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Wöchentlich «Mein«« drei Nummer«, Pritnumerationi-Preis 22^ Silbergr. (j Thir.) vierteljährlich, Z Tblr. für das ganze Jahr, ahne Erhitzung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie. Magazin für die Pränumerationen werden von jede, Buchhandlung (in Berlin bei Belt u. Comp., Jägerstraße Nr. 28), so wie von allen König!. Post-Aemtern, angenommen. Literatur des Auslandes. 129. Berlin, Donnerstag den 28. Oktober 1847. Aegypten. Briefe eines Reisenden vom Nil. i. Alexandrien. — Sitten und Handel der Stadt. — See- und Landmacht deS Pascha. — Alterthümer. .... Der Hafen von Alexandrien, wiewohl er den Schiffen, die einmal darin sind, vollkommene Sicherheit gewährt, hat eine gefährliche Ein- und Ausfahrt. Er wird nämlich nach dem Meere zu durch eine mit der Küste parallel laufende Reihe von Klippen begränzt, zwischen denen kein Schiff ohne einen arabischen Lootsen durchzusegeln wagt. Sachverständige meinen, dieses Hinderniß ließe sich leicht unschädlich machen; aber der Pascha hat nie Vor schläge annehmen wollen, die ihm zu diesem Zwecke gemacht wurden. — Als wir in den alten Hafen einlicfen, sahen wir die hundert Segel der ägyptischen Flotte vor uns, hinter denen sich im Halbkreise die Stadt Alexandrien auS- breitet. Ein kleines Fahrzeug brachte uns ans Land und überlieferte uns einem Trosse schreiender Eseltreiber. Wir wählten unsere Esel und gallopir- ten durch lebhafte Straßen ins Franken-Viertel. Vor dem üorel ü'Oriem, auf dem großen Platze dieses Viertels, machten wir Halt. Alexandrien ist, seinem Aussehen und seinen Sitten nach, nur der Vor posten des Orients. Die Straßen, die der Pascha hat anlegen lassen, sind breit und für Wagen fahrbar; das Quartier der Franken ist der schönste Theil der Stadt. Europäische Waarenlager sind ziemlich häufig, und ein Fremder kann, ohne hundert arabische Worte zu verstehen, ganz gut fort, kommen. 3» den Hotels ersten Ranges spricht das Dienstpersonal englisch und französisch. Von Alexandrien bis Pelusium ziehen sich längs der Küste Lagunen hin, die durch einen flachen Streifen Landes vom Meere getrennt sind. Auf diesem Streifen liegt da, wo er gegen eine Meile tief ist, die Stadt Alexandrien. 3hr Hafen, der einzige an der ganzen ägyptischen Küste, wird durch ein Vorgebirge gebildet, das in zwei Spitzen ausläust. Diese Spitzen treten auS einander und biegen sich, jede auf ihrer Seite, nach dem Lande zurück, so daß zwei Buchten entstehen. Die bessere von ihnen heißt der alte Hafen und liegt im Südwcstcn des Vorgebirges; die andere, weniger sichere, liegt nordöstlich. Trotzdem man die letztere den neuen Hafen nennt, scheint sie doch zu den Zeiten Ler Ptolemäer der Kriegshafcn gewesen zu scyn. Unter der türkischen Herrschaft wurde dagegen der neue Hafen den Handelsschiffen zugewiesen und der alte ausschließlich der Marine übergeben. Unter dem jetzigen Pascha hat diese Trennung aufgehört, und der frühere Handelshafen ist gänzlich verlassen worden. Zn ihrer Glanzperiode hatte die Stadt Alexandrien einen Umkreis von zehn Meilen. Im Jahre 640 kam sie in die Hände der Araber, und seit dieser Zeit ist sie allmälig gesunken. Der Handel ging zu Grunde in Folge der Beschränkungen, die ihm die Sultane auflegten, und der Räubereien, die sie an den fremden Schiffen begingen. Mehmed Ali hat der Stadt ein neues Leben gegeben; sie ist gegenwärtig um das Dreifache größer, als zur Zeit der französischen Invasion. In den Umgebungen, in denen früher Anti- quitäten-Sucher nicht selten von Hyänen und Schakalen belästigt wurden, sieht man heute schattige Gärten und prächtige Landhäuser. Die jetzige Bevölke rung mag 60,OM Seelen betragen. In den letzten zehn Jahren sind I2ZS Handelsschiffe mit >SZ,I48 Tonnen Last in den Hafen cingelaufen und haben einen Umsatz von 122 Mill. Francs herbeigeführt. Das Monopol-System, das der Pascha eingeführt hat, macht, daß die Vorthcile, die eine so große Menge von Geschäften mit sich bringt, nur einigen Wenigen zu Gute kommen. Die Kaufleute, deren Verdienst nun durch den Pascha beschränkt ist, rächen sich an ihm, wenn sie für seine Rech nung in Europa Einkäufe machen. Man erzählt sich, daS HauS Zizigna habe hierin eine besondere Force; eS sey sogar einmal vorgekommen, daß der Pascha ihm für einen englischen Wagen habe SO,OM Fr. zahlen müssen. Der Chef dieses verdienstvollen HauseS sagte einmal in Gegenwart Jbrahim's: „WaS werde ich anfangen, wenn ich keine Geschäfte mehr zu machen habe?" — „Legen Sie sich einen Wagenhandel an", sagte der Prinz; „darin scheinen Sie Glück zu haben." — An dem Acußcren der Einwohner fleht man, wie wenig Wohlstand durch den Handel verbreitet wird. Nirgends sah ich solche Magerkeit, als hier, zumal bei jungen Leuten, herrscht. Sehr häufig be merkt man auch an den Beinen der Männer, dicht über dem Knöchel, die ringförmigen Spuren getragener Ketten, mit denen man hier sehr frei, gebig ist. Der Hauptplatz des Franken-Biertels ist ein großes Rechteck, dessen Grund und Boden der Pascha seinem Sohne Ibrahim geschenkt hat. Dieser ließ daselbst Gasthöfe, prächtige Wohnhäuser und die Konsular-Gebäude auf. führen, auf denen die Flaggen aller europäischen Mächte flattern. Auch eine protestantische Kirche steht auf dem Platze, und man sagt, Ibrahim habe fle zwar bauen lassen, aber die Maurer und Zimmerleute nicht bezahlt. Die Konsuln besitzen fast alle entweder innerhalb der Stadtmauer oder ganz in der Nähe prachtvolle Gärten und Landhäuser. Unter diesem Theile der christ lichen Bevölkerung, wie unter den reichen Kaufleuten, ist das Leben elegant und nicht ohne Annehmlichkeit. Diese vornehme Welt besitzt zahlreiche Equi pagen, denen auf der Straße stets ein Araber mit einer Peitsche voranläuft, um die Menge aus Lem Wege zu treiben. Ein solcher Läufer, der auch noch daS Amt hat, den Schlag zu öffnen und zu schließen, zeigt niemals eine Spur von Ermüdung, und am Fleische seiner nackten Beine sieht man, wie gut ihm die Leibesübung bekommt. Man führte mich in den Palast, der vor etwa fünfzehn Jahren auf dem Feigen-Kap (Ras el Tinn) erbaut worden ist. Er liegt sehr schön zwischen Hafen, Stadt'üNV Mker. Eine besonders prächtige Aussicht hat man von der Säulenhalle aus, die den Eingang bildet. Der Harem, den zur Zeit die Frauen Sa'id-Pascha's innehaben, ist vom Palaste getrennt und im Mittel, punkte der Gärten gelegen. Die Fenster dieses Harems sind aber so ange bracht, daß die Bewohnerinnen die schöne Aussicht aufs Meer und den Hafen entbehren müssen. Der Palast ist mit großer Pracht eingerichtet, halb in türkischem, halb in europäischem Geschmack. Der König der Franzosen hat ihn durch Sendung von Tischen, Uhren, Porzellan- und Glasarbeiten vielfach bereichert. Mit besonderem Glanz sind das Billard- und das Bade.Zimmer ausgestattet, welches letztere ganz mit Marmor ausge- lcgt ist. Bei unserer Rundschau kamen wir aus dem Palaste in das Zeughaus der Marine, das eine Schöpfung Cerisy-Bey'S ist. Seit Mehmed Ali nicht mehr auf Eroberungen denken kann, hat das Arsenal seine Bedeutung verloren; auch die Kriegsschiffe liegen unthätig und ohne Pflege im Hafen, und Salut schüsse, zu denen sie sich so oft^ils möglich Gelegenheit suchen, sind daS ein. zige Lebenszeichen, Las sie von sich geben. Mit der Armee steht es fast eben so. Seitdem er Syrien, HedschaS und Kandicn verloren hat, vermindert der Pascha den Bestand seines Heeres bedeutend, zur großen Freude der armen Aegypter, die durch das bisherige grausame Aushebungs-System viel zu leiden hatten. Die Uniform der Soldaten besteht in einem Feß, einer Jacke, einem kurzen, breiten Beinkleid und einer Art Kamaschen. Diese Kleidung sieht den in Europa üblichen Morgen-Anzügen zu ähnlich, als daß ich mich erwehren konnte, beim Anblick der Soldaten immer an Leute zu denken, die Medizin eingenommen haben und so gekleidet find, daß fie sowohl im Bette bleiben, als rasch aufspringen können, um die ihren Umständen angemessenen Geschäfte zu verrichten. Uebrigens haben die ägyptischen Soldaten meist regelmäßige, kriegerische Gesichter und kräftige Gestalten. Sie werden jetzt hauptsächlich zum Kanal- und Festungsbau verwendet. Wenn sie nicht für den Pascha arbeiten, so stricken sie. Meist sind es arme Familienväter, denen ihre Frauen folgen, um ihre Ration Linsen und Brod mit ihnen zu theilen; denn ohne diese Hülfe würden die unglücklichen Weiber Hungers sterben. Der Dienst dauert so lange, als der Soldat Kräfte hat, ihn auszuhalten; wenn dann diese armen, gemißhandelten Sklaven vor Alter und Erschöpfung aus dem Heere scheiden, so hat ihnen der Pascha das Leben verhunzt und abge nutzt, und es bleibt ihnen nichts übrig, als zu sterben. Wenn der Pascha der Seemacht entsagt hat, so scheint er dafür Alexan drien zu einem wichtigen Kriegsplatze machen zu wollen. Die neue Mauer, die er errichten läßt, ist ein Wiederaufbau derjenigen, die zur Zeit der Araber Alexandrien umgab und von Kleber im Anfänge des ägyptischen Feldzuges mit Sturm genommen wurde. Nur wird sie nach den Grundsätzen der heutigen Festungsbaukunst aufgeführt. Eben so erbaute man auf künstlichen Hügeln, zu denen die Trümmer des alten Alexandriens benutzt werden, deta- schirte Forts, die mit schwerem und zahlreichem Geschütz bewaffnet sind. Die Alterthümer Alexandriens beschränken sich auf wenige und stammen häufig aus anderen Gegenden. Denn um diese Stadt zu verschönern, be- raubten schon ihre ersten Erbauer die alten Städte des inneren Aegyptens manches merkwürdigen Denkmals. Hierzu kommt, daß Alexandrien bei den häufigen Zerstörungen, die cS erlitten hat, und bei seiner Entfernung von