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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 19.06.1912
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1912-06-19
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19120619020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1912061902
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1912061902
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1912
-
Monat
1912-06
- Tag 1912-06-19
-
Monat
1912-06
-
Jahr
1912
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Die vorliegende Ausgabe umfaßt 10 Seiten. Vas Wichtigste. * Die Vereinigung der eingeschrie benen Seeleute in Marseille sprach sich sür den Generalstreik aus. (S. Ausl.) * Der Kaiser brachte bei dem Festbankett des Norddeutschen Rcgattavereins in Auxhaven einen Trinkspruch auf die Stadt .Hamburg aus. (S. des. Art.) * Freiherr v. Marschall wurde am Dienstag in London von Sir Edward Grey empfangen. (S. Letzte Dep .) von üerSlelerZulriläumsmoche Nach der Rückkehr von der Regatta begab sich der Kaiser am Dienstagabend gegen 7^2 Uhr mit dem Dampfer „Willkommen" an Bord des Dampfers der Hamburg-Amerika-Linie „Viktoria Luise", wo das Diner stattfand. Hierbei sagen rechts vom Kaiser der Bürgermeister Dr. Bur- chard und Prinz Eitet Friedrich, links Generaldirektor Ball in und dem Kaiser gogen- übrr Max Schinckcl. Während des Mahles hielt Bürgermeister Dr. Burchard folgende Rede: Euere Kaiserliche Majestät! Im Juni des Jahres 1897 ist Eurer Majestät Jacht „Meteor" zum ersten Male auf der Untcrelbe erschienen, um an der Segelwcttsahrt des Norddeut schen Regatta-Vereins teilzuncymen. Seitdem ist ein halbes Menschenalter vergangen, und in dieser langen Zeit hat sich Eurer Majestät Jacht, von einer Aus nahme abgesehen, in der Elbmündung alljährlich ein- gefundcp. Dem „Meteor" des Jahres 1897 folgte inl Jahre 1962 der aus amerilanijcher Werft gebaute Schonerkreuzrr gleichen Namens, und sieben Jahre später die prächtige Jacht, die auch heute wieder am Wettkampfe teilgenommen hat. Und wir sind dankbar, daß Eure Majestät dem Norddeutschen Rcgotta-Verein heut« zum 13. Male die Ehre er wiesen haben, nach beendeter Segelfahrt im W- lichen Kreise feiner Mitglieder zu erscheinen. Wie ost hat der langjährige Vorsitzende des Norddeut schen Regatta-Vereins Adolph Burmcster, dessen Hinscheiden wir beklagen und dem wir ein ehren volles Andenken stels bewahren werden, der Anwesen heit Eurer Kaiserlichen Majestät mit uns von ganzem -Herzen sich erfreut! Es ist vielleicht von Interesse, in diesem Zusammenhänge daran zu erinnern, daß im Jahre 1963 der Hanwnrgisck)e Verein Seefahrt, der mit Srolz Eure kaiserliche Majestät zu seinen Mitgliedern zählt, ins Leben getreten, und daß im Jun: des genannten Jahres am Start seine Jacht Hamburg erschienen ist, die nun so manches Jahr schon Wind uno Wellen Trotz geboten, im Mai 1905 im internationalen Wettkampfe auf der Fahrt über den Ozean fick rühmlich bewährt und auch heute, obgleich wohl betagt, now nicht darauf verzichtet hat, mit jüngeren leicht beschwingten Jachten sich zu messen. Eure Majestät haben vor lurzem in feier licher Handlung dein neuen gewaltigen Schiffe der Hamburg-Amerika-Linie den Namen „Impera tor" beigelegt und in diesem Namen eine Gedanken welt vor uns erstehen lassen, die wohl geeignet scheint, Schöpfungen und Persönlichkeiten aus längst entschwundener Zeit mit neuem Leben zu erfüllen und zugleich der deutschen politischen Ge- aenwart einen farbigen, glänzenden, zukunftreick-cn Inhalt zu verleihen. Eure Majestät sind nicht und wollen nicht sein ein Imperator im Sinne des Ratschlags ckivicke st irnpsrs, sondern im Sinne tatkräftiger Zusammenfassung der vielgestaltigen reichen deutschen Bolkskraft zu einem Deutschtum, das stolz und selbstbewutzt den Platz einnimmt, zu dem es sich befähigt weiß, und eigene Rechte sich bestimmt, dabei aber mit den anderen Na- tionen in voller Anerkennung ihrer Gleichberech tigung und ihres Selbstbestimmungs rechtes in Frieden und Freundschaft leben möchte. Freiheit des Wettbewerbs auf dem Laude, auf dem Wasser, in den Lüften: Wir verlangen sie für uns, wie wir sie keiner anderen Macht beschränken. 8uum cuigue. So denkt mit Eurer Majestät das deutsche Volk, so nicht zum wenigsten das Bürger- tum in den Hansestädten, die schon, als sie noch freie Reichsstädte waren, als kaisertreu sich alle Zeit bewährten. Ein so feiner Kenner deutscher Geschichtsentwicklung, wie der Engländer James Brhce, erklärt in seinem Buche kks kolv koman Empire, daß im alten Reiche die Reichsstädte das festeste Bollwerk kaiserlicher Autorität hätten wer- den können. In dieser Beziehung wird es inter- essieren, daß, wie ein deutscher Historiker mitteilt, die reichsstädtischen deutschen Kaufleute in Flau- dern, obwohl um seinen Außenhandel da« Reich jick, wenig kümmerte, ihre Zugehörigkeit zum Reickse gern betonten: verhalf sie ihnen doch zu besonderem Ansehen, so daß sie in Brügge als pr-ttni inbsr pures gelten konnten. Und noch ein kurzer Rückblick! Im sechzehnten Jahrhundert, so berichtet derselbe Gewährsmann, wurden in den Niederlanden die deutschen Kaufleute, mochten sie den deutschen See- städtcn entstammen oder sonst irgendwie den Zug zum Meere spüren, als Seedeutsche den Hochdeutschen gegenübcrgestcllt. Heute sind alle Deutsche in gewissem Sinne Seedeutsche. Denn alle sind meeressroh und flottenfroh und froh des deutschen Kolonialbesitzes. Und heute gelten unserem Außen- handel in besonderem Maße die Sorge und Für sorge des geeinten Reiches und das lebhafte Inter esse Eurer Majestät. Euere Kaiserliche Majestät wissen längst, daß in Hamburg, der alten Reichs- und Hansestadt, dem jetzigen deutschen Bundesstaate, die alte Kaisertreue lebendig ist. Des zum erneuten Zeugnis erheben wir die Gläser und rufen: Es lebe der Kaiser, Seine Majestät Kaiser Wilhelm. II. lebe hoch! Hierauf antwortete Kaiser Wilhelm mit folgendem Trinkspruch: Euere Magnifizenz wollen mir einige Worte des Dankes ge statten für die patriotisch von Flammen durch glüht«, mit oratorischem Schwung oorgetragene Red«, die, wie ich fest überzeugt bin, alle hier Ver sammelten mit sich fortgerissen hat. Wir ersahen aus der Skizze, die Euere Magnifizenz entworfen haben, wie doch in allen Jahrhunderten die Ge schichte unseres Reiches und Volkes, ob wohl im allgemeinen eines kontinentalen, doch immerhin mit dem Meere und dem Wasser in Verbindung gestanden hat und mehr oder weniger davon beeinflußt gewesen ist, bloß, wie hervorgehoben, fohlte es an der Zu sammenfassung der Kräfte. Die ebenso inter essante wie schöne und eine Zeitlang gewaltige Blüte der Hansa mußte vergehen, weil ihr der Rückhalt der kaiserlichen Reichsge walt fehlte. Durch die Schöpfung des Reiches unter meinem Großvater ist es anders geworden und nunmehr kann der deutsche Kaufmann nicht unter fremder, sondern unter eigener Flagge ruhig seinen Weg ziehen. Er kann alle seine Fähig- koiten anspannen und ist sicher, daß, wo es nötig ist, des Reiches Schutz hinter ihm steht. Das ist nur möglich, wenn alle Kräfte unter unserer deutschen Flagge zufammengefaßt werden, aber wie Sie alle wissen, meine Herren, die Flagge muß in Ehren wehen und darf nicht leichtsinnig ihr Tuch in den Winden entfaltet werden; und nicht leichtsinnig darf sie auf gepflanzt werden wo man nicht sicher ist, sie ver teidigen zu können. Sie werden es verstehen, warum ich Zurückhaltung geübt habe in der Aus breitung der deutschen Flagge, wo sie vielleicht von manchem gewünscht und ersehnt war. Ich habe mich von einem alten hanseatischen Grundsatz leiten lassen und der steht in marki gen Lettern am Rathause zu Lübeck: „Das Fähn lein ist leicht an die Stange gebunden, aber es kostet viel, es mit Ehren wieder herunterzuholen." Nun, meine Herren, ich glaube das wohl vindi- zieren zu können, daß bisher der Ehre unserer Flagge noch niemand zunahe getreten ist, so lange wie ich regiere. Dafür kann ich mich einsetzen und dafür kann ich stehen. Da, wo Sie voran gehen, da wird meine Flagge Ihnen folgen. (Bravo?) Das ist so im großen und im kleinen; ein jeder bindet des Morgens seine Flagge an den Stock und hofft zu siegen; das gelingt nicht jedem. Trotzdem freuen wir uns, daß der heutige Tag der Ekbregatta nicht nur deutsche, sondern auch viele Fahrzeuge eines verwandten und befreunde ten Volkes herbeigeführt und das Bild zu einem farbenreichen gemacht hat. Darum wollen wir uns freuen und ich spreche hier wiederum von ganzem Herzen meine Hoffnung aus, daß der Segel sport und der Wassersport auf der Elbe und der Ostsee im Binnenlande wie auf dem Meere blühen und gedeihen möge. Wir aber, die wir hier versammelt sind unter der Flagge Ham burgs, auf dem schönen Schiff der Hamburg- Amerika-Linie, erheben unsere Gläser und trinken auf das Wohl der Stadt Hamburg und aller Segler, die hier versammelt sind. Die Stadt Ham burg Hurra, Hurra, Hurra!" Nach der Tafel hielt der Kaiser noch längere Zeit Cercle und begab sich dann aus die „Hohen- zollern" zurück, die heute früh um 6 Uhr durch den 106. Zslllgsng. Kaiser-Wilhelm-Kanal nach Kiel gegangen ist, wo die Kieler Jubiläumswoche beginnt. Das MchMche Lanües-Gelmiü- heitssmt. Das am 1. Juni 1912 durch Verschmelzung des Landesmedizinallollegiums und der Kommission sür das Vetermärwesen geschaffene Kal. Sachs. Lanoes- gesunöheitsaml hielt kürzlich in Dresden eine erste feierliche Gesamt,itzung ab. Neben 20 ordentlichen Mitgliedern aller orei Ab teilungen des Amtes (der ärztlichen, der Velerinär- un. der Abteilung für pharmazeutische und Apo- thererangclegenhcitenj hatten sich Vertreter aller Ministerien, an ihrer Spitze der Minister des Innern Graf Vitzthum o. Eckstädt uno Ministeriakoirekror Geheimer Nat Dr. Rumpelt, ferner als Vertreter oer medizinischen Fakultät der Lanoesuniversität deren Dekan Geh. Medizinalrat Prof. Dr. Hoffmann und als solcher der Tierärztlichen Hochschule zu Dres den Geh. Medizinalrat Prof. Dr. Müller, Prorektor, nebst den drei Ehrenmitgliedern des Gesundheits amtes, Wirk!. Geheimen Rat Prof. Dr. Fiedler, Ge heimen Rat Dr. Weber uno Geheimen Rat Professor Dr. Ellenberger, Rektor der Tierärztlichen Hochschule, eingefunden. Nachdem der Präsident des Lancesgesundheits- amtes Geheimer Rat Prof. Dr. Renk die Herren Ver- ' treter unter Ausdruck des Dankes für ihr Erscheinen willkomnren geheißen hatte, begrüßte Graf Vitzthum das Landesgesunbheitsamt, nachdem es mit Ge nehmigung des Königs erlichtet worden sei, im Namen des Ministeriums des Innern, indem er etwa folgendes ausführte: „Das neue Amt ist hervorgegangen aus einer Vereinguntz zweier Körperschaften, die jahrM-nte- lang im Dienst« unseres Vaterlandes und ferner Re gierung mit Auszeichnung gewirkt haben: des Lan- desmebrzinalkollegiums, das im Zusammenhang« mit der Aufhcbug d«r chirurgisch-medizinischen Ataocmie zu Dresden durch Allerhöchste Verordnung vom 12. April 1865 ins Lebe gerufen wurde, und der Kommission für da? Veterinärroejen, die bereits im Jahre 18ö6 begründet, durch di« Verordnung vom 23. Mürz 1903'mit Allerhöchster Genehmigung eine wesentlicye Umgestaltung erfahren hat. Hatte sich das Landesmedrzrnalkoltegium hiernach seine alte, ehrwürdige, aber im wesentlichen streng exklusive Ver fassung von 1805 bewahrt, so stano die Kommission für das Vetcrinärwesen bereits auf veränderten, mo dernen Grundlagen und im unmittelbaren lebendigen Verkehr mit den an ihren Arbeiten beteiligten Er- werbskreiien. Aber trotz dieser Verschiedenheit hat doch die Tätigkeit beider Körperschaften bisher das Vertrauen und die Anerkennung der Ministerien stets in vollstem Maße verdient und besessen, und es war kein Mangel in dieser Beziehung, kein Gefühl der Unzulänglichkeit, was uns zu der neuen Regelung veranlaßt hat, sondern lediglich die Erkenntnis, da» wir die forrwährend wachsenden Geschäfte erleichtern und vereinfachen und für oie gesamte öffentliche Ge sundheitspflege noch höhere Wirkungen erzielen können, wenn wir die vorhandenen Kräfte noch mehr als bisher zusammenfassen und bas neue Ami noch unmittelbarer in das praktische Leben hineinstellen. Dor allem handelt es sich darum, die Humanmedizin und die Veterinärwissenschaft miteinander und mit oer Apothekerwissenschaft endlich, wenn auch in ge- Der bist km? Roman von Marie Diers. „Aber weißt du denn das nicht?" Jetzt fuhr doch etwas wie Beschämung über Ottos Gesicht. „Nein, ich weiß nichts. Korrespondenz — das heißt also: du hast ihn angebettelt, und er hat dich vielleicht unterstützt?" „Nu, ganz minimal. Damit nehme ich euch und euren Sprösslingen keine Krumen vom Tisch. Ueber- haupt, deine Ausdruckswcise, Marianne — ich muß gestehen — „angebettclt" — du hast dir feine Be zeichnungen angewohnt, seit Mama nicht mehr bei uns sst." „Ach, laß doch unsere Mutter aus dem Spiel!" rief sie empört und verächtlich. Ihr Stolz wand sich wie unter Fußtritten. Das mußte nun doch kommen! Mit diesem Bruder mußte sie Wolf zur Last fallen! „Bleibe hier einstweilen", sagte sie. Er hatte sich an den Eßtisch gesetzt, sie holte ihm eine Flasche Wein herbei und Zigarren. „Ich gehe jetzt erst zu Wolf und rede mit ihm." Er sah sie plötzlich ganz kläglich an wie ein Junge, der sich vor Prügel fürchtet. „Ich tonnte doch nicht anders, Ma, und ich will hier doch auch gern arbeiten." Drüben waren noch Patienten bei ihrem Mann. Sie mußte warten in einem kleinen Earderobenraum neben seinem Zimmer. Sie stand am Fenster und sah auf die sonnige Straße, ihr Herz klopfte wild und aufrührerisch. Das war der einzige männliche Sproß ihrer Familie, den sie Wolf zeigen konnte! Aber es war ihm ja nichts Neues! Ohne ihr etwas zu sagen, hatte er ihn schon lange unterstützt. Und sie hatte sich gefreut und gewundert, daß Otto seit der Mutter Tod wirklich selbständig geworden zu sein schien. Schwere Schritte verließen von der anderen Seite da- Sprechzimmer. Sic lauschte, es kam niemand wieder herein, leise klopfte sie an. „Bist du's, Ma? Bitte!" Blaß und aufgeregt stand sie vor ihm. Ihre Hände, die in nervöser Spielerei ein kleines Instru ment vom Tisch nahmen und heruwdrchtcn, flogen ihr. „Wolf — mein Bruder Otto ist drüben!" „Weiter nichts?" Er lächelt«. „Das regt dich so auf?" „Ja! Und von dir hat er — du hast ihm — ach, ich mag's kaum sagen." „Er ist ein Esel, dich mit solchen Dingen zu beun ruhigen", sagte Wolf gelassen. „Aber was soll jetzt aus ihm werden?" „Kommt er, mich danach zu fragen?" „Ja, ich glaube." „Ma —", sagte er, er stand auf und faßte ihre beiden Hände. „Wie du dastehst, ein Bild der Ver zweiflung, schreien mich förmlich deine Augen an: identifiziere mich nicht mit diesem Bruder! Habe ich je daran gedacht? Ist denn der Bau unseres Daseins ,o lose gegründet, daß solch Schlingelchen etwas daran einstoßcn könnte? Geh, Kind, wappne dich mit Humor und Güte und mache dir klar, daß dieser Bruder Otto mit einem Manko in seinem armen Kopf geboren ist. Und daß, wenn wir hunderttausend Menschen mit dem gleichen Manko vielleicht mit den Füßen fortstoben, wir doch gegen diesen Verpflich tungen haben um deiner toten, prachtvollen Mutter halber. Und daß einem Menschen wie deinem Mann zuzeiten solche kleine Lasten ganz gut sind, wie dem Weinstock der Schnitt. So, Schluß, da trampeln schon wieder beschnittene Weinstöcke." Er küßte sie lachend auf die Stirn und ließ sie gehen. Im engen Garderobenraum, zwischen Mänteln und Röcken blieb sie stehen, hielt die Hände vor ihr glühendes Gesicht. Er war der Größte und der Beste! Sie aber war kleingläubig gewesen und töricht in ihrem verkehrten, einfältigen Stolz. Als sie wieder zu ihrem ängstlich wartenden Bruder trat, bekam er diesmal ein ganz anderes Gesicht. — „Hat er denn heile Stiefel an?" fragte Wolf, als er Marianne im Flur antraf, ehe er drüben eintrat. „O ja. Er sieht äußerlich nicht reduziert aus. Nur sein Gesicht ist so schlaff und unruhig. O Wolf —", und sie warf sich in sein« Arm« —, „du bist gut! Du bist besser als ich!" Er machte sich los, als quäle ihn dieser ungewohnt« Ausbruch. „Ach gut!" sagte er. „Das ist schrecklich relativ, liebe Ma. Ich bin ein Egoist wie wir alle, zur Not noch ein größerer." Sie stand und iah ihm nach. Wieder wollte das alte, grausame, fremde Gefühl sie überfallen. Wieder stand sie wie vor oerschlossenen Türen. Warum wehrte er sie ab? War ihr kleiner, schüchterner Dank ihm schon zu viel? War sie nur so klein und schwach, daß sie an ihn nicht heranreichte mit ihrem Begreifen — oder — kannte sie ihn überhaupt noch nicht? Otto bekam durch Wolfs Vermittlung eine An stellung auf dem Neuenholzer Landgericht. Sein kleines Gehalt mußte er aber fast gänzlich an Marianne für den Mittagstisch und das Zimmer abgeben, das er dort bewohnte. Wolf sorgte außerdem für seinen An zug. So blieb ihm nur ein gar kleines Taschengeld, mit dem er beim besten Willen nicht viel anfangen konnte. Er war weder dumm noch ungewandt, noch hatte er seine juristischen Kenntnisse vergessen. Das er kannte man auch sogleich bei dem Landgericht. Aber man mußte dem Sechsundzwanzigjährigen die Zügel anziehen wie einem ungebärdigen Quintaner. Händel mit den Mädels, mit Verkäuferinnen und Näherinnen, ja einmal sogar mit einer kleinen, tollen Suse aus der ersten Klasse der städtischen höheren Töchterschule, waren an der Tagesordnung. Aller hand Rempeleien mit Kommis oder gar recht un sauberem Gelichter beim Abendschoppen tauchten auch auf, ehe man es sich versah. Er war immerhin ein hübscher Kerl mit schneidigen Allüren und dieser seiner Vorzüge sich bis ins Maßlose bewußt. Für gewisse Familien in der Stadt, die sich an dem abgeschlossenen Wesen der jungen Frau Doktor Eggers ärgerten, war dieser liederliche Bruder, oer ihrem Familiennamen wenig Ehre machte, eine stille Genugtuung. „Da kann man's schon sehen —", hieß es dann, geheimnisvoll und tiefsinnig. Wolf suchte dem haltlosen Jungen nicht mit Pauken und guten Ratschlägen beizukomme», sondern mit einer beständigen strengen Zucht. Blieb er ihm zu lange fort, so holte er ihn selbst aus der Kneipe ab, zwang ihn auch, die Abende in der Familie zu zubringen. Er, der selbst vor kurzer Zeit noch der wilde Wolf geheißen war, machte sich zum konsequen ten Mentor eines renitenten Durchgängers. Denn Otto Wedel dachte nicht daran, seinem Schwager für dessen Mühe dankbar zu sein. Er hatte auch nicht den geringsten guten Willen, dieser Arbeit an ihm entgegen,zukommen. Wolf, der von Natur und durch sein«« Beruf gewöhnt war, oftmals frem den Willen durch den seinen zu überwältigen, hatte eine bestimmte äußerliche Macht über ihn, eine Art brutalen Tierbändigertums, das an der durch und durch verdorbenen und verlotterten Natur des Jüng lings gar nichts mehr ändern konnte. Marianne sah und fühlte dies tagtäglich. Sie war Wolf unbegrenzt dankbar, aber dabei verstand sie ihn nicht, daoei blieb ihr ein sonderbares quäle risches Gefühl zurück, als übertreibe er hier seine Mühe, als verschwende er sie planlos und zwecklos. Die Abende, die sie so sehr geliebt hatte, waren durch Ottos Gegenwart gänzlich verwandelt. Wenig stens für sie. Sie fragte sich oft: Wie war es denn früher? Hat Wolf sich mehr mit mir beschäftigt? Nimmt er denn so sehr viel Rücksicht darauf, daß Otto jetzt dabei ist? Sie mußte es verneinen. Er hatte damals viel gelesen, und was er zu ihr gesprochen hatte, konnte er am Ende auch heute noch sprechen und tat es wohl auch. Aber für sie — für sie war der Schimmer gewichen. Wie sie sicki darüber Vorwürfe machte! Aber doch schon die Mutter hatte immer gesagt: Ein mechani sches Tyrannisieren von Otto nützt nichts. Es ver bittert ihn nur. Jetzt sah sie auch schon den häßlichen, feigen, ver steckten Haß durch Ottos offizielle Liebenswürdigkeit und Gefügigkeit gegen ihren Mann hervorlauern. Ob Wolf das nicht sah? Er erkannte doch sonst die Menschen und die Mittel, mit ihnen fertig zu werden? — Ob Wolf dies nicht sah? Ach, was scherte es ihn? Was scherte ihn der Haß und der Undank und der Dank der Menschen, was die Unlenkbark-it der An lagen und Triebe — was die fachlichen Resultate seiner Anstrengungen? Arbeitete er für Otto? Oder für Marianne? Im Hausflur, als er sich aus Mariannes Armen löste, da hatte er es schon gewußt: ich bin der größte Egoist von euch allen. Ich spiel« mit euch und euren Schicksalen, weil mein Kopf, mein Herz, meine Hände und Füße Arbeit brauchen, Arbeit zum Ersticken, Ar beit zum Betäuben. Weil die Ruhe mir sonst zu laut ist und der Fried* mir zu wild. Weil ich ein ehrlicher Kerl bleib-- will! Weil ich'- aus dem Sinn haben will, d>- „sel'ge Spiel". * * * (Fortsetzung in der Morgenausgabe-,
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