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Die „Dttendorfer Zeitung« erscheint Dienstag, Donners, tag und Sonnabend abends. Bezugspreis vierteljährlich , Mark. Durch dir Post bezogen l,20 Mark. Annahme von Inseraten bi» vormittag w Uhr. Inserate werden mit w Pf für dir Spaltzeile berechnet Tabellarischer Satz nach besonderem Tarif Lokalzeitung für die Ortschaften Ottendorf-Okrilla mit Moritzdorf und Umgegend. Mit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „Handel und Wandel", „Feld und Garten", „Spiel und Sport" und „Deutsche Mode". Druck und Verlag von Hermann Rühl« in GroH-Gkrilla. Für die Redaktion verantwortlich Hermann Rühle in Groß-Vkilla. Nr. 14. Mittwoch, den 31. Januar 1906 6 Jahrgang Orrtlichrs und Sächsisches Vttendorf-Dkrilla, den zo. Januar MS — Das für heute Dienstag angesagte Scharfschießen der Artillerie in der Gegend von Niederrödern findet des eingetretenen Tauwetters wegen nicht statt. — Zur Frage der Wahlrechtsänderung in Sachsen wird aus Dresden mitgeteilt, es sei jetzt sicher, daß der gegenwärtige Landtag damit nicht mehr befaßt werden wird. Dem nächsten Landtage aber soll eine Vorlage be stimmt zugehen. — Gegen die Lohnzahlungsbücher für minderjährige Arbeiter sprachen sich die Handels kammern zu Leipzig und Chemnitz aus. Die Bücher wurden eingesührt, um den Eltern eine Kontrolle über die Einnahme zu ermöglichen. Nach den Erfahrungen der Handelskammern fände aber eine derartige Kontrolle niemals statt, da die Bücher regelmäßig den Arbeit gebern zur Aufbewahrung überlassen würden. Diesen erwachse aus der Führung der Bücher eine außerordentlich große und nutzlose Arbeit. — Der preußische Minister der öffentlichen Arbeiten hat am 20. November v. I. einen Erlaß veröffentlicht, welcher nicht nur für die einschlägigen Fachkreise, sondern auch für die Erbauer von Häusern und für die Hausbesitzer von größter Wichtigkeit ist. Es handelt sich um die Aufstellung von Normalien für guß eiserne Hausentwäfserungs - Röhren, Klosett leitungen und dergleichen. Der Minister hat die Normalien, welche der Architekten- ^nnd Ingenieur-Verein für Abflußröhren aufgestellt hatte, nicht angenommen, vielmehr bestimmt, daß denjenigen Röhren der Vorzug zu geben ist, welche bei 50 und 70 mm lichter Weite eine Wandstärke von 5 mm und bei 100 bis 800 wm lichte Weite 6 j mm Wandstärke haben. Hierdurch hat eine seit langen Jahren schwebende Angelegenheit ihre Erledigung ge funden. — Das Bankhaus E. Calman in Hamburg bringt einen altbekannten Kalender für Be sitzer von Wertpapieren von 1906 zur Aus gabe worauf wir unsere Leser Hinweisen. Dieses praktische, wesentlich erweiterte Hand buch enthält die Verlosungspläne und Ziehungs daten aller Prämien-Anleihungen, welche in Deutschland gehandelt werden, ferner genaue Angaben der Auslosungen von Renten. Pfandbriefen, Eisenbahnprioritäten ete. etc. Eine besondere Annehmlichkeit des Kalenders ist die mit großer Sorgfalt auSgearbeite Ueber- sicht über die Papiere, welche gegen Kurs verlust s versichert werden müssen. Auch sonst enthält das Buch viele wissenswerte Notizen, Kursangaben etc. für die Besitzer von Wert papieren. Der Kalender wird jedem von obigen Bankhause auf Wunsch gratis und kostenfrei übersandt. — Die bei unseren Staatseisenbahnen jetzt im Betriebe befindlichen Lokomotiven besitzen ein durchschnittliches Alter von nur achtzehn Jahren. Einzelne Lokomotiven erreichen jedoch ein recht beträchtliches Alter. So ist zum Beispiel noch eine im Jahre 1855 in Betrieb gestellte Lokomotive vorhanden. Von den im Jahre 1856 erbauten Lokomotiven sind noch zwei, von 1857 noch eine, von 1858 und 1859 noch je drei vorhanden. Von der an sehnlichen Menge Kohlen, die die Lokomotiven fortgesetzt verschlingen, kann sich der Fernstehende schwer einen Begriff machen. So brauchen allein die sächsischen Staatseisenbahnen jeden Tag durchschnittlich einhundertfünfzig Waggons zu je 10 Tonnen Kohlen lediglich zur Lokomotiv- heizung. Königsbrück, Ein Jagdzwischenfall, wie er wohl selten vorkommen dürste, ereignete sich aus einem Revier in der Nähe von Königs brück. Wird da u. a. ein Hirsch (Achtender) von einem Wilsdruffer Nimrod zur Strecke ge bracht. Ein Treiber, welcher annahm, der Hirsch sei verendet, näherte sich ihm mit raschen Schritten, Plötzlich wird der Hirsch wieder wch- Nun hat der Treiber nichts eiligeres zu tun, als sich an dem kurzen Wedel des Hirsches anzuhalten und so etwa 120 Schritt mit fort- zuspcingen. Das gab ein komisches Bild, dem sie Nimrode mit stürmischer Heiterkeit folgten. Ein vielstimmiges Hurra aus dem Munde der Jäger und Treiber erscholl, als der Hirsch türzte, um nicht wieder aufzustehen, und der Treiber auf dem Leibe des Wildes von den Strapazen ausruhte. Mit den Worten: „Na o etwas ist mir mei Lebtag ooch noch nicht mssiert; der Kerl konnte doch noch loofen, ich wollt» aber »ich fortloosen lasten" enischultigte er sich, Lau s a-Weixd orf. Am Sonntag wurde im hiesigen Kurhause ein Flottenverein für Lausa und Umgegend ins Leben gerufen. Zu Vorsitzenden wählte man die Herren Dr. med.! Kauenhowen und Baumeister Großmann-Hermsdorf, zum ersten Kassierer Herrn ^Gutsbesitzer Pietzsch, zum ersten Schrist- ührer Herrn Oberinspektor Börner. Dresden. Ein folgenschweres Brand unglück ereignete sich am Sonnabend früh in der Lackfabrik von Pillnay, Großenhainer Straße Nr. 33. Der Siedemeister Bernhardt satte sich etwa viertel acht Uhr in das erste Obergeschoß des acht Fenster langen Fabrik gebäudes begeben, als wenige Minuten später ;on dort laute Hilferufe ertönten und gleich darauf Bernhardt, einer Feuersäule gleichend, auf deu Hof gestürzt kam und dort zu sammenbrach. Die Flammen ergriffen rasch größere Mengen Terpentin, Lack, sowie andere, euergefährliche Stoffe und entwickelten eine so gewaltige Glut, daß es nicht möglich war an den Herd des Feuers heranzukommen. Bald durchbrachen die Flammen das stäche Holzzementdach und bekamen dadurch einen solchen Umfang, daß eine mit einer Dampf spritzenschlauchleitung arbeitende Abteilung nur mit knapper Not den Rückweg über die Leiter nehmen konnte. Die Windrichtung war gerade ungüstig und fachte die Lohe lebhaft an. Einen großartigen Anblick bot das Feuer in der 9. Stunde, wo haushohe dicke Rauch wolken, untermischt mit Flammen, dem durch brochenen Dache entquollen. Obwohl von mehreren Dampfspritzen und allen umliegenden Hydranten eine große Zahl Schlauchleitungen riesige Wastermengen in den Brandherd schleuderten, konnte eine Abnahme des Feuers nicht bemerkt werden, was sich allerdings daraus erklärt, daß derartige Substanzen, wie sie hier brannten, durch Feuer eigentlich nicht zu löschen sind. Etwas anderes anzuwenden, war indes bei dem Umfange des Brandes unmöglich. Die Feuerwehr war unter Aufbietung aller Kräfte bemüht, die für die Umgebung besonders durch Explosionen größerer mit Zubereitungs stoffen gefüllter Behälter bestehende Gefahr zu beseitigen, was auch nach größerer Anstrengung gelang. Der Brand im Inneren des Ge bäudes, von dem die Decke des Erdgeschosses glücklicherweise gut stand hielt, dauerte noch längere Zeit an. Gegen 1 Uhr vormittags wurden neue Mannschaften an die Brandstelle beordnet, um erschöpfte Leute abzulösen. Der fürchterlich verbrannte Siedemeister Bernhardt wurde in hoffnungslosen Zustande weggebracht. Ueber die Entstehungsursache des Brandes war da nur der Verunglückte darüber Aufklärung geben könnte, nichts zu ermitteln. Eine Ab teilung der Feuerwehr war noch in den Nachmittagsstunden an der Brandstelle in Tätigkeit. — Der bet dem Brande der Pillnayschen Lacksabrik, Großenhainer Straße Nr. 33. am Sonnabend früh schwer verbrannte Siedemeister Bernhardt ist noch am gleichen Abend im Stadtkrankenhause verstorben. Schieritz b. Meißen. Im Steinbruche in Schieritz wurde durch hereinbrechende GesteinS- masten der Maurer Berthold aus Zscheilitz vollständig verschütte: und augenblicklich ge tötet. Außer der Witwe die ihrer baldigen Niederkunft entgegensieht, trauern fünf un er zogene Kinder um ihren Ernährer. Riesa. Am Freitag Mittag wurde durch eine Abteilung des 2. Pionierbataillons Nr. 22 der Schornstein des schon längere Zeit außer Betrieb gesetzten Brennofens hinter dem Rittergute in Gröba durch Sprengung um gelegt, weil der Platz zur Erbauung von Arbeiterwohnungcn gebraucht wird. D ie inter essante Uebung gelang vollkommen. Leipzig. Am Sonnabend wurden in der Nähe der Hauptpost von einem Unbekannten einem Dienstmanne zwei Postanweisungen über zusammen 1000 M. und zur Einzahlung eine Rolle übergeben, die einer mit Zehnmarkstücken gefüllten täuschend ähnlich sah. Der Schalter beamte schöpfte Verdacht und forderte den Dienstmann auf, die Rolle zu zerschlagen. Das ging nicht, und nun wurde festgestellt, daß sie mit einer — Bleistange gefüllt war. Adressiert waren die Anweisungen an einen Ofensetzer und einen Dienstmann in Altenburg Man nahm die Adressaten dort fest und Schriftvergleiche erbrachten den Nachweis, daß beide die Anweisungen an sich selbst adressiert hatten, um sich auf Kosten der Reichs post zu bereichern. — Mehr als 18000 Unterschriften hat der Deutsche Flottenverein hier für seine Petition für einen rascheren Ausbau der Watte und Annahme der Marinevorlage durch den Reichs tag gefunden, Leider hört man nichts davon, daß die Unterzeichner auch einige Millionen Mark für die Erfüllung ihrer Bitte angewiesen hätten. — Durch die seichte Parthe watend, wollte ein Einbrecher in die Niederlage eines Rauch warenhandlung eindringen, aus welcher in letzter Zeit bereits für 2000 Mk, Felle ge stohlen wurden. Man nahm den Einbrecher fest, ebenso einen Komplicen, der in der Nähe „Schmiere" stand und einen Handwagen zum Transport der Felle mit sich führte. Penig. Zwischen Wolkenburg und hier ist Sonntag früh ein etwa 18jähriger Fabrik arbeiter aus Markersdorf tot ausgefunden worden. Der Unglückliche ist vermutlich durch den früh 4 Uhr 36 Minuten von Glauchau nach Rochlitz verkehrenden Güterzug mit Personenbeförderung überfahren worden. Zwickau. Die^ sächsische Bergarbeiterbe wegung erreichte mit den Sonntagsver sammlungen der Grubenarbeiter im Zwickauer und Lugau-Oelsnitzer Revier ihr Ende. Nur die Ausschüsse von zwei kleinen Werken ver suchten vergeblich eine Erhöhung der Schicht löhne durchzudrücken. Die Teuerungszulage von ,25 Pfg. pro Schicht wurde aber den Arbeitern bewilligt. Blumroda b. Borna. Die, wie gemeldet, auf dem Werke „Glück auf" in Blumroda von einer hereinbrechenden Strecke verschütteten Bergleute Dietze und Neißler konnten trotz angestrengter Arbeit leider nur als Leichen ans Tageslicht befördert werden. Niederschlema, Die hiesige Gemeinde hat beschlossen, von Ostern ab ein Direktorat an der dortigen Volksschule mit dem Mindest gehalt zu entrichten. Zu dieser Zeit wird auch das mit einem Aufwande über 1000 000 Mk. errichtete neue Schulhaus in Benutzung ge nommen werden. Aus der Woche. Die russischen Wirren scheinen nun endlich auf den toten Punkt angelangt zu sein. Ohne Furcht, mit Einsetzung ihrer Person und ihrer Freiheit hatten sich nach den Petersburger Blättern die Semstwovertreter, besonders Mos kaus, zu Sprechen der Volkswünsche und Bolksforderungen gemacht und ihre Stimme war gehört worden. Allerdings lassen sich nicht Jahrhunderte alte Mißbräuche mit einem Schlage ausrotten und die Partei derer, denen an dem Fortbestände des alten Schlendrians gelegen war, hatte gleichfalls viele Anhänger, deren Widerstand erst zu überwinden war. Den Heißspornen, Drängen und Agitatoren ging die Sache aber zu langsam und sie gingen nun zum Verbrechen über, nm den Schrecken wirken zu lasten. Dagegen mußte die Regierung energisch auftreten und es ist ihr allmählich gelungen, fast überall die Zügel wieder in die Hand zu bekommen. Daß dies oft unter erschreckender Gewalt geschah, mögen diejenigen verurteilen, die den Ausschreitungen des Pöbels ihren Beifall gezollt haben. Andre werden sagen: Schrecken gegen Schrecken. Die Hauptsache ist und bleibt aber, daß die russische Regierung ihrer Hauptaufgaben, der Reformen von unten bis oben, eingedenk bleibt, dann kann aus der blutigen Saat noch eine segensreiche Ernte für Rußland erstehen. — In Algeciras sind seit vierzehn Tagen europäische Staatsmänner versammelt, um über Marokko zu beraten. Es gibt wohl nicht viele Hoffnungsfreudige, die da glauben, die Diplomaten werden in der Nordwestecke Afrikas so etwas wie Ordnung Herstellen. Die viel fachen Kongresse wegen der türkischen An gelegenheiten zeigen ja deutlich genug, wohin die „gemeinsamen Beschlüste" der Mächte führen: bestenfalls dokumentieren sie die Einigkeit der Großmächte. Aber zwischen dem Fasten der Beschlüste bis zur Durchführung liegt meist ein weiter Spielraum: die maze donische Frage beispielsweise wurde von den Mächten bereits vor fast fünfzig Jahren „ge ordnet", aber das hat das Bandenwesen nicht gehindert, das heute von Bulgarien, Griechen land, ja auch von Serbien her unterstützt wirn und das Land nicht znr Ruhe kommen läßt. — England steht unter dem Zeichen der Wahlen. Mehr als vierzig Arbeiter ziehen in das neue Parlament ein und werden eine besondere Gruppe bilden, die mit der sozial demokratischen Partei Deutschlauds aber nur wenig Berührungspunkte aufweisen dürfte. Die Engländer sind uns in politischer und sozialer Entwickelung um reichlich sechs Jahr zehnte voraus und auch der englische Arbeiter denkt zu praktisch, um seine Kräfte an der Erreichung von Utopien zu vergruden. Aber praktische Sozialpolitik werden die englischen Arbeitervertreter treiben und alles annehmen, was ihrem Stande vorwärtshelfen kann. Uebermältigend ist der Sieg der Liberalen in England, die für sich allein eine Stimmen mehrheit von 100 im neuen Parlamente haben werden. Dem Sprichwort nach gibt Gott dem, dem er ein Amt gibt, auch den not wendigen Verstand dazu und das ist den eng- lichen Liberalen von ganzen Herzen zu wünschen so daß ihrs Wahlreden mit allen Versprechungen nicht bloße Dekorationen bleiben. Der neue Premier Campbell-Bannermann soll ja persönlich sehr gut zum Könige stehen; er wird hoffentlich im Sinne der deutsch-englischen Annäherung wirken, so daß in Zukunft Unarten, wie im vorletzten uud letzten Sommer unterbleiben. — Jung gefreit hat niemand gereut, und dieses Sprichwort trifft hoffentlich auch auf den noch sehr jugendlichen König Alfons zu, der soeben seine Braut von der französischen Grenze ab holt, um sich in Madrid mit ihr ehelich zu verbinden. So jung er ist, so erfahren ist er und hat sich hoffentlich die tollen Hörner end gültig abgelaufen, so daß sie nicht nachwachsen. — Den Amerikanern soll der Besitz der Philippinen schon über sein und sie wollen die selben gegen Geld und gute Worte an Japan überlasten, daß ja mit solchen „alten Sachen" gut umzugehen versteht. China will sich vom japanischen Einfluß freimachen, will modern werden und hat eine entsprechende Studien kommission nach Europa gesandt. Persien sieht einer Verfassung entgegen, für die indessen noch nichts fertig ist, als dec Name der Volks vertretung : „Haus der Gerechtigkeit"; wenn das andre auch so gut wird, wie dieser Titel, so könnte man die Perser beneiden.