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UMMlM WjM. Erscheint wöchentlich drei Mal: Dinstags, Donnerstags und Sonnabends. Preis vierteljährlich 1 Mark, durch die Post bezogen 1 Mark 25 Pf. — Einzelne Nummern 8 Pf. — Jnsertionsgebühren pro kleingespaltene Zeile für Abonnenten 7 Pf., für Nichtabonnenten 10 Pf. Bei mehrmaliger Insertion entsprechender Rabatt. — Jnseraten-Annahme bis Abends 5 Uhr des vorhergehenden Tages. — Reclamen im Redactionotheil pro Zeile 20 Pf. — Geeignete Beiträge sind stets willkommen. .4L 1. AblMlMnts-Eiillir-uW. Mit der gegenwärtigen Nummer beginnt der „Waldenburger Anzeiger" sein erstes Quartal. Abonnements auf denselben werden noch jederzeit entgegengenommen und etwaige bereits erschienene Nummern nachgeliefert. Abonnementspreis pro Vierteljahr 1 Marl frei in's Haus, durch die Post bezogen 1 Mark 25 Pf. Bei Abholung aus der Expedition 90 Pf. pränumerando. Inserate werden pro Spalt zeile mit 7 Pf. für Abonnenten, mit l O Pf. für Nichtabonnenten berechnet. Bei mehrmaliger Be stellung Rabatt bis zu 33'/» Procent. Ergebenst Exp d. „Waldenburger Anzeiger." Das Programm unseres Reichstags- Candidaten. Am letzten Sonnabend fand im Saale des „Schönburger Hofes" hier eine äußerst zahlreich besuchte Wählerversammlung statt, in welcher der von den Ordnungsparteien unseres Wahl kreises als Reichstags-Candidat aufgestellte Herr Professor vr. Birnbaum in längerer Rede, die mehrmals von Beifallsäußerungen unterbrochen wurde, sein politisches Programm darlegte. Lei der gestattet uns der Raum nicht, die Rede in wörtlicher Wiedergabe zu bringen und müssen wir uns begnügen, die Hauptgedanken in Fol gendem zusammenzufassen. Zunächst kommt Redner auf die außergewöhn lichen, die Zeit erschütternden Ereignisse zu spre chen, und weist darauf hin, daß die deutsche Nation durch die Wahl Antwort auf die Atten tate geben soll, wie sie in Bezug auf die Be handlung der Gegner oenkt, die in so gefähr licher Weise das Vaterland bedrohen. Die hauptsächlichste Aufgabe des nächsten FmlietW. Die Cngelsstimme. Erzählung von Kans Wachcnhnsen. Nachdruck »erboten. Der Tanz war schon seit einiger Zeit im Gange — jener Veitstanz nämlich, der sich auch des Besonnenen und Ruhigen bemächtigte, jenes National-Delirium, in welchem selbst der Bettler ein Wort im Munde führte, das bis dahin kaum in den Schulen als arithmetischer Begriff gelehrt wurde, weil man seiner nur zur Zählung der ganzen Erdbevölkerung bedurfte. Deutschland hatte fünf Milliarden und Jeder glaubte seinen Antheil daran zu haben, den die Regierung ihm nur verwahrte. Es ging wie in dem orientalischen Märchen: Ein Fakir kommt zum Sultan und erklärt ihm, er sei sein Bru der, der Sultan solle mit ihm theilen. Der Sultan eilt zu seiner Mutter und befiehlt ihr bei Verlust des Kopfes zu gestehen, ob er einen heimlichen Bruder habe. Die Mutter schwört, es sei nicht so und der Fakir erklärt endlich, er sei sein Bruder von Adam und Eva her. Da greift der Sultan beruhigt in feine Tasche, reicht dem Fakir einen Piaster und spricht: Sag' Dinstag, 2. Juli Reichstages sei die wirksame Bekämpfung der Sozialdemokratie, und die Wiederherstellung sol cher Zustände, daß wir einer ruhigen Entwickel ung unseres wirthschaftlichen Lebens entgegen gehen können. In Berlin sei heute der vollste Paßzwang eingeführt und die Berliner Polizei müsse volle Ursache haben, dem jetzigen Zustande nicht zu trauen. Diese Maßregel zeigt, daß im Hintergründe noch Gefahren vorhanden seien, von denen wir keine Kenntniß haben. Es bedarf an gesichts solcher Dinge ganz entschieden außerge wöhnlicher Maßregeln, um uns vor weiterem Un glück zu bewahren, um das erst aufgebaute Reich zu erhalten. Aufgabe des nächsten Reichstages sei es, nicht nur durch Ausnahmegesetze gegen die Sozialdemokratie der Regierung die Mittel an die Hand zu geben, daß die Wiederkehr solcher Zu stände in Deutschland zur Unmöglichkeit werde, sondern viel wichtiger scheine es, durch unsere neu zu gebende Gesetzgebung hinreichende Garan tien für die ruhige und sichere Entwickelung der deutschen Nation zu schaffen. Vor allen Dingen handelt es sich auch darum, daß Heranwachsende Geschlecht vor all dem Gifte des Sozialismus zu bewahren; er habe es mit ansehen müssen, daß man ganze Jahrzehnte lang die Dinge gehen ließ, daß in unserer Jugend, und namentlich auch der studirenden, gefährliche Elemente herangezogen wurden, daß selbst in die Schulklassen hinein die sozialdemokratischen Doctrinen getragen wurden; so war es gar nicht zu verwundern, daß der Unverstand auf der einen oder anderen Seite zum gewaltsamen Ausbruch kam. Er habe be obachtet, daß die eben der Schule entlassenen Schüler zum großen Theil nicht mehr in Lehr lingsverhältnisse gingen, und bald als Arbeiter die Arbeitervereine besuchten, um dort den sozial demokratischen Lehren zu lauschen. Wenn der Hebel zur Verbesserung solcher Zustände angesetzt werden soll, so ist in erster Reihe eine Verbesse- nur ja nichts all den andern Brüdern davon, damit die nicht auch noch kommen! Also glaubten damals, vor wenigen Jahren, mehr als dreißig Millionen gemeinsam fünf Milliarden zu besitzen und auf den märchenhaf ten Reichthum hin die größten Dummheiten be gehen zu können, weil doch das Schlaraffenreich endlich angebrochen. Der Himmel also hing bereits voll Geigen. Was Einer besaß, und mocht' es noch so nichtig sein, es nahm einen Werth an, der sich mit jedem neuen Morgen steigerte. Was Einer that, und mocht' es die niedrigste Arbeit sein, ward plötzlich eine unbezahlbare Mühwaltung, die nicht hoch genug in Ziffern auszudrücken war. Was Einer ersann, und mocht' es die abenteuerlichste Idee sein, ward als genialer fruchtbringender Gedanke gefeiert und Tausende drängten sich um ihn, ihr Geld zu bringen, um Theil an den goldenen Früchten zu haben, deren Ernte für unbezweifelt galt; und endlich, was Einer erlog, um die Narren auf der Leimruthe zu fangen, ward geglaubt, und Millionen wurden ihm für seine Lüge zugetragen, wenn sie nur mit bunten Chiffern auf feines, steifes Papier gedruckt war und den Narren goldne Berge verhieß. Und die Regierungen, die hunderttausend War- nungs- und Straf-Paragraphen für alle nur möglichen Dummheiten oder Ausschweifungen ihrer 1878. rung des Lehrlings- und Schulwesens anzubahnen. Er breche den Stab nicht über die gesammte Sozialdemokratie, es sei Manches darin enthal ten, was seine Berechtigung habe, aber er breche den Stab über die Internationale, über die Ge sellschaft außerhalb unseres Vaterlandes, welche die Massen bearbeiten wollen, Mord, Plünderung und Zerstörung alles Bestehenden predigen und in die Welt hinaus rufen: Proletarier aller Welt, vereinigt Euch. Dazu mußten nun die Leute erst zu Proletariern gemacht werden. Alle Bemühungen, Friede und Ruhe zu schaffen, schei terten an dem Vorsatz: Wir wollen keinen Frie den, wir wollen Krieg und Haß bis zu Hellen Flammen. Die zweite große Frage sei: Freihandel oder Schutzzoll. Wenn erwiesen werden kann, daß das Schutzzollsystem nothwendig sei, würde sich Redner ohne Weiteres dafür erklären. Aber es sei nicht ein Schutzzoll zu nennen, über wel chen die deutsche Nation einig wäre. Einzelne verlangten Schutzzoll in ihrem Interesse. Wenn die Regierung auf Veranlassung der deutschen Landwirthe hin auf die Einfuhr fremden Getrei des einen Schutzzoll von 10°/» legt, muß das ganze große Heer von Getreide verzehrenden Menschen 10"/» mehr bezahlen. Wenn die Baum wollfabrikanten Schutzzoll verlangen, so kommt dies ihnen und allen ihren Arbeitern zu Gute, aber alle Baumwollwaaren werden dadurch um so und so viel theurer werden. Diese Beispiele zeigen, wie vorsichtig man in dieser Beziehung zu urtheilen hat. Eine Industrie, die allgemein nützlich und segensreich ist, deren Existenz aber ohne Schutzzoll nicht möglich ist, verdient den Schutzzoll und muß ihn haben. Redner würde nie ein Mandat annehmen, wenn er sich für Schutzzoll oder Freihandel binden sollte. Er wird jederzeit für das stimmen, was zum Segen und Nutzen der Nation gereicht, einmal für Völker ersonnen, um sie für alle Fälle gegen alle möglichen Fälle zu schützen, sie sahen dem Veitstanz um die goldenen Kälber zu, ohne Ge fahr darin zu finden; die hochgestellten dieser Erde, die nichts zu befehlen hatten, ließen ihre Namen mit unter diese goldenen Kälber setzen; ganz Deutschland sah aus wie das Land der Brätzel im Märchen, in welchem Jeder, selbst die Sonne und der Mond, eine Brätzel im Munde hat; die Goldsäcke lagen auf den Straßen und selbst die Diebe fanden es nicht mehr der Mühe werth, bei Leuten einzubrechen, die nicht mindestens einen mit Dukaten gefüllten Strumpf unter ihrem Kopfkissen liegen hatten. Um diese wunderbare Märchenzeit trat Felix Botmer, die linke Hand des Finanzrath Marbach und Sekretär in einer Abtheilung des Finanz ministerium, zu seinem Vorgesetzten und bat ihn um eine Unterredung unter vier Augen. Es war noch früh am Morgen, d. h. früh in der Bureauzeit, denn selbst die Beamten fühlten während dieser Schlaraffen-Epoche wenigen Be- rufscifer. Es war ja ein so wenig spornendes, viel mehr sogar abspannendes Bewußtsein, für so elendes Gehalt vom Morgen bis zum Abend da zu sitzen und zu arbeiten, für ein Gehalt, das den steigenden Preisen der Lebensbedürfnisse gegenüber das kärglichste Auskommen kaum noch sicherte, den Kopf anzustrengen, während draußen