Volltext Seite (XML)
VoiglliinWtr Anzeiger. Amtsblatt für das Königliche Bezirksgericht zu Plauen, sowie für die Königlichen Gerichtsämter und Stadlräthe zu Plauen, Pausa, Elsterberg, Schöneck und Mühltroff. Zweiundstebenzigster Jahrgang. Verantwortliche Redaction, Druck und Verlag von Moritz Wieprecht in Plauen. Dieses Blatt erscheint wöchentlich dreimal, und zwar Dienstags, Donnerstags und Sonnabends. Jährlicher AbonnementSPreis, welcher pniuuiuel'sxt»zu entrichten ist, auch bei Beziehung durch die Post, 1 ,Thlr. 10 Ngr. — Annoncen, die bis Vormittags 11 Uhr eingehen, werden in die Tags darauf erscheinende Nummer ausgenommen, später eingehende Annoncen finden in der nächstfolgenden Nummer Aufnahme. — Inserate werden mit 1 Ngr. für die gespaltene Torpus-Zeile berechnet. Einzeilige mit 2 Ngr.— Für die auswärtigen Königt. Gerichtoämter und Stadlräthe, für welche der Boigtländische Anzeiger Amtsblatt ist, bestehen die Geschäftsstellen in Pausa bei Herrn Bürgermeister Leh mann, in Elsterberg bei Herrn L. A. Diezel, in Schöneck bei Herrn Eduard Meyer, in Mühltroff bei Herrn Lhausseegelder-Einnehmer Holzmüller. Sonnabend. 58« 18. Mai 1861. In den beiden großen deutschen Staaten oder deutschen Großstaaten haben in den jungst verflossenen Tagen zwei Ereignisse ungeheures Aufsehen gemacht. In Oesterreich war es der Selbstmord des ungarischen Grafen Ladislaus Teleki, der sich am 8. d. M. in Pesth erschoß. Es war dieß derselbe Teleki, der we gen Theilnahme an der ungarischen Revolution viele Jahre als Flüchtling in England lebte, vor einigen Monaten in Dresden verhaftet und nach Oesterreich ausgeliefert wurde. Der Kaiser begnadigte ihn, machte ihm aber zur Bedingung, nicht aufs neue zu wühlen. Der Graf versprach dieß mit Hand und Mund seinem Kaiser. Als er aber in sein Vaterland Ungarn zurückkam, machte ihn die Partei unter den Ungarn, welche auf gänzliche Lostrennung Ungarns von Oesterreich lossteuert, zu ihrem Häuptling, und er kam nun mit seiner Ehre in eine greuliche Lage. Dem Kaiser wollte und durfte er als ehrlicher Mann das gegebene Wort nicht brechen, seine Partei aber erwartete von ihm, daß er auf dem nahe bevorstehenden (seitdem eröffneten) ungarischen Landtage offen und in erster Reihe die Loßreißung Ungarns von Oesterreich beantragen und durchfechten werde. In diesem Zwiespalte, und da er vielleicht auch sah, daß bei der ge genwärtigen Lage der Dinge es ein Unsinn sei, Ungarn losreißen zu wollen, erschoß er sich. Selbst seine Gegner geben ihm das Lob eines sehr begabten und ehrenhaften Mannes, der nur in seinen politischen Ansichten und Bestre bungen zu weit gegangen sei. Die neuesten Vorfälle in der preußischen Hauptstadt gaben und geben den bösen Berliner Zungen gehöriges Oberwasser. Da war nämlich bisher in Berlin ein Oberster der dortigen Polizei, Patzke hieß er, eine wichtige und an gesehene Person, die rechte Hand des Polizeipräsidenten von Zedtlitz, gehaßt, Ivie das Fieber, aber mächtig in seinem Amte. Dieser Patzke stammte noch aus der Regierungszeit der Herren Minister Manteuffel, Raumer und West phalen, unter denen die Polizei oft mehr galt, als Recht und Gerechtigkeit. Nun hatte man dem Patzke schon in Flugschriften Betrügerei in seinem Amte, falsche Quittungen, falsche Buchführung, Unterschlagung rc. nachgesagt. So sollte er unter andern 100 Polizeier mehr verrechnet, als wirklich da waren, das Geld dafür aber in seine Tasche gesteckt haben. Der Mann, der ihm dieß in Flug schriften nachgesagt hatte, — er hieß Eichhoff — wurde wegen Verleumdung verurteilt und floh außer Landes. Aber die Sache schien denn doch nicht ganz richtig, so daß der Abgeordnete von Vincke in der Kammer den Minister darüber fragte. Dieser sagte, Patzke sei ein Ehrenmann. Der Stadtrath und die Stadtverordneten von Berlin brachten in ihren Sitzungen eine Menge Anklagen gegen Patzke, aber die Amtszeitung nahm ihn in Schutz und scheuete den Stadtrath und die Stadtverordneten. Aber die Presse, die unabhängigen Zei tungen ruheten und rasteten nicht und zuletzt ging es doch nicht anders, es mußte eine Voruntersuchung gegen den Mann angestellt werden, und er wurde wegen dieser Voruntersuchung seines Amtes enthoben. Das geschah am 3. Am 4. bekam er von seinem Vorgesetzten, dem Polizeipräsidenten v. Zedtlitz — trotzdem er in Untersuchung war — zwei Tage Urlaub, angeblich, um sich ein neues Logis zu suchen, verschaffte sich einen Paß und — entwischte. Aber dem Telegraphen ist nicht gut zu entlaufen, und er wurde zu Madt in Schweden erwischt und brummt jetzt in Berlin. Nun schreit natürlich Alles nicht blos über den Patzke, sondern noch mehr über den Polizeipräsidenten von Zedtlitz (der auch noch ein Jnventarienstück von der vorigen Regierung ist), weil er dem Betrüger Urlaub gegeben, daß er beinahe der Strafe entkcmmen konnte, endlich auch über den sehr geachteten Minister Grafen Schwerin, der den Betrüger in der Kammer einen „Ehrenmann" genannt habe; am allermeisten aber wird Schwerin deshalb angefochten, daß er als Minister den alten Sauerteig aus der vorigen Regierung, die Beamten aus jener Zeit, die der jetzigen Regierung das Leben so sauer machen, nicht längst ausgefegt habe, wie Mosje Patzke, den Hrn. v. Zedtlitz rc. Es ist dieß eine schmierige Geschichte, die den Polizeiprä sidenten v. Zedtlitz seinen Posten kosten und den Minister zwingen kann, seinen Abschied zu nehmen. Etwas aber können wir hier nicht unerwähnt lasten. Gar Mancher schilt und schimpft in's Gelag hinein über die freie Presse, ohne zu wissen, wie viel Gutes sie stiftet, wenn sie wirklich frei ist und nicht reden muß, wie ihr von oben oder unten befohlen wird. Ist etwas im Staate Dä nemark faul, so kurirt sie es, indem sie den Schaden ohne Rücksicht blos legt. So war es auch hier. Wohl ist in neuester Zeit mancher Schmutz aufgewühlt worden, der sich in Berlin und Preußen angesammelt hatte; aber wer deswegen Preußen höhnen oder verächtlich ansehen wollte, möchte doch bedenken, daß es vielleicht anderwärts auch nicht sonderlich in der Fechtschule riechen würde, wenn einer vollen Preßfreiheit gestattet würde, ähnliche Vorkommnisse an's Licht zu ziehen, und Muth dazu vorhanden wäre. Wie soll denn die oberste Behörde, die doch auch nicht allwissend ist, alles und jedes erfahren, was nicht in der Ordnung ist, wenn der Muth fehlt und die Möglichkeit, es zur Kenntniß der selben zu bringen? Ließ sich ja selber der ehrenhafte und verständige Minister Schwerin täuschen! Zeitungen. Sachsen. Dresden, 15. Mai. (Landtag.) Die Erste Kammer hat heute die Specialöerathung des Budgets für das Militärdepartement zu Ende geführt und sich sodann bis zum 24. d. M. vertagt. — In der Zweiten Kam mer wurde die Berathung des Gesetzentwurfs, einen Zusatz zum Heunathsgesetze betreffend, beendigt und ist der Gesetzentwurf mit fast sämmtlichen von der De putation vorgeschlagenen Zusätzen in der Schlußabstimmung gegen 17 Stimmen angenommen worden. Das Gewitter am vorigen Montage hat greulich gewirtschaftet^ In der Nähe von Leipzig hat es zehnmal eingeschlagen und gezündet; ebenso in Trebis- hain bei Borna sechs Katasternummern, zu Waldkirchen bei Lengenfeld 16 Katasternummern, darunter 10 Bauergüter in Asche gelegt, in Werdau eine Scheune angezündet rc. Der ganze Himmel war aber auch eine einzige Wetter wolke! — Der zoologische, auf deutsch: Thier-Garten in Dresden, welcher am HimmelfahrtStage zum ersten Male 4>em Publikum geöffnet wurde, findet viel Besuch. Am ersten Tage waren 4000 Personen darin, darunter 2000 zahlende. Der Eintritt ist billig und kostet 5 Ngr. für die Person. Der Thiergarten ist im großen Garten und besteht gegenwärtig aus einem Garten, worin Antilopen, einem Felsen, auf dem Gemsen, einen Bau, worin Wölfe, einem Haufe, worin Eulen, einem Parke, wenn Hirsche, einem Raume, worin Kameele und Lamas, einem Bassin mit Seehunden, einem Käsig, worin Fisch ottern, einem Bassin, worin Schwimmvögel sich befinden. Auch Käfige mit Iltissen und Mardern, eine Adlergalerie, eine Känguruhwiese, ein Bärenzwinger mit Affenhaus, eine Stelzvögelwiese, ein Büffelpark, Rehpark rc. sind da. Da fehlt freilich noch viel zu einem vollständigen Thiergarten, aber eS ist doch schon ein hübscher Anfang gemacht und Rom auch nicht an einem Tage gebaut