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Ausgabe Kun-V Nummer 212 — 32. Jahrgang «gchilnt 0 mal wöchrnlllih mit der tllustil«rt«n Trails bellag« ^D«r Fcuerrcller'' und mehreirn Tertbellag-n Plonatt. Bei«g«prel»! dlusg. A mit Et. Brnnoblalt M. 2.70 Ausg. V ohne Et. Brnnoblalt M 2 20 Ilujelnummok lOPsg., Sonnabend-». Eonntag>N«. 20 Ps». - die mm — FimMenanzkigen 20 -. ^2* Plahooilchitlte» lönnen wir leln« Gewähr leiste« volkssettuns Nedattton: Diesden-A., Pollerste. 17, Ferne. 20711 rr. 2lOt2 Eelchitltostell«, Druck und Berla«: Germania Vuchdruckeret «. Perlag Th. u. S. Winkel, Pollerstr. 17, Ferne. 21012, Postscheck: Nr. 1025, Bank: Eladtbank Dresden Rr. S17S7 Unskksnglgv ^SgvSL«HGuiHg Gül* «rknVsGüok« ^oüGllL RI, KuIGui* Im Falle von HSHerer Gewalt, Perbot, Streit ober Betriebsstörungen hat der Bezieher oder Inserent lein« Ansprüche, salls dle Jeiiung in beschranlt-m Umlang«, verspätet oder nicht erscheint. — Ersüllungsort Di- de« Der große Prozeß Hal begonnen Der Reichstagsbrand vom 27. Februar vor -em Reichsgericht — Vernehmung van der Lübbes Der erste Verhan-lungskag in Leipzig findung die IN der Anklage bezeichnete Tat sein muss. Ivie sie sich nach dein Ergebnis der Hauptverhaudlung darstelll Nur was in diesem Tante zur Verhandlung liommt. Leipzig, 21. September. Vor dem 4. Strafsenat des Reichsgerichts hat heute der Prozes; wegen der Neichstagsbrandstiftung vom 27. Februar IM begonnen. Slng elr lagt sini>: Der 24jährige Maurer Mari nus van der Lübbe (Leyden-Holland), der 40jährige kaufmännische Angestellte Ernst Torgler aus Berlin, der 51jährige Schriftsteller Georgi Di mitross aus Radomir (Bulgarien), der 30jährige Student Blagoi P opoff aus Urjan bei Sosia und der 35jährige Schuh macher Wassil Taneff aus Gevgeli (Ätazedonien). Vorsitzender des 4. Strafsenats ist Ee- imtspräsident Dr. h. c. Wilhelm Bänger. Er war seit 1019 Neichsanwalt, seit 1931 vom Neichsrat, einstimmig zum Vorsitzenden des 4. Strafsenates ernannt. Der Scnatspräsident ist auch als Politiker hervorgetre ten. Er war: 1924 bis 1927 sächsischer Iustizminister, 1925 auch Valksbildungsminister und von 1929 bis 1930 sächsischer Ministerpräsident. Beisitzer sind die Reichsgerichtsräte Coenders, Dr. Froelich, Dr. Lersch und Landgerichts-Direktor Rusch als Berichterstatter. Ersatz richter ist Landgerichtsdirektor Dr. Full. Die An klage vertritt der höchste Beamte der deutschen An klagebehörde, der Olrerreichsanwalt Werner. Der Angeklagte van der Lubln wird von dem stän digen Mitglied der Anwaltschaft l>einl Reichsgericht Seuf- fert officialiter verteidigt. Torglers Nechtsbeistand ist Dr. Sack, die drei Bulgaren werden von Teicl)ert ver treten. Die Oeffentlichkeit ist weit über das Fassungsver mögen des Saales ausgedehnt worden. Das war mit Hilfe der Technik möglich. Die wichtigen Stellen der Verhandlung werden auf Wachsplatten übertragen und durch den Deutschlaiidsender aller Welt zugänglich ge macht. Richt weniger als 123 Pressevertreter sind zugelassen, davon zwei Drittel allein aus dem Auslande. Plätzen lind begrützen das Gericht mit dem Deutschen Grus;. Senatspräsident Or. Bünger eröffnet die Verhandlung und führt einleitend aus: „Das ungeheure Ausmas; der Ereignisse, das den Hinter grund dieses Verfahrens bildet, Kat dazu geführt, das; der Ge genstand der Untersuchung in der Presse aller Länder leiden schaftlich, mit einer alle anderen Gesä>ehnisse .zeitweise über schattenden Eindringlichkeit behandelt wurden ist Alan hat sich vielfach bemüht, das Ergebnis des nach schwebenden Verfah rens vorwegzunehmen. Zu einem solä>en Verfahren und am wenigsten mit einer vorgefahten Meinung einzugreifen, ist bis her nie üblich gewesen. Nicht nur in der deutschen, sondern auch in der Presse anderer Länder. Das .zur Entscheidung be rufene Gericht Kanu dieser Streit der Meinungen nicht berüh ren. Das deutsche Gesetz will, das; der Gegenstand der Ur'-nls- nicht was von unberufener Seite auszerhalb geschieht, hat silr die dcutsct>c Rechtsprechung Bedeutung. Das Bild der Verhandlung, suhr der Senalspräsideni fort, zeigt schon, das; die Oessenllichkeit nicht nur Deutschlands, ohne sede Beschränkung zugetanen ist ach brauche hier nicht hervorzuheben, dasz die Verteidigung der Angeklagten dem deutschen Recht und dein Brauch entsprechend, unbe dingt frei ist Wenn Stimmen laut geworden lind, welche die Ablehnung der Zulassung ausländischer Verteidiger einer schwerlich gerechtfertigten Kritik unterziehen, so nun; ich darauf Hinweisen, das; nach dem deulschen Gesetz die Zulassung auslän discher Verteidiger pur eine Ausnahme darstelll und das; das deutsche Gericht keine Veranlassung sah, im Rahmen seiner un beschränkten Ermessenssreiheit auch Gesuche zu genehmigen, die nach seiner Ueberzeugnng nicht ausschllehlich den Interessen der Angeklagten zu dienen bestimmt waren, sondern nicht frei waren van dem Gedanken der Aussaat und Förderung von Misstrauen gegen die souveräne üeulsä-e Gerichtsbarkeit " Der Erössnmwsbeschlltfj wird verlesen Tos Gericht tritt darauf in die Verhandlung ein. Der Präsident ruft die aus der Untersuchungshaft vor geführten Angeklagten auf. Von den 120 Zeugen sind zum ersten Berhandlungstage nur 6 geladen, einige Poli zisten und Hauptwachtmeister sowie ein Wohlfahrts- Pfleger. Sie werden auf die Bedeutung des Eides hin gewiesen und dann vorläufig wieder entlassen. Präsident Bünger teilt noch mit, -atz etwa vom 11. Oktober ab die Verhandlungen im Reichstagsgebäude in Verli,, stattsinden werden. Der Präsident vereidigte dann die beiden Dolmetscher für die holländische und die bulgarische Sprache. Die Dol metscher stellen nach Befragen der Angeklagten fest, das; van der Lübbe wenig Deutsch versieht, Dimitrosf und Popoff noch weniger und Tanesf ülx'rhaupt nicht. Nachdem die Dolmetscher den Angeklagten kurz den Inhalt der einleitenden Ansprache des Vorsitzenden über seht haben, wird der Erösfnungsbeschlus; verlesen. Danach werden sämtliche Angeklagten beschuldigt, durch ein und dieselbe fortgesetzte Handlung z. T. gemein schaftlich es unternommen zu haben, die Verfassung des Deutschen Reiches gewaltsam zu ändern. Es wird ihnen also Hochverrat vorgeivorsen. Die Reichstagsbrandstif- tung ist nach dem Eröfsnungsbeschlus; begangen worden in der Absicht, durch diesen Brand begünstigt, einen Auf ruhr zu unternehmen, van der Lubbe wird ausserdem vollendete und versuchte Brandstiftung des Wohlfahrts amtes Berlin-Reukölln, ferner des Rathauses und des Stadtschlosses vorgeworfen. Auch diese Brandstiftungen sollen in der Absicht begangen ivolDen sein, einen Auf ruhr zu unternehmen. Die Straftaten fallen nicht nur unter das. Strafgesetz, sondern für die Beurteilung der Angeklagten wird auch die Verordnung des Reichspräsi denten zum Schutze von Volk und Staat und das neue Gesetz über Verhängung und Vollzug der Todesstrafe herangezogen. Um 10 Uhrerscheint das Gericht unter Führung des Senatspräsidenten Dr. Bünger im Saal. Prozessbeteiligte und Publikum erheben sich von den Mögliches Ende -er Londoner Gerichts- komödle Berlin, 21. Sept. (E. M.) Der in London veran staltete „Prozes;" wegen der Inbrandsetzung des Reichs tages ist nunmehr zu Ende geführt worden. Er hat selbstverständlich den von den Regisseuren dieser Komödie beabsichtigten Ausgang genommen. Da England den Teilnehmern an dieser seltsamen Veranstaltung Gastrecht gewährt hatte, hat sich der Funkdienst von Reuters-Büro anscl;eineud auch für verpflichtet gehalten, den heutigen Knallessekt der Veranstaltung ernst zu nehmen und mit folgenden Worten der Welt zu verkünden: „Rach den Schlntzsolgernngen des Untersuchungsausschusses über den Reichstagsbrand sind die 5 Angeklagten nicht schuldig ge sprochen worden". Einige Stunden nach dieser feierlichen Ansage er folgte auf dem gleichen Weg folgende B erichtigu n g, von der man nicht weis;, ob sie mehr eine solche oder eine bessere Erkenntnis darstellt. „Es mus; heitzen: Vier An geklagte nichtschuldig, darunter nicht van der Lubbe". — Kläglicher konnte dieses unrühmliche Schauspiel wirklich nicht obschlietzen. Die Vernehmung Der Vorsitzende weist darauf hin, das; der Angeklagte van der Lubbe, nachdem er das Berteidigungsangebot des holländischen Rechtsanwaltes Pauivels erhalten hatte, eine schriftliche Erklärung abgegeben hat, die folgendes besagte: „Ich wünsche keinen Verteidiger: ich will mir die Sache auch nicht noch einmal überlegen. Ich bleibe viel mehr endgültig dabei, das; ich keinen Verteidiger haben will." Senatspräsident Bünger bittet, den Angeklagten van der Lubbe zu fragen, ob er diese Erklärung frei willig abgegeben hat. van der Lubbe bejaht es. — Rechtsanwalt Dr. Seuffert stellt fest, das; van der Lubbe dieselbe Erklärung am Montag erneut abgegeben hat, ebenso, als Rechtsan walt Stomps mit einem Anträge an den Angeklagten herantrat. Als dann zur Vernehmung des Angeklagten van der Lubbe über seine Personalien geschritten wird, lätzt dieser durch den Dolmetscher Mitteilen, das; er auch ohne den Dolmetscher mit dem Gericht selbst verkehren könne. Der Angeklagte nimmt darauf unmittelbar vor dem Richter tisch Ausstellung lind wird von dem Vorsitzenden befragt. van der Lubbe gibt seine Antworten mit ganz leiser Stimme und ist nutzer am Gerichlstisch kaum im Saale vernehm- van der Lübbes bar. Selbst der Oberreichsanwall, der seinen Platz un^ mittelbar neben dem Gerichtstisch hat. bittet den Angeck klagten, lauter zu sprechen, da auch er ihn kaum verstehen könne. Aus der Vernehmung ergibt sich, das; der Vater des An geklagten Kaufmann ist. einen Teil seiner Zagend hat der An geklagte in einer Erziehungsanstalt verbracht. Er hat die Volksschule besucht und erklärt, das; er ein guter Schüler ge wesen sei. Er erlernte das Maurerhandwerk und ist auch als Maurer tätig gewesen, ohne das; es zu einem festen Arbeitsoer- hältnis gekommen wäre Etwa im Jahre 1928 erlitt' er einen Unfall, bei dem ihn« Kalk in die Augen spritzte Seit dem Unfall bezog van der Lubbe eine Rente von 7 Gulden Jul Dezemlx'r 1918 ist er zum ersten Bla le in Deutschland gewesen. Später ist er dann nach Holland zuriiekaekelul und Hal auch einmal Frankreich lvsucht. wo er die Absicht halte, im Jahre 19M den'Kanal zu durchschwimmen, weil damals ein Preis für das Durchschwimmen des Kanals ausgesetzt war Wegen des über dem Kanal herrselzenden Sturmes bat van der Lubl>e sein Vorhallen aber nicht ausgeführt. Jin Frühjahr 1981 wollte er mit einem Freunde eine grosse Fuszwanderung durch Europa und auch durch Ruszland unternehmen, die durch den Verkauf von Ansichtspostkarten finanziert werden sollte. Der Freund ist al»er von seinem Vorhaben wieder zurüchgelrten, so das; van der Lubbe allein auf die Wanderschaft ging. Präsident Dr. Bünger stellt fest, das; der Pas;, der van der Lubbe bei seiner Verhaftung abgenommen wurde, unzweifelhaft echt war. Auf der Photographie, die ihm gleichfalls abgenom men wurde, ist er gemeinsam mit seinem Reisegenossen Belgara abgebildet. Dieser Reisegenosse hebt auf dein Bilde die Hand