daS dazu erforderliche Kapital in Europa und Amerika leicht zu beschaffen sein. — Der Bericht deS SchatzsecretärS Sherman schlägt die Einnahmen des nächsten Jahres aus 288, die Ausgaben auf 278 Mill. Doll. an. Bom preußischen Landtage. * Serkin, 1. Dec. DaS Abgeordnetenhaus setzte heut« die zweite Bemühung des Staatshaushalts fort. Bei Kap. 6: Einnahmen aus der Lotterieverwaltung 4,060000 M., bemerkt Abg. Röckerathr Er wolle bei der gegenwärtigen Finanzlage nicht auf di« volkewirthschaftlichen Bedenken gegen da« Lotteriesviel überhaupt eingehen, müsse aber den Wunsch äußern, daß den Spi«l«rn ein Recht aus Erneuerung ihrer Lose ringe- räumt werde, uud die Gewährung neuer Lose in der Reihen folge der Anmeldung erfolgt. RegierungScommiffar v. Lenz erwidert, daß die Regierung in Bezug auf diese Aenderungen die Ini tiative nicht zu ergreife» beabsichtigt, daß sie aber, fall« da« Haus eine betreffende Resolution faste» sollte, die Sache in Erwägung ziehen werde. Der Etat der Lotterieverwaltung wird genehmigt, ebenso in rascher Folge die Etats de« Seehandlung«- institutS, der Münzverwaltung, de« Gesetzsammlung«- amtrS, de« Deutschen Reichs-Anzeigers und de« Mi nisterium« der auswärtigen Angelegenheiten. Beim Etat deS KriegSministeriumS richtet Abg. Berger die Anfrage an die königliche StaatSregierung, ob dieselbe mit den vom Hause bewilligten Mittel» für die Umgestaltung de« Zeughause- auskomme» werde, oder ob sie neue Anforderungen zu diesem Zwecke stellen werde. Kriegsminister v. Kameke versichert, daß da« letz tere nicht der Fall sein würde; die Mittel reichen für die Zwecke, für die sie bewilligt, vollkommen au«. Abg. v. Heereman: Nachdem man einmal so große Summen für da« Zeughaus bewilligt habe, möchte er da« Kriegsministerium bitten, das Hau- nicht noch weiter für diesen Zweck in Anspruch zu nehmen. Der vorliegende Etat enthalte wieder eine Forderung von 3000 M. zur Vermehrung der artilleristischen Samm lungen. Der Titel wird hierauf bewilligt und damit der Etat deS Krirg«ministeriumS genehmigt. Der Etat des Zuschusses zur Rente deS Krou- fideicommiffeS wird ohne Debatte genehmigt. Bei dem Etat deS Herrenhauses bittet Abg. Deliu«, den Etat deS Abgeordnetenhauses gleich mit in die DiScusston ziehen zu dürfen, und beantragt, beide Stat in die Budgetcommission zu verweisen, da bisher die Rede gewesen sei, es sollten innerhalb der Einrich tungen beider Häuser einige Aenderung«» platzgreife«. ^M-Mtrag wird -xuehmigt. Bei dem Etat de» Bureau de- StaatSministe- riumS beantragt v. Benda nach den in der Budget- commission gepflogenen Erwägungen, die Summe von 4800 M. an Functionszulagen auf 3600 M. herab- zusetzen. Der RegierungScommiffar erklärt, die Regierung werde dieser Herabsetzung nicht widersprechen, bittet aber zu bedenken, daß die dadurch betroffenen höher» Beamten einen empfindlichen Ausfall an ihrer Ein nahme erleiden. Der Etat der Staatsarchive wird auf Antrag de« erkrankten Direktors derselben, v. Sybel, für heute von der Tagesordnung abgesetzt. Der Etat der GeneralordenScommission und der deS geheioien CivilcabinetS werden debattelo- genehmigt. Beim Etat der OberrechnungSkawmer handelt es sich bei den außerordentlichen Ausgaben um Bewilli- Berliner »riefe. v LerUn, im November. Die socialpolitische Signatur unserer Hauptstadt ist uuler scheinbar stiller Oberfläche doch eine recht aufgeregte. In den letzten Wochen haben die von der Verlegung des politischen Schwerpunktes mehr nach rechts berührten socialen uud religiösen Anschauungen in unserm Berlin ein zelne recht unerfreuliche Gegensätze wach gerufen, welche die naive Gemächlichkeit, die der Berliner sonst so sehr liebt, zu trüben drehen. Da steht die hochwürdige Generalsynode auf gespanntem Fuße mit unserm guten Magistrat; ein streitbarer, von der Kanzel in- Volk herabgestiegener Pfarrer, Diestelkamp, war nahe daran, «ine Lanz« mit dem bekannten gemaßregelten vi-ckvvsnt Prediger Kalthoff in einem großen Bierlocal zu brechen, nm die Orthodoxie zu Ehren zu bringen; der streit- haftr Hofprediger Stöcker, der bei seinen Christlich- Socialen zu«rß die Judenfrage aufs Tapet bracht«,, hat nun auch seinem Ingrimm über die schlechte ber- lin«r Presse Fust gemacht; und nun gar die Liga der Antisemiten, deren kleine- Häuflein durchaus den jü dischen Stadtverordnetenvorsteher Vr. Straßmann ab- gesetzt haben will> weil er in seinem Bezirksverein in frnlich etwa- «xaltirter Weise von Ketzergerichten und Scheiterhaufen, die man in Berlin errichten wolle, ge sprochen hat, , Zu dem allen tritt nun nych die von dem Minister Maybach tief beleidigte Börse, die nnt Indig nation den Bergleich mit dem Gistbaum zurückweist! Will mä« al« geschickter Pilot durch die Bran dung alser dieser scheinbar unversöhnlichen Gegensätze steuern, ohne auf Felsenriffe zu stoßen, und will man bei allen diesen Gegensätzen, bei denen die Leiden schaften ihr trübe- Spiel treiben, die goldene Mittel- straße einhalten, so müßte man nach beiden Seiten hin den Prediger abgeben, der den streitenden Par teien die Mäßigung ins Gedächtniß zurückruft. Die GeneraAnyde geht in ihrem Eifer für die Seel sorge in unser» städtischen Kranken- und Irrenhäusern zu weit. Begehren die Kranken nach geistlichem Trost, so ist ihnen derselbe ja niemals von den Geistlichen versagt worden. Der Magistrat thut nach dieser Seite hin, was in seinen Kräften steht, aber im Kranken hause hat zunächst der Arzt etwa-zu sagen und hyper- frommer Eifernder in Irrenhäusern verrückten Mensche» die Tröstung der Religion spenden will, schadet — da» hat di« Erfahrung gezeigt — mehr, als er nützt. Da- Consiporium, an welches sich die Generalfynode ge wendet hat, um dem Magistrat seine verabsäumten Pflichten an- Herz zu legen, wird um so mehr einen schweren Stand haben, al» der Magistrat sich in einer wohlmotivirten Denkschrift an die Bürger gewandt und diesen seine Stellung zu dieser Angelegenheit klar gemacht hat. Wir armen Berliner, von denen 70 Proc. de» Tag über arbeiten müssen, um den bekannten und verrufenen „Kampf umS Dasein" mit Ehren auS- fechten zu können, sind überhaupt bei den hochwürdigen Herren der Generalsynode sehr schlecht ««geschrieben. Nach ihrer Ansicht leben wir wie einst die berüchtigten Bewohner von Sodom und Gomorrha. Und doch haben wir offene Augen und offene Hände für jede Noth, selbst wenn sie nicht speciell unser« Spreebr- wohner trifft. Da« Brot de- Geiste», die Fortbil ¬ dung unserer Handwerker» und Arbeiterjugend au den Sonntagen in den doch so segenbriugende» Fortbil-, dungSschulen, wollen uns die frommen Herren am Grünen Tisch verkümmern, weil daS mit ihre« Asti- sichten über Sonntagsheiligung nicht übereinstimmt. Die strengen Consequenzen dieser Ansicht«» würden» un» am Ende zu den englischen über alles Maß lang weiligen Sonntagen führen, an denen da- Volk i» träger Beschaulichkeit verdaut, was e» an Sonnabenden durch Ueberfülle der Genüsse gefrevelt hat! Noch ist zwischen den beiden diametralfim kirch lichen Gegensätzen, zwischen dem Pfarrer Diestelkamp, der — beiläufig gesagt — bei den Christlich-Socialen besagten vr. Straßmann wegen seiner semitischen Ab stammung arg in Verruf gebracht hat, und dem frü- hrrn Prediger Kalthoff, der seine religiöse« Erboaumge» an jedem Sonntage i» dem ober» Saal« de« Reichs- Halle« abhält, die Lauze nicht gebrochen. Am besten, e» ließen di« beiden Kampfe-muthigen da« Breche» der Lanze sein. Ich halte nicht- von solchem Gefecht (da- allenfalls auf das Katheder der Wissenschaft ge hört), wenn es vor der profanen Menge im Cigarren- dampf und Biirdnnst vor sich gehen soll. Di« Dis kussion wird ihrer Würde entkleidet und verfällt der Leidenschaft »der, wa- »och böser ist, der Lächerlich-, keit. Am «rsten Abend, wo dieses geistlich« Turuier- im Saale der Norddeutschen Brauerei vor sich g«h«n, sollte, war in Erwartung der Dinge der Saal ge stopft voll. Kalthoff »ar aber krank ge»ord« und hatte deswegen seinem früher« Amt-brchd« freund schaftlich mitgethrilt, daß er für- erste auf die Ehr« einer öffentlichen Diskussion verzichte» müsse.