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Amtsblatt sttr die königlichen und städtischen Behörden zu Freiberg und Brand. BerarMoortlichrr Redaktem Jnlin» Brau» tu Freiberg. ->-> , 33. Jahrgang „ , > > , ...» ». j Erscheint jeden Wochentag «bald» «Utzr sür den I « Inseratewerden bi» Bormtttag» 11 Uhr angenorn- s - W ^85.1 I 8mta«, dm 9. Dczemba. s I 1881. Da» nemgr Attentat i« Rußland. Es giebt doch im Leben ganz merkwürdige Zusammen treffen. Am Freitage voriger Woche charakterisirte ein Petersburger Blatt die jetzige Lage Rußlands mit folgen den Worten: »Wie sich während eines starken Frostes der Sumpf mit einer Eiskruste bedeckt und dadurch einer Gegend mit dessen Miasmen ihren gefährlichen Charakter benimmt, so geben wir uns auch gegenwärtig der Ruhe hin, obschon augenblicklich der Zersetzungsprozeß unter dem Druck und Einfluß der nihilistischen Idee sein furcht bares Werk fortsetzt." An demselben Tage noch wurde die düstere Schilderung jenes Blattes durch das Attentat auf den Grafen Tscherewin bestätigt, denn wirklich war den Staatsmännern, die nach dem Sturze Loris Melikoffs zur Regierung kamen, nur eins gelungen: die täuschende Eiskruste über den Sumpf wachsen zu lassen. Ein so wohldurchdachtes System der Unterdrückung unbequemer Meinungsäußerungen, ein mit unleugbarer Sachkenntniß, großer Umsicht und zäher Konsequenz durch- gesührtcs Censursystem, welches soweit ging, Alles bei SeÜe zu schieben, was die Erinnerung an die halbver- geffencn Nihilistengreuel hätte auffrischen können, ein so planmäßiges Beschönigen und Vertuschen konnte in un serer schnelllebigen und ereignißreichen Zeit seine beabsichtigte Wirkung nicht verfehlen. Man hatte in der That im Aus lande und zum Theil in Rußland selbst die Nihilisten fast vergessen und mit der Erinnerung an die Verschwörer auch das durchgreifende Heilverfahren, dessen das Czarenreich zu seiner vollständigen Wicdergenesung bedarf. Zu allem Ueberflusse wurde noch dafür gesorgt, daß das neuigkeits lüsterne Zcitungspublikum seine sensationellen Schauer geschichten aus Rußland in Form der unerschöpflichen Bulletins über die Judenverfolgungen erhält. Die verdeckende Eiskruste war dicht und blank, bis die Revolverschüsse im Palais der weiland dritten Abtheilung zu Petersburg sie zertrümmert. Man suchte auch jetzt noch dem Attentate Sankowski's den Charakter einer nihi listischen Gewaltlhat abzustreifen. Es sei, so hieß es, lediglich ein Akt der Privatrache eines verkommenen Sub jekts. Die russischen Blätter muffen natürlich an dieser halbamtlichen Form der Meldung festhalten, während der Mordanschlag, wie nun nachgcwicsen ist, gar nicht dem Grafen Tscherewin, sondern dem Grafen Jgnaticff gegolten hat. Ein Beweis dafür ist auch, daß an demselben Nach mittage, an welchem die Annalen des Nihilismus um ein neues blutiges Blatt bereichert wurden, man eine Prokla mation in Petersburg verbreitete, welche besagte, fortan würde man sich an die schuldigen Diener des Kaisers, nicht an Mitglieder der kaiserlichen Familie halten. Das Attentat wurde vollständig nach dem etwa vor zwei Mo naten in nihilistischen Schriften angekündigten Rezepte in- szenirt, nicht mehr mir den in ihren Wirkungen unsicheren Sprengstoffen, sondern mit Feuerwaffe und Dolch un mittelbar gegen die auscrsehene Person vorzugehen. San- kowski führte neben dem Revolver auch sein Stilet in der Tasche und wer weiß, wie der entsetzliche Ringkampf mit seinem Opfer geendet hätte, wenn Tscherewin nicht ein Mann von herkulischer Körperkrast wäre. Der nihilistische Charakter des Attentats kann nicht mehr geleugnet werden und die Verhaftungen der nächsten Tage werden bald gc- »ug beweisen, daß Niemand weniger als die Sachkundigen von der Petersburger Polizei an ein Verbrechen aus Privatrachc glauben. Soeben trifft die Bestätigung dieser Muthmaßung durch folgendes Telegramm ein: Petersburg, 7. Dezember. Eiue Baude vou 15 Maun wurde aufgehobeu, welche, mit vollstäudtgeu OistjterSuuiforme« und Georgslreuzeu verfehe«, sich jedenfalls übermurgeu am Georgsfeste betheilige« wallte. Infolge dessen wurde« autzerordeutliche Vor- fichtsmatzregelu getroffen, um eiuem Putsch vorM- benge«. Aber was nun, nachdem die nächsten Vorkehrungen der Sicherheit getroffen und die Schuldigen, soweit dies möglich, dem strafenden Arm der Justiz überwiesen sind? Wird man nach dieser Mahnung wieder in das beliebte System zurückfallen, den Nihilismus nur mit Unter drückungsmaßregeln zu bekämpfen? Oder wird man end lich Ernst machen mit dem von allen unbefangenen und besonnenen Politikern, von der ganzen Intelligenz Ruß lands geforderten Heilverfahren durch maßvolle, aber ernst gemeinte und ernst durchgeführte Reformen? Wird man endlich die nebelhafte Oppositionslust einer zum Schweigen und Dulden verurtheilten Gesellschaft auf einen positiven Boden zu drängen suchen? Die allerersten Anfänge hierzu wurden bereits gemacht; so markirt der jüngst veröffent lichte Reform-Ukas einen solchen ersten Schritt. Wie an- erkennenswerth derselbe auch an und für sich sein mag, bleibt er doch weit hinter dem zurück, was die öffentliche Meinung in Rußland als das Geringste glaubt fordern zu dürfen. Diese Forderungen sind weder unbescheiden noch himmelstürmcnd. Man will nur das Werk des er mordeten Czarcn in dessen Geist und nach dessen Plan fortgesetzt wissen. Die Verheißungen wünscht man in Er füllung gehen zu sehen, welche dem russischen Volk von Alexander II. gemacht wurden und an deren Durchführung ihn nur eine verruchte Mörderhand verhinderte. Man wünscht, daß diese Verheißungen, deren Realisirung bisher aus Unentschlossenheit verzögert wurde, endlich Wahrheit werden- Die innere Politik des Reiches soll sich nicht blos mit Auskunftsmitteln des Moments von Fall zu Fall fortfristen und in Betreff der Zukunft mit Versprech ungen abfinden, sondern von einem wirklichen reformatori schen Geiste beseelt und geadelt sein. Tagesschau. Freiberg, 8. Dezember. In der gestrigen Sitzung des Reichstags kam zunächst derjenige Theil des Marine-Etats zur Erledigung welcher der Budgetkommission überwiesen war. Referent ist Abg. Rickert. Bei dem Kapitel 52 (Jndiensthaltung der Schiffe und Fahrzeuge) ist materiell an den Forde rungen der Vorlage nichts gekürzt, und ist der Betrag aus den Beständen des Vorjahres in dem betreffenden Titel um 50 000 Mk. erhöht und die Ncubewilligung um dieselbe Summe ermäßigt. In gleicher Weise sind bei dem Kapitel 53 (Naturalverpflegung) 150 000 M. von der neu geforderten Summe abgesetzt. Beim Kap 60 (Werftbetricb) werden als dritte Rate für die Korvette „Viktoria" 300 000 Mk. abgcsetzt und statt der geforderten 800 000 M. nur 500000 M. bewilligt, nachdem der Chef der Admiralität selbst in der Kommission erklärt hat, daß jene Summe dem vorliegenden Bedürfnisse genügen werde. Dagegen werden auf Antrag des Referenten 400 000 M. als erste Rate zum Bau eines Panzerfahrzeuges als Ersatz für das Panzerfahrzeug „Prinz Adalbert" aus prinzipiellen Grün den ohne Debatte gestrichen, da man die Erbauung solcher großen Fahrzeuge nicht ferner für zweckmäßig hält. In der Kommission haben sodann die Verhältnisse der Arbeiter auf den kaiserlichen Werften zu eingehender Debatte ge führt, namentlich sei darüber Klage geführt, daß keine Arbeiter über 40 Jahre alt angenommen werden, daß das Kasscnwesen nicht zweckmäßig geordnet sei, und daß die Thätigkcit der Fabrikinspektorcn sich auch auf den Wcrft- bctrieb erstrecken sollte. Der Referent konstatirt indcß, daß der Chef der Marine-Verwaltung sich dem letzteren Wunsche durchaus nicht widersetzt und sich überhaupt wohlwollend rücksichtlich der Arbeiter ausgesprochen habe. Deshalb habe die Kommission von besonderen Anträgen diesbezüg lich Abstand genommen. Abg. vr. Hirsch rügt die mangelnde Selbstverwaltung bei den Kassen der Werft arbeiter, ferner die beträchtlichen Lohnreduktionen im Herbst trotz der Theuerung der Lebensmittel. Der Chef der Ad miralität v. Stosch hebt indeß hervor, daß die Löhne auf den Wersten naturgemäß von den allgemeinen Marktvcr- ff hältnissen abhängig sein müßten; das Kassenwesen sei ' zweckmäßig geordnet; die Verwaltung der Kassen könne ' den Arbeitern allein füglich nicht überlassen bleiben. Nach weiterer kurzer Debatte über diese Arbeiterverhältniffe war die Berathung des Marine-Etats zum Abschluß geführt, l — Es folgt die Berathung des Etats der Post- und Telegraphenverwaltung. Abg. Stoecker bringt zur Sprache, daß in diesem Ressort die Sonntagsruhe der Beamten in Höherem Grade gefördert werden müsse. Dieselbe sei eine der wichtigsten Grundlagen des chnst- ff lichen Volkslebens, die größere Ausdehnung derselben ,! ebenso nöthia, wie ohne Gefährdung der Postintereffen möglich. Postbestcllungen müßten an Sonntagen in Berlin verringert, die auf dem Lande ganz eingestellt werden. Dn Bundcskommissar erwiedert, die Postverwaltung verkenne 1 die wirthschaftliche und sittliche Bedeutung der Sonntags« feier durchaus nicht, mindestens der dritte Sonntag sei für die Beamten dienstfrei, an anderen Sonntagen sei auch noch am Vor- oder Nachmittag zum Kirchgang freie Zeit gelassen. Eine weitere Beschränkung des Sonntagsdic-lies ff für Berlin fei nicht rathfam. Abg. Lingens pla ..e . ebenfalls für größere Sonntagsruhe der Postbeamten. Abg. Richter (Hagen) gönnt den Postbeamten die er- . weiterte Sonntagsruhe, nur muffe auch das Jntereffe des Publikums gewahrt bleiben. Die Beschränkung des Sonn tagsdienstes für Berlin sei nicht angänglich. Abg. Reichen sperger (Crefeld) wünscht, daß dicPostverwaltung sich bezüg lich der Sonntagsruhe ihrer Beamten dem Beispiele Englands nähern möchte. Der gesummte Postctat wird bewilligt. — Nun folgen mündliche Berichte der Budgetkomnnssion - über den Etatstitel des Kaiserpalastcs in Straßburg. Abg. Benda als Referent empfiehlt die Bewilligung der ersten Rate von 7 k 200 Mk. Abg. Köhl (Volkspartei) bestreitet die Nothwendigkeit des Baues. Das ehemalige Präfekturgebäude bilde ein für den Kaiser durchaus ange messenes Absteigequartier. In voller Loyalität gegen den Kaiser lehne er die Vorlage ab. Abg. Petersen tritt sür den Beschluß der Budgctkommisfion ein und bestreitet ' die Zulänglichkeit der vorhandenen Räume. Die Forde rung für den Kaiserpalast in Straßburg wird mit allen gegen etwa 20 Stimmen genehmigt. Nachdem dann noch der Antrag des Abg. Magdzinski auf Einstellung des Strafverfahrens gegen den Abg. Chlapowsky für die Dauer der Session angenommen ist, wird die nächste Sitzung auf Freitag Mittag 1 Uhr festgesetzt. Der Kaiser Wilhelm crtheilte dem aus Petersburg eingetroffenen österreichischen Minister Kalnoky gestern Nachmittag Audienz. — In einem Artikel über die Wir kung der letzten Reden des Reichskanzlers sagt die „Pr> Korresp.", (anknüpfend an die Absicht Bismarcks, sich für die Pflege des monarchischen Prinzips und die Elffüllung der nationalen Ziele neben den Konservativen auch auf das Zentrum zu stützen), den Kampf fortsetzen, könne nur die Leidenschaften der Parteien fördern, welche den Kampf mit der Kirche als einen solchen wollen und die Regierung auch in den bisherigen Streitigkeiten nur unterstützten, weil sie dieselbe zu ganz anderen Zielen mit fortzureißen hofften. Die Trennung von Siaat und Kirche, die Trennung der Schule von der Kirche durchzuführcn, sei' niemals die Absicht der Regierung gewesen, als letztes Ziel des Kampfes sei stets der dauernde Friede mit der Kirche bezeichnet worden. Man stehe jetzt am Beginn der ersehnten Aera des kirchlichen Friedens, Bismarck erwarte jetzt, wo die Abwehr nach jener Seite nicht mehr in glei chem Maße erforderlich sei, daß in dem nun entbrennenden Kampfe des Unglaubens gegen den Glauben überhaupt, die evangelischen wie die katholischen, ja alle rechten Christen mit der Regierung zusammenstehen. Die großen keilenden Gedanken, welche Bismarck in den Reichstabs sitzungen der Vorwoche als die Grundlage feiner Poütck ausgestellt habe, würden eine belebende Kraft haben, alle ernsten Geister zu vereinigen, zunächst zu gemeinsame« positiven Schöpfungen zum Kampfe gegen die fortschritt lichen kirchenfe,üblichen Bestrebungen, welche nicht blos für die Kirche, sondern für die nationale Einheit und daS monarchische Prinzip gleich gefährlich feien. — Der „Reichs- Anz." meldet: Die kürzlich von Konstantinopel telegraphirte Nachricht über den Ausbruch der Bubonenpcst in der Um gegend von Erzerum beziehungsweise an der lazischen Küste