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MsdmfferTageblatt Das Wilsdruffer Tageblatt enthält die amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschast Meißen, des Amtsgerichts und Stadtrats zu Wilsdruff, Forstrentamts Tharandt, Finanzamts Nossen. Freitag den 8 August 1924 Rr. 184 — 83 Jahrgang Wilsdruff-Dresden Telegr.-Adr.: »Amtsblatt" Post check: Dresden 2640 Vie ärullchen Gegenvorschläge für Lürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter. Anzeigenpreis: die Zgefpaltene Raumzeile ?0 Goldpferrnig, die 2gespaltene Zeile der amtlichen Bekanntmachungen 40 Gold- p^ennig, die 3gespaIteneNeklamezeNe im textlichen Teile 100 Goldpfennig. Nachweisungsgebühr 20Goldpfenn'.gc. Vor- geschriedeneGrscheinungs- e er- Lr tage und Piatzvorschnstcn werden nach Möglichkeit Fernsprecher: Amt Wilsdruff Nr. 6 berücksichtigt. Anzeigen annahme bis oorm. 10 Uhr — —— Für die Richtigkeit der durch Fernruf übermittelten Anzeigen übernehmen wir keine Garantie. Jeder Radattanspruch erlischt, wenn der Betrag durch Klage eingezogen werden muß oder der Auftraggeber in Konkurs gerät. Anzeigen nehmen alle Vermittlungsstellen entgegen. sehr äüseinänbcr. Der Standpunkt der Juristen der Repka geht dahin, daß die Rcpko nur den Teil behandeln könne, oer sich mit dem Friedensvertrage befaßt, sowie nur die Punkte des Dawes-Vorschlages, die außerhalb des Friedensvertrages liegen. Die Frage der Räumung wurde nicht berührt. Macdonald hat ebenfalls gestern im Unterhaus direkte Fragen Lloyd Georges zu diesem Gegenstand ausweichend beantwortet. Die deutschen Vorschläge in französischem Lichte. Eigener Fernsprechdienst des „Wilsdruffer Tageblattes". Paris, 7. August. Die französische Delegation ist, wie der „Malin" feststellt, unangenehm berührt worden, auch wurde sie von einer „gewissen Maßlosigkeit" der deutschen Forderungen überrascht Der französische Sonderberichterstatter in London macht über den Inhalt der deutschen Gegenvorschläge folgende Angaben: 1. Verfehlungen und Sanktionen: Die Reichsregierung schlitzt vor, daß der amerikanische Delegierte, der den Vorsitz über das in Aussicht genommene Schiedsgericht führen soll, für sämtliche von der Reparationskommifsion behandelten Fragen, also auch für andere als diejenigen der Verfehlungen und Sank tionen zuständig sein soll. Außerdem beantragt die deutsche Re gierung, daß ein deutsches Mitglied in das Schiedsgericht aus genommen werden soll. 2. Die wirtschaftliche Räumung des Ruhrgebietes: Die Räumung der Wirtschaftskontrolle soll so schnell wie möglich, d. h. gleichzeitig mit den von deutscher Seite ergriffenen Maßnahmen erfolgen und nicht im Anschluß an sie. Die wirtschaftliche Räumung müsse spätestens am 1. Oktober d. I. durchgeführt sein. Die deutsche Delegation verlangt ferner, daß dis Amnestie allgemeinen gegenseitigen Charakter Habs und die Rheinlandkommissiön auf ihr Ausweisungsrecht verzichte. Schließ-- lich umgebe die deutsche Delegation die Garantien für die 800- Millionen-Anleihe mit einer Reihe bestimmter Vorbehalte. 3. Naturalleistungen und Uebertragungen: Ein Schiedsgericht läßt die deutsche Regierung nur für den Fall gelten, daß sie sich in dem Konnte der gleichen Anzahl von Stimmen gegenübersieht, d. h. 3:3. Sie verlange weiter Appellationsrecht. Die deutsche Wordnung lehnt das schiedsrichterliche Verfahren ab, das in Aussicht genommen ist, wenn eine Verständigung über eine even tuelle Abänderung des Sachverständigenplancs nicht zustande kommt. Sie widersetzt sich ferner eurer Verlängerung der Liefe rungsfristen für Holz- und Farbstoffe über 1925 und Kohle uird Koks über 1930 hinaus, ferner die Lieferung sämtlicher Produkte, die zum Wiederaufbau der verwüsteten Gebiete Frankreichs er forderlich sind. Die im Versailler Vertrag nicht vorgesehenen Lieferungen müßen nach Auffassung der deutschen Delegation Gegenstand freier Abmachungen zwischen den deutschen und ver bündeten Lieferanten sein. Die gestrige Abendsitzung London,?. August. Die gestrige Abendsitzung der Vier zehn unter dem Vorsitz Macdonalds im llnterhause dauerte zwei Stunden. Der Rat der Vierzehn nahm den Bericht entgegen, der gestern bei den Besprechungen der Vertreter der ein t lnen Nationen zustande gekommen ist. Dieser Bericht ergibt ein c/ußer- ordentlich günstiges Bild der Lage. Der Rat der Vierzehn er örterte darauf die verschiedenen Teile des Memorandums. Eine weitere Sitzung wurde für heute vormittag 11^0 Uhr im Unter hause anberaumt. Gleichzeitig sind eine Reihe von neuen Komi tees gebildet worden: ein politisches Komitee, ein Sachlieferungs komitee und ein Komitee zur Beratung der Frage der Wieder herstellung der deutschen Einheit. großer Usk <1er Sechzehn. London, 6. August. In der Nacht auf heute arbeiteten die deutschen Ver treter die Antwort zu den bisherigen in London gefaßten Beschlüssen aus und überreichten sie als Denkschrift heute vormittag dem Generalsekretariat der Konferenz. Die deutsche Denkschrift enthält die angekündigten Einwendungen und Gegenvorschläge zu den Be schlüssen über die Sanktionssrage, die Amnestie der Ruhrausgewiesenen, die Termine und die Sicherheit der Durchführung der wirtschaftlichen RäumungdesRuhrgebiets,die Sachlieferungen und die Transferbestimmungen. Das Begleitschreiben lautet: Herr Präsident! Entsprechend der auf der gestrigen Sitzung getroffenen Verabredung beehre ich mich, Ew. Exzellenz anbei Bemerkungen der deutschen Delegation zu den bisherigen Beschlüssen der interalliierten Kommissio nen zu übersenden. Die Kürze der zur Verfügung stehen den Zeit hat es der deutschen Delegation nicht ermöglicht, sich über alle Einzelheiten der interalliierten Beschlüsse und ihre Tragweite ein rasches Urteil zu bilden. Ich bitte die Bemerkungen der deutschen Delegation, insbesondere ihre Verlautbarungen, unter diesem Gesichtspunkt betrach ten zu wollen. Dabei nehme ich an, daß die noch erforder liche Klärung im Wege der gegenseitigen Aussprache her beigeführt werden wird. Im übrigen gestatte ich mir, hervorzuhebcn, daß die vorliegenden interalliierten Be schlüsse nach Ansicht der deutschen Delegation den mit der Inkraftsetzung des Sachverständigenplans zusammenhän genden Fragenkomplex nicht erschöpfen. Die deutsche Dele gation muß besonders entscheidenden Wert daraus legen, die Frage der militärischen Räumung der über den Vertrag von Versailles hinaus besetzten Gebiete zur Erörterung zu stellen. Andererseits hat der Herr Präsident der zweiten Kommission in seinem Begleitschreiben zu den Beschlüssen dieser Kommission erwähnt, daß die franzö sischen und belgischen Heeressachverständigen ein Ver bleiben von 5060 französischen und belgischen Eisenbahn- bediensteten auf bestimmten Strecken des linksrheinischen Netzes verlangen. Die deutsche Delegation ist der An sicht, daß diese Forderung mit dem Sachverständigcnplau nicht vereinbar ist. Marx. Damit sind also die wichtigsten Fragen der Räu mung und der Eisenbahnen direkt angeschnitten, und längeres Versteckspiel ist eigentlich nicht mehr am Platze. Alsbald nach Überreichung der Denkschrift trat der neugebildete „Große Rat' zusammen, der aus je zwei Vertretern der Ententemächte und aus den beiden deut schen Vertretern Reichskanzler Dr. Marx und Minister des Äußern Dr. Stresemann besteht, und im ganzen 16 Personen umfaßt. Reichskanzler Dr. Marx und Außenminister Dr. Stresemann waren gestern einer Einladung Macdonalds in seiner Eigenschaft als Konferenzleiter gefolgt, um mit diesem über beratungs technische Fragen zu verhandeln. Auch eine Fühlung nahme über die Frage der militärischen Räumung ist bei dieser Gelegenheit anscheinend erfolgt. In der Neparationskommission, die gesondert tagte, kam es zu scharfes Auseinandersetzungen. Die Mehrzahl der juristischen Sachverständigen warnte die Repko, an- zuneümen. daß die Fraacn, die zwischen der Revko und den Deutschen verhandelt werden sollen, außerhalb der juristischen Beurteilung liegen. Die Meinungen gingen Sanfter 2wang. Aus London ersähn man. raß man dort mit der Beendigung der Verhand lungen mit den demschen Lenreiern schon bis zum Wochenende rechnet. Mac donald habe erklärt, er könne vielleicht Sonnabend schon nach Schottland fahren. Es ist merkwürdig. Kaum sind die „großen Fünf' oder die „großen Sieben', wie die maßgebenden Herren von der Londoner Konferenz sich lieber in den Zeitungen nennen ließen, unter sich einig geworden, als sie plötzlich entdecken, daß vieles oder gar langes Reden zu nichts und wieder nichts gut sei. Man wolle den Deutschen beileibe kein Ultimatum stellen, noch weniger ihnen etwa ein Diktat zumuten; dazu ist man viel zu demokratisch, viel zu pazifistisch. Die deutsche Delegation ist selbstver ständlich zu gleichberechtigter Teilnahme an den Verhand lungen nach London gebeten worden, aber sagt man nicht gerade in Deutschland so gern, daß in der Kürze die Würze liegt? Und die Herren Marx und Stresemann haben doch gewiß in Berlin sehr viele dringende Geschäfte zu erledigen, ebenso wie der Vorsitzende der Konferenz, Herr Macdonald, am Sonnabend nachmittag un bedingt nach Schottland fahren muß. Nicht in Geschäften allerdings, aber das „Weekend" ist doch schließlich auch kern Pappenstiel, und wenn man sich nur in den letzten Wochentagen ordentlich ins Zeug legt, da kann man schon ven vaar Beschlüssen, die noch der Zu stimmung Deutschlands bedürfen. Man möchte und glaubt auch, die Deutschen in wenigen Minuten überreden zu kmm-m. Man übergiM ihnen mit dem liebenswürdigsten Gesicht ein Bündel Protokolle und Beschlüsse, bittet sie, sich die Sache nur la recht schnell anzusehen und nur ja daran zu denken, daß der sonderzug nach Schottland für den kom menden Sonnabend nachmittag um soundsoviel Uhr schon bereitsteht, und wünscht ihnen im übrigen viel Ver gnügen in England. Was braucht es mehr, um die freundlichen Herren aus Berlin zusriedenzustellen? Sie werden Doch keine Spielverderber sein wollen, zumal sie sich doch schließlich sagen müssen, daß auch Herr Herriot schon lange genug seine Pariser Amtsgeschäfte im Stich gelassen hatte — und zumal sie sich auch das sagen müssen, daß im Grunde mit langem Parlamentieren nun doch nichts Wesentliches mehr zu erreichen ist. Also, wenn es gar nicht anders geht, macht gute Miene zum bösen Spiel, seid vernünftig und — unterschrelbt. Soll es wirklich so kommen? Die gute Laune des britischen Premierministers in allen Ehren, allen Respekt auch vor dem begreiflichen Widerwillen des Herrn Herriot, die Ansichten der deutschen Delegierten über die verbreche rische Kriegsschuldlüge des Versailler Schand dokuments mit anhören zu müssen — aber begreifen denn diese Herren nicht, trotz der trüben Erfahrungen, die ihre Vorgänger im Amt mit ihren Konferenzbeschlussen ge wacht haben, daß auch verschleierte Diktate vom übel sind, daß ein Ultimatum ein Ultimatum bleibt, auch Ungewissheit. über den Ausgang der Verhandlungen, die im eng lischen Auswärtigen Amt nunmehr unter Teilnahme der deutschen Vertreter begonnen haben, herrscht so wohl an der Themse wie an der Seine vorläufig noch voll ständige Ungewißheit. Freilich machen sich sowohl opti mistische wie pessimistische Propheten bemerkbar, aber an scheinend entbehren ihre beiderseitigen Prophezeiungen vorläufig jedweder festen Grundlage. In London soll die Ansicht vorherrschen, daß der wichtigere Teil der Be ratungen sich nicht im Konferenzsaal abspielen wird, son dern vielmehr in die Ausschüsse oder schließlich in die direkte Aussprache der Deutschen mit den Franzosen und Belgiern verlegt wird. Ter Haupt- oder einzige Punkt dabei ist die Frage, wie sich die deutsche Delegation mit den Franzosen und Belgiern über die militärische Räumung des Ruhrgebiets und über das rheinisch-westfälische Eisenbahn problem einigen könnte. Vorläufig zeigen sich in dieser Nichiung wenig Lichtpunkte, denn Ministerpräsident Herriot soll die militärische Räumung der Ruhr vor der französischen Kammer nicht verantworten wollen, wenn ihm dafür nicht weitgehende Konzessionen, etwa Zu geständnisse in der Verschuldungsfrage Frank reichs gegen England und Amerika, gemacht würden. Aber sowohl England wie die Vereinigten Staaten sollen eine Verkoppelung der Nuhrräumung mit dem Schuldennachlaß ablehnen. Herriot halte deshalb an seiner Forderung der zweijährigen Frist fest, die die Deutschen nicht einmal in Erwägung zu ziehen vermögen, weil ohne militärische Räumung zu einem annehmbaren Termin sich keine Mehrheit im Reichstage für die Dawes- Geseve finden würde. Andererseits ist die Rede davon, daß die Deutschen zu Entgegenkommen anderer Art in der Frage geneigt seien, vielleicht zu einem günstigen Handelsvertrag mit Frankreich und Belgien. Aber wie gesagt, das sind Ungewißheiten und Gerüchte, keine Tatsachen. «>ouen wlr den Amerikanern vertrauen, die uns mehr oder weniger heimlich zuflüstern, in Zukunft könne doch nichts mehr gegen ihren Willen, gegen den Rat ihrer in allen wichtigen Kommissionen sitzenden Vertreter ge schehen? Wir sollten uns nicht durch die mehr kläglich als klüglich ausgetüftelten Vorbehalte wiederum ins Bockshorn jagen lassen, mit denen doch nur Herr Herriot vor Poincarö und Genossen sein Gesicht wahren wollte? Man braucht uns nicht erst zu sagen, wie ungeheuer die Verantwortung derjenigen ist, die für das deutsche Volk jetzt in London schicksalsschwere Entscheidungen treffen sollen. Aber dieses Volk wird selber erst durch seine Ver- treter im Reichstag das letzte Wort zu sprechen haben — wer wollte im Ernst daran glauben, daß der Reichstag „Lösungen" der Londoner Konferenz seine Zustimmung geben würde, die uns in wichtigen Punkten noch hinter die Ruchlosigkeiten des Versailler Vertrages zurückwerfcn würden? Und wenn man das Volk in Neuwahlen erneut befragen wollte, was soll dann — von dem Ausfall dieses Experiments abgesehen — allein schon aus den kurz be- messenen — d. h. natürlich für Deutschland kurz bemessenen -- Zahlungs-und Lieferungsfristen werden, die in London schwarz auf weiß festgelegt worden sind? Es ist über flüssig, vollkommen überflüssig, weitere Fragen dieser Art aufzuwerfen. So geht es nicht, so geht es ganz be stimmt nicht. Hieraus folgt, daß man schon besser daran täte, den deutschen Delegierten mehr Raum und Zeit zu geben für wirkliche Verhandlungen. wenn es man m» Wcyimps- uno Hoynreoen, fondern mit einem Eia-Popeia von leutseligseinsollenden Redens- arten lerviert wird? Wie oft ist ihnen nicht von den Amerikanern — und übrigens auch von anderen vernünf tigen Leuten — gesagt worden, daß nur die freie Zu stimmung Deutschlands zu den Konferenz beschlüssen eine wahre Lösung des Reparationsproblems bedeuten könne, daß den Anleihezeichnern mit gutem Ge- wissen nur dann der Rat gegeben werden könne, das G^ schäft zu wagen, wenn man sich des guten, des wirklich guten Willens des deutschen Schuldners vergewissert habe. Und nun werden die deutschen Bevollmächtigten, kaum daß sie ihren Fuß auf britischen Boden gesetzt haben, mit einem Zwang zur Kürze und damit allein schon mit einem Zwang zur unbesehenen Annahme der Konferenz beschlüsse empfangen, dem keine noch so liebenswürdige Maskierung den ultimativen Charakter nehmen kann. Wir wußten, daß unsere Delegierten einen schweren Gang antraten, als sie der freundlichen Einladung nach London Folge leisteten, aber daß ihnen der Zweck dieser Reise so schwer gemacht werden würde, war doch nicht vorauszu sehen. Jetzt befinden sie sich in einer Lage, um die sie nicht zu beneiden sind. Wenn sie nur der Stimme ihres Herzens folgen dürften, würden sie wohl über die Ent scheidung, die sie zu treffen haben, fehl bald im reinen sein. Viele Deutsche werden meinen, daß auch der Ver stand ihnen nicht erlauben darf, dem Verfahren zuzu- ktimmen. das ibnen Lebt anaekonnen Wird. Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, L« »Wilsdruffer Tageblatt* erscheint täglich nachm. 5 Uhr für den folgenden Tag. Bezugspreis: Bei Abholung in der Geschäftsstelle und den Ausgabestellen 2 Mk. im Monat, bei Zustellung durch die Boten 2,30 Mk., bei Postbestellung AllePoftanftalirn Wochenblatt für Wilsdruff u. Umgegend PllNdotmM vunIcr'k'^ trLger und Geschäftsstellen — nehmen zu jederzeit Be ¬ stellungen entgegen. Im Falle höherer Gemalt, Krieg oder sonstiger Betriebsstörungen besteht kein Anspruch auf Lieferung der Zeitung oder Kürzung des Bezugspreises. — Rücksendung eingesandter Schriftstücke erfolgt nur, wenn Porto beiliegt.