Volltext Seite (XML)
Tageblatt. Amtsblatt dt- -gl. Bezirksgerichts zu Freiberg, sowie der -gl. GerichtSämter und der Stadttäthe zu Freiberg u. Brand, i ^°294. < Vrschktnt t. Freiberg jed. Wochmt, M. 6 U. für dm <md. Tag. Jnser.werdm bi« V. 1l U. für nächste Nr. «igen. Dien-tag, dm 1v. December Preil dirrltljlhrl. 10 R-r, Inserate «erdm die gespaltene Zeil« »d«r »am Ramu mit 8 Pf. »«rechnet. 1871. Freiberg, den 18. December. Seitdem der deutsche Reichstag geschloffen, find die Einzelland tage in den meisten Staaten deS deutschen Reichs zusammenge- treten, um die Gesetzgebung im eigenen Innern zu fördern. Im preußischen Abgeordneteohause begann dieser Tage ein doppelter Feldzug; der LultuSminister eröffnete denselben gegen die Ulttamou- tauen und die Ultramootanen gegen den LultuSminister. Herr v. Mühler brachte nämlich einen Gesetzentwurf über die Beauf sichtigung des Unterrichts- und Erziehungswesens als Vorläufer de» UnterrichtSgesetzeS ein und wies darauf hi«, daß dieser Ent wurf — der übrigen» keineswegs eine Trennung der Kirche und Schule vollzieht — die Aufsicht über sämmtliche Unterrichtsanstalten, folglich auch die Ernennung der Scholinspectoren, auSschließltib dem Staate zuweise. Kurz vorher hatten die Ultramontanen einen An trag eingebracht, wonach das Abgeordnetenhaus die Erwartung aus- sprechen soll: 1) daß die Regierung de» Erlaß des LultuSminister» vom 29. Juni 1871 an den Bischof von Ermeland in der bekannte» Wollmaon'schen Angelegenheit aufheben und 2) sofort anordne» werde, daß katholische Schüler, welche die Theilnahme an einem ihrer Lonfesfto» entsprechenden Religionsunterricht Nachweisen, da» Gymnasium zu BraunSberg benutzen können, ohne gezwungen zu sein, dem Religionsunterrichte des vr. Wollmann beizuwohnen. Natürlich haben die Ultramontane» keine Aussicht auf Erfolg ihre» Antrags. In Baiern ist der Abgeordnete Greil, der energische Führer der Elericalen, gestorben. Die Partei erleidet durch diesen Todes fall emen herben Verlust. — Aus Anhalt wird eine Minister- krist» gemeldet, weil der Landtag die Vorlage wegen d«S Verkauf» de» SalzwerkeS LeopoldShall abgelehnt hat. Au- Oesterreich lauten die Nachrichten im Ganzen günstig. Mit dem Ergebniß der Wahlen, insoweit e» sich bi» jetzt übersehen läßt, darf die Verfassungspartei Wohl zufrieden sein. Insbesondere ist durch die Mehrheit de» oberösterreichischen Großgrundbesitzes der Linzer Landtag wieder für die Sache der Verfassung gewonnen worden. In den mährischen Stadtbezirken hat die VerfastungS- partei sech» Abgeordnete gewonnen und in Böhmen keinen Sitz verloren. Zwischen der Regierung und den Polen ist eine Art Waffenstillstand geschloffen. Letztere haben nämlich eingewilligt, den ReichSrath zu beschicken und ihr weiteres Verhalten von der par lamentarischen Unterstützung, die ihnen da» Ministerium zugesagt hat, abhängig zu machen. In denjenigen Kronländera, in denen die Clericale« großen Einfluß auf die Landbevölkerung besitzen, arbeiten dieselben natürlich mit aller Macht, um die Bauern zu verfaffungüfeindlicheu Wahlen zu bewegen. Auch von der Kanzel herab wird die Agitation in maßlosester Weise getrieben und soll di« Regierung deshalb Willen» sein, dem ReichSrathe, dessen Er öffnung in den letzten Tagen diese» Monat» ersolgen soll, einen ähnlichen Gesetzentwurf gegen den Mißbrauch der Kanzel vorzulegen, wie er kürzlich vom deutschen Reichstage angenommen ist. Maa darf kaum daran zweifeln, daß auch in Oesterreich ein solcher An trag mit großer Majorität zur Annahme gelangen werde, da die Rothwendigkcit desselben durch die schamloseste Agitation de» Lleru» deutlich genug bewiesen ist. In Italien bildet die Frage, ob der Papst Rom noch »er- lassen werde, da» gewöhnliche Tagesgespräch. Man ist überzeugt, daß, wenn er e» überhaupt thät, seine Abreise jedenfalls ganz im Stillen erfolgen wird. Jndeß hat in jüngster Zeit die Meinung Oberhand gewonnen, daß Piu» IX., je länger er sich die Sache überlege, desto klarer zu dem Ergebniß kommen müsse, wie die Gefangenschaft im Vatican denn doch bester sei, al» die Freiheit im Exil. Und zwar einfach darum, weil er, so lauge er al» Ge- kangmer im Vatikan weile, immer noch in der Lage bleibe, sobaltz e» ihm beliebt, seinen Kerker zn verkästen. Aber ob er, wenn er erst Rom verlassen, »ach Gefalle« wieder dahin zurückkehren kann, steht nicht ganz so sicher. Seine Abreise würde zur unversöhnlichen Folge haben, daß alle die schönen Reden von der Aussöhnung zwischen Italien und dem Papstthum verstummen. Italien würde in einem Papste, der im AuSlande weilt, nur noch de« Präten denten sehen, welcher fremde Hilfe anruft, um sich de« verlorene« Thro« zurückzuerobern. Uebrigen» wird er auch nur von de« Jesuiten dazu gedrängt, meist Richtitalieaer, welche des sicheren Glaubens lebe«, daß der Anblick eines in der Fremde weilenden und auf die Gastfreundschaft des Auslandes aogewieseaeu Papste« die katholischen Bevölkerungen erschüttern wüste, wie einst die Predigt des Peter von Amiens sie erschüttert«, folglich auch der neue Kreuzzug nicht auSbletben könne. Aber e- giebt auch wieder minder zuversichtliche Gemüther in d«r Umgebung des Papstes, welche zwar ebenfalls meinen, «S sei sicher, daß die heilige Gache schließlich triumphtreu müsse, jedoch zu bedenken geb««, man könne nicht wiffeo, wie laage Gott die Zeit der jetzige« Bedräuguiß werde andauer« lassen. Diese behutsameren Rathgeber haben bi« jetzt vorgewoge«, und eS ist kein Grund zu der Annahme vor handen, daß sie nicht auch fernerhin vorwiegen werde«. Von den Fragen, welche Frankreich gegenwärtig bewegen, ist nächst der Entscheidung über die Regierungsform die Militär- Reorganisation diejenige, welche für das Ausland von grö ßerem Jntereffe ist. Bis zur Verkündigung der ThierS'schen Bot schaft bestand di« Annahme, daß die allgemeine Wehrpflicht ebenso wie von der Militär-Lommisfion der Nationalversammlung, so auch von der französische» Regierung angenommen und festge stellt sei. Die- ist nicht der Fall, denn Thier- adoptirt die all gemeine Dienstpflicht nur für Kriegszeiten. Die jährlich au-ge hobenen Dienstpflichtigen sollen loose» und nur die niedrigste» Nummer« zum Dienst herangezoge» werden. Da» jährliche Kon tingent wird auf 90,000 Manu, die Dienstzeit aus 5 Jahre fest- gtsetzt, so daß da- Heer in FriedenSzeitea 450,000 Mann zähle«, während 3—400,000 Manu, die ebenfalls dienstpflichtig find, aa ihrem Heerde belasten werden. Die Motive dieser Wendung ent ziehen sich zur Zett noch der Beurtheilung, ohne Zweifel werde« sie der Nationalversammlung ausführlich entwickelt werden. Wes halb e» ThierS übernommen hat, sich gerade bei dieser Gelegenheit in so weitgehender Weise persönlich zu engagire«, muß dahingestellt bleiben. Eine Vermittlung zwischen seinem Entwurf und der Na tionalversammlung erscheint fast unmöglich. Allerdings soll trotz dem die Armee nach ThierS Vorschlag 450 Millionen Francs jähr lich kosten und dieselbe Botschaft enthält die Mittheilung aa die Kammer, daß sie noch 250 Millionen neue Steuern zu votire« habe. Jmmerhi« aber find ernste und schwierige Debatten in dieser Aagelegeaheit zu erwarten, welche jedenfalls zur Förderung de« guten Einvernehmen» nicht beitragen werde». Die letzten Berichte au- Englaud melde» eine Besserung in» Zustande deS Prinzen von Wale-, der bekanntlich an einen» typhösen Fieber darniederliegt und seit dem 12. d. M. fortwährend im Delirium sich befiodet. Der Prinz ist in England nicht beliebt und man baut keine große Hoffnungeo auf iho; trotzdem dürste sein Tod von Bedeutung sein, zumal man fürchtet, daß eS bei - dieser Gelegenheit zu Ruhestörungen kommen w»rd. Mau müßte zwar avnehme«, daß in Englaud, wo nicht der einzelne Regent, sondern da- Parlament durch die Mimster regiert, der Tod de« Thronfolgers gar keine«, oder nur einen geringen Liufluß hab«« könne, zumal in der gegenwärtigen Lage, wo die Königin, wenn auch krank und des Regierens müde, erst im »»fange der fünfziger Jahre stch befiudet, also nach menschlichem Ermesten noch eine Reihe von Le- beuSjahren vor sich hat. Der Einfluß de- Regenten ist aber auch in «»-land nicht -u unterschätze»» und -eray« sm Halle hetz