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Wochenblatt für Nossen, Siebenlehn und die Umgegenden für die Königl. Amtshauptmannschast zu Meißen, das Königl. Amtsgericht und den Stadtrath zu Wilsdruff. Vierzigster Bahrgang. Erscheint wöchentlich 2 Mal (Dienstag und Freitag.) Eine einzelne Nummer kostet 10 Pf. Jnseratenannabme Montags u. Donnerstags bis Mittag 12 Uhr. 1 Abonncmentspreis vierteljährlich 1 Mark. Erscheint wöchentlich 2 Mal (Dienstag und Freitag.) Nbonnementspreis vierteljährlich 1 Mark. Eine einzelne Nummer kostet 10 Pf. Jnseratenannabme Montags ».Donnerstags bis Mittag 12 Uhr. für Wilsdruff, Tharandt, Rr. 10. 1880 Freitag, den 30. Januar Bekanntmachung. Nachdem für den zusammengesetzten Gtandeöamtsbezirk S»ra der Gemcindeälteste Herr Hermann 8kchönlirtts in Sora als Standesbeamter und der Gemeindevorstand Herr krieürieU Lodert Lüstnor daselbst als dessen Stellvertreter bestellt worden ist, wird dies hierdurch bekannt gemacht. Meißen, am 26. Januar 1880. Königliche AmtGtUlptmannschaft. von Boffe. Tagcsgeschichte. Die unter dem Namen „Kaiser-Wilhelms-Spende" zu Berlin be gründete „Allgemeine Deutsche Stiftung für Alters-Renten- und Capital-Versicherung" hat ihre Thätigkeit seit Mitte Decbr. v. I. begonnen. An alle städischen Behörden im deutschen Reich, an die meisten Sparkassen - Verwaltungen, an die preußischen Landräthe und Amtshauptleute, auch an sehr viele Privatpersonen und andere Behörden sind auf deren Verlangen die Geschäftspläne, Versicherungs bedingungen und Tarife geschickt worden. Ueberall zeigt sich rege Theilnahme, und es sind bis zum 21. d. M. bereits 1600 Einlagen gezahlt worden. Vielfach hindert der Jcrthum, als sei die Anstalt nur für Arbeiter bestimmt, während aus alle« Ständen Jedermann, der nicht zu den wirklich Vermögenden gehört, für sich Einlagen machen kann. Fast alle Städte, die bisher auf die Zusendung geantwortet haben, sind bereitwillig der Anstalt entgegengekommen, haben die Be nützung der städtischen Kassen und Sparkassen als Zahlstellen bewilligt oder, wo dies nicht thunlich erschien, geeignete Männer zur Verwaltung von Zahlstellen in Vorschlag gebracht. Die Presse aller Parteien beschäftigt sich natürlich lebhaft mit der neuen Militärvorlage. Das „Berl. Tagbl." ist höchlichst erstaunt darüber, eine solche Mehrforderung für den Heeresetat, und zwar schon jetzt, an den Bundesrath gelangen zu sehen, in einer Zeit, in welcher der Kaiser selbst soeben noch seine feste Zuversicht ausgesprochen, daß uns die Güter des Friedens erhalten bleiben werden. „Jedenfalls", schreibt das genannte Blatt, „ist die Vorlage, welche das bestehende Militürseptennat um neun Monate verkürzt, da dasselbe anstatt am 31. Dezember 1881 schon am 31. März 1881 zn Ende sein und durch ein neues Septennat ersetzt werden soll, eine greifbare Thatsache, welche deutlich beweist, daß wir Deutsche volle Ursache haben, auszurufen: „Feinde ringsum!" Ein erhebendes Bewußtsein ist dies freilich nicht. Aber man muß es eingestehen, daß, wenn wirklich die drohenden Ge fahren als solche nachgewiesen zu werden vermögen, ohne Murren die patriotischen Opfer gebracht werden müssen, welche die neue Wehrvor lage uns zumuthet. Daß eine Erhöhung des Effektivstandes um ca. 26,000 Mann eintritt, ist vielleicht nicht das Bedenklichste dabei, son dern die neue Last vielmehr, welche dem Staatsbürger dadurch aufge bürdet wird, daß die Ersatzreserve erster Klasse fortan vier Jahre hin durch regelmäßig zu militärischen Uebungen einberufcn werden soll. Das verschafft uns allerdings eine waffengeübte Reserve, welche mit der französischen sogenannten Territorialarmee in gleiche Linie gestellt werden könnte, aber mit welchen wirthschaftlichen Opfern mnß dieser Vortheil erkauft werden. Feldmarschall Moltke soll privatim bei einem Gespräch über diese neue Vorlage geäußert haben: „Besser, wir bringen diese Opfer jetzt und haben nicht nöthig, sie praktisch zu ver- werthen, als daß wir später unvorbereitet angetroffen werden und dann viel schwerere Opfer zu tragen haben." In diesem Augenblicke begannen gerade Handel und Wandel ein wenig aufzuathmen, und sich zu er holen von den Folgen der wirthschaftlichen Niederlagen des letzten Jahrzehnts. Wir fürchten, daß, sobald diese nene Wehrvorlage dem Volke bekannt geworden, die kaum neuerwachten Lebensgeister wieder erstarren werden. Denn eine Aussicht auf Krieg, wie sie die Vorlage Predigt, ist für Gewerbe und Handel eben keine Ermunterung. Wie stolz waren sie nicht Alle, die Offiziösen im Gefühl der Friedenssicher heit, welche ihnen das Bündniß Deutschlands mit Oesterreich-Ungarn einflößte, das der Reichskanzler im vorigen Herbst geschlossen. Wir nannten es damals einen politischen Blitzableiter, welcher das Unwetter anzieht, vor dem er zu schützen bestimmt sei. Angesichts dieses neuen Reichsmilitärgesetzes scheint es fast, als ob unsere Auffassung sich schneller bewahrheiten sollte, als selbst pessimistische Gemüther geglaubt haben." — Die „Germania" und „Kölnische Volkszeitung" sind nicht sehr er freut über die Militärvorlage. Das erstere Blatt schreibt: „Der Reichstag wird wiederum vor die ernste Frage gestellt, ob er der Nation noch schwerere Lasten auflegen könne, ohne ihre wirthschaftlichen Kräfte zu untergraben. Gewiß wird jeder Deutsche das Reich wehrfähig uud fchlagfähig gegenüber dem Angriff wünschen, möge er von Osten oder Westen kommen, ob aber dazu eine sv erhebliche Vermehrung der Prä senzstärke erforderlich ist, unterliegt jedenfalls sehr berechtigten Zweistln. Die Gefahr, daß Deutschland der eisernen Rüstung, die von Jahren Jahr schwerer wird, unterliegt, ist doch zu ernst, als daß sie völlig ignorirt werden könnte." Die „Köln. Volksztg." äußert sich folgender maßen: „Wir wagen nicht zu hoffen, daß der Reichstag die drohende schwere Mehrbelastung des deutschen Volkes abwenden werde. Aber, wo soll das hinaus? Wie lange noch werden die europäischen Staaten diesen ihre besten Kräfte verzehrenden Weltlauf aushalten? Niemals ist so viel von Knltur, Völkerfrieden und Fortschritt die Rede gewesen, wie in unseren Tagen, und in diesem angeblichen Zeitalter höchster Civilisation stehen die Völker bis an die Zähne bewaffnet einander lauernd gegenüber — ein tief beschämendes, all' die hochtönenden Phrasen Lügen strafendes Schauspiel, dessen Ende nur die furchtbarsten Kata strophen sein können." Berlin. Von der Vertheilung der Reichsüberschüsse an die Einzelstaaten ist es seit dem Bekanntwerden der militärischen Mehrforderungen auf einmal ganz still geworden. Das Ab geordnetenhaus wird natürlich das Gesetz über die Vertheilung dieser Ueberschlüffe durchberathen müssen, da es einmal vorliegt; darüber aber, daß diese Durchberathung rein akademischer Natur ist und im besten Falle nur das bekannte „schätzbare Material" vermehren wird, giebt sich wohl kaum einer der Herren Volksvertreter noch einer Illusion hin. Wie klang die Zuversicht doch so ganz anders in den oratvrischen Deklamationen der Majorität, die vor kaum Jahresfrist in der Be willigung der neuen Steuern und Zölle das einzige Heil für die Einzel staaten erblickte! Damals stand die Erleichterung an direkten Steuern unmittelbar vor der Thür, sobald nur erst das Reich in die Lage ge bracht sein werde, überhaupt seine Ueberschüsse einzuheimsen. Ach, wie kleinlaut sind heute die Herre» Redner des Centrums, welche damals ausdrücklich erklärten, daß sie die Finanzzölle nur im Hinblick auf die versprochene Entlastung an direkten Steuern bewilligten. Es ist lehrreich, auf Grundlage von statistischen Daten, welche die Frankfurter Zeitung unlängst zusammen gestellt hat, in einigen Worten auch aus das Thema emzugehen, welche Summe das Mili tärbudget den Staaten Europas kostet und in welchem Maße diese Ausgabe in den letzten Jahren, in der kriegerischen Epoche feit 1865, gestiegen ist. Während das Budget Deutschlands, das heißt der deutschen Staaten zusammen genommen, im Jahre 1865 637 Millionen Mark betrug, von denen auf das gesummte Militärwesen 198 Millionen Mark entfielen, betrugen die entsprechenden Summen 1879 1321 Millionen Mark und 427 Millionen Mark für den Mili täretat. In Deutschland hat sich also bisher der Militüretat in 14 Jahren um mehr als das Doppelte, um 229 Millionen Mark, geho ben, wenngleich er noch eben — und sogar mit dem beantragten künftigen Aufschläge, erheblich geringer ist, als der Aufwand anderer Staaten. Rußland, England und Frankreich kostet ihr Militär mehr, nämlich ersterem 730, England 645, Frankreich 540 Millionen Mark, wenn auch die Steigerung nirgend so bedeutend gewesen ist, wie ge rade in Deutschland. In ganz Europa hat das Militärwesen, Land- und Seemacht zusammen, im vergangenen Jahr den Staatsunter« thanen 3219 Millionen Mark (gegen 2352 Millionen Mark im Jahre 1865) gekostet. Das ist eine horrible Summe, die es wohl erklären kann, daß Frankreich 16,500, Großbritannien 15,565, Rußland 12,000, Spanien 10,000, Oesterreich-Ungarn 8425, die Türkei 5000, Deutsch land 4400 Millionen Mark Staatsschulden besitzen, daß die gesammte Staatsschuldenlast Europas 86,492,000,000 Mark beträgt und in 14 Jahren um 33,957,000,000 Mark gestiegen ist. Solche Zahlen müssen stutzig machen und zum Nachdenken anregen. Unter den Tausenden von Arbeitern in dem Fabrikorte Linden bei Hannover ist große Noth. Wie helfen und rasch helfen? fragte sich der Oberprüsident in Hannover. Hülferufe, Sammlungen — ach ihrer sind so viele aller Art. Er fand ein Mittel. Er veranstaltete seine erste große Gesellschaft, die hohen Beamten, Offiziere und Cava liere mit ihren Damen drängten sich in seinen Sälen, es gab Musik zum Tanzen, aber keine Tafel, keine kalten und warmen Leckerbissen, keinen Johannisberger und Champagner und kein Eis, nur Butterbrod und Thee und Thee nnd Butterbrod. Niemand stutzte und klatschte, sondern alle wußten, was der Hausherr sagen und thun wollte, das Gespräch und der Tanz war lebhafter und munterer als je; denn es galt einer guten That und der Herr Oberpräsident hatte die Freude, das theure Geld, was der Luxus verzehrt hätte, den armen Webern in Linden geben zu können. Der Erste, der dem guten Beispiele folgte, war Prinz Albrecht, der kommandirende General; die Tausende, die erspart wurden, kamen den Arbeitern in Linden zu gut — und nun ist's m Hannover schon guter Ton geworden, Abends zu tanzen, zu fingen und zu spielen bei Thee und Butterbrod und dafür die Armen satt und froh zu machea, bis bessere Zeit kommt. Rom wird in nächster Zeit wieder der Sammelpunkt treuer An hänger des heiligen Vaters aus allen Theilen Europa's sein. Im Vatican rüstet man sich nämlich zu einer Jubiläumsfeier, welche am 7. März, dem Tage, an welchem Papst Leo XIII, vor 50 Jahren