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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 29.05.1911
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1911-05-29
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19110529020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1911052902
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1911052902
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1911
-
Monat
1911-05
- Tag 1911-05-29
-
Monat
1911-05
-
Jahr
1911
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Nol»»ii» LM ML. «Etl. L» »L «»ichL v»»S«h*L»«l^ »«»« i-n»g«». Wihtimb. u.S»«ä»» 2« «a« D«, M<«-« «Vchewl »>M Ut«lt». V—» ». * « —»«» Sd »much»« : S»4««a»«»H« I, Mt«»««, Irägsr». SUt«t«». S»»dtt«»n« «» Nm^L»»»»««^ I»»t» Vs»»-»«» >«» V4a»»4»»«r«»1»»««»» AWL Abend-Ausgabe. MpMerTaMM «^andels^eitnng. <»>.-^»^1^!!«? Amtsblatt des Rates ««- des Rolizeiamtes der Ltadt Leipzig. Lnzeign».Pre1- M V«i«rat» «»» u,c»p- ,»» Um,,»«», m« MM-dt, N«N<n»«» »,U« i ML, o« «»wärt» R) PI. N»Namr» ll0 ML. Inleiat« oo, vrhörd»» Im amt- ltch,» I«U dt, SU «) <Lk>cha,r»an<ri«e» mU «la»»,rlchrttt»» » in o«, <ld«nvau»,ad. I» Prrtl» erhöht. NadaN nach lartL L«tta,r,«bühr Lrlamt» ansta,, i ML p Tanlend erkl. Polr,«bithr. leUddag« höher. SeUerretU« Lusträa» tonnen »rchr ,»»La- aezogen werden. Für da, Erlchetnen a» dekttwmten la,«» an» Plätzen wird krtrw «barantt« Ldernwmnen. >»t«U>e» - Annahme 2»h«i»I»,»h« bet ILmtllche» Filiale» ». allen Anna»«««» Lrvedlttanen d«, In, «ad Aanlande» Dr»ä «,» Verla, de» Lei»,!,« Ta>» »litte, «L Pal» 2» hader: P«»l RllrAe«. N^aMa» »ad »«IchiIt,l«Se: Iohannt.gab« L Ha»»« - Atlial« V««»d«»r SeeNraki, < I lTelevhoa «SSX -am—m—— Mllnlsg, den LS. Mai «SN Nr. 148 105. Jahrgang. Die vorliegende Ausgabe umfaßt 6 Seite». vis Lxpsäitioiioll «le« levlpÄLvr russblLUos vmä <t«r levlprixor ^Uxomsmsv Leitung dello ä«o «lob nur vaob levlpÄS, .koKrlllllSKLSLS 8, VarckorxedLack« p«tt«rr« Ilulcs Im LodLuäo äss iLKödlLttss. Dir Neichsmgssdgellrüneten in üer Hygiene-Susltellung. Sonntagvormittag 1k Uhr 40 Minuten trafen, einer Einladung des Rates der Stadt Dresden folgend. 155 Reichstagsabgeordnete, teilroeife mit Damen, an ihrer Spitze Vizepräsident Schultz und der Direktor denn Reichstage. Geheimrat Jung heim. sowie zahlreiche Vertreter der Beniner Presse auf dem Hauptbahnhofe ein. Die Mit glieder des Bundesrates hatten noch in letzter Stund« die Einladung nach Dresden dringlicher Geschäfte halber abgelehnt. Oberbürgermeister Dr. Beutler. Bürgermeister May und Kretzschmar. Stadt verordnetenvorsteher Dr. Stöckel und Dize- norsteher llnrasch. sowie Polizeipräsident Köttig begrüßten die Gäste am Hauptbahnhof«, worauf mit Sonderwagen der städtischen Straßenbahn die Fahrt nach der Internationalen Hygiene-Ausstellung er folgte. Hier begrüßten Geheimrat Lingner. sowie der Präsident der Ausstellung Professor Renk die Gäste, die sodann unter sachgemäßer Führung die populäre, wissenschaftliche und historische Abteilung der Ausstellung mit lebhaftem Interesse besichtigten. Um IV? Uhr fand im Trotzen Saale des Ausstellungs palastes ein von der Stadt Dresden gegebenes Früh stück statt, woran auch die Mitglieder der städtischen Körperschaften teilnahmen. Oberbürgermeister Dr. Beutler hielt hierbei eine kurze Ansprache, in der er die Versammlung mit herzlichen Worten im Namen der Stadt Dresden be- qrützte und sein Bedauern darüber aussprach, datz der Bundesrat Ler Einladung nach Dresden nicht hab« Folge leisten können. Um so dankbarer sei er den Mit gliedern Les Reichstages, datz sie di« ^ahrt nach Dresden nicht gescheut und mit zahlreichen Damen der Einladung Folge geleistet hätten. Er sei besonders erfreut, datz Mitglieder nahezu aller Parteien des Reichstages mit nur einer einzigen Ausnahme, die er lebhaft bedauere, die uns aber die Freude am heutigen Tage nicht stören solle, hier erschienen seien. Er danke allen herzlich für den Besuch, namentlich auch den Damen, die für die Gesundechaltung und für die Stärke unserer Bevölkerung in jeder Be ziehung ja das wichtigste Element bilden. Der Redner dankte zum Schlüsse auch den Vertretern der Presse für ihr Erscheinen und sprach die Hoffnung aus, daß alle in der kurzen Zeit, die dem Besuche der Ausstellung gewidmet sei. nur befriedigende und günstige Eindrücke erhalten werden und datz sic recht bald Wiederkehr«« möchten. Er schlotz mit einem drei fachen Hoch auf die Gäste. Der Vizepräsident des Reichstages Herr Land gerichtsrat Schultz (Bromberg) dankte dem Redner im Namen der erschienenen Mitglieder des Reichs tages und zugleich in, Ramen der Damen für dr« liebenswürdige Worte. Die hohen Er wartungen. die an den Dresdner Besuch geknüpft worden seien, seien, wie er bereits jetzt sagen könne, weit übertroffen worden. Er dank« der Stadt Dresden und dem Ausstellungsdirektorium und speziell den Herren Oberbürgermeister Geh. Rat I>. Dr. Beutler und Geh. Kommerzienrat Lingner. sowie den Herren Führern durch die einzelnen Ab- teilungen. Jedenfalls aber müsse er sagen, datz die Internationale Hygiene - Ausstellung di« aller beste Ausstellung sei. die er je gesehen habe. Bei dem heutigen Besuche seien die erbitterten Kämpfe zwischen den einzelnen Parteien verstummt. Dies ver danken die Mitglieder Les Reichstage« nur der liebenswürdigen Einladung, die sie heute zum ersten Male geschlossen in den Mauern der Stadt Dresden vereinigt, in der einst König Albert gewirkt habe, der sich um die Schaffung des Deutschen Reiches unver gängliche Verdienste erworben habe, wofür die Dank- barkeit im deutschen Volke nie erlöschen werde. Es sei ihm ein Bedürfnis, dies heute an dieser Stelle auszusprechen. (Lebhaftes Bravo.) Der Redner schlotz mit einem dreifachen Hoch auf die städtischen Kollegien und das Ausstellungsdirektorium mit den Herren Oberbürgermeister v. Dr. Beutler und Geh. Kommerzienrat Lingner an der Spitze. Nach dem Frühstück wurde die Besichtigung der Ausstellung fortgesetzt und insbesondere die fremd ländischen Staatspavillon» in Augenschein genommen. Um 4^ Uhr begaben sich die Herren wiederum in Sondenoagen der städtischen Stratzenbahn nach dem Terrassenuser Hier wurde in zwei von der Sächsisch- Böhmischen Dampfschiffahrtsgesellschaft gestellten LuxuÄmmpfern bei schönem Wetter eine Fahrt nach Pillnitz und zurück angetreten. An Bord wurde Kaffee und Tee gereicht, während eine Musik kapelle konzertierte. Nach der Rückkehr versammelten sich die Gäste zum Abendessen in den Fest räum e n des neuen Dresdner Rathauses, woran die Staatsminister Graf Vitzthum ». Eckstädt, Dr. Beck. Dr. v. Otto und v. Seydewitz und Ministerialdirektoren, sowie die Spitzen der staat lichen und städtischen Behörden, zusammen etwa 300 Personen, teilnahmen. Trinksprüche wurden hierbei nicht gewechselt. Hierauf begaben sich die Reichstagsabgeordneten nach dem Hauptbahnhofe. von wo um 10 Uhr 20 Minuten mittels Sonderzuges di« Rückfahrt nach Berlin angetreten wurde. Vle Gritnüuny eines Gauoerbanües nom Sllüeutlchen verdsnü im Gebiet üer Muiüe unü Saale. Am gestrigen Sonntag vormittag fand in den kleinen Gesellschastssälen des Zentraltheaters eine Versammlung des Alldeutschen Verbandes zwecks Gründung eines Eauvertmndes statt. Es hatten sich dazu Vertreter von Bitterfeld, Eisleben, Halle, Helbra, Mansfeld, Merseburg. Weitzenfels, Werms dorf und Zeitz einaefunden, den Orten, die der neue Gauoerband einschlieht. In einer Vorversammlung wurde die Gründung des Gauverbandes im Gebiet der Mulde und Saale be schlossen und Leipzig als Vorort des Ver bandes gewählt. Der Vertreterversammlung schloß sich die eigent liche Hauptversammlung an. Sie wurde von Herrn Dr. Felix Hänsch mit einer zündenden Begrüßungs ansprache. die in einem Appell zum Bestritt in den Alldeutschen Verband ausklang, eröffnet. Das Wort erhielt dann Reichstagsabgeordneter Generalleutnant z.D. v. Liebert zn einem Vortrag über: „Das deutsche Volk und die Marokkofrage." Der Redner führte aus, daß sich Deutschland gegen- wärtta in einer tiefernsten Zeit befind«. Di« Haltung der Regierung in der Ostmarkenfrage, in Elsatz- Lothringen und in Marokko gebe zu den schweren Bc- orgnissen Anlaß. Bezüglich der Marokkofrage resatzte sich der Referent mit der politisch«« Entwicke lung der letzten Jahre. Er kam zu dem Schlotz, datz unsere Regierung, das Auswärtige Amt, hier schwer« Unter! al sungsfehler begangen habe. Marokko, seinem Klima nach eines der schönsten und fruchtbarsten Länder der Erde, habe für unsere deutsche Industrie eiu« eminente Bedeutung in der Ein- und Ausfuhr (Baumwolle, Eisen, landwirtschaftliche Ma- schinen mw.). Der Handel Marokkos mit England, Frankreich und Deutschland betrug 1900 75 Prozent des Gesamthandels. Deutschland hat sich hier an die dritte Stelle drücken lassen. Während England mit ca. 42 Millionen am Handel mit Marokko und Frankreich mit rund 27 Millionen beteiligt waren und in den letzten Jahren große Steigerungen erzielten, blieb Deutschland mit nicht ganz 11 Millionen gegen 1908 fast auf gleicher Stufe. Ls zeige sich da. daß die deutsche» Interessen schlecht vertreten würden. Unsere Industrie brauche Absatzmöglichkeiten bei dem Neoer- schuß an Menschen. Wenn wir es hätten ermöglichen können, «in Cievelunysgebiet in Marokko zn erhalten, so wären damit gleiAeitrg wichtige Etappen für unsere Kolonien gegeben gewesen. Einen Hafen hätte man sich auf alle Fälle sichern müssen. Der Redner wies dann auf die militärischen Ereignisse der letzten Wochen in Marokko hin, und aus die Gefahr, die in einer militärischen Verschiebung zugunsten Frankreichs liege. Am Schlüsse seines Vortrages stellte der Redner die Forderung aus, daß sich Deutsch land, wenn es schon nichts anderes in Marokko er reiche. wenigstens in irgend einer Weise entschä digen lassen müsse. Dem mit großem Beifall ausgenommenen Vortrag folgte eine längere Aussprache über das Gehörte. Unter „Geschäftlichem" wurde darauf bekanntgegeben, daß der Gauverband 9 Ortsgruppen in Sachsen, Thü ringen und der Provinz Sachsen habe. Die Vorstands wahlen sind noch nicht vorgenommen worden. An den Deutschen Oft Markenverein, der gestern in Polen tagte, wurde von der Versammlung lolgendes Telegramm gerichtet: „Die Hauptversammlung des Gauverbandes vom Alldeutschen Verband im Gebiete der Mulde und Saale begrüßt den Ostmarkenverein anläßlich de« deutschen Tages in Posen und versichert ihm in seinen schweren Kämpfen um die deutsche Sache ihren vollen Beifall und ihr« tatkräftige Unterstützung. Nach der Hauptversammlung fanden sich die Mitglieder des Gauoerbandes zu einem gemeinsamen Mittagessen zusammen. politilche Nachrichten. Die Fortschrittliche Volkspartei im Königreich Sachse« und die Reichstagswahle«. Auf ihrem in Dresden am Sonntag abgcbaltenen Landesparteitaa faßte die Fortschrittliche Volkspartei nach einem Referat des Fabrikbesitzer« Goetz- Leip zig und nach längerer Aussprache zu den Reichstags wahlen folgende Entschließung: Der Landesparteitag der Fortschrittlichen Volks partei im Königreich wachsen genehmigt das mit dem Nationalliberalen Landes verein hinsichtlich der Vesetzuna der einzelnen Wahlkreise zur Vermeidung von Doppelkandidatu- ren getroffene Abkommen, wonach die national liberale Partei die Wahlkreise Dresden Altstadt, Pirna, Borna, Freiberg, Themnitz, Zwickau, Anna- berg und Leipzrg-Stadt, die Fortschrittliche Volks partei dagegen die Wahlkreis« Dresden-Neustadt, Meißen, Plauen i. D., Oschatz. Bautzen und Zschopau mit Kandidaten besetzt. Hinsichtlich der Wahlkreise Döbeln und Mittweida wurde in das Abkommen miteingeschlossen, daß der Wahlkreis Döbeln den Nationalliberalen und Mittweida der Fortschritt lichen Dolkspartei überlassen bleibt. Demnach sollen also den Nationalliberalen neun, den Fortschrittlern sieben Wahlkreise überlassen sein, während di« sieben üorigen Wahlkreise Sachsens in diesem Abkommen nicht berücksichtigt sind. Der Deutsche Tag in Pose«. Berli«, 29. Mai. (Tel.) Wie aus Posen be richtet wird, fand dort gestern im Anschluß an die Tagung des Deutschen Ostmarkenvereins ein Deutscher Tag statt, der von etwa 20 000 Teil nehmern, vorzugsweise deutschen Ansiedlern und Kleinbauern, besucht war. Die Verlesung des Antworttelearamm» des Reichs kanzlers fand l^haften Beifall. Darin heißt es: „Dem Ostmarkenoevein danke ich besten» für den freundlichen Gruß vom Deutschen Tag in Posen. Ich freue mich, daß die Ostmärker sich durch die au« der Lust gegriffenen Gerücht« von einem angeblichen Wechsel in der Ost markenpolitik der Regierung nicht beirren lassen und gesonnen sind, in Einig keit und Hand in Hand mit der Regierung auf dem alten Wege fortzuschreiten. Nrurqn«rv rsLrorwuv. Reichskanzler von Bethmann Hollweg, Berlin." Zum vinkerstreik i« Berli« wird durch Le« neuesten Bericht der Lohnkommission mitgeteilt, daß sich 5337 Bäcker am Streik beteiligt haben. Nach den neuen Bedingungen arbeiten 3397 Bäcker in 1617 Betrieben. Es sind also noch etwa 1900 Streikende vorhanden. Zum Mittwoch sind Versammlungen der streikenden Bäcker ein berufen. die voraussichtlich das Ende des Streiks be schließen werden. Bis dahin wird der größte Teil der Aus ständigen untergebracht sein. Dann soll der Boykott einsetzen, von dem sich der Bäckerverband große Erfolge verspricht. Unterm Eide. Roman von Hans v. Saltzwedel-Weimar. (Nachdruck verboten.) „Schließlich ist er in Genua geblieben und Lott ein ehrsamer Waffenschmied geworden", fuhr sie fort; »hatte er doch schon daheim auf der Burg die Zubereitung alles Rüst zeuges stets selber überwacht und auch oft genug ,eltzt dabei Hand angelegt. So war er für sein neues Gewerbe wohl vorbereitet und verstand sein Hand werk bald besser, wie mancher gelernte Schnned. Man erzählte, daß an seinen Rüstungen jede Lanze split terte und seinen Schwertern lern Harnisch wider stand. So hat er es in der Stadt Genua zu großem - Ansehen gebracht, und seine drei blonden Töchter haben Söhne aus den besten Bürgerfamilien gehei ratet. Unter den ersten Geschlechtern Genuas rühmen sich noch heute mehrere einer Rottnow als Ahnfrau. So ist mir gesagt worden, als ich bei meiner Durch reise dort Verwandte meines Mannes besuchte. Das, mein Sohn, ist die Geschichte von Wolf Rottnow. Sein Weib ward zur Mörderin und war damit dem Henker verfallen. Da sie ihm »brr die Treu« stets gewahrt hatte, hat auch er in Treue zu ihr gehalten, dem eigenen Glücke und aller Welt zum Trotz. Heimat und Sippe, Vaterland und Stand, alles hat er darum aufgegeben und ist ein einfacher Bürgersmann geworden — ein fremder Mann im fremden Lande." Die letzten Worte waren leise verhallt. Langsam wandt« dr« Erzählerin die klaren Augen, die jene Geschichte aus längst vergangener Zeit scheinbar aus dem erlöschenden Kaminfeuer herausgelesen hatten, auf den Sohn. Der stand vor dem Bilde der stolzen Ritterstau mit ihrem Knaben und blickte in dessen trotziges Gesicht. Nun, da di« letzten Worte verhallt waren, drehte er sich langsam herum. Sein Gesicht war blaß, und seine breite Brust arbeitet« schwer. So sah er ein« Weile schweigend die Mutter an; dann kamen di« Wort« langsam wie fallend« schwere Tropfen vo« seinen Lippen: „Und du verlangst von deinem Sohne, er soll tun wie dieser Wolf, und soll alles lassen, was ihm heilig und wert ist um eines verbrecherischen Weibes willen?" Die letzten Wort« klangen hart wie Metall und unnatürlich gezwungen. Die Antwort darauf aber klang ernst und feierlich: ,Herne sei von mir solches Verlangen! Es ginge auch wohl wider die Natur, wollte die Mutter ihr «inziges Kind nötigen, all sein Lebensglück zu opfern, und sie selber zu verlassen. Nein, mein Sohn, das tue ich nicht. Die Verant wortung für dein Handeln will ich dir durch eine Willenserklärung oder auch nur einen Rat weder ab nehmen, noch erleichtern. Die mußt du selber tragen. Dafür bist Lu ein Mann. Da ich dich aber im Irr tum« über dich selber und in Unkenntnis Leines eigenen Herzens sah, mußte ich dir zeigen, wie es in Wahrheit darin aussicht. Das war heilige Mutter pflicht. Und darum höre weiter: ich will dir nun auch sagen, wo ich die letzten Tage gewesen bin . . . Ich habe Vera besucht . . ." Durch die hoch aufgerichtete schlanke Männergestalt ging ein Beben, wie es den jungen Fichtenstamm durchzittert, den ein schwerer Axthieb getroffen hat. und stoßweise kam es heiser über die blutleeren Lippen: „Mutter, du? Du hast die Unglückselige be sucht? Sie. die deinen Sohn ? O. mein Gott. Mutter, so sprich Loch: Wie hast du sie gesehen? Wie " Hier stockten seine Worte: nur die weit geöffneten Augen fragten antwortflehend weiter. Nach einer Stütze suchend, trat er an den schweren Tisch unter den Kronleuchter und klammerte sich mit zitternden Händen an seine Platte. Die alte Frau er schauerte unter dem angstvoll fragenden Blicke des Sohnes, und es kostete ihr sichtlich eine nicht geringe Ueberwindung. weiter zu sprechen: ..Za. Heinz, ich habe sie gesehen und werde den An- blick nie wieder vergessen! Mein Gott, was haben Kummer und Kram aus dem lieben, süßen Gesichtchen gemacht? Zum Grauen blaß und hager lag sie in totenhafter Ruhe zwischen den groben Kissen. Nur die Augen — die großen, schönen Kinderaugen — flackerten irr und unstet umher, bis sie starr auf meinem Gesicht haften blieben. Da ging etwas Wunderbares in ihnen vor: die schwarzen Pupillen erweiterten sich unheimlich, und in ihrer dunklen Tiefe leuchtete es auf wie dämmerndes Verständnis. Und dann — plötzlich — brach ein geradezu überirdischer Freudenglanz aus ihnen hervor und breitete sich über das kleine, abgehärmte Antlitz. Ein süßes Lächeln umspielte die blassen Lippen, und dein Name zitterte durch den stillen Raum wie ein Hauch — mit einem Ausdrucke so inniger Freude, daß mir vor Rührung die Tränen in die Augen traten. Dann begann die Kranke unruhig zu werden und schwer atmend un verständliche Worte zu murmeln. Da fühlte ich kräftig meinen Arm umfaßt und hörte dicht neben meinem Ohre die Stimme des Arztes flüstern: „Um Gottes willen, gnädige Frau, kommen Sie, wenn Sie sie nicht umbringen wollen!" .... Willenlos folgte ich ihm zur Tür. Hier sah ich mich noch einmal nach der Unglücklichen um. Da traf mich ein so ergreifen der Blick hoffnungslosen Grames. Laß ich vor Jammer in die Knie gesunken wäre, hätte mich der Arzt nicht gehalten und mit sanfter Gewalt durch die Tür ge schoben. In diesem Augenblick erscholl von dem Krankenlager her ein Schrei, so voll verzweifelter Angst, daß er mir Zeit meines Lebens in den Ohren nachhallen wird, unü ich " Ein lautes Stöh ¬ nen ging durch den großen Raum, so daß sie erschrocken innehielt. Aufblickend sah sie die hohe Gestalt langsam vor dem Tische in die Knie sinken und den Kopf kraftlos vornüber auf die über die Platte geworfenen Arme beugen. Mit wenigen schnellen Schritten trat sie neben den krampfhaft zuckenden Körper des Sohnes und legte beschwichtigend die schmalen, zarten Hände auf leinen Kopf. „Heinz, mein lieber Junge, so fasse dich doch! Ich hohe ja nicht gewußt, daß dich das so treffen würde! Wie konnte ich das auch nur «ihnen nach — dem Vorherigen? Sieh mal, mein armer Junge, das hilft nun mal nichts, das muß ertragen werden. So komme doch nur wieder zu dir. Heinz!" Sie rüttelte ihn an seinen immer noch zuckenden Schultern: er aber verharrte in seiner gebrochenen Stellung und antwortete nicht. Da begann sie in der Hoffnung, ihn dadurch am ehesten zu heruhigen. von neuem zu erzählen: „So höre doch. Heinz, was ich weiter getan habe aus Erbarmen mit dem unglück lichen kleinen Geschöpfe: Mit dem nächsten Schnell zuge fuhr ich nach Berlin und erwirkte mir durch meinen Vetter — den Flügeladjutanten. tu weißt schon, eine Audienz beim Kaiser, in der ich nm Gnad« für die Acrmste bat. Und ich erhielt auch die gnädige Zusicherung einer möglichst schleunigen und wohl wollenden Prüfung der Angelegenheit. Ob freilich der Unglücklichen ein« Begnadigung noch helfen kann, das ist sehr die Frage. Der Arzt bat mir erklärt, daß er vorläufig noch nichts über den Ausgang der Krank heit sagen könne: das würde sich erst in den nächsten Tagen entscheiden. Sobald die Krisis überwunden, würde er mir telegraphisch Nachricht senden." Noch immer verharrte Heinz in seiner Stellung, aber die zuckenden Bewegungen seines Körpers hatten nachgelassen, und auch -er Atem ging ruhig und regelmäßig. Als ihn nun aber die Mutter ungedul dig mit den Worten: „Junge, so sei doch endlich ver nünftig! Hörst du denn überhaupt, was ich zu dir spreche?" noch einmal aufzurütteln versuchte, schnellte er plötzlich empor wie ecn von beugender Hand be freiter Birkenstamm. Noch ein kurzes Zittern — dann stand er hoch aufgerichtet vor der erschrocken zu rücktretenden Frau. Und dann, nachdem er noch einige Male tief Luft geholt hatte, brach er sprühenden Auges los: „Mutter, warum quälst du mich? Willst du mich durchaus zur Verzweiflung treiben? O. ich merke sehr wohl.' wohinaus du willst — trotz aller deiner berechneten Einwände: ich soll nicht nur war ten, bis ich auch äußerlich frei bin. — o, nein, ich soll überhaupt auf jede« weitere Lebensglück verzich ten. Ich soll es machen wie jener Wolf! Naha. boba. das hast du sehr schlau eingefädelt! Aber bist du dessen auch ganz hewußt, was du von deinem Sohn ver langst? Daß es sich nicht nur um sein Glück, sondern auch um die Ehre seines alten Namens handelt? Ist dir das klar? Ja? Oder was willst du eigentlich, daß ich tun soll?^ Einige Augenblicke hatte die alte Dame gebraucht, um sich zu fassen. Nun stand sie hochaufgerichtet vor dem Sohne und sah ihn furchtlos mit den Hellen Augen an: „Heinrich, bist du von Sinnen? Zweifelst du an der vollen LLahrheit dessen, was ich dir vorhin gesagt habe? Ich halte es Wort für Wort aufrecht und wiederhole es noch einmal: Ich will überhaupt nichts von dir. Du allein hast zu entscheiden und zu verantworten, was dir zu tun obliegt. Ich habe es nur für mein« Pflicht gehalten, zu wecken, was in deinem Herzen schlummerte, ehe du etwas Entschei dendes tust, was du vielleicht später, einst, wenn du erwacht bist — bitter bereuen könntest. Das wollte ich und weiter nichts. Und das habe ich hiermit ge tan. An dir ist e« nun. zu wählen, was dir zum Frieden gereicht!" Ohne auf das zu hören, was der Sohn erwiderte, wandte sie sich zur Tür und verließ erhobenen Haup te» da» Zimmer. Jener aber lachte bitter -iater ihr her. „Was dir zum Frieden gereicht? Jawohl, wa» mir zum Frieden gereicht! Und darum zerreißt du mir grausam mein Herz, das endlich nach langem Ringen zum Frieden gekommen war und wirfst mich von neuem in den qualvollen Kampf, den ich endlich siegreich beendet zu haben wähnte. Ja, ja, hq bist eine rührend hilfreiche Mutter!" " -
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