Suche löschen...
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 24.11.1908
- Erscheinungsdatum
- 1908-11-24
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-190811243
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19081124
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19081124
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1908
-
Monat
1908-11
- Tag 1908-11-24
-
Monat
1908-11
-
Jahr
1908
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Bezuft».Preit tr u»d Vorort» dvrch mg«r« ltttarr und Sprdtr«lr» t»« Ho» ,«bracht r -ch maaatl., R.1H »lerteljährl. chitt unt«r» AMale» u. >nnah»«kt«Ilen aborholt: 1H ch monatl., t.tS vterteljtchrl. vurch bl« Paft! naerhald r«uttchla»d4 and der d«atst-«n «olontrn «terteljährl. ».SS ^U, moaatl. U>4 »u«Ichl. Postbestellgeld. Ferner in Belgien, Dtnemark, den Doaaufleaten, Italien, Unrembura, Niederlande, Nor wegen, Oesterreich-Ungarn, Rußland, Schweden, Schwei, u. Spanien. I» allen übrigen Staaten »nr direkt durch die «eschtttlvelle de« Blatte» erhältlich. La« Leipziger Tageblatt erlcheint «tchent- lich v mal und zwar morgen«. klbonnement-Annainn«: Uugnstntpletz 8, bei unseren Trtgrrn, Filiale», Spediteuren und «nnahmestellen, sowie PostLmlern und Briefträgern. Di« «injelne Nummer kostet 1v Nrdaktto» und Meschift-Kelle: Johannilgaste 8. Fernsprecher- I4SS2, 14SSS, 14«4. riMgerTaMM Handelszeitung Amtsblatt -es Rates und -es Ralizeiamtes -er Ltq-t Leipzig. Anzeiqen-Preit sbr Zn-erate au« d«l»»l, und Umgebung di« 8 gespalten« Petit,eile 2b ch, finanzielle -neigen 80 0z. Reklamen l von autwttt» 80 ReNamen l.U0 vom Autland SO^, ftnanz. Anzeigen 7üUz, Reklamen l.bO Inserate».veddrden >m am!I>chenr«il40ch. Beilagegebstbr 8 p. Dauiend rxkl. Polt- aedühr. Gelchtfleanzeigen an bevorzugter Stell« im Preise erhöht. Rabatt nach Dar, Festerteilt« Aultröäe können nicht zurück gezogen werden. Für da« Erscheinen an bestimmten Dagen uno Plötzen wird keine Garantie übernommen «neigen-Annahme: Angustnsplatz 8. bei sömtlichen Filialen u. allen Annoncen- itzpedition«» de« In» und Ausland«». Haupt-Filiale Berlin: Lari Duncker, Herzogi. Batzr. Hosbuch- Handlung, Lützowstraß« lO. (Lelephon VI, Nr. 4603). Haupt-Filiale Dresden: Seeftratze 4,1 (Telephon 4621). Nr. 325. Dienstag 24. November 1908. IÜ2. Jahrgang. Das wichtigste. * Der in Frankfurt a. M. von den Eisenbahnverwaltungen der Bundesstaaten beschlossene Staatswagenverband soll am 1. April 1909 ins Leben treten. HS. Ttschs. R.) * Der Bund der Industriellen trat am Montag in Berlin zu seiner 13. ordentlichen Generalversammlung zusammen. sS. Dischs. R. und Letzte Dep.) * DaS neue französische Gelbbuch über die Marokko-Angelegenheit ist gestern in der Deputiertenkammer verteilt worden. lS. Ausl, und Letzte Dep.) * Ein Edikt des Schah verkündet, wie aus Teheran ge meldet wird, die iilbschaffung der Konstitution. (S. des. Artikel.) * Aus Hamm wird gemeldet: Wie die Triersche Bergwerksgescll- schaft mitteilt, fand gestern nachmittag 4 Uhr auf der Zeche Rad - bod eine heftige Explosion statt. Man nimmt an, daß die Pulverkammer gesprengt worden sei. Ueber die Ursache und die Wirkung der Explosion ist bis jetzt noch nichts Näheres bekannt. * Prof. Ernst Haeckel sJena) beabsichtigt, sich in Kürz- von ie'ner Lehrtätigkeit zurückzuziehen. sS. Feuill.) * Die Schauspielerin Hermine Claar-Delila (Frankfurt am Main) ist im Alter von 60 Jahren gestorben. sS. Feuill.) Die lieben Offiziösen. In der deutschen Presse sind so ziemlich alle Probleme, die die deutsche Krisis au-gelöst hat, eingehend «Liiert worden; selten sprach auS den Spalten deutscher Blätter eine io starke Erregung, ein so heißer Zorn wie in den Tagen des trübsten November-, den daö neue Deutsche Reich bisher gesehen; selten auch deckte sich die öffentliche Meinung mit den Anschauungen der Presse so bis in- kleinste wie in diesem Falle. Gerade diese Uebereinstimmung mußte beseitigt werden. Unv so klang denn aus dem Chore der Ganz-, der Halb- und der Gernosfiziösen eine einschmeichelnde, Weiche Weise heraus, die den aufgeregten Sinn des Volkes einschläfern sollte. Nun gibt eS aber Journalisten, die den Regungen der Volksseele bester gelauscht haben, die jene Versuche, durch Einwirkungen auf das Gefühl den Ver stand auszuschalten, als unheilvoll erkannten. Sie schlossen sich dem immer stärker anschwellenden Troß der offiziösen Nachbeter nicht an, ihre ehrliche Ueberzeugung zwang sie, das als recht Erkannte weiter ,u ver teidigen, und dadurch meinten sie dem Ganzen einen größeren Dienst zu erweisen. Dafür trifft sie nun der Bannstrahl der Offiziösen: „Die amtlichen Mitteilungen über das Ergebnis der Audienz, die Se. Majestät der Kaiser und König am Dienstag dem Reichskanzler Fürsten v. Bülow gewährte, hat die deutsche Presse fast allgemein mit aufrichtiger Befriediguug ausgenommen. Gegen vereinzelte Blätteräußerungen entgegengesetzter Art im gegenwärtigen Augenblick Stellung zu nehmen, liegt kein Bedürfnis vor, da sie sich zum Teil durch ihre blinde Leiden schaftlichkeit selbst richten, zum Teil von Grundanschauungen auS- gehen, denen eine praktische Bedeutung vollkommen fehlt. DaS deutsche Volk in seiner überwältigenden Mehrheit wird von dem Gefühl tiefen Tankes beherrscht gegenüber der hochherzigen Entschließung deS Kaiser- und Königs, die in der oben erwähnten amtlichen Kund gebung zum Ausdrucke gebracht ist. In der hohen Auffassung der Herrscher pflichten, die auS der kaiieilichen Entschließung spricht, besitzt die deutsche Nation eine Bürgschaft für die Fortdauer des wiedergemonnenen Vertrauens verhältnisses zwischen Krone und Volk, ans dem in der Vergangenheit so herrliche Taten hervorgegangen sind. Menschlich und politisch erscheint der Entschluß Sr. Majestät um so größer, als er gefaßt worden ist trotz unleug barer Ausschreitungen der öffentlichen Kritik, die der Kaiser als ungerecht empfinden mußte. DaS deutsche und das preußische Volk wird seinem Kaiser und König auch in Zukunft Vertrauen mit Vertrauen und Liebe mit Lieb« vergelten zum Heil und Segen unsere- Vaterlandes." Dirser feierliche Verweis in dem Wochenrückblick der „Nordd. Allg. Ztg.", der im weiteren Verlaufe des Artikels durch einen Hinweis aus die angeblich mäßige und verständige Beurteilung der hinter uns liegenden Vor gänge durch da- Ausland noch verstärkt werden soll, könnte nachdenklich stimmen, wenn das offiziöse NegierungSorgan in ähnlichen Fällen nicht bereit- auch in diesen unangebrachten Ton hochgradiger Anmaßung ver falle» wäre, und wenn man nicht durch Erwägungen anderer Hrt in die entgegengesetzte Stimmung versetzt würde. Wer war eS den», der zuerst eilig und ohne ein Wort der Er läuterung und Kritik, den Artikel de- „Daily Telegraph" wiedergab? Die offiziöse Presse! Wer suchte durch einseitige ausländische Preß auszüge die Meinung von der Aufnahme dieser Enthüllungen zu ver dunkel» and erhöhte dadurch die allgemeine Verstimmung? Die offiziöse Presse! Wer veröffentlichte eine in heillos schlechtem Deutsch abgefaßte Erklärung, die den aufgeregten Geistern zur Be schwichtigung dienen sollie, ihnen aber neuen Grund zu tiefstem Unmut bot? Die offiziöse Presse! Wer beschwerte da« Volk iu diesen ernste« Tage« mit allerhand Mitteilungen über belanglose Nebensächlich keile« auS dem höfische« Leben und reizte, in einzigartiger Verkennung der Volksseele, die Staatsbürger dadurch bis zum äußersten? Die offiziös« Press«! Wer sucht jetzt hochfahrende« Ton« die Schuld für das angerichtete Unheil aus diejenigen abzuwälzen, die sich von der Empörung über die ganze Kette von Kapitalfchlern noch nicht befreien konnten? Die offiziöse Presse. Die bürgerlichen Blätter, die den offiziösen Beschwichtigungsrufen nicht so willig gefolgt sind wie manches Organ der Reichshauptstadt, haben nicht „in blinder Leidenschaftlichkeit" gebandelt, sondern in rich^ tiger Erkenntnis der Notwendigkeiten. Im gegenwärtigen Augenblicke wirkt nichts gefährlicher und verbitternder als eine bewußte Verkleisterung des liefen Risses zwischen Kaiser und Volk. Unsere „Grnndanschauung", die sich auf innige Fühlungen mit weiten Volksschichten stützt und des halb „praktische Bedeutung" besitzt, geht auch heute noch dabin, daß ledig lich ein Ruhepunkt in der deutschen Krisis eingetreten ist, und daß jede künstliche Hemmung für eine normale, organische Lösung dieser Krisis die unberechenbarsten Folgen nach sich ziehen würde. Nur unerschütterliche, greifbare Garantien lönnen dem deutschen Bolle den Frieden wiedergeben, den die Offiziösen so beiß herbeisebnen, und dessen rastlose Zerstörung ihrem systematischen Un geschick so rühmlich gelang. Schon werden in der „Kreuzztg.", die im Chore der BeschwichtigungSblätter eine besonders hervorragende Stelle einnimmt, Vorschläge gemacht, nach denen eS vereitelt werden soll, daß die Person des Kaisers erneut in die Debatte gezogen werde. Angesichts dieser drohenden Nückfallsmöglichkeiten müssen die Wächter deutschen Volkstums doppelt auf der Hut sein, damit der Nation aus schwächlichen Entschließungen nicht schlimmerer Schaden denn zuvor erwachse. Sparsamkeit. »Nicht die reichsten, sondern die sparsamsten Regierungen haben ihre Völker glücklich und groß gemacht." Der ganz junge Brsmarck schrieb diese Worte, und sie sind zu finden in seiner Arbeit: „Ueber Sparsamkeit im Staatshaushalte, ihr Wesen und ihre Erfolge — auch durch geschichtliche Beispiele erläutert." Der Kammergerichtsauskultator Otto von Bismarck sollte durch Behandlung dieses Themas beweisen, daß er zum Rogierungsreferendar tauge. . . . Man denkt unwill kürlich an J>ie leider schon legendär gewordene „altpreußische Spar samkeit". Sicherlich werden die angehenden preußisch-deutschen Staats männer von heute trotz Bülow nicht mit der peinlichen Frage behelligt: „Wie denken Sie über Sparsamkeit im Staatshaushalte?" Denn die Herren der Pruzuuiswiumr,i-'n müßten zchon sehr intensiv nmlcrnen, um an der oben mitgeteilten BiSmarckischen Anschauung Geschmack zu finden. Keineswegs wegen der mehr oder weniger noblen Passionen, die der „gemeine Mann" in jenen Kreisen vorauSsctzt, sondern weil Sparsamkeit im Staatshaushalt realpolitischer Weisheit längst nicht mehr einZiel aufs innigste zu wünschen bedeutet. Staatslehre und Finanzwissensch-aft haben sich -usammengeta» und ihren vereinten Bemühungen ist es gelungen, die Zauberformel zu finden, welche die Volkswirtschaft zwingt, im Interesse des Staats bedarfes immer wieder die Rolle des „Eslein streck dich" zu spielen. Man sagt einfach, das Prinzip des Ausreichenden ist der vornehmste und wichtigste Grundsatz einer jeden Finanzpolitik; wem das aber zu gelehrt klingt, der sei auf die Treitschkcsche Verdeut'chunz dieses Gedankens verwiesen. Dieser meint in seiner kernig-dogmatischen Art: „Vom Staatshaushalte gilt nicht der Satz, daß er sich nach der Decke zu strecken habe." Das ist auch der Refrain all der Gesänge, die man um der geforder ten SM Millionen-Spende willen erschallen läßt. Allein der Reichs- schatzsekretär ist nicht Betrand de Born, und ehe man einstimmt und namentlich zustimmt, wird man aut tun, mit etwa- Skepsis das zu prüfen, was sich ganz allgemein als „Staatsnotwendigkeit" präsentiert. Denn eine Finanzpolitik, die, wie jetzt dringend und mit vollem Recht gefordert wird, die Prinzipien der Sparsamkeit :n ihrem Programm wieder zu Ehren bringen soll, wirtz natürlich nicht an dem gerade vor liegenden Budget durch Abstriche und Kürzungen alle Sünden der Vergangenheit gut machen können. Die Hauptsache ist, daß wir aus dem fatalen Zirkel: Wachsender Steuerertrag — wachsender Staatsbedarf — wachsender Steuerertvag, herauskommen, oder daß wenigstens, wenn die immer weiter greifende Expansion der Staatstätigkeit wirklich einem staatswirtfchaftlichen Entwicklungsgesetz entspricht, diese Ent- Wicklung die Richtung einschlägt, die ihr der Wille eines mündig ge wordenen Volkes vorschreibt. In letzter Instanz ist doch das Volks vermögen mit dem Staatsvermögen — als ideelle wie als materielle Größe — identisch. Darum ist cs aber auch vor allen Dingen eine Staatsnotwendigkeit, daß sich in jedem Staate das Parlament zu einem entscheidenden Faktor herauSbiloet, der über die „Staatsnotwendig keiten" mit zu bestimmen hat. DaS Prinzip der Ausreichendheit, der Grundsatz: Das, was der Staat braucht, muß er bekommen, hat^eben nur dann einen Sinn, wenn Volk und Staat identisch sind. Sucht man die sich hieraus für uns ergebende Forderung, daß der deutsche Reichstag zum Parlament sang pbraso werde, mit der Behauptung abzutun, auch in parlamentarisch regierten Staaten lebe man nicht wie im Himmel, so ist darauf zu erwidern, das englische und das fran zösische Volk — Ulan wirtz ja nicht müde, sie uns als die steuerwilligen Musterknaben hinzustellen, an denen wir uns ein Beilpiel nehmen sollten — ordnen ihr« Angelegenheiten völlig nach eigenem Belieben. Man darf sich in England und Frankreich doch mindestens der Illusion hingeben, daß dort nicht- anderes geschient, als das, was die durch die Parlamentsmajorität vertretene Mehrheit des Volkes für nützlich hält. Unter solchen Verhältnissen kann selbstverständlich ebenso ver schwenderisch wie sparsam gewirtschaftet wertzen, niemals aber ist es möglich, daß der Staat dauernd anders will als das Volk. Gewiß sollte es so sein, wie Bismarck, der im Staate einen lebendigen Organis mus sah, immer und immer wieder betonte, daß Volk und Negierung zu einer identischen Einheit unlösbar verschmolzen sein müßten, in Ser innere Gegensätze zwischen Volksinteressen und Regierunqsinteressen, »wischen Volksrechten und Rogierungsrechten von vornherein ausge- schlossen erscheinen. So durste aber auch nur ein DiSmarck sprechen, und selbst dessen staatsmännisches Genie vermochte auch nur in großen Augenblicken dies« identische Einheit von Volk und Regierung herzustellen. Daß sich jetzoch ein Volk für gewöhnlich ni ch t mit dem Staate identifiziert und daß ihm eine solche Gegensätzlichkeit teuer zu stehen kommt, läßt sich rechnerisch beweisen. Jeke Mark, die der Staat sür keine Zwecke braucht, erfordert heute noch eine zweite Mark, um jene Organe zu be solden, die dem Bürger die erste mühselig entreißen. Finanzverwaltung und Steuerdienst werden allerdings wohl immer erhebliche Kosten ver- Ursachen. Aber man Wirtz kaum bezweifeln, daß eine größere Bereit willigkeit »um Steuerzahler, an Stell« der jetzigen Unlust treten wurde, wenn in weite Kreise der Nation die Ueberzeugung dringt, ihr Wille entscheide nicht nur, daß, sondern auch darüber, wofür gegeben Wofür? Nun, man kann die akademische Frage, was bester ist: ein Staat, der seine Tätigkeit auf die Funktionen einer großen Wach- und Schließgesellchast beschränkt, oder einer, der Vollmacht hat, auch in die intimsten Angelegenheiten des privaten Lebens regulierend einzu greifen, hierbei durchaus beiseite lassen. Nicht auf den kleineren oder größeren Umfang der Staatstätigkcit kommt es an, sondern daraus, daß das Maß subjektiven Behagens, das wir aus unserer staatsbürger lichen Stellung beziehen, in keinem Mißverhältnis zu den Opfern steht, die wir dem Ltaate bringen. Ein solches Mißverhältnis aber beginnt sich in Deutschland stärker als in anderen Staaten bemerkbar zu machen. Man fängt an, die moderne Fassung jenes gescheiten Wortes des Marschalls Trivulzio, das dem alten Montecuccoli so gut gefiel, zn kritisieren. Man begreift zwar, daß zum Kriegsühren die drei Dinge: Geld, Geld und nochmals Geld! nötig sintz, allein, man will nicht recht begreifen, daß dicke drei Dinge in noch größeren Mengen zur Erhaltung des Friedens gebraucht werden. Wir haben uns allerdings schon so an die Kostspieligkeit des Friedens gewöhnt, daß wir ziemlich fest überzeugt sind, eine Verbilligung der Kosten sei ohne Oualitätsverschlechterung des Friedens undenkbar, indes hie und da beginnt man doch bereits, die groteske Sinnlosigkeit eines solchen Zustandes einzusehen. Die Ans- gaben für miiitäri'che . '.wecke daben bei uns tatsächlich eine Höhe erreich/ über die hinaus ein Mehr kaum möglich erscheint. Nach dem Voranschlag für 1908 wurden im Reich bei einem ordentlichen Aus- gabcnetat von rund 2500 Millionen ca. 1050 Millionen an fortlaufenden und einmaligen ordentlichen Ausgaben für Heer und Flotte verlangt. 1885 dagegen betrugen diese Ausgaben kür Land- und Seemacht ins- gesamt 890 Millionen Mark. Dazu kommen 1908 noch ca. 110 Mil lionen außerordentliche Ausgaben i1885 waren es etwa 35 Millionen), da sich aber auch die „außerordentlichen" Ausgaben alljährlich wieder- holen und überdies gleichfalls steigende Tendenz aurwersen, so kommen wir an' etwa 1200 Millionen Mark bei einem Gesamtetat von rund 2800 Millionen. Wenn man bedenkt, wie sich der Aufgabenkreis des Reiches seit seiner Gründung erweitert hat, so muß nicht nur die absolute Höhe des deutschen Militärbudgets, sondern auch lein prozentueller Anteil am Staatshaushalte Staunen erregen. Vergleiche mit dem Ausland aber zeigen, daß Deutschland, das im Jahre 1906 hinsichtlich seiner Aufwendungen für Heer uns Flotte noch von England über troffen wurde und mit Rußland etwa auf gleichem Fuße stand, im Jahre 1908 in seinen Ausgaben für Rüstungen tat'ächllch in der Wel: voran ist. England ist an die zweite Stelle gerückt, dann folgt Frank- reich, und erst an vierter Stelle kommt Rußland. Sachverständige sind der Ansicht, daß unsere Heeresverwaltung an sich teurer ist, als die anderer Staaten, untz daß rund 60 Millionen erspart werden könnten, wollte man nur die Sparsamkeitsverheißungen deS Reichskanzlers in Taten umsetzen. Tie Richtigkeit dieser Behauptung kann hier nicht nachgcvrü't werden Allein sie erscheint schon desbalv nicht unglaubhaft, weil bei uns so wie so nach der Maxims-regiert wird: eS kann gar nicht genug verwaltet werden. Auch hier fft -in Vergleich mit England und Frankreich nützlich. Di« sogenannte Innere Vermal- tung kostete dem Reiche und den Bundesstaaten im Jahre 1906 runo 610 Millionen. Frankreich und England dagegen wirtschaften erheblich billiger. Tort werden für die gleichen Zwecke, auch wenn man den Begriff innere Verwältuüa *ebr weit faßt, nur etwa 180 Millionen Francs resp. 6 Millionen Pfd. St. ausgegeben. Will man demgegenüber sagen, in England entlaste die bekanntlich außerordentlich weitgehenve Selbstverwaltung die Staatsregierung auch materiell, so braucht man nur darauf hinzuweisen, daß Frankreich durchaus zentralistisch regiert wird. Soll aus Sparsamkeitsrücksichten bei uns noch mehr zentralisiert werden? Schließlich kann man es den Kleinen und Kleinsten im Deut- scheu Reiche nicht verdenken, wenn sie sich von den Großen oder vicl- mehr von dem Großen — es kommt ja eigentlich nur einer in Frage — nicht überall dreinredcn lasten wollen. Daß auf dieser besten aller Welten Preußen als das bestrezierte aller Länder zu gelten bat, darf man billig bezweifeln. Nicht jedermanns Sache ist es, sich St. Burcau- kratius zum Schutzpatron zu wählen. Doch auch aus diestr Mi'öre gibts nur einen Ausweg. Die „identische Einheit" zwischen Volk und Regie- rung muß hergestellt werden, allein so, daß die Regierung wirklich nich's anderes als den ernsthaften und ehrlichen Willen des Volkes zum Ausdruck bringt. Dann kann freilich — wie schon gesagt — ebensogut verschwendet wie gespart werden. Allein ein Volk, das für Nahrungs mittel und sonstige notwendige Verbranchsartikel mehr Steuern zu zahlen hat, als irgend eine andere Kultrrrnation — auch einerseits — anderseits Gelehrte müssen das zugeben — und daß gerade die Politik „froher Feste ohne saure Wochen" so wenig bctzingt, wird sicher am rechten Orte zu sparen wissen. Monsieur Loutant. (Ben unserem Pariser D-Korrespondenten.) Paris, 22. November. Ein sozialistischer Bürgermeister taust die Kinder seiner Gemeinde. Das ist das Neueste, was der Deputierte Jules Coutant, Bürgermeister von Jvry, eine der amüsantesten Persönlichkeiten der französischen Kammer, ersonnen hat. „Jules", dessen rotaufgevunseneS Gesicht jedermann im Parlament ungemein sympathisch ist, machte sich gleich, als ihn seine Mitbürger aus der Fabrik, wo er Arbeiter war» in das Palais Bourbon schickten, durch Zwischenrufe bemerkbar, die dem General Cambronne und unserem deutschen Blücher Helle Freude bereitet hätten; er sitzt ganz auf dem linken Flügel und duzt nicht nur die Genossen, sondern auch die Minister unv die Grasen der royalistischen Partei. Anfangs nahm man ihm seine groben Manieren sehr übel, als man ihn aber näher kennen lernte und erfuhr, wie gut mütig er war, lud ibn jedermann ein, ein GlaS Absinth am Büfett zu trinken, und wenn er sich nicht »IS Dauerredner entpuppte, so schlug er jeden Rekord in der Zahl der Gläser, die er unbeschadet seinem Gleich gewicht zn leeren vermochte. Trotz seiner geringen Bildung, die er Mit Fleiß auszubcssern bestrebt war und die er tatsächlich ebensosehr ver mehrte, wie sein Bäuchlein anwuchs, griff er mitunter in nicht ungeschickter Weise in jenen Teil der Gesetzgebung ein, der besonders die Arbeiter schaft betraf. Wenn eS sich aber gar um die Wiederbevöl'erung Frank reichs handeste, dann pflegte er auszustehen und mit Stentorstimme zu verkünden: „Ich habe neun Kinder. Machen Sie es nach! DaS Parlament muß das Beispiel geben. Nieder mit den Abbös!" Und kaum halte er „Nieder mit den Abbös!" aerufen, so bedauerte er eS schon und steuerte hinüber nach den Bänken der Rechten, wo zwei Kollegen in der Soutane saßen, und bat sie freundlichst um Verzeihung, wenn er fick unkollegial benommen. Dann nahm ihn Wohl der ultra reaktionäre Abbö Gayraud unter den Arm und promenierte mit ihm in den Wandelgängen, um ihn nach der Gesundheit seiner fünf Jungen und vier Mädchen zn fragen. In der Vorstadt Jvry aber war der frühere Fabrikarbeiter bald so beliebt, daß man ihn auch zum Ver walter der Gemeindeinteressen ernannte, worauf er allgemein den Spitz namen „Der König von Jvry" bekam. Seinen vielen drolligen Einfällen verdankt Eoutaut «S, daß die groß« Presse sich immer wieder mit ihm beschäftigt und dem triukfreudigen Revolutionär ihrfSympatbie bekundet. Vor ein paar Tagen ließ «r an den Mauern von Jvry anschlagea: „Die Bevölkerung wird informiert, daß die Munizipalität sich im Stadthaus an de» ersten zwei Sonntagen jeden Monats von zehn Uhr bis Mittag zu ihrer Verfügung hält, um
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite