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WMentz-Mmlg Anzeiger für Dippoldiswalde und Umgegend Donnerstag, den 27. Mai 1909. Nr. 60. Amtsblatt für die Königliche Amishauptmannschafi, das Königliche Amtsgericht und den Stadtrat zu Dippoldiswalde. Mit achtseitigem „Illustrierten Anterhaltungsblatt". Mit land- und hauswirtschaftlicher Monats-Beilage. Für die Aufnahme eines Inserats an bestimmter Stelle und an bestimmten Tage,» wird keine Garantie übernommen. Verantwortlicher Redakteur: Paul Jehne. - Druck und Verlag von Carl Jehne in Dippoldiswalde. 75. Jahrgang .Meiberttz-Zeitung* «scheint wöchentlich drei mal: Dienstag, Donners, tag und Sonnabend und wird anden vorhergehen- denWendenansgegeben. Preis vierteljährlich 1M. 25 Psg-, zweimonatlich 84 Pfg., einmonatlich 42 Psg. Einzelne Nummern !v Pfg. — Alle Postan- Palten, Postboten, sowie msereAusträgernehmen Bestellungen an. Inserate werden mit l!l Pfg., solche aus unsere» Ämtshauptmuimschast mit 12 Pfg. die Spaltzeil« oder deren Raum berech. net. Bekanntmachungen auf der ersten Seite (nur von Behörden) die zwei- gespaltene Zeile 35 bez. 30 Pfg. - Tabellarische und komplizierteJnserat« init entsprechendem Auf schlag. - Eingesandt, im redaktionellen Teile, die Spaltenzeile 30 Psg. Herr Moritz Mar Mehlhorn, bisher Gemeindevorstand in Auerswalde in Sachsen, ist als Eemeindevorstand für Kipsdorf auf die nächsten 6 Jahre verpflichtet worden. 587 c ä. König!. Amtshauptmannschast Dippoldiswalde, am 19. Mai 1909. Der Gemeindekassierer Bruno Albin Seidel in Kreischa ist als 2. stellvertretender Standesbeamter für den zusammengesetzten Standesamtsbezirk Kreischa bestellt und in Pflicht genommen worden. Nr. 719bK. Königliche Amtshauptmannschast Dippoldiswalde, am 21. Mai 1909. Das Konkursverfahren über das Vermögen des vormaligen Fabrikbesitzers Paul Friedrich Emil Laur, früher in Naundorf, jetzt in Leipzig, wird hierdurch Lntxokodoo, nachdem der im Bergleichstermine vom 9. März 1909 angenommene Zwangsvergleich durch rechtskräftigen Beschluß vom gleichen Tage bestätigt worden ist. Dippoldiswalde, den 24 Mai 1909. Das Königliche Amtsgericht. Drucksachen für Gemeindebehörden fertigt Buchdruckerei Carl Jehne. Lord Roderts über den Unwert der englischen Armee. Das Oberhaus hat zwei Tage der Woche einer Er örterung über Armeefragen gewidmet; aber der allgemeine Eindruck, den diese Debatten gemacht haben, ist im Lande nicht der beste. Der Herzog von Bedford wandte sich energisch gegen die jetzige Einrichtung, die sich Spezial reserve nennt. Dieser Bestandteil der Armee hat sich auf eine eigentümliche Weise aus der Miliz entwickelt; aber selbst der Kriegsminister Haldane wird nicht wagen zu behaupten, daß diese Truppe eine Verbesserung gegenüber der früheren Einrichtung bedeutet, und in seiner Kritik er klärte er, daß sie im wesentlichen aus schwächlichen jungen Leuten bestehe, die in Wirklichkeit gar keine militärische Vorbildung hätten. Lord Robert-, der dieser Tage seine goldene Hochzeit feierte, hat sich ebenfalls im Oberhause sehr ungünstig über die Armee ausgesprochen. „Zunächst betrachtet das Volk — so meinte der alle englische Heerführer -- die reguläre Armee als etwas, womit es direkt gar nichts zu tun haben will. Die Leute wollen nicht einmal, daß Soldaten in ihre unmittelbare Nachbarschaft kommen. Sie meinen, die Soldaten seien nur dafür da, daß sie im Aus lande gegen den Feind kämpsten Dos ist ein unglück seliger Irrtum; denn die Soldaten von heute sind nicht das, was sie vor 50 oder 60 Jahren waren. Es sind Leute von guter Führung, die Achtung verdienen. Un glücklicherweise denkt das Volk nicht so, und solange hierin keine Aenderung eintritt, werden wir niemals eine Armee haben, wir sie sein soll. Dasselbe trifft bei der Territorial armee zu; die Leute denken, diese sei nicht nötig; sie sehen sie als eine Art Spielerei an, und ich wundere mich nicht einmal darüber, denn ihre Führer sagen ihnen selbst, daß ihnen nicht die geringste Gefahr drohe. Was nützt uns eine Armee von 315000 Mann? Kann sie die Invasion einer ausländischen Armee abhalten, oder würde sie ge nügen, um eine gelandete Armee zurückzuwerfen? Ein Lord hat gesagt, man müsse erst den Beweis für die Tüchtigkeit der Armee abwarten. Es gibt aber nur einen Beweis, und das ist der Krieg. Sollen wir nun ab warten, bis ein Krieg kommt, in welchem sich erweist, wie viel oder wie wenig die Territorialarmee wert ist? Wir sind zurzeit in einer außerordentlichen Lage, wir haben keine Armee! Wir haben weder ein Heer, das wir nach auswärts senden können, noch ein solches, das unser eigenes Land verteidigt. Es ist mir ein völliges Rätsel, wie jemand, der sieht, was in Europa vor sich geht, mit den Verhältnissen unserer Armee zufrieden sein kann. Wenn wir ein Expeditionskorps von nur vier Divisionen nach auswärts senden, was bleibt dann übrig? Im Unter- Hause wurde dieser Tage gesagt, wir hätten 315000 Mann, und es seien schon Vorschläge gemacht, die Zahl zu verdoppeln. Aber was heißt in diesem Falle ver doppeln? Die Zahl allein macht es doch nicht aus. Wir müssen eingcübte Mannschaften haben. Kein Land in der Welt würde versuchen, sich zu verteidigen mit dieser ge ringen Anzahl von Leuten und mit diesen ungeübten Kräften, die wir haben. Wir haben Leute, die vor dem Lord-Mayor von London paradieren, aber das macht keine Armee aus. Der Krieg ist kein Truggebilde, aber unsere Armee ist ein solches! Aber wir werden niemals eine wirkliche Armee haben, bis wir die Nation in unser Ver- trauen gezogen haben. Geht das Volk auf diesem Wege vor, dann gibt es keine Schwierigkeit mehr, eine gute Armee zu schaffen. Die Leute müßten dann kommen und sich in die Armee einreihen lassen, weil die Nation darauf besteht. Wenn wir eine Armee haben wollen, die ge nügend ist, das Land zu schützen, eine Armee mit ge nügenden Reserven, um ein Expeditionskorps zu stützen, das nach dem Auslande geht, müssen wir ganz andere Schritte unternehmen. Wir müssen osfen sein und der Nation sagen, wie die Sache eigentlich liegt, und die Nation wird uns unterstützen." Lord Roberts hat in diesen Worten deutlich zu ver stehen gegeben, daß nach seiner Ansicht nur die allge meine Wehrpflicht Englands eine genügende und tüchtige Armee geben könne; aber er hat im Hause der Lords nur wenig Unterstützung und Zustimmung gefunden. Mehrere Blätter nehmen Veranlassung, sich anläßlich dieser Rede energisch gegen die allgemeine Dienstpflicht auszulprechen. Lokales und Sächsisches. Dippoldiswalde. Zur Geburtstagsfeier Sr. Majestät des Königs vereinigten sich in der Turnhalle Vertreter der königlichen und städtischen Behörden und viele Gäste mit der Lehrerschaft und den Oberklassen der Stadtschule. Choralgesang, Schristverlesung durch Herrn Schuldirektor Ebert, Schülerdeklamationen und Chorgesang umrahmten die Festansprache, zu deren Thema sich Herr Lehrer Hering die Erfindung des Porzellans gewählt hatte, deren 200. Gedenktag am 29. März d. I. gefeiert werden konnte. Während bisher nach Engelhardts Angaben Böttcher, der Erfinder des Porzellans, als Schwindler beurteilt worden ist, konnte ihn Redner nach den neueren Forschungen des vr. Zimmermann, des Direktors der Porzellansammlung, das Zeugnis eines großen Gelehrten und Technikers aus stellen, der im Anfang wohl Gold machen wollte oder vielmehr sollte, später durch fleißiges Probieren das Porzellan erfand. Geboren in Schleiz, trat Böttcher bei einem Berliner Apotheker in die Lehre, gab sich alchemisti schen Studien hin, geriet in die Gewalt August des Starken, erfand auf dem Königstein das Porzellan und errichtete auf Geheiß des Kurfürsten die Meißner Porzellanfabrik. — Am späteren Nachmittage versammelten sich im Rat haussaale gegen 100 Herren zu einem Festmahle, bei dem Herr Geh. Forstrat Oberforstmeister v. Lindenau-Bären fels das hohe Geburtstagskind mit folgenden Worten feierte: Hochansehnliche Festversammlung! Es ist Werktag heute! Dennoch ein Festtag, weil rechte echte Herzensfreude uns erfüllt und zusammengeführt hat, mit innigem Danke gegen Gott den Geburtstag unseres geliebten Königs zu feiern. Wenn wir den Blick zurückwenden auf das ^verflossene Lebensjahr unseres in vollster Manneskraft stehenden Allerhöchsten Herrn, so erkennen wir wiederum reichen Segen seines königlichen Wirkens, seiner auf das Gedeihen unseres Vaterlandes gerichteten Regierung. Aeußerst wichtige Gesetze sind in erheblicher Zahl erschienen, die Sachsens Wohl fördern sollen und — Gott gebe cs — in reichem Matze fördern mögen, um des Königs heitzen Wunsch, seine Untertanen zu beglücken, zu erfüllen. Unwillkürlich richtet sich unser Blick heute auch auf das Königliche Haus, aus den unseren Allerhöchsten Ecburtstäger umgebenden Kinderkreis Hoffnungs volle Söhne, die mit strengem Ernste in den Pflichtcnkreis ge führt und in der Arbeit des Lernens geübt werden, wachsen heran und liebliche Töchter sind es, die im Verein mit den Brüdern dem königlichen Vater das Herz erwärmen und be glücken. Es wird mir dauernd ein köstlich Bild in der Erinnerung bleiben, das uns im letzten Herbste in Nehefeld geboten worden ist: Das Treibjagen war beendet. Se. Majestät der König hatte einen Wagen befohlen, um eine Strecke zu fahren und in einem anderen Nevierteile zu pürschen. Als wir den Hemmschuhberg hernntergejt egen waren, kam der Wagen vom Sch osse her, aber nicht leer, sondern gefüllt mit kleinen, alsbald lebhaft winkenden Gestalten, den kurz vorher in Reheseld eingetloffenen 3 Prin zessinnen. Welch ein Jubel, als sie den geliebten Vater ge wahrten. Kaum hielt der Wagen, so sprangen sie im Wettlaufe auf ihn zu, ihn zu umarme» und mit Fragen zu bestürmen. — Gott erhalte solch reiches Familienglück dem königlichen Vater! Gott schütze unsern teuren König und segne seine Regierung auch fernerhin! Se. Majestät unser geliebter König lebe hoch! — Zum ersten Male beging der hiesige Turnverein den Geburtstag unseres Königs in einen, weiteren Rahmen als in früheren Jahren, und zwar in Gestalt eines Kommerses. Daß damit kein Fehlgriff getan worden war, zeigte die rege Beteiligung, war doch der Sternsaal fast voll gesetzt. Im Mittelpunkte der Feier stand die Fest ansprache des Herrn Lehrer Eidner, der in kurzen Zügen ein Lebensbild Sr. Majestät gab und zum Schluß die An wesenden zu Unem Hoch auf das hohe Geburtstagskind aussordcrte, in das alle Anwesenden kräftig einstimmten. Umrahmt mar die Rede von Violinvorträgen der Herren Obcrpostassistent Lehmann und Hilfslehrer Przioda, von turnerischen Gruppen, Hebungen am Barrren und von Vorträgen der Hauskapelle. Sicher wird jeder Teilnehmer die Ueberzeugung erlangt haben, daß im Turnverein ein s guter turnerischer Geist, zugleich aber auch hohe patriotische I Gesinnung herrscht. — Die am Sonntag im Saale des Hotels zum Stern vom hiesigen K. S. Militärverein veranstaltete Vorfeier des Geburtstages Sr. Majestät des Königs hatte sich trotz anderer Veranstaltungen eines guten Besuches zu erfreuen. Nach einem einleitenden Konzertstücke und einem recht an sprechend von einer Dame vorgetragenen Prolog begrüßte der Vereinsvorsitzende die erschienenen Ehrengäste und Mitglieder nebst Angehörigen und brachte ein freudigen Widerhall findendes Hoch auf den König aus. Der Sängerchor des Vereins huldigte dem hohen Geburtstags kinds durch den wohlgelungenen Vortrag des Männer chores „König Friedrich August, Sachsenherz". Mit Spannung sah man der auf dem Programm verzeichneten Vorführung der Lichtbilder-Serie „Deutschlands Erhebung" entgegen. Die gehegten Erwartungen wurden durchaus erfüllt. In farbenprächtigen Bildern, welche Reproduk tionen von Gemälden der bedeutendsten Historienmaler oarstellten, sah man die wichtigsten Ereignisse der Be freiungskriege 1813—15 vor dem Auge vorüberziehen. Auch die in gefälliger Weise dargebotenen, die Bilder er läuternden Begleitworte verfehlten ihre Wirkung nicht. Ein' fröhlicher Ball beendete die von patriotischem Geiste durchwehte Feier. — Anläßlich des königlichen Geburtstages haben noch weitere Auszeichnungen erhalten: Grubensteiger Eichler in Altenberg das Ehrenkrcuz mit der Krone; Ortsrichier und Ortsschlachtsteuereinnahme-Vermalter Krumpolt in Nieder pöbel, Ortsrichter Querner in Börnchen, Wäschec Kadner in Altenberg, Wäschsteiger Mösche in Altenberg das Ehrenkreuz; Straßenwärter Bindhase in Geising die Friedrich-August-Medaille in Silber; Obersörster Kempe in Höckendorf und Teich in Schmiedeberg den Titel und Rang als Forstmeister. — v. Tümpling, Hauptmann z. D., zuletzt Kompanie Chef im I. Jäger-Bataillon Nr. 12, ist unter Fortgewährung der gesetzlichen Pension als Bezirks- ofsizier beim Landwehr-Bezirk Pirna, Meldeamt Dippoldis walde, wiederangeslellt. — Großes Pfingst-Reinemachen. „Wen Gott lieb hat, dem gibt er eine brave Frau", sagt ein altes Sprichwort. „Wen er aber strafen will", so müßte cs eigentlich weiter heißen, „den verdammt er zum Zuhause bleiben, wenn „Groß-Reinemachen" ist". Kennen Sie es, verehrte Leser? Nicht?! — O, dann wissen Sie noch nichts von den Erdenwürmer schwersten Stunden, kennen noch nicht die grimmigsten Leiden eines Ehemannes, haben keine Ahnung von dem tiefsten Sinn jenes Echillerschen Wortes: „Jedoch der schrecklichste der Schrecken, das ist — ein Weib im Scheuerwahn". — Groß Reinemachen! — Wenn dieser Kriegsruf durch das Haus gellt, dann schlägt sich ein kluger Hausvater schon am Morgen seitwärts in die Büsche. Da das „Große Reinemachen" epidemisch auftritt, ist er in der glücklichen Lage, schon in kürzester Zeit die Bekanntschaft mehrerer gleich kluger Ehegatten zu machen und trollt mit ihnen zur nächsten Rettungsstation — dem Restaurant — allwo man sich bemüht, bei einem anständigen Dauerskat und einem „süffigen" Bierchen des Daseins Qualen zu vergessen. Währenddessen entwirft die züchtige Hausfrau in den heimischen Penaten eine Darstellung der Feuersbrunst aus Schillers „Glocke". Sturm ist bei ihr zwar schon, ohne daß es noch vom Turme wimmert. Und darum rennet, rettet, flüchtet alles. Die Kinder jammern in der engen Schlafstube. Die andern Zimmer werden „reingemacht". „Lump", der Leib- Hund, hat, weil er sich nicht rechtzeitig verfügte, eins mit dem Besen bekommen und heult nun, im tiefsten Winkel versteckt. Im Bogen spritzen große Wassermassen daher und sausend fliegen die Schrupper über die Fußböden, bis alles im schönsten Glanze erstrahlt. Kein Möbel bleibt unverrückt, kein Bild bleibt hängen — alles, alles kommt in Bewegung, bis die hereinbrechendc Nacht zur Ruhe mahnt. Die Hausfrau aber überschaut stolz das Schlacht feld, auf dem sie heute Sieger blieb und vergißt in ihrer