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für 8V. Freitag den 17. November 1871. SiebenlelM und die Umgegenden. AmLsölatL für das Königliche Gerichtsamt Wilsdruff und den Gtadtrath daselbst. Tagesgeschichte. DaS k. Ministerium des Innern macht bekannt, das; die für Sachsen bestimmte Summe von 61,036 Thlru. an 700 ans Frank reich vertriebene sächsische Staatsangehörige zur Vertheilung gelangt Ot. In Sachsen allein waren 6—700,000 Thtr. Entschädigungsan sprüche angemeldet. Wer also bis dato nichts erhalten hat, kann sich aller ferneren Hoffnungen entschlagen. Die Kopfzahl der aus Frankreich ausgewiesenen Deutschen belief sich auf 42,700, zu deren Entschädigung der Bundesrath 3,866,666^ Thlr. bestimmt hatte. Dem Vernehmen nach wird zum 1. Januar k. Jahres in Dres den eine Obcr-Postdirection errichtet werden, da die Ober-Postdircc- ion in Leipzig die bei den gesteigerten Verkehrsvcrhältniffen zuneh menden postdienstlichen Verwaltungsgeschäfte für das Königreich Sachsen nicht mehr bewältigen kann. Da sich die Lehrer-Wittwen- und Waisenpension, wie sie zeithcr in Sachsen gezahlt wurde, als unzuereichend herausgestellt hat, so ist von Dresden aus eine Petition um Erhöhung derselben vorbe reitet und zu Unterschriftcnangabe der sächsischen Lchrerwelt unter breitet worden. Bis jetzt sind 470 Unterschriften erzielt worden, doch ist die Betheiligung noch bis zum 22. Nov. offen gelassen. In Dresden wird mit Genehmigung des Stadtrathes der Bau einer Pferdeeisenbahn jetzt beginnen, welche im Mai künftigen JahreS in Betrieb gesetzt werden soll. Bekanntlich verunglückte am 1. Juli 1867 in dem die „Neue Fundgrube" genannten Kohlenschachte zu Lugau durch Verschütten die nicht geringe Zahl von 101 Bergleute, deren Rettung trotz der sofort und mit aller Energie ergriffenen Maßregeln nicht zu ermög lichen war, weil selbst die gefahrvollsten Versuche mißglückten und man sich endlich von deren Nutzlosigkeit überzeugen mußte. Bei dem Teuren eines neuen, in unmittelbarer Nähe der genannten Fundgrube belegenen Schachtes, nun wurden während der Nachtschicht vom ver gangenen Sonnabend zum Souutag die Gebeine eines solchen Ver- Ünglükteu in einer Tiefe von 505 Ellen auf einer Bühne der west lichen Seite in einem Winkel aufgcfunden. An dem Gerippe ist weder Haut noch Fleisch zu sehen und außer Schicsstchung eines Schncidezahns ein Kennzeichen nicht zu finden. Von der Bekleidung fand man nur den Hut und die Stiefeln, in welchen letzteren noch Ueberreste von den Füßen vorhanden sind. Aus Glauchau meldet der „Sch. Anz.", daß sich dort unter der Firma „Stoinkohlenwcrk Glückauf Thurm" eine Actiengesellschaft con- stituirt hat, welche auf einem nach Thurm und Stangenberg nach Glauchau zu gelegenen Stcinkohlencomplexe, unter welchem sie das Kvhlcnabbaurecht erworben, einen Bohrversuch machen will. Die nach den berathenen Statuten auSzugcbenden 1000 Actien, auf deren jede 30 Thaler einzuzahlcn sind, wurden von den Gründern der Ge sellschaft sofort gezeichnet. Bautzen, 12. November. In dem ohngcfähr eine Stunde ent fernten Dorfe Sinkwitz ist gestern Mittag '/Z Uhr ein zu der da selbst sich hcfindlicbcn Pulvermühle des Herrn Berger gehörendes Häuschen in die Luft geflogen. Leider ist bei diesem Unglück auch wieder ein Menschenleben zu beklagen, indem der Techniker, welcher in dem betreffenden Häuschen ein neues Werk aufgestellt uud glück lich vollendet hatte, so stark verletzt worden ist, daß er wenige Stunden darauf in großer Besorgnis; nm die Zukunft seiner Frau Und seiner fünf Kinder seinen Geist aufgcben mußte. Aus Johanngeorgenstadt, 5. November. Unsere Kirch gemeinde erlebte vor kurzer Zeit die angenehme Ueberraschnug, daß ihr von einem ungenannt bleiben wollenden cdeln Geber 1000 Thlr. zur Beschaffung eines marmornen Altares zur Verfügung gestellt wurden. Die neue stattliche Kirche, die im nächsten Jahre znr Vollendung gelangt, erhält dadurch sicherlich eine besondere Zierde. Es gereicht dem Kirchenvorstande zur genugthucnden Freude, daß dieser golhische Bau die ungetheilte Anerkennung aller Besucher hat, uud dennoch ward er von der Gemeindevertretung resp. einzelnen klugen Leuten u xriori verurlheilt und heute noch mit Ungunst be trachtet. — Eine Ueberraschung ganz anderer Art traf ebenfalls vor kurzer Zeit die politische Gemeinde, der Bürgermeister hinter Schloß und Niegel! Seit etwa anderthalb Jahren sungirte ein von der Gemeindevertretung verlangter „studirter" Bürgermeister. Schon nach kürzester Frist war man im Klaren über dieses neucrworbcue „konservative" Element. Nach etwa halbjähriger Thätigkeit desselben lag bereits ein eclatanter Fall arger Vergeßlichkeit vor im Betreff der Ablieferung von eingezogenen der Stadtkasse gehörigen Geldern. Man hatte allgemein Kenntnis; von diesem Vorkommnis;; dennoch wurde die entsprechende Controls oder irgendwelche Nevision unter lassen, bis endlich ein nicht miszuverstehender Anlaß zu einer Nevi sion trieb und das traurige Factum eines namhaften DeficitS dar legte. Nach hiesigem Brauche werden solche Gemeindeangelegeuheiten nur von Ohr zu Ohr getragen, da öffentliche Sitzungen der Stadt verordneten kein gebräuchlicher Artikel sind, lieber das eigentliche Deficit sind also etwa ein bis zwei Dutzend ÄuSerwählte unterrichtet, während die übrigen 4000 den Troß bildenden zahlenden Einwohner in großen oder kleinen Vermuthungen sich vorläufig ergehen, bis die öffentliche Gerichtsverhandlung in Eibenstock alle Welt und mit dieser auch uns ins Klare setzen wird. Wie man hört, hat die Negierung, um die Gemeinde möglichst schadlos zu halten, das ganz besonders anzuerkennende Arrangement getroffen, daß die Verwaltung längere Zeit durch die zur Zeit amtirenden Nathmänner unentgeltlich zu ge schehen hat. Die Gemeinde hat aber auch unter „bewandten Um standen" volle Ursache, Protest zu erheben gegen jeden Pfennig, der etwa für dieses Deficit aufznbringen sein dürste. Die liberalen Stadtverordneleucandidatcn deS Vorjahres halten neben manchem andern auch „Beseitigung des Bürgermeisters" auf ihre Fahne ge schrieben. Sie wurden bekanntlich nicht gewählt. Jedenfalls miß gönnte man ihnen den Rühm der jetzigen großen Tage unsers Stadt lebens! Vielleicht sind diesem „ConservatismuS" noch mehr Lorbeern Vorbehalten. (D. A. Z.) Die „Nolks-Ztg." schreibt anS Berlin: lieber den Rechen schaftsbericht der Tischlerstrikecommisston bringt der „Gewcrkverein" folgende sehr beachlenswerlhe Bemerkungen: „Wie es mit den Stri- keS in der Regel beschlagen ist, wer davon wirklich Nutzen zieht rc., darüber verbreitet der vor Kurzem veröffentlichte Rechenschaftsbericht der Tischlerstrikecommission ein sehr merkwürdiges und lehrreiches Licht. Hiernach haben von den eingegangenen 6906 Thlru. die ge- sammten sinkenden Tischler Berlins in 9 Wochen eine Unterstützung von zusammen 4375 Thlr. erhalten, während die Verwaltungskosten sich auf die ungeheuere Summe von 1156 Thlr. beliefen. Also mehr als 25 Prozent der gewährten Unterstützungen hat die Ver waltung verzehrt, und während 7—8000, nach Angabe der Commis sion, sinkenden Tischler zusammen 4375 Thlr. erhielten, bezog der einzige Cassirer 169 Thlr., der Vorsitzende der Commission 89 Thlr., die 8 besoldeten CommissionSmitglieder 240 Thlr. und außerdem noch 19 Thaler für Arbeitsversämnniß und schriftliche Arbeiten und 60 Thaler für ZehrungSkosten bei den Sitzungen; zusammen also erhielten 10 Beamte 577 Thlr., oder beinahe den siebenten Theil dec Unterstützung für siebentausend Sinkende. Wir sollten meinen, wenn man so entrüstet gegen die übermäßigen Dotationen Ler Generäle und die Verkürzung der Landwehrkeute donnert, wie die Herren So zialdemokraten, so sollte man doch vor Allem an sich selbst bessernde Hand legen. Angesichts der obigen Zahlen dürsten doch manchem bisher verblendeten Arbeiter die Augen aufgehen, insbesondere auch in Betreff der Centralisaiion, an deren Spitze ja zum Theil dieselben Leute von der Strikecommission stehen, die zwar die Staatshilfe pre digen, in der That aber die Selbsthilfe im engsten Sinne deS Wor tes meisterhaft zu verstehen wissen." Berlin. Die Verhandlung des Lasker'schen Antrag? über die Aufnahme deS gesammten bürgerlichen Rechts in die Neichs- gesetzgebnng, rief einü lebhafte Debatte im Reichstag hervor und förderte einige interessante Reden zu Tage. Miquel führte ans, es könne auf die Dauer ohne deutsches Recht auch keinen deutschen Staat geben, und Ur. Friedenthal bewies, der Reichstag müsset