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Freiberger Anzeiger dm bis Nachmittag» z Uhr sllr die nächst» Uliv «ichemmde Nummer . AI — — — — - " . 176. Sonnabend, den I. August. Preis vierteljährlich 15 Ngr. Inserate werbe« di« gespaltene Zeile ad» bereu Raum mit 5 , berechne». ' - - 5. i. -uil 1857. Das Verfahren bei Landtagsabgeordnetenwahlen, mit besonderer Rücksicht auf Freiberg. Es herrschen nicht leicht über einen Gegenstand des öffentli chen Lebens so vielfache irrige Auffassungen und Ansichten, als über das bei Landtagsabgeordnetenwahlen einzuhaltende Ver- fahren, wie man sich tagtäglich davon überzeugen kann. Bei der Seltenheit von dergleichen Wahlen und da die des falls zu beobachtenden Grundsätze und Gesetzesbestimmungen ziemlich verwickelt sind und zerstreut auseinander liegen, mag man diese auffallende Erscheinung wohl erklärlich finden; aber eS dürste darnm auch wünschenswcrth und mindestens nicht über flüssig erscheinen, über das Verfahren bei solchen Wahlen und die dabei geltenden, bei Vielen in Vergessenheit gerathenen Ge- setzesvorschriften folgende kurze Erläuterungen und Andeutungen zu geben und auf diese Weise vielleicht in Etwas zur Wieder aufhellung jener Dunkel beizutragen. Die Wahl städtischer Abgeordneten — von denen hier allein die Rede sein soll — erfolgt bekanntlich seit Wiederauf hebung des provisorischen Wahlgesetzes vom 15. November 1848 nicht unmittelbar durch die Urwähler, sondern, und zwar vor nehmlich nach den Vorschriften des mittelst Gesetzes vom 15. August 1850 wiederum in Kraft getretenen Wahlgesetzes vom 24. September 1831, durch Vermittelung von Wahl mann crn, gleichwie die Wahlen der hiesigen städtischen Ge- mcindevertreter, nur daß bei einer Abgeordnetenwahl die Wahl- männcr der sämmtlichcn zu einem Wahlbezirke geschlagenen Städte mitwirken. Es muß daher vornächst zwischen den Stimmberechtigten im Allgemeinen, denen die Er nennung der Wahlmänner obliegt und denjenigen von ihnen, welche zu Wahlmännern gewählt zu werden fähig, und denen, welche zu Abgeordneten wählbar find, unterschie den werden, und in diese drei Categoricn zerfallen auch die auf- zusicllcnden Listen, von denen jedoch behufs der für hiesige Stadt zu ernennenden Wahlmänner zur Zeit nur die Liste der sämmtlichen Stimmberechtigten einschließlich der von ihnen zu Wahlmännern Befähigten, deren Namen die erste Abtheilung dieser Liste ausmacht, öffentlich aushängt. Die mit den Stimm zetteln an sämmtliche Urwähler vertheilte Liste enthält blos die Namen derjenigen Stimmberechtigten, welche auch zu Wahl- männern befähigt sind. 1) Zur Stimmberechtigung im Allgemeinen, d. i. um bei der Wahl der Wahlmänncr eine Stimme abgeben zu können, ist vor Allem Ansässigkeit ohne Rücksicht auf einen bestimmten Census oder Grundstcucrbctrag, demnächst die Er- Mung des 25. Lebensjahres, Dispositionsfähigkeit und der Besitz der bürgerlichen Ehrenrechte erforderlich. In der Stadt Freiberg sind für die bevorstehende Landtagswahl überhaupt 770 Stimmberechtigte — einschließlich der zu Wahlmännern Befähigten — in die Liste anfzunehmen gewesen. 2) Die Eigenschaft eines Wahtmanneß wird durch Ansässigkeit mie einem Wohnhaufe, ohne Rücksicht auf die Dauer der Besitzzeit, und durch Entrichtung einer wenigstens 10 Thlr. jährlich betragenden Grundsteucrabgabe begründet- Von den j hiesigen 770 Stimmberechtigten sind nur 109 dazu befähigte Personen vorhanden, und da auf jeden Wahlmann, deren Frei berg 30 zu wählen hat, wenigstens 5 dazu Wählbare kommen, mithin, ungerechnet der Mitglieder Les Stadtrathes und der Stadtverordneten, 150 Wählbare vorhanden sein sollen, so ist die Zahl von 109 noch um 41 aus der Reihe der übrigen, zu nächst höchstbesteuerten Stimmberechtigten zu ergänzen gewesen. Daraus erklärt es sich, daß auch solche Stimmberechtigte, welche den eigentlich vorgeschriebenen Census nicht ganz erreichen, in dem mit den Stimmzetteln vertheilten Verzeichnisse der zu Wahl männern Wählbaren sich befinden, da, um die Zahl von 15V dergleichen zu erlangen, bis auf den jährlichen Grundsteuersatz von 8 Thlr. 1 Ngr. 9 Pf. jährlich herabzugehen war. Unter diesen 150 zählen aber diejenigen Mitglieder deS Stadtrathes und der Stadtverordneten, die ohne ansässig zu sein und den Grund» steuerccnsus zu haben, ebenfalls dazu wählbar sind und deren es jetzt 17 hier giebt, nicht mit, daher es kommt, daß mit deren Hinzurechnung die Zahl der Wahlmännerbesähigten allhier über haupt auf 167 sich beläuft. Die Zahl der zu ernennenden 30 Wahlmänner wird da durch gefunden, daß man mit 25 in die Zahl der vorhandenen 770 Stimmberechtigten dividirt. Das Theilergebniß, wobei der Ueberschuß unter 25 nicht zu rechnen ist, ist eben jene Zahl. Die Aufgabe der Wahlmänner endlich besteht selbstverständ lich darin, daß sie im Vereine mit den Wahlmännern der übri gen zum 8. städtischen Wahlbezirke gehörigen Städte die Abge ordneten in dem vom Königlichen Commissar zu bestimmenden Termin und unter dessen Leitung wählen. 3) Die Wählbarkeit zum Abgeordneten setzt außer dem Vorhandensein der allgemeinen Eigenschaften der Stimmberechtigung ein Alter'von 30 Jahren, dreijährigen und fortdauernden Besitz mit einem im städtischen Weichbild« gelegenen Hause und die Abentrichtung von mindestens 10 Tha lern jährlicher Grundsteuer voraus. Es sind daher nicht unbe dingt alle zu Wahlmännern Wählbare auch als Abgeordnete wählbar. Außerdem sind aber auch noch Diejenigen berechtigt, in die Liste der zu Abgeordneten Wählbaren ausgenommen zu werden, welche, obgleich sie unansässig oder zwar ansässig sind, aber nicht 10 Thlr. jährliche Grundsteuer entrichten, entweder ein Vermögen von 6000 Thlrn. besitzen, oder ein sicheres Einkom men von 400 Thlrn. jährlich haben, oder — in Mittlern Städten — 20 Thlr. direkter Real- und Personalabgaben zahlen und dabei das Bürgerrecht in der Stadt besitzen, wenn sie dies auf die erlassene öffentliche Aufforderung rechtzeitig beantrage« und dabei den Besitz der nurerwähnten Eigenschaften genügend nachweisen. : < Die Mitglieder des Stadtrathes und des Stadtverordneten» collegium sind ohne Rücksicht auf Ansässigkeit und Census ebenste zu Abgeordneten, wie zu Wahlmännern wählbar. Die Zusammenstellung der zu Abgeordneten Wählbaren aus den sämmtlichen zum Wahlbezirke gehörenden Städten in einer Hauptliste erfolgt auf Grund der von den einzelnen Obrig keiten der betheiligten Städte angefertigten Verzeichnisse Seiten des Königlichen Wahlcommissars und gelangt diese Liste zugleich mit der über die sämmtlichen Wahlmänner des Bezirks ebenfalls noch vor dem Termine der Abgeordnetenwahl durch Aushängen zur öffentlichen Kenntniß. Mögen diese flüchtigen Bemerkungen dazu dienen, die we gen den Landtagöabgeordnetenwahlen bestehenden Grundsätze und Bestimmungen wiederum einmal in frische Erinnerung zu bringen und zur Beförderung der bevorstehenden Wahl beitragen.