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WHeritz-Mling DK Anzeiger für Dippoldiswalde und Umgegend 75. Jahrgang. Sonnabend, den 11. September 1909. Nr. 105. Dienstag, den 14. September ds. 3s., nachmittags 1 Ahr, Lokales und Sächsisches. öffentlich gegen Barzahlung versteigert werden. Sammelort der Bieter: Gasthof daselbst. Amtsblatt für die Königliche Amtsh-mptmannschafl, das Königliche Amtsgericht und den Stadtrat zu Jimoldiswalde. Mit achtfeitigem „Illustrierten Anterhaltungsblatt". Mit land' und hauswirtschaftlicher Monats-Vellage. Für die Aufnahme eines Inserats an bestimmter Stelle und an bestimmten Tagen wird keine Garantie übernommen. Verantwortlicher Redakteur: Paul Jehnr. - Druck und Verlag von Carl Jehnr in Dippoldiswalde. Dippoldiswalde, den 10. September 1909. (Z. 617/09. Der Gerichtsvollzieher des Königlichen Amtsgerichts. tag und Sonnabend und wnd anden vorhergehen. denAbenden ausgegeben. Preis vierteljährlich 1M. 25 Pfg., zweimonatlich 84 Pfg-, einmonatllch 42 Pfg. Einzelne Nummern 10 Pfg. — Mle Postan- Palten, Postboten, sowie ANsereAusträger nehmen Bestellungen an. Inserate werden mit 15 Pfg., solche aus unseres Amtshauptmunnlchaft mIt12Pfg.dieSpalheIlr oder deren Raum berech net. Bekanntmachungen auf der ersten Seite (nur von Behörden) die zwei- gespaltene Zeile 35 bez. ZV Pfg. - Tabellarisch« und komplizierte Inserate mit entsprechendem Auf- schlag. - Eingesandt, im redaktionellen Telle, di« Spaltenzeile 30 Pfg. sollen in Obercunnersdorf I IA««ming-S1sng«n («r». S00 leg) un6 I »attvn Der Streit um den Nordpol. Während die wissenschaftliche Welt dieseits wie jenseits des Atlandischen Ozeans noch schwand, ob sie der sensa tionellen Kunde von der angeblichen Entdeckung des Nord- poles durch den Amerikaner vr. Look trauen soll oder nicht, ist sie durch die weitere sensationelle Nachricht über rascht worden, daß auch der Amerikaner Pearu den Nord pol erreicht haben will. Cook ist laut seinem Kabel-Be richt an den „New-York Herold" am 21. April 1908 an die öde Stätte im hohen Norden gelangt, die er als den Nordpol bezeichnet, Peary dagegen, der zu seiner jüngsten Nordpolerpedition am 6. Juli 1908 von New-York auf brach, hat nach seinen bislang vorliegenden äußerst knappen telegraphischen Meldungen den Nordpol am 6. April i 909 erreicht. Wer soll nun eigentlich als Entdecker des Nord- poles angesprochen werden, vr. Look oder Peary? Oder besitzen sie beide ein wohlbegründetes Anrecht darauf, diesen Ruhm beanspruchen zu dürfen? Es ist nun sehr bemerkenswert, dah sofort beim Bekanntwerden der Peary- schen Depeschen über den Nordpol allseitig zugegeben wurde, daß Peary sehr wohl den Nordpol erreicht haben könne, wobei man auf seine ganze entschlossene Persön lichkeit und seinen längst feststehenden Ruf als eine der hervorragendsten und erfolgreichsten Polarforscher der Gegenwart, der bereits bis jetzt sm ganzen 10 Expeditionen nach dem nördlichen Polargebiete ins Werk gesetzt hat, hinweist. Betreffs seines Landsmannes und Konkurrenten vr. Cook aber haben sich gleich, nachdem er die sensa tionelle Kunde von seiner erfolgreichen Nordpolfahrt in die Welt setzte, nicht wenige Stimmen in zweifelndem Sinne erhoben, die nicht recht an die von ihm gemachte Entdeckung glauben wollen, und diese vr. Cook gerade nicht günstigen Stimmen haben sich seitdem eher noch ver mehrt als vermindert. Bezeichnend ist es auch, daß Peary selber zu diesen Gegnern vr. Cooks gehört. Er erklärt in einem von der „New York Sun" veröffentlichten Kabel telegramm, daß Lock nicht die für ein derartiges Unter nehmen notwendige Ausrüstung besessen habe und nicht bis in die Nähe des Pols gelangt sein könne. Cook habe einen Weg eingeschlagen, der westlich von den Wegen aller vorangehenden neueren Polarforscher gelegen sei, um sich einen Teil des nördlichen Eismeeres zu sichern, wo seine Beobachtungen nicht leicht durch etwaige Rivalen nachgeprüft werden könnten. Selbstverständlich werden nun vr. Cook und seine Anhänger diese Angriffe nicht ruhig hinnehmen, sondern ihnen entgegentreten, und so dürfte die die ganze gebildete Well in Bewegung setzende Nachricht von der endlichen Entdeckung des Nordpoles zu nächst einen wenig erquickenden Streit der Meinungen zur Folge haben. Aber obgleich nun Peary offenbar der größere von beiden amerikanischen Forschern ist und mit Recht auf die von ihm bislang bereits vollbrachten be deutenden Leistungen auf dem Gebiete der Polarforschung Hinweisen kann, so wird er dennoch erst nachzuweijen haben, ob er sich tatsächlich als den eigentlichen Entdecker des Nordpoles bezeichnen darf. Denn cs ist doch wohl möglich, daß er sich selbst getäuscht hat, welche Möglich- keit auch bei vr. Cook anzunehmen ist, während ander seits nicht geleugnet werden kann, daß vielleicht beide Polarreisenden am Ende doch so glücklich gewesen sind, den Nordpol zu erreichen, wenngleich auf verschiedenen Wegen. Zuvörderst wird Pearys Heimkehr abgewartel werden müssen, dann gilt es, sein Material und seine Aussagen zu überprüfen, wie dies natürlich auch betreffs der Behauptungen und des Materiales vr. Looks zu ge schehen hat, und schließlich werden Vergleiche mit den beiderseitigen Angaben und den von Look und Peary ge brachten Unterlagen zu ziehen sein. Erst nachher wird eine Entscheidung in dem entstandenen Streite wegen des Nordpoles und Klarstellung der ganzen Sachlage möglich sein. Vis dahin w'rd man sich mit den Nachrichten über dies große Kulturereignis begnügen und abwarten müssen, ob nunmehr endlich doch die Lösung eines Probleme», um das sich seit Jahrhunderten schon zahlreiche kühne Männer vergeblich abgemüht haben, glücklich gelungen ist. Bereinsdrucksachen fertigt Buchdruckerei Earl 3ehno. Dippoldiswalde. Der hiesigen gewerblichen Sonn tags schule ist auch für das laufende Jahr wieder eine Staatsbeihilfe von 200 Mark oerwilligt worden. . — Herr Referendar Rudert beim König!. Amtsgericht Dresden wird vom 1. Oktober 1909 ab an das hiesige König!. Amtsgericht versetzt. — Die Krankenkasse sächs. Lehrer hielt am 5. d.M. in Freiberg ihre Hauptversammlung ab. Aus dem Be richte ist zu ersehen, daß sich der Mitgliederbestand durch außerordentlichen Zuwachs im vergangenen Jahre von 1449 Mitgliedern und 496 Familien auf insgesamt 7786 Mitglieder und 1619 Familien mit 3072 Kindern er streckt; Steuern und Eintrittsgelder betrugen im letzten Ge schäftsjahre 90604 M-, wovon 71938 M. wieder als Unterstützungen in 3894 Krankheitsfällen zurückgewährt wurden, außer 22859 M. Steuern und 20686 M. Unterstützungen der Familienversicherung. Fortan sollen dank des günstigen Standes der Kasse statt bisher 60 Prozent, nunmehr 70 Prozent der Krankheitskosten ver gütet, bei der Familienversicherung jedoch dieselben die nächsten vier Jahre — wie bisher — noch unter Berück sichtigung des Kassenstandes erst am Schlüsse jeden Ver- einsjahres ausgeworsen werden. Auch die Stiftung eines Genesungsheims ward in Anregung gebracht, zunächst aber nur gewünscht, den Gedanken in der Fachpresse erst be kannt zu machen. Krankenberichte sind nebst Belegen bis zum 25. jeden Monats an den Geschäftsführer einzureichen. — Nachdem bei der Abstimmung mehr als zwei Drittel der beteiligten Geschäftsinhaber sich dafür erklärt haben, wird auf Grund von § I39k Absatz 1 der Reichs- gewerbeordnung von der König!. Kreishauptmannschaft angeordnet, daß in Glashütte die offenen Verkaufsstellen sämtlicher Geschäftszweige von Sonntag, den 19. Sep tember 1909 ab um 8 Uhr abends für den geschäftlichen Verkehr zu schließen sind. Ausgenommen hiervon bleiben: 1. die Werktage vor den Sonn- und Festtagen, 2. der Montag und Dienstag in der Woche des Vogelschießens in Glashütte und 3. die Werktage vom 5. bis mit 24. Dezember. Kreischa. Dem hiesigen Jahrmarkt, der mehr den Charakter eines Volksfestes an sich trägt, war diesmal das denkbar herrlichste Wetter beschieden, darum auch kein Wunder, daß der Besuch desselben, besonders am Mitt woch, ein überaus zahlreicher war. Aus allen Ortschaften der näheren und weiteren Umgebung kamen die Besucher — besonders auch viele Kinder — scharenweise gezogen. Die Jahrmarktswiese bot den Teilnehmern ein überaus abwechselungsreiches Bild, auch fehlte es nicht an Ver gnügungen und Genüssen der verschiedensten Art. Hoffent lich sind auch die vielen Fieranten mit ihren Einnahmen zufrieden. Die besten Geschäfte machten immer wieder die Schank- und Speisezelte, die stets voll besetzt waren. Kipsdorf. Von der Fremdenliste sür die Höhen luftkurorte Kipsdorf, Bärenfels und Bärenburg ist soeben die Nummer 8 erschienen und weist dieselbe auf die Zeit vom 23. August bis mit 5. September 1909 an ange kommenen Sommergästen 203 Parteien mit 355 Personen, und 170 Passanten nach. Die Gesamtfrequenz beträgt bis zum 5. September (einschließlich der Wintergäste) 2607 Parteien mit 4871 Gästen und 1969 Passanten. Liebenau. Bei den Erntcarbeiten ereignete sich hier am Dienstag ein recht bedauerlicher, ziemlich schwerer Un fall. Herr Gutsbesitzer Otto Dittrich war mit Anschirren der Pferde an die Getreidemähmaschine auf dem Felde be schäftigt, als das bereits angeschirrte Pferd scheu wurde und die Maschine und das andere Pferd mit fortriß, so daß Herr Dittrich unter die schwere Maschine kam, die über ihn weg ging und ihn etwa 10 Meter mit fort schleifte. Er erlitt außer mehrfachen Wunden an Kopf, Rücken und Beinen den Bruch des rechten Unterschenkels gleich über dem Fußgelenk. Possendorf. Der Obstbauverein Koldne Höhe u. U. veranstaltet Mittwoch, den 15. September, von vormittags 10 Uhr an im oberen Gasthof zu Possendorf einen Obst verwertungskursus, wozu auch die Frauen der Mitglieder eingeladen sind. Verarbeitet werden Birnen und Aepfel, Reineclauden und Pflaumen, Gemüse, wie Blumenkohl, Tomaten usw. und Fleisch. Die Teilnehmerinnen haben diese Produkte selbst zu verarbeiten. Gläser und Zucker sind vorhanden. Dresden, 9. September. König Friedrich August traf heute vormittag mit dem Grasen Zeppelin um 10 Uhr an der Reichsballonhalle in Manzell ein und wurde dort von dem Publikum begeistert begrüßt. Der König nahm sogleich nach Besichtigung der Lustschiffanlage mit dem Grafen in der vorderen Conde! Platz und das Luftschiff erhob sich langsam zu beträchtlicher Höhe. Die Fahrt ging in der Richtung nach Konstanz. Nach ^stündiger Fahrt erfolgte sodann die Landung glatt bei der Halle. Der König besichtigte eingehend die Luftschiffbauanlage und begab sich 10 Uhr 50 Min. nach Manzxll zurück. Nachdem das Luftschisf „Zeppelin lll" zum zweiten Male mit dem König von Sachsen und dessen Gefolge an Bord ausgestiegen war, nahm es um 1 Uhr 15 Minuten in der Nähe des Deutschen Hauses eine Zwischenlandung vor. Der König, Graf Zeppelin und das Gefolge wurden im Motorboot „Württemberg" an Land gebracht, wo im Deutschen Haus ein Imbiß eingenommen wurde. In zwischen war das Luftschiff wieder aufgestlegen, um nach der Reichsballonhalle bei Manzell zu fahren, wo um 1 Uhr 35 Minuten die Landung erfolgte. König Friedrich August ist mit seinem Gefolge um l Uhr 50 Minuten wieder ab gereist. — Eine grauenhafte Tat hat sich am vorigen Montag in einer Wohnung der Torgauer Straße in Leipzig-Volkmarsdorf zugetragen. Es wohnen dort die Eheleute L. Diese hatten am vorigen Sonnabend von einer Familie aus der Marthastraße in Neuschönefeld einen drei Monate alten Knaben in Pflege genommen, dessen beide Eltern auf Arbeit gehen müssen. Am Montag nach mittag ging Frau L. mit einem ihrer Kinder eine Stunde spazieren. In der Wohnung war das fünfjährige Töchterchen und der vierjährige Sohn Erich zurückgeblieben. Ungefähr um 4 Uhr kam Frau L. von ihrem Spaziergange nach Hause. Da machte ihr das Töchterchen die Mitteilung, daß das Pflegekind „ganz rot geschmiert sei". Als die Frau daraufhin an das Nettchen trat, bot sich ihr ein entsetzlicher Anblick: das drei Monate alte Pflegekind war über und über mit Blut besudelt, im Gesicht und am Kopf waren überall Verletzungen; ein Lebenszeichen konnte die Frau nicht mehr wahrnehmen. Man schickte darauf zum Arzt. Der konnte aber nur noch den eingetretenen Tod feststellen Das Kind war an Verblutung gestorben; es wurde ferner ein Schädelbruch nachgewiesen. Wie die Zeugenaussagen ergeben haben, ist die grauenhafte Tat von dem vier Jahre alten Söhnchen der L.'schen Eheleute ausgeführt worden. Er hat das Kindchen mit einer Auf trag (Wichs-) bürste so lange ins Gesicht geschlagen, als es sich noch geregt hat. Eine psychologische Erklärung für die Begehung der Tat ist darin zu suchen, daß der vier jährige Knabe auf das neue Pflegekind, das ebenfalls dxn Namen Erich trug, in seiner Kinderphantasie eine gewisse Eifersucht hatte und es deshalb mit größtem Haß behandelte. Das Kind soll öfters geäußert haben: „Die Eltern dürften keinen anderen Erich außer ihm haben." Sonst trifft niemanden eine Schuld. Leipzig. Am 15. September, mit dem Ende der Gerichtsferien, wird das unter der Leitung des Kgl. Bau rats Sachße erbaute, in der Johannisgasse belegene neue Dienstgebäude des König!. Amtsgerichts seiner Be stimmung übergeben werden. Das neue Haus wird wie das alte der freiwilligen Gerichtsbarkeit gewidmet sein. Aue. Die Barbier-, Friseur- und Perrückenmacher- Jnnung von Aue und Umgegend beschloß in ihrer Haupt versammlung die Errichtung einer eigenen Innungs-Fach schule im Anschlusse an die hiesige gewerbliche Fortbildungs schule. Adorf, 9. September. Der gestern im Kugelwechsel mit Schmugglern durch Grcnzausseher Angeschosjene ist der Gutsbesitzer Robert Roßbach, ein etwa 35 jähriger Oekonom aus Bergen bei Adorf. Roßbach ist gestern nachmittag seinen schweren Verletzungen erlegen. Frau und 4 Kinder betrauern den Ernährer (siehe auch die heutige Beilage).