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Hohenstein-Ernstthaler Zeitung, Nachrichten und Neueste Nachrichten 75. Jahrg. Bezugspreis balbmonatllA 80 Gol-psennig« einschließlich Träaerlobn. den des Dieses Blatt enthält die amtlichen Bekanntmachungen des Amtsgerichts, Finanzamts und deS Stadtrats zu Hohenstein - Ernstthal, sowie der Behörden der umliegenden Ortschaften» die neue Sitzung. Die Regierungsparteien sind stark vertreten. Die allgemeine Aussprache wird fortgesetzt. Abg. Nippel (Dntl.) wendet sich gegen Vorwurf der Linken, die Rechte hege die Taktik Einr Ksde des KarAerS — Nene kommMWsche Rsdau^ensn y-sischecklonto Leipzig SS4«4.— Semelndegirokonta 14. — va«!- lont» Darmstädter Bank Zwelgniederlassuilg Hohenstein-Ernstthal — Unverlangt eingesandte Manuskripte werden nicht zurüLge- schickt. Einsendungen ohne Namensnennung finde« keine Ausnahme Vizepräsident Dr. Nieder hat inzwischen vergeb lich versucht, Ruhe zu schaffen. Er weist schliesslich den Abgeordneten Neubauer (Komm.) aus dem Saal und unterbricht, als dieser sich weigert, den Saal zu verlassen, die Sitzung auf 5 Minuten. «ei «lagen, Ikonkursen, B-rgl-ichcn niw. nurd der Bruttobetrag ,n Rechnung gestellt. Im Fall- höherer ivewalt — Irleg oder sonstiger irgend welcher Störung de» Betriebe» der Zeitung, der Lieseranten oder der B-sdrde-nng-etnrichtungeu — hat der V-. Neher «eine« Anbruch auf Lieferung »der Nachlieferung ter Zeitung oder auf Rii-Zahlung d-S BezugSorciie». leitet darauf die zweite Lesung mit einer längeren Rede ein. (Der Reichskanzler wird von den Kommu nisten mit grossem Lärm empfangen. Sie rufen: Oberräuber, Oberzöllner!) Der Präsident ruft die kommunistischen Abgg. Stöcker, Torgler und Könen zweimal zur Ordnung. Der Reichskanzler weist darauf hin, daß die Steucrvorlagen als eine feste Grund lage für den Wiederaufbau in angestreng ter Arbeit erledigt worden sind. Im Interesse der Beschaffung geschlossener Grundlagen für die weitere Entwicklung der deutschen Wirtschaft bedürfe die Neichsregierung aber noch der Zoll vorlage. Die Zollgesetzgebung sei nur als vorläufig zu betrachten. Es werde jetzt überhaupt noch nicht die grundsätzliche Entschei dung über das zukünftige deutsche Zollregime auf lange Zeit hinaus getroffen wie 1902, son dern es soll nur geschehen, was die Gegen wart unbedingt erfordert. Der Ge setzentwurf sei ausdrücklich auf die Zeit bis 31. Juli 1927 begrenzt. Die Reichsregierung werde dafür sorgen, da» sobald wie irgend möglich dem Reichstage ein kndgiiltigcs Zolltarifzesetz unterbreitet wird. Nur auf dem Wege eines geordneten Warenver kehrs mit dem Nuslande könne die Ernährung der deutschen Bevölkerung, die Gesundung der deutschen Wirtschaft nnd die Erfüllung der im Londoner Abkommen übernommenen Verpflich tungen erreicht werden. Deutschland habe nicht den Wunsch, seine Wirtschaft auf der Grundlage hoher Zollmauern zu entwickeln. Deutschland könne von sich aus den Weg der Zollfreiheit nicht geben, solange die anderen Länder noch ein ausgeprägtes Schutzzollsystem aufrecht erhalten. Die Agrar- -ölle haben eine normale Höhe. (Lärm der Kommunisten.) Die Bevorzugung der Viehzucht durch Festsetzung von Mindestzöllen dient der Förderung gerade der bäuerlichen Landwirt schaft. Die zollfreie Einfuhr erheblicher Men- gcn von Gefrierfleisch biete eine Erleichterung für die Verbraucher. Die gegen die Zollvorlage erhobenen Einwendungen gehen davon aus, daß sür Deutschland ein anderes Zollregime wirt- schaftlich zuträglicher wäre. Deutschland befindet Druck und Verlag von Dr. Alban Frisch. Verantwortlich für die Schriftleitung Dr. Erich Frisch, für die Anzeigen Otto Koch. Hungersnot vom deutschen Volke fcrnhalten, darum wollen wir die Produktion steigern, um vom Aus lande unabhängig zu sein. (Beifall rechts.) Als der Redner Bemerkungen gegen die Linke richtet und von den wohlvorbereitctcn und eindressiertcn Reden der Linken im Ausschub spricht, entsteht dort ein unge- Um 5,10 Uhr eröffnet Vizepräsident Richer wie derum die Sitzung und stellt fest, dah der Abgeordnete Neubauer (Komm.) inzwischen den Saal verlassen hat. Der Vizepräsident beruft darauf den Aeltestenrat zu einer Sitzung ein und beraumt die neue Sitzung um "/,6 Uhr an. , sich aber in einer großen Zwangslage durch das Schutzzollsystem der anderen Länder. Ohne die Leistungsfähigkeit der Wirtschaft kann ein Volk überhaupt nicht leben. Aber auch der Gesichts punkt der Wirkung für die großen Massen der Bevölkerung sei im Auge zu behalten. Die Bevölkerung muß vor allem, um leben zu können, Arbeitsgelegenheit haben. (Bei diesen Worten entsteht ein ungeheurer Tu mult. Die Kommunisten rufen: „Brot muß sie haben!" Sie rufen dem Reichskanzler zu: „Schwindler, Halunke! Es herrscht ein ohrenbe täubender, minutenlanger Lärm.) Der Reichs kanzler fährt fort, als ein Augenblick Stille ein- getreten ist: Das deutsche Volk ist wirklich be klagenswert. Dabei verweist er auf die Kom munisten. (Die Kommunisten brechen darauf in stürmische Entriistungsrufe aus. Sie stürzen in Massen zum Rednerpult und schleudern den Kanzler die wildesten Schimpfworte ins Gesicht. Etwa fünf Minuten lang geht cs drunter und drüber. Die Kommunisten rufen dem Kanzler im Chor zu: „Abtreten!" Präsident Loebe droht mit sofortigen Ausweisungen, wenn diese Szenen nicht aufhören. Die Kommunisten ziehen sich da her auf ihre Plätze zurück, so daß der Kanzler in seiner Rede fortfahren kann.) Jede Steigerung der Exportfähigkeit bedeu tet einen Arbeitsgewinn für dieBevölksrung. Die Erzielung einer möglichst fortschreitenden Inten sivierung der Landwirtschaft stehe im Mittel punkt unserer Aufgaben zur Schaffung von Ar beitsgelegenheit. Die Möglichkeit dazu könne die Landwirtschaft aber nur durch entsprechende Zollsätze erhallen. Das wichtigste sei dabei die Schaffung einer gewissen Sicherheit der Produk- tMSgrundlagen. (Sehr richtig!) Dieses bezwecke das Zollgesetz. Der Kanzler betont die Notwen digkeit größerer Rücksichtnahme auf die Lage der Verbraucherschaft, zumal ein großer Teil der deutschen Bevölkerung in ärmsten Verhältnissen lebe. (Zurufe bei den Kommunisten: Deshalb die Zollvorlage! Anhaltende Zwischenrufe und son stiger Lärm bei den Kommunisten. Präsident Löbe bittet um Ruhe.) Jeder, der innerhalb der Wirtschaft volle Ar beit geleistet, habe das Recht aus ange messene Entlohnung im Rahmen der Wirtschaftslage. Der Kanzler weist auf die ungerechte Schädi gung der verbrauchenden Bevölkerung durch Vor gänge im Kreislauf der Wirtschaft hin, doch fehle es noch immer bei der verbrauchenden Be völkerung an der richtigen Vorstellung für den wirklichen Wert der Waren. (Erneuter Lärm bei den Kommunisten). Mit Rücksicht auf die Lebensmittel werde die Neichsregierung die E r- mäßigung der Umsatzsteuer bereits am 1. Oktober eintreten lassen. Die Senkung der Umsatzsteuer sei in ihrer preissenkenden Wirkung leider nicht hinreichend erkannt worden. Die preissteigenden Ursachen liegen auf anderen Ge bieten. Die Lage der Wirtschaft lassen aber hof fen, daß solche preissteigenden Ursachen in Zu kunft wegfallen werden. Die Reichsregierung werde allen in Betracht kommenden Verbänden der Wirtschaft gegenüber heurer Tumult. Die Kommunisten erheben ein wil des Geschrei und verhindern den Redner am Weitcr- sprcchcn. Das Brüllen und Johlen dauert minuten lang an. Der Redner versucht vergeblich, seine Rede ortzusetzen und verläßt schließlich unter lautem Gc- chrci der Kommunisten die Rednertribüne. Am Regicrungstisch: Reichskanzler Dr. Luther, Neichsernührungsministcr Graf Kanitz und die anderen Mitglieder des Reichskabinetts. Präsident Löbe eröffnet die Sitzung 10.20 Uhr. Auf der Tagesordnung steht die zweite Lesung der Zollvorlage. Der Präsident teilt mit, daß von Regierungspar teien ein Antrag eingegangcn ist, die Redezeit bei ^der Zollvorlage für jede Fraktion auf insgesamt vier Stunden festzusetzen. (Entrüstungssturm links.) Abg. Müller-Franken (Soz.) erhebt scharfen Protest gegen diesen Antrag. Abg. Stöcker (Komm.) protestiert gleichfalls gegen die Beschränkung der Redezeit. Abg. Dr. Scholz (D. Vpt.) erklärt, wir dienen dem Ansehen des Parlaments, wenn wir hier nicht Ille Einzelheiten Wiederkauen, die im Ausschuß er örtert worden sind. (Beifall bei der Mehrheit, toben der Lärm links.) Abg. Koch-Weser (Dem.) warnt die Mehrheit vor dem Weg, den diese beschritten hat. Abg. Fehrenbach (Ztr.) stellt fest, daß hier eine Notwendigkeit vorliegc. Es sei eine vhysische Unmöglichkeit, noch weitere ausgedehnte Verhandlun gen zu führen. Ein Vcrtagungsantrag des Abg. Stöcker (Komm.) wird abgclehnt. (Lebhafte Pfuirufe links.) Der Antrag auf Beschränkung der Redezeit wird gegen die Sozialdemokraten, Kommunisten und Demokraten angenommen. Reichskanzler Dr. Luther Geitsralanzeigrr für Hohenstein-Ernstthal mit Hüttengrund, Oberlungwitz, Gersdorf, Hermsdorf, Bernsdorf, RüSdorf, Langenberg, Meinsdorf, Falken, Langenchursdorf, Reichen bach, Callenberg, Grumbach, Tirschheim, Kuhschnappek, St. Egidien, Wüstenbrand, Grüna, Mittelbach, Ursprung, Kirchberg, Erlbach, Pleißa und Nußdorf, Besprechungen beim Außenminister mit Lit winow und Olschewski Zu den Besprechungen, die Außenminister Dr. Stresemann nm Sonnabend mit dem russischen Volkskommissar Litwinow hatte, der sich auf der Rückreise von Marienbad über Berkin nach Moskau befindet, hören wir im ein zelnen, daß es sich bei diesen Besprechungen selbst verständlich um die schwebenden politischen Fra gen handelt, die für Rußland und Deutschland beiderseits aktuell sind. Litwinow wird nach sei ner Rückkehr nach Moskau Tschitscherin ver treten, der sich seinerseits auf Urlaub begibt. Die Besprechungen dürften demgemäß die im Zusammenhangs mit dem Studentenprozeß schwebenden Ehrenfragen, besonders die gegen )en Botschaftsrat Hilger in Moskau erhobe nen falschen Beschuldigungen betroffen haben, ferner die Handelsvertrags Ver handlungen, die nün bald einmal in Ord nung kommen müssen. Weiterhin dürfte die Frage des Sicherheitspaktes mit dem damit zusammenhängenden Problem der West - und Ostoricntierung erörtert wor den sein. Die Besprechungen des Außenministers mit dem polnischen Gesandten in Berlin Olschewski betreffen die O p t a n t e n f r a g e. Olschewski hat den Minister auf Veranlassung der polnischen Regierung schon zweimal aufgesucht. Man hat in Berlin den Eindruck, als ob die Polen aus die- er Affäre gern herauskommen möchten. Selbstverständlich bleibtes jedoch bis auf wei teres bei den von der deutschen Regierung ange ordneten Gegenmaßnahmen, die sofort durchgeführt werden, sobald von polnischer Seite Gewalt gegen die Optanten angewendet wird. Es liegen widersprechende Nachrichten darüber Um 6 Uhr eröffnet Vizepräsident Dr Rieder wiederum die Sitzung und erteilt dem Abgeordneten Rippel (Dntl.) wegen der Bemerkung von den cindrcsftcrtcn Rednern des Ausschusses eine Rüge. Abg. Dittmann (Soz.) beantragt erneut Ver tagung und bezweifelt die Beschlußfähigkeit des Hau ses. Die Sozialdemokraten und Kommunisten ver lassen wiederum den Saal. Durch Abgabe von Kar ten wird die Präsenz des Hauses fcstgcstcllt. eine einheitliche Preissenkung ab1. Oktober nachdrücklichst betriiben, nöti genfalls von ihrem gesetzlichen Recht für die Preissenkung Gebrauch machen. Niemand wird verkennen,' dah die Wirtschaft chwere Hemmungen habe. Der Kanzler erin- rert an die Kosten der Geldbeschaffung und führt weiter aus: Ich richte heute von dieser Stelle aus an alle Krmse der Wirtschaft und des öffentlichen Le- Schwcigcns, weil sie keine Gründe habe. Er erklärt, di« Sozialdemokraten wollen nur durch lange Reden die Zeit lotschlagen. Jetzt komme es aber auf Taten an. Wir wollen, erklärt der Redner, Teuerung und vor, ob dies schon geschehen sei. Wie wir weiter hören, wird Reichsaußenmini- ster Dr. Stresemann in den nächsten Tagen eine Aussprache mit dem russischen Bot schafter in Berlin, Krestinsky, haben, die sich auf die Politik Deutschlands gegenüber Rußland im Zusammenhang mit dem Sicherheitspakt und der Völkerbundfrage beziehen wird. Der deutsche Außenminister wird dabei sein Befremden über die Ausführungen Krassins gegenüber der französischen Presse zum Ausdruck bringen. Keine neuen Verhandlungen mit Polen Von unserem Berliner Vertreter Berlin, 10. August Nachdem die polnische Regierung die A u s-- w e i s u n g s m a ß n a h m e n gegen die deutschen Optanten vollzogen hat, ist, wie wir hören, gn einer Fortführung der deutsch- Montag, den lO.^August 1925 bens, namentlich auch an die Länder und Ge meinden die dringende Aufforderung, der Neichsregierung bei ihrem Bestreben nach Möglichkeit eine grundsätzliche Wendung in der Preisfestsetzung herbeizuführen, Unterstützung angedeihen'zu lassen. Neben der Arbeit der öffentlichen Gewalten bietet sich ein weites- Betätigungsfeld für die Volkswirtschaft an sich und das vaterländische Wollen der großen Wirtschaftsorganisationen. Dem Zollkompromiß stimmt die Reichsregierung zu. Er bringe eine Reihe von Verbesserungen' der Regierungsvor lage. Die anderen Aendorungen glaubte die Ne gierung im Rahmen des vorläufigen Gesetzes als tragbar bezeichnen zu können. Von entschei dender Wichtigkeit ist aber, daß die Zollvorlage jetzt im unmittelbaren Anschluß an die Aufwer- tungs- und Steuergesetze verabschiedet wird, da mit die Neichsregierung für die H a n d e l s v e r- träge eine feste Grundlage zum Aufbau der deutschen Wirtschaft hat. (Lebhafter Beifall bei der Mehrheit, stürmische Pfuirufe bei den Kommunisten.) Nach dcr Rcdc dcs Reichskanzlers wird ein An trag des Abg. Wels (Soz.), die Sitzung auf zwei Stunden zu vertagen, abgclehnt. (Pfuirufe links.) In dcr allgemeinen Aussprache begründet dann dcr Abg. Hilferding (Soz.) die ablehnende Hal tung dcr Sozialdemokraten. Der Zolltarif bedeute einen willkürlichen Eingriff in die Gesetze dcr Pro duktion. Der Tarif führe zu einer Verteuerung der gesamten Produktion. Abg. Dr. Perlitius (Ztr.) gibt als Vorsitzen der dcs handelspolitischen Ausschusses eine Er klärung ab, in der im Namen dcr Dcutschnationalen, des Zentrums, der Deutschen Volkspartci, dcr Wirt schaftlichen Vereinigung und der Bayr. Volkspartei aus die vertrauensvolle Zusammenarbeit dcr genann ten Parteien und dcr Rcichsrcgierung hingcwiesen wird. Diese Parteien seien entschlossen, dcm Gesetz entwurf in dcr Fassung dcr Ausschubvorlage zuzu- stnnmen und mit dcr Regierung die Verantwortung für das Eesetzcswcrk zu tragen. Abg. Dietrich-Baden (Dem.) tritt für eine möglichste Herabsetzung der Zölle ein. Wir müssen exportieren, daher müssen wir billig produzieren. Wir müssen auch die Rohstoffe billig hercinbckommen. Die Hauptsache ist, dab wir zu Handelsverträgen kom men. Abg. v. Graefe (Völk.) bedauert das Hcrvor- irctcn von Jntcrcssenwünschcn im Zolltarisausschuh. Der Redner erklärt sich für die Zollvorlage, wenn die Mindestzölle für Getreide wieder eingesetzt werden und die Umsatzsteuer für inländische Lebensmittel aufgehoben wird. Um '/-I Uhr beantragt Abg. Dittmann (Soz.) Vertagung und bezweifelt sogleich die Beschlußfähig keit des Hauses. Sozialdemokraten und Kommuni sten verlassen den Saal. Durch Abgabe von weißen Karten wird festgcstcllt, daß 244 Abgeordnete an wesend sind. Es fehlen also drei Stimmen an dcr absoluten Mehrheit. Das Haus ist also beschlußun fähig. Vizepräsident Dr. Ri eher beraumt eine neue Sitzung für eine halbe Stunde später an. Schluß 3,40 Uhr. Um 4,l5 Uhr eröffnet Vizepräsident Dr. NIeber