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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 08.01.1912
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1912-01-08
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19120108015
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1912010801
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1912010801
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1912
-
Monat
1912-01
- Tag 1912-01-08
-
Monat
1912-01
-
Jahr
1912
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Bezugs-Preis ot«N«ttLhit L«t »nffr» «. Tn» nah»«a»ll«» ad«rd«U » Hy. ««»aU, L»«L,»««,U»hrL >«r» «, Vsftr D«»ll»land« und d« d««ttch«n K«l,M«» vt«N«l>U»rl. ».SU Mt» »-»Ltl. ILVMl. Sddlchl P»>lb«stella»w ßernrr l« B«lgt«» r>an,«orl. d,n vdnaultaotdn. Statt«». Üui««d»»L ?N»d«rtaad«, 1t«i» w«a««. vM«ir«t«. U»aan>. -kutzland. Schwer»», 6S>w«t» a So««»«» 2» all«» Ldilgen Staat«» «» dir«kl durch dt» »«lchüNaLill« d«, «tau«» «rdülttt». Da» L«t»,„« r««dlar, «r1ch»t»r »«al täaltch. vini», » 8«l«ltag» »«re«»». UDosndm»»«».««««»«« 2«d»«»i««iN» S. bst,»,«»Ira,««. »Mal«», »padttaar« u»d Mssatzmaltaüaa,!»»»«« vaftämt.r» u»d Lüifträ««». Gtsisissirssl»»»,«» u> Moraen-Ausgabe. WWgcrTWblaü s14«r lNsch»«.,»!»,) Tel.-^nschl.i 14«» 1l4«4 Handelszeitring. f 14 «r Sel.-ÄnschtZ 14 «3 (148S4 Amtsblatt des Nates «nd -es Nakizeiamtes der Ltadt Leipzig. Anzeigen-Prei- M» »nleral« au» t!«U,««a und llmgebana die Npaltta«P«tlUrtl«BPs^.dt«Reklame. ,«tl« 1 Mk. «an audwärt» M Pt. R«Vamen UÄ> F!k. 2n>«ral« oon Bedörüen lm amt- lich«n Tell dl« PetlUelle «i Pf ch«fchSn»aaj«ts»u mti Pla>»«rlchrlft«n tn> Vrr»« «rhShl. Siadatl aochlortf B«lla,ea«bül>r Lelaml» autla,« L Mk o. aaul«nd «rkl. Pdbaebihr. T«tlb«tlag, »ober. Fekertrlll« Luflrau« könne» nlckk iurüS- aezo»«» werden, »ür da» Lrlchelnen an vestimmle» Tauen und Plä««n wird keine lbarontle Ub«r»omme». Lnjetgen - Lnnuvnir^ 2«tz,nni,g«sie d«i iomtlichen Fllialen u. allen Annoncen» Lrprdittanea de. 2n» und Auilande». Bruck «n» Llerl», «.» Fischer ck LSrsi», Jnhadrr: Paul «>rlt»u. Sic»utti«n und i»«lchSs>,li»a«: 2ol>annt»l!a!1« haudl.Filial« Dre.d«»: Eeeitratz« < l lTeliphon 4K21> Nr. 12 Monis-, üe» S. Tnnuar lSir. 106. Islrrysng. Die vorliegende Ausgabe umfaßt 12 Sette». Das Wichtigste. *LordLonsüa!e sucht in öffentlichen Aeuße- rungen der feindseligen Stimmung, die zwilchen Deutschland und England Platz gegriffen hat, unter Berufung aus Kaiser Wilhelm «nt- gegenzuwirken. (S. bes. Art.) * Auf dem kleinen Kreuzer „Stettin" ist ein eisernes Spind mit geheimen Dienstvor schriften erbrochen worden. (S. Dtschs. R.) * Der Streik im Kohlenbecken von Mons gewinnt an Ausdehnung. (S. Ausl.) * Die Verhandlungen imStr« ikin der B a u m- wollindustrie von Lancashire sind ohne Erfolg geblieben. (S. Ausl.) * Ein offiziöses türkisches Communique dementiert die Gerüchte von bevorstehenden Friede nsvcrhandlungcn zwischen Italien und der Türkei. (S. Ausl.) * Die Mächte haben die Bahnlinie von Peking nach der See besehen lassen. (Siehe bes. Art.) * Präsident Taft hat eine Proklamation unter zeichnet. nach der Neu mexiko als 17. Staat in die Union ausgenommen wird. * Eine Kältewelle fordert in Amerika viele Opfer an Menschenleben. (S. Tageschr.) Var üer Sntlcheiüung. Nur wenige Tage trennen uns vom Termin der Wahl. In allen Parteilagern rüstet man sich zum letzten Kampfe. Und nicht zum mindesten nimmt in unserem Leipzig der Wahlkampf an Intensität zu. Ist doch sogar die Sozialdenro- kratie von ihrer ursprünglichen Stellungnahme, den bürgcrliclzen Wahlversammlungen fern zu bleiben, abgekoinmen, um zu versuchen, ihr Ban ner wieder auf Leipzigs Türmest aufzuhisscn, das die einmütige nationale Begeisterung des Jahres lW7hinweggefegt hat; hoffentlich für alle Seiten! Und der pur oräro cku moukti den Leipziger Genossen von Frankfurt am Main hcrgesandtc Kandidat Herr Cohen zieht alle Register, um sein Spiel zum guten Ende zu führen. Zwar kann er nicht umhin, die Republik als jein politisches Ideal hinzustcllen. Immerhin schon ein starkes Stück, wenn man die zerrütteten politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse in dem republikanischen „fortschritt lichen" Frankreich und die Korrnvtion schlimmster Art im „freien" Amerika mit unserem „rückstän digen" geordneten, sozialpolitisch an der Spitze aller Kulturnationen marschierenden Deutschland vergleicht. Aber der sozialdemokratische Kandi dat flötet auch in den süßesten Tönen von seiner und seiner Genossen Vaterlandsliebe. Das ist ja alles nicht richtig, so hört man jetzt, daß die Sozialdemokratie erst im Sommer unserer ReichSrcgicrnng in ihrem schweren Mngcn mit dem Ausland in den Rücken gefallen ist und so Deutschlands Position zu schwächen versuchte. Und daß sich die Herren bei Angelegenheiten, die Deutschland mit irgendeiner außer-deutschen Macht auszukämvfen hat, immer von vornherein auf die Gegenseite stellen und deren Argumente verteidigen, wie cs noch Bebel am letzten Tage des verflossenen Reichstages in bezug auf die deutsch-englischen Differenzen im Sommer getan, das besteht natürlich nur in der Einbildung > der bürgerlichen Parteien! Aber gerade diese Taktik der Genossen, die sich mit einem Male so manierlich zu gebärden suchen, ist doppelt gefährlich; nebenbei gesagt auch gerade hier in Leipzig doppelt unehrlich. Denn gerade hier in Leipzig gießt das Organ der So zialdemokratie, die „Leipziger Volkszeitung", jahraus, jahrein täglich ihre Schmutzkübcl über alles, waS nur irgendwie vaterländischen Zwecken dient. Hier ist die Heimat der Ultraradikalen, die den großen Umsturz und die Revolution lieber heute als morgen nach Deutschlands Gauen ver pflanzen möchten, und die der Arbeiterbcvölke- rung systematisch die Freude an ihrem Vater lande vergiften und vergällen. Nein! wir müssen es entschieden ablehncn, der Sozialdemokratie, zu deren führenden Blättern eine „Leipziger Volkszeitung" gehört, vaterländische Gesinnung zuerkennen zu können. Aber jetzt, vor der Dahl sind den Genossen eben alle Mittel recht. Das Leipziger Bürgertum wird aber, so hoffen wir zuversichtlich, am kommenden Freitag die richtige Antwort auf die Sirenenklängc aus dem roten Lager geben. Den roten Feind nieder- zusammen und dafür zu sorgen, daß unser Leip zig weiter von einem bürgerlichen Kandidaten im Reichstag vertreten wird, das ist die unab weisbare Pflicht eines jeden nationalen Wählers. Wer sich dieser Pflicht entzieht, und aus Verärgerung oder gar aus Interesselosigkeit und Bequemlichkeit seiner 2-ahlpflicht nicht genügt, der begeht eine Sünde wider den heiligen Geist des Deutschtums, einen Verrat an seinem Vater lande ! —tk. Iunck unü Lohen. " Leipzig. 8. Januar. Der Kampf, der am Freitag durch das Erscheinen des nationalliberalen Reichsragskandidaten Justiz rat Dr. Iunck in der Versammlung seines sozial demokratischen Gegenkandidaten Kaufmann Lohen- Frankfurt in der Alberthalle des Kristallpalastes be gonnen hatte, wurde am gestrigen Sonntag in der von deir Nationalliberalcn einberufenen Wähler versammlung fortgesetzt. Der Tag ist von ganz be sonderer Bedeutung, insofern, als es der sozial demokratische Kandidat zum ersten Male während dieses Wahlkampfes gewagt hat, trotz des generellen Parteiverbotes in eine oon den bürgerlichen Parteien einberufene Versammlung zu gehen und dort seinen Standpunkt zu vertreten. Und nicht allein Cohen hat diesem Verbote zum Trotz in der Versammlung das Wort ergriffen, sondern auch ein sozialdemokra tischer Arbcitersekretär. Beide machten, assistiert von einem großen Aufgebot von Genossen, die den nötigen Resonanzboden abgeben mußten, von der freien Rede zeit ausgiebigen Gebrauch. Der Saal war dis auf den letzten Platz gefüllt und die Anwesenden harrten iy der großen Üeberzahl bis nach 1 Uhr nachmittags aus. Die Genossen nahmen die Gelegenheit wahr, öfters recht viel Tumult zu machen, so daß es ver schiedentlich unmöglich war, die Redner zu verstehen. Besonders störend wurde das Herumreichen van sozialdemokratischen Wahlplakaten empfunden, und zwar möchten wir ausdrücklich feststellen, daß diese Störung von dem sozialdemokratischen Tische ihren Ausgang nahm, oon dem aus später zur Ruhe ge mahnt wurde. Im übrigen war die lange Rede Lohens gestern auf einen viel milderen Ton abge stimmt «ffs am Freitag. Die Versammlung wurde pünktlich um 11 Uhr eröffnet und dem Referenten Iustizrit Dr. Iunck das Wort erteilt zu seinem Vorträge über das Thema? ,,Wo r um kämpfen wi r?" Der -Redner bekannte eingangs seiner Rede, daß die Versammlung am Freitag infolge ihrer Geschlossenheit aus ihn einen großen Eindruck gemacht habe, daß aber gerade darin die Gefährlichkeit Der Sozialdemokratie liege, deren Stimmcnzahl unter den etwa 12 Millionen Wählern des Reiches zirka 3 bis 1 Millionen ausmache, doch befänden sich allerdings unter diesen eine große Anzahl von Mitläufern, die jedenfalls auch bei dieser Wahl wieder sehr bedeutend sein werde. Dann beschäftigte sich der Redner mit der Wahlagitation, die leitens der rechtsstehenden bür gerlichen Parteien jetzt betrieben werde, und die in persönliche Angriffe aus seine Person ausgeartet sei. Er führte diese Angriffe in recht humoristischer Weise n<I nl^ui-clum. In diesem Wahlkampfe gäbe cs nur drei Möglichkeiten des Ergebnisses. Entweder cs siegt der sozialdemokratische Kandidat im ersten Wahlgange, oder er selbst siege auch gleich auf den ersten Streich, oder es komme zwischen ihm und seinem sozialdemokratischen Gegner zu einer Stichwahl. Deshalb schon sollten die bürgerlichen Parteien den jetzigen Mahlkampf doch mit möglichster Würde und Anstand führen, denn sie würden ja doch im Falle einer Stichwahl ihm seine Stimme geben müssen. Der Kampf von rechts suche die Vernichtung des Liberalismus, vor der er unbedingt warnen müsse. Das deutsche Volk würde durch diese Politik in das „rote Meer" geführt, und er müsse dabei an die Morte des Fürsten Bülow erinnern, der einmal ge sagt habe, es könne sehr leicht passieren, daß dem deut schen Volke der Moses fehlt, der es aus dem roten Meere herausführt. Der Redner besprach dann die Stichwahlparol« des Herrn von Heqdebrand mit ihren drei Fragen, zu denen er sich ausführlich äußerte. Zu der Verfassunas frage erklärte er, daß er sehr wohl für einen AuMäu der Verfassung zu haben sei, aber die nationalliberale Partei werde stets zu Kaiser und Reich halten. Auch sei er nicht, wie die zweite Frage dieser Stichwahlparole cs verlange, für jede Maßnahme gegen die Sozial demokratie zu haben, sondern nur für Maßnahmen, die der Würde des Reiches entsprechen. Die Landwirt schaft müsse geschützt werden, aber nicht in dem Sinne des Herrn von Heydebrand, der den lücken losen Zolltarif fordere. Zur Wahlparole des Reichskanzlers von Bethmann Hollweg übergehend, erklärte der Redner, mit ihr wohl einverstanden sein zu können. Zur Sozialpolitik sich äußernd, wie derholte der Redner das bereits am Freitag Aus gesprochene. daß es nämlich ein Triumph unserer Sozialpolitik sei, daß nunmehr auch das Ausland, insbesondere England, der unsrtgen nachfolgt. Zum Schlutz kommend, führte er aus, daß wir um den monarchischen Staat kämpfen gegen die Gegner, die daran rütteln wollen, ferner um eine maßvolle Sozialpolitik, um ein Wirt- schaftssystem, das nicht einzelnen Klassen des Volkes diene. Die Rede wurde mit großem Beifall aus genommen, dann erteilte der Versammlungsleiter dem sozialdemakeatischen Kandidaten Lohen das Wort zu seinen Ausführungen. Dieser befaßte sich eingangs zunächst mit wirtschaftspolitischen prägen, Die er als den Kernpunkt im politischen Kampfe bezeichnete, und zwar zunächst mit der Schutz zollpolitik, die sein Gegner aufrecht zu erhalten wünsche. Der Redner erging sich in historischen Be trachtungen. die seine Behauptungen beweisen sollten. Er habe persönlich nichts gegen Di. Iunck, müsse ihn aber für die Sünden der nationalliberalen Partei in vollem Umfange verantwortlich machen, wie er es auch bei ihm tue. Redner befaßte sich dann mit der Landwirtschaft, bekämpfte die Einfuhrscheinc und lobte di« sozialistische Freihandelsidec. Dann wankte sich der Redner zu der Lohnsraae; er bestritt ganz energisch die Richtigkeit der von Calwer ausgestellten Berechnungen, daß di« Löhne um 38 Prozent ge stiegen seien; es folgten die Verelendungstheorie und ras Wohnuugsclend. Die Sozialpolitik des Reiches suchte er dadurch zu bekämpfen, daß er ihr unehrliche Motive unterschob. Weiterhin bekannte er sich als Republikaner. Den Nationalkiberalen und Len Konservativen warf er Dann vor, sic hätten im Sommer die Absicht gehabt, Deutschland in einen Krieg zn stürzen.' Die Bestrebungen Der National liberalen, die Ministcrverantwortlichkeit einzusührcn. seien nicht ernst zu nehmen; sonst hätte Dr. Iunck als aufrechter Mann damals nicht zum Fürsten Bülow gehen dürfen. Zum Schluß kam Dann das fällige Loblied auf die Sozialtemokratie, in dem der Redner die Sozialdemokraten als Die Nachfolger der großen Philosophen feierte. Von fortwährenden Störungen unterbrochen, wies dann Rechtsanwalt Dr. Zöphel die Ausführungen des Vorredners zurück, war aber infolge der Unruhe schwer verständlich. Nach ihm sprach dann Fabrik besitzer Schubert-Chemnitz für den Deutschen Nationalverband. Es sprachen dann Seminardirek- tor Dr. Pabst, der erklärte, daß er oon der Agi tation der rechtsstehenden Parteien sehr enttäuscht gc wesen sei, da sie erstens nichts Neues vorgebracht hätten, unü zweitens sich in persönliche Angriffe gegen Dr. Iunck ergangen wären. Auch er trat für Dr. Iunck ein. Tischlermeister F i s ch e r wollte statt der vielen Reden Taten sehen, und erklärte, daß die Arbeiter, wenn sie Qualitätsarbeiten machen wollten, auch für eine richtige Lehrlingsausbildung sorgen sollten. Redner richtete an den Kandidaten die An frage, wie er sich stellen würde, wenn nicht er, sondern Wangemann in die Stichwahl mit Lohen käme. (Großes Gelächter.) Kaufmann Busch sprach für die Handlungsgehilfen, die cs ablehncn müßten, den Kaufmann Lohen zu wählen, da die Sozialdemokratie zuviel an ihnen gesündigt habe. Ebenso sei es mit Wangemann, der als Kandidat der Konservativen Antisemiten usw. für die Handlungsgehilfen nicht in Frage käme. ... . , < , Nach diesem Debatteredner ergriff noch einmal Ivstizrat Dr. Iunck das Wort zu längeren Ausführungen. Er lehnte eine Antwort auf die Frage des Tischlermeisters Fischer, die wohl nicht ernst gemeint sei, ab. Sich dann zu Cohen wendend, betonte er, daß man Cohens Aus führungen heute mit größerer Ruhe angehört habe, als ihm dies am Freitag in dessen Versammlung be- schicden gewesen sei. Nur einmal, als Lohen gc-pgert h^be, sich zur Republik zu bekennen, habe er ihn unterbrochen. Dann ging der Redner des näheren auf den Besuch bei Bülow «in und betonte, daß es ein hoher Grad subalterner Auffassung sei, wenn ein Politiker sich nicht mit einem Staatsmann unter vier Augen unterhalten dürfte. Unerhört sei cs, wenn man in der Aufforderung des ersten Staatsmannes zu einer Unterredung ihm etwas Verdächtigendes unter schieben wollte. Er hätte mit dem Fürsten Bülow über die Interpellationsanträge »nd über die Ministcrverantwortlichkeit gesprochen. In der ersteren Frage habe sich der Fürst zustimmend erklärt, sich aber der Ministerverantwortlichkeit gegenüber ab lehnend verhalten. Den Vorwurf mangelnder Energie seitens der Nationalliberalcn in der Ver- safsungsfrage müsse er zurückwcisen, es sei eben un möglich gewesen. Die Anträge im Plenum durchzu bringen, weil die Mehrheitsparteicn nicht mehr die selben gewesen seien, wie früher. Aber auf die An träge der Sozialdemokraten einzugehcn, die haben wollten, daß der Reichstag über Krieg und Frieden zu beschließen habe, sei doch unmöglich. Der sozial demokratische Kandidat hat nicht das rechte Empfinden für das deutsche Volk. (Bei diesen Wor- ten erhob sich ein großer Skandal. Rufe wie Ge meinheit, Frechheit. Pfui ertönten und währten mehrere Minuten lang.) In Fragen der Zoll politik nehme er naturgemäß eine ganz andere Stellung ein als Cohen, da er die Frage vom natio nalen Standpunkte aus betrachte, und darauf sei Cohen nicht eingegangen. Redner stellte dann fest, daß Cohen heute anders gesprochen habe als am Frei tag. er habe eben einen anderen Eindruck erwecken wollen. Zu dem philosophischen Exkurs Cöhcns am Schlüsse seiner Rede Übergeheno, erinnerte er daran, daß Fichte einst das Wort von der alles verzehren den Flamme der Lieb« zum Vaterland gesprochen habe; er müsse sich energisch dagegen verwahren, daß Fichte für die Sozialdemokratie in Anspruch genom men wird. (Tosender Beifall) Di« Sozialpolitik bezeichnete er als die beste Waffe für die Erhaltung des Staates, und daran werd« die sozialdemokratische Welle zerschellen. Diese Rede Iuncks wurde mit kaum cnüenwollen dem Bestall ausgenommen. Nach dem sozialdemo kratischen Arbeitersekretär Mylau «rhielt der sozialdemokratisch« Kaadidat Lohen noch einmal das Wort. Wenn Iunck erkläre, di« Landwirtschaft brauche den Zollschutz, so müsse er er klären, Laß ihn 80 Proz. der Bauern nicht brauchen. In bezug auf Marokko solle man uns doch nicht «in- reden, daß unsere nationale Ehre in Gefahr gewesen wäre. Die Zunahme der Sparkass«nguthab«n, die Iunck erwähnt hatte, wurden als schief dargcstellt be zeichnet. Er verwahrte sich dann persönlich «ntschie d«n gegen den Vorwurf des Mangels von nationaler Gesinnung; es gäbe auch keine Partei, die ihr Vater land so liebe, wie Die Sozialdemokratie, und sie wäre gern bereit, oas deutsche Vaterland zu verteidigen. Dann erhielt I u ft i z r a t D r. Iunck das Schlußwort, nachdem noch vorher kurz ein Redner her rechtsstehenden Parteien gesprochen harte, der eben falls es zurückwies, daß Pfarrer Wangemann ein Kandidat der Antffeinitc» sei. Dr. Iunck erklärte u. a., ihn habe das glühende Bekenntnis Cohens zur Llatcrlandsliebc erfreut, und er nähme an. daß es Cohen damit persönlich ernst sei; er hoffe, daß auch Cohens Parteifreunde dazukommcn möchten. Was die sozialdemokratische Sozialpolitik anlangc, so hätten die übertriebenen Forderungen der Partei dem deutschen Volke eine Mehrbelastung oon über zwei Milliarden gebracht, von denen über 70t> Millionen auf die Arbeiter gefallen wären. Wenn man auf sozialdemokratischer Seite sage, durch die Reichsvcr sicherungsordnung seien nur Bettelpfennige geboten worden, so müsse er sagen. Daß ihre Führer den Ar Leitern ja noch nicht einmal diese Bettelpfennige ge gönnt hätten, denn sonst hätten sie dieses (besetz wie die früheren nicht abgelehnt. Daraus wurde die Versammlung »m Uhr geschlossen. Lllffslüemokratilche Ssmpfesweile. (Von unserer Dresdener Redaktion.) Die Feiertage hatten auch hier eine kurze Pause in Der Fülle der einander jagenden Wahlvcrsamm' lungen cintretcn lassen. Nun ist der Wahlkampf wieder ini besten Gange. Charakteristisch für alle diese Versammlungen seitens der verschiedenen bürgerlichen Parteien ist das einmütige Vorgehen gegen Die Sozialdemokratie, deren wahres Angesicht rücksichtslose Kennzeichnung findet. Und diese erfreuliche Einigkeit haben die Herren Genossen Dankenswerterweise selbst init ver anlaßt. Es bedurfte hierzu keiner besonderen Mittel. Die Siegcsfanfaren, die die sozialistischen Blätter und speziell di« „Volkszeitung" gerade während dieses Wahlkampfes täglich anstimmt, Haden doch vielen zu denken gegeben, die sich bisher noch im Stadium der Unschlüssigkeit befanden. Die Teilnahme an den Wahlversammlungen seitens der Bürger- und Wähler schaft ist eine erfreulich allgemeine. Dadurch war es^ ermöglicht, daß der üble Eindruck, den die hoch» tönenden, von allen , möglichen utopistischen Ver sprechungen für den „kleinen Mann" gewürzten Phrasen der sozialdemokratischen Wahlagitatoren hinterlassen mußten, auch Eingang sand in Kreisen und Familien, denen infolge bisher mangelnden Interesses diese Erkenntnis versagt blieb. Hierzu kommr, daß die Art uns Weise, wie die sozialistischen Agitatoren den Wahlkampf hier und da durchführen möchten, mit Ausnahme bei den „Ucber- zcugten", allgemeinen Widerwillen erregt. So wird u. a. von einer Wahlversammlung, die der Kandidat der Fortschrittlichen Volkspartci Dr. Kloeppel in Altkaditz abhiclt, folgendes berichtet: „Eine größere Anzahl sozialdemokratischer Arbeiter, die gehorsam dem Partcigebot der Versammlung fcrngcbliebcn waren, hatten sich vor dem Gasthof ausgestellt und erwarteten hier den Kandidaten Dr. Kloeppel. Als er erschien, formierten sie einen Trupp und begleiteten ihn. abwechselnd sozialdemokratische Lieder singend und Stichelrcden führend. Als einer der Männer den Kandidaten am Arm ergriff, bedeutete ihm dieser: Sagen könne jeder, was er wolle, aber angrcifen lasse er sich nicht, woraus aus den Reihen der „Zielbewussten" das Kommando kam: „Nicht angreifcn, loslassen." Diese Leibtruppc marschierte bis Pieschen mit." Und da hatten noch vor kurzer Zeit im Landtag sozialistische Volksvertreter den Akut, anläßlich der Debatte über de» Terrorismus der sozialdemokrati jchcn Partei Andersgesinnten gegenüber in Worten größter Entrüstung von Lüge und Verleumdung zu sprechen. Diese und ähnliche Vorgänge haben natürlich auch hier nicht verfehlt, Eindruck zu machen, uno cs kann nicht genug Gelegenheit genommen werde», gerade jetzt aus ein solches Gebaren diejenigen Kreise auf merksam zu machen, die immer noch von dieser Partei alles Gute erhoffen. Auf der anderen Seite genügt ein Blick in das führende Organ der sächsischen Sozialdemokratie, um täglich von neuem den Tiefstand konstatieren zu müssen, der auch die schriftliche Kampfesweisc dieser Partei kennzeichnet. In einer Stadtoerordnctensitzung vom 28. De zember v. I. war es zu einem Zwischenfall gekommen anläßlich eines Antrags auf Schluß der De batte, als sich ebeu noch ein sozialdemokratischer Redner zum Wort gemeldet hatte. Die Genossen bc schuldigten den Vorsitzenden und die anderen Parteien mit diesen Schlußanträgen ziclbewußt und absichtlich die Redefreiheit der sozialdemokratischen Mitglieder des Kollegiums beschränken zu wollen. Auf einen Ordnungsruf des Vorsitzenden riefen mehrere sozial demokratische Stadtverordnete: Wir pfeifen auf Ihren Ordn ungs «ruf! Ist dieser Vorgang an und für sich schon bezeich nend, so übertrifft ein Kommentar des hiesigen So zialistenblattes zu demselben wohl alles, was man in den letzten Tagen an Beweisen von Ungezogenheit und Pöbelhaftigkeit in seinen Spalten zu finden ge wohnt war. Die „Dresdner Volkszeitung" schreibt nämlich: „Wenn ein Forterrier eine Ratte jagt und sic totbeißt, so schüttelt er sich darauf beim Anblick der toten Ratte vor innerem Ekel. Wenn man die Hand lungsweise des Dr. Graupncr (Stadto. Dr. Graupner Nationale Wähler tat eure Wicht am 12. Januar!
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