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Dresdner Journal Verantwortlicher Redaeteur: I. G. Hartmann. 1857 Preis für da- Vierteljahr 1^ lhaler. Insertion«'Gebühren für den Raum einer gespaltenen Zeile I Neugroschen. Freitag, den 2V November — » 'M/W Erscheint mit Au-nahme der Sonn» »A und Festtage täglich Abends und ist » purch alle Postanstalten zu beziehen. Nichtamtlicher Theil. Nebersicht. Tage-geschichte. Telegraphische Nachrichten. — Dresden: Graf SolmS-Wild,nfel« s. — Wien: Die Finanz- und Handelskrisis. — Prag: Stand des Aussig- Teplitzer EisenbahnunternehmenS. — Berlin: Maß« regeln bezüglich der Lebensversicherungen. Diplomatisches. Die Prinzessin von Preußen »ingelroffen. Zur Frage über die Aufhebung der Wuchergesetze. — Stettin: Eine Pe tition in kirchlichen Angelegenheiten. — Magdeburg: Veruntreuungen auf den Bahnhöfen. — AuS der Pro vinz Sachsen: Beschlüsse der Gnadauer Conferenz -- Stuttgart: Vereinbarungen der Telegraphenconferenz. — Frankfurt: Diplomatisches Diner. — Paris: Die Srnennung Royer'S zum Justizminister. Warnung in Lu«wandrrungSang,l,genheiten. Vermischtes. — Turin: Ausfall der Wahlen. Verurteilungen. — Madrid: Vermischtes. — London: Vom Hof,. Begräbniß der Herzogin von Nemours. Einberufung deS Parlament«. Zur Finanzkrisis. Havelock ünd Wilson zu Rittern d,S Bachordens ernannt. — Stockholm: Aus den ReichS- tazSverhandlungen. — Belgrad: DaS Urtel in dem Verschwörungsprocesse gefällt. — Ostindien: Zur Situation. Die Erstürmung Delhis. — New-Ao rk. Besserung des Geldmarktes. Oeffmtlichk Gerichtsverhandlungen. (Dresden.) Erledigte Schulstellen. Keuilleton- Inserate. LageSkalender. BSrsennachrichten. TageSgeschichte. Telegraphische Nachrichten. Mainz, Mittwoch, 18. Nov Abends. Heute Nach mittag ist durch Explosion deö PulverthurmeS beim Gauthore fast der ganze obere Theil unsrer Stadt mit der Stephanskirche verwüstet worden. Man zählt mit über 1v« Tobte und Verwundete. Selbft in KkSbaden ist die Erschütterung bemerkt worden. Frankfurt, Donnerstag, IS. Nov., Nachmittags Uhr. Nach dem Berichte deS Festungsgouvernc- ments von Mainz waren 200 Eentner Pulver in dem Thurm am Gauthore, welcher gestern nach 8 Uhr in dir Luft flog, ohne daß mau die Veranlassung kennt. Litte Häuser find eingestürzt, noch mehr beschädigt, die Zahl der Verunglückten vom Civil und der öster reichischen Garnison ist noch nicht ermittelt; von der preußischen Garnison 7 Todte, IS schwer und über 70 leicht Verwundete. Dresden, 19. November- Gestern verstarb Hierselbst Se. Erlaucht Herr Friedrich MagnuS Graf zu SolmS - Wilden fels ec., Besitzer der Herrschaft Wildenfels, im 81. Lebens jahr,. Der Verewigte, bekannt durch seine ritterlichen Ge sinnungen und seinen biedern Charakter, war am 17. Sep- lember 1777 in Wildenfels geboren, besuchte die Universität Wittenberg und trat gegen 1790 in das Regiment Kurfürst Kürassiere, bis er im Jahre 1801 nach seine- Vater- Tode die väterlichen Besitzungen übernahm- Derselbe war als Be sitzer der Herrschaft Wildenfels Mitglied der 1. Kammer und hat al« solches fast sämmtlichen konstitutionellen Landtagen deigewohnt. LLien, 17. Nov. Die „Ostd. Post" schreibt: In wel cher Weis« heute di« Nachricht Verbreitung fand, der Staat habe die West- und Theißbahn übernommen, ist uns ganz unbekannt. Daß die Thatsache «ine leere Erfindung ist, können wir mit Bestimmtheit verficht»». — Leider ist für den tief niedergedrückten Geld- und Effektenmarkt noch wenig Trostreiches zu melden. Die Suspension der Bankarte in England hat wohl im Allgemeinen eine beruhigende Wirkung auf die Börsen des Festland»« hervorgebracht, aber tief ein greifend hat diese Wirkung sich nicht gezeigt. Was speriell den Wiener Platz betrifft, so sind e- nicht blo« die Cala- mitäten der Börse, an welchen er leidet. Allmählich macht die Handelskrise Fortschritte, deren Ende noch nicht abzusehen ist, weil unvorhergesehene Element, zu dem bereits vorhan denen Uebel sich Hinzuges,Uen. Hierher gehören namentlich da- plötzliche Sinken aller Rohstoffe, Baumwolle, Schafwolle, Seide rc., Baumwolle ist auf den fremden Märkten um nahe 30 Procent gefallen. Von den Schafwollvorräthen, dir auf dem letzten Pesther Markt zum Verkaufe gebracht wurden, ist mehr als die Hälfte ohne Käufer geblieben — eine Er scheinung, die um so merkwürdiger ist, als sonst die Nach frage gewöhnlich viel größer als vorhandene Waar, zu sein pflegt. Die Folgen hiervon find leicht zu berechnen. Die vorhandenen Fabrikate und Halbfabrikate sind dadurch bedeu tend entwerthet. Der einzige Trost liegt darin, daß die gegenwärtige GeschäftSstockung so groß ist, daß in dem Mo mente, wo wieder ein Zug in den Verkehr kommen wird, die Vorräthe rasch vergriffen sein werden. Um «inen Be- giiff von der Stockung, dir gegenwärtig im Geschäfte herrscht, zu erlangen, genügt die Thatsache, daß das Portefeuille der Nationalbank heule um sechs Millionen Wechsel weniger auf- weist al« im vorigen Monate, und zwar nicht etwa, weil die Bank Restriktionen macht, sondern weil es infolge der Stock ung überhaupt an Wechseln fehlt!! (-) Prag, 16. Nov. Der VerwaltungSrath der Aussig- Teplitzer Eisenbahngesellschaft hat, wie uns au« verläßlicher Quelle zugeht, in der jüngsten Zeit den Beschluß gefaßt, bei der hohen Staatsverwaltung um nachträgliche Gewährung einer Zinsengarantie einzuschreiten und zwar unter der Be dingung, daß von Seite der Gesellschaft jener Theil deS Unternehmens, welcher die Erwerbung von Bergbauobjecten und deren Betrieb betrifft, gänzlich fallen gelassen werde- Dieser Theil des Unternehmen« war insbesondere die Ursache, daß von Seite der Gründer «ine Zinsengarantie hohen Ort nicht erlangt werden konnte. Bisher hat die Gesellschaft noch kein Bergbauodject erworben, seit Beginn de« Eisrn- bahnunternehmenS sind vielmehr die meisten Bergbauunter- nehmungen zunächst der Eisbahn bereit« in di,-Hände größerer Capitalisten oder Gesellschaften gelangt, so daß jene« Ziel, den Kohlenbau hiesiger Gegend womöglich in große Complexe zu vereinigen und den Raubbau der kleinen Kohlen werke niederzudrücken, theilweise schob erzielt oder doch we nigsten« angebahnt ist. In Oesterreich betrachtet da- große Publicum Bergwerksunternebmungen leider noch immer mit mißtrauischem Blick, und obgleich dem unerschöpflichen Braun kohlenlager zwischen Aussig, Teplih, Brüx rc. eine glänzende Zukunft bevorsteht und namentlich die angrenzenden Jndustrie- bezirke von Sachsen selbst in der neuesten Zeit Erfolg ver sprechende Bestrebungen machen, unsre Kohlenlager durch Zweigbahnen zu erreichen, so ist eS doch unläugbar »in nur zu billigender Beschluß, daß die Aussig-Teplitzer Eisenbahn gesellschaft den Betrieb de« KohkenbaueS (worin sie eine monopolistische Stellung leicht erreichen könnte) fallen lassen will, die Entwickelung deS KohlenbaueS der freien Concurrenz Anderer überläßt und ihre Kräfte sowie ihr Capital lieber der Fortsetzung der Bahn gegen Karlsbad zuwendet. Bei der Unterstützung, welche andere junge Bahnen von der hohen Staatsverwaltung bereit- erfahren haben, giebt sich die Ge sellschaft der Hoffnung hin, daß hohen OrtS die angesuchte Zinsengarantie nicht verweigert werden wird- Von Seite deS VerwaltungSratheS ist vom Beginn deS Unternehmens an insbesondere darauf hingewirkt worden, in allen Zweigen der Anlage die möglichsten Ersparnisse eintreten zu lassen, so daß schon jetzt mit Sicherheit ausgesprochen werden kann, es werden beträchtliche Ersparnisse gegen die Voranschläge eintreten und die statutenmäßig präliminirte Summe von 3 Millionen Gulden C.-M. für den Eisenbahnbau nicht in Anspruch genommen werden. Der Unterbau war auf circa 900,000 Gulden C.-M. präliminirt, während derselbe nur ungefähr 650,000 Gulden C.-M. in Anspruch nimmt. Ebenso wurde bei den Fährbetrieb-Mitteln nicht etwa durch die Ver ringerung der präliminirten Zahl der Wagen rc., sondern durch äußerst vorthejlhafte Abschlüsse eine Ersparniß von mindesten« 20 Procent der präliminirten Summe zu Wege gebracht. Daß die allgemein herrschende Geldklemme hem mend auf die Einzahlung wirken mußte und daher circa 2500 Aktien nur die erste Rate einzahlten, hatte durchaus keine nachtheiligen Folg»«, weil die Deckung der nothwen- digen Auslagen durch di« Einzahlung der übrigen 12,500 Aktien einestheilS erzielt und für das etwa nöthige weitere Erforderniß durch dir Gründer des Unternehmens bereits ge eignete Fürsorge getroffen ist. Die in der letzten Zeit statt gefundenen Conflicte mit dem Bauunternehmer haben vor läufig ihre friedliche Lösung dadurch gefunden, daß der Letz tere von jenem Augenblicke an, wo ihm der Unterbau abge- nommen werden sollte, wirklich »ine ganz außerordentliche Thätigkrit entwickelte und Alles aufbot, den Unterbau seiner Vollendung zuzuführen. Die Direktion hat somit durch ernsteres Einschreiten Dasjenige erreicht, was sie erreichen wollte: die rasche Vollendung des Unterbaues, und eben des halb wurde, um die jetzige Thätigkeit de« Bauunternehmers nicht zu unterbrechen, von weitern gerichtlichen Schritten ab gelassen. Wenn nicht abnorme ungünstige Witterungsver- hältniffe d,S nächsten Frühjahres eintreten, so steht die Er öffnung b,S Betriebs im Monat Mai künftigen Jahres mit ziemlicher Sicherheit in Aussicht. Der Oberbau ist an meh- rern Stellen schon begonnen. Die Unterhandlungen mit der k. k. priv. SlaatSeisenbahngesellschaft in Betreff des An schlusses der Bahn und des wechselseitigen Verkehrs halten bisher noch keine wesentliche Differenz im Gefolge, und sind die deshalb hier und da in den Zeitungen voreilig ausge sprochenen Besorgnisse jedenfalls allen Grundes entbehrend. Der Vortheil beider Gesellschaften ist bezüglich deS wechsel seitiger» Verkehr« ^rr Hhr u» einander greifend und «»cf der Hand liegend, als Saß die Leiter derselben irgend einen ver nünftigen Grund haben könnten, sich bezüglich deS Anschlusses und wechselseitigen Betriebe- Schwierigkeiten zu bereiten, welche zuletzt immer nur aus den allgemeinen Verkehr, so wie auf die Rente beider Unternehmungen nachtheilig rück wirken mußten. Zur Anlage einer Zweigbahn vom Aussiger Bahnhofe zu der großartigen chemischen Fabrik bei Aussig, welche nicht nur ihren ganzen Kohlenbedarf durch die Bahn beziehen, sondern auch die Schleppkahn zur Elbe zum Be züge ihrer Rohstoffe und zur Versendung ihrer Producte für mindestens 600,000 bis 800,000 Centner benutzen wird, ist bereits vom hohen Ministerium die Genehmigung ausge sprochen. Trieft, 17. November. Herr v. Lesseps ist mit dem nach Griechenland abgegangenen Lloyddampfer nach Konstan tinopel abgereist. (In Wien war derselbe vor seiner Abreise nach Triest von Sr. Majestät dem Kaiser in einer b,sondern Audienz empfangen worden. D. R.) Die Wiener National bank hat der hiesigen Börsendeputation einen Vorschuß von einer Million Gulden auf drei Monate zur Escomptirung von Triester Platzwechseln bewilligt. Feuilleton. Hoftheater. Mittwoch, 18. November. Zum ersten Male: Drei Arrestanten. Lustspiel in vier Acten, nach Dupaly neu bearbeitet von Friedrich Tietz. Die« Lustspiel wurde vor einigen dreißig Jahren geschrieben, ist — wenn unS recht berichtet wurde — auch auf unsrer Bühne m einer damaligen Bearbeitung erschienen und mag, geschmückt mit manchen Zritleziehungen oder geduldet vom Zeitgeschmack, einen vorübergehenden Repertoirerfolg gehabt haben. Herr Tietz hat indeß sehr übel daran gethan, mit diesem veralteten, bis zur Albernheit geschmacklosen und roh gearbeiteten Situationsstücke noch die Gegenwart unterhalten zu wollen. Um eine vieractige kadung von gequälten Situationen mit einer nichtigen Handlung und puppenhaften Figuren erträglich finden zu lassen, hätte der Verfasser auch die Intelligenz und daS gebildete Urtheil der Zu schauer zu Arrest bringen müssen. Sehr zu bedauern ist, daß solchem verfehlten Beginnen von den Bühnen mit sehr zweifel haften künstlerischen Grundsätzen noch aufgeholfen wird. Man gebe unS da« Gute und Beste der Bühnenwerke der Vergangen heit, opfere aber nicht an vergessene Mittelmäßigkeit die Zeit und Nutze, welche mit vollem Rechte den Erzeugnissen der Gegen- wart gehören ; auch die mißlungenen unter diesen sind berechtigter zur Darstellung, denn an sie knüpft sich, als Kinder unsrer Zeit, natürlicher und innerlich verwandter daS geistige Interesse, die Teschmackrichtung und die Theilnahme der Mitlebenden. Bei der Darstellung der „drei Arrestanten" kommt »S haupt sächlich nur aus Raschheit de- Spiele- an, wa- sich noch steigern ließe, ohne doch die Langeweile der Zuschauer verhindern zu können. Rollen, in denen sich die Au-führenden besonder- auS- zeichnen könnten, besitzt da- Stück nicht; die besten und dank barsten sind der dumme Gefängnißschließer und der vom Ver fasser als getreuester und schlauester Gehilfe angestellte Soldat George; diese wurden von den Herren Räder und Kramer drastisch und lebendig gespielt. C. Banck. Dresden, 19. November. Der hiesige musikalische Verein hatte gestern eine außerordentliche Soiree im „Hotel de Sare" zum Gedächtniß Rudolph Wehner'« veranstaltet, welche außer ordentlich zahlreich besucht war. MuflkalischrrseitS geschehe dieser nicht öffentlichen Production nur wegen der Aufführung deS selten gehörten I>-mnli-ConcertS für drei Claviere und Quartett begleitung von I. S. Bach Erwähnung. Dasselbe wurde von den Eleven deS Herrn Niederweyer: Herrn Seiß und den Fräulein« Goldberg und Grimmer, in einer sehr rühmen-- werthen Weise gespielt: correct, mit trefflich geschulter Technik, charakteristisch, musikalisch abgerundet und klar nuancirt. Die sehr gelungene Ausführung de« höchst kunstvollen, prächtigen Werke« erwieS eine sehr verständnißvolle und mit höchster Sorg- samkeit eingehende Leitung, wohlbenutzt von talentvollem Eifer und Fleiß. Besonder« noch zeichnete sich Herr Seiß durch fein- schattirten, gesangvollen Vortrag de« zweiten Satze« (Sicilmns) au«; der treffliche Klang de« Flügel« (wie wir hören, von W. Wieck gebaut) gewährte dabei eine sehr löbliche Unterstützung. Dem Bach'schen Concert gingen manche tüchtige und interessante Leistungen vorher, wobei unter Andern auch die Herren v. Wafir- lew-ki und Herr Kammermuflku« Seelmann in einem Quartett von Beethoven (O-moll, ozr. 18) sehr Gediegene-leisteten. Zudem erregte Frau Bürde-Ney enthusiastischen Beifall durch Lieder vorträge. C. B. Dresden, 19. November. Herr vr. Wollen wird hier einen größern Cyklu« von Vorlesungen über die englische Literatur in englischer Sprache halten, deren Beginn nächsten Sonnabend, den 21. d. M., stattfinder. Herr Wollen, von Ge burt ein Engländer, hat in Deutschland seine wissenschaftliche Ausbildung erlangt und seit Jahren sich dem Studium der eng lischen Literatur mit ausschließlicher Vorliebe gewidmet. Bei dem großen Interesse für die englische Literatur und bei der nicht geringen Anzahl hier weilender englischer und deutscher Freunde literarischer Wissenschaft überhaupt dürften diese Vorlesungen, auf die wir hiermit Hinweisen, vielfache Theilnabme erwecken. B. Eine Hochzeitnacht. Von L. Goldammer. *) Et war 18** und December und 24 Grad Kälte, Mondschein und Hochzeit, und zwar im Dorfe Ober-Ehseln, da oben in Lithauen, hart an der russischen Grenze. Christoph Lagie« Halle seine Urte Bernotike im Arm und auf der Brust hatte er ein Ehrenzeichen. Da« Eine ließ ihn al« den glücklichen Ehemann, da« Andere al« einen braven Streiter für sein Vaterland er kennen. Christoph saß nun mit seiner Urte im Brautwinkel, daS ist der Platz in der Ecke de- Zimmer«, der dem gewaltigen Ofen schräg gegenüber beim Neubau eine« Hause« in dortiger Gegend *) Den „Erzählungen aus dem Natur« und Volksleben Lithauens" entnommen. Dresden, Arnold'sche Buchhandlung.