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Wöchentlich erscheinen drei ?!ummern. Pränumeration». Preis 22^ Sgr. <» Thir, viertciMrlich, 3 Thaler für das ganze Jahr, ohne Er höhung, in allen Theilen her Preusischen Monorchie. Magazin für die Man »ranumerirt »ul dieses Beiblatt der ÄUg. Pr. Ltaai» Zeitung in Berlin in her Errehmon (Mohren - Straße Nr. 31); in her Provinz so wie im Auslände bei den, Woblldbl. Pos, Äemtern Literatur des Auslandes. 126. Berlin, Freitag den 16. November 1832. England. Zu Lord Byron« innerer und äußerer Charakteristik. Emre Tages, als Lord Byron (in Genua) mil uns speiste, verlangle sein Jäger ihn zu sprechen, «ährend wir noch bei Tische waren; er verließ das Zimmer und kam nach wenigen Minuten in heftiger Bewegung zurück, bleich vor Zorn, mit einem Blicke, wie ich ibn noch nie an ihm gesehen batte, so ost ich ibn auch zornig sah. Er sagte uns, sein Bedienter Halle ihm angezeigl, er muffe vor halb zehn Uhr zum Thore hinaus, (er wohnte vor der Stadt) denn es wäre Befehl da, später Niemanden mehr durchzulas sen. Diesen Befehl, der ibn persönlich gar nichts anging, bctrach- tete er als gegen ihn gerichtet und war wuchend darüber. Er er griff die Feder und fing an, an unsere» Minister zu schreiben, zerriß zwei vdcr drei Briese, ehe einer zu seiner Zufriedenheit gerictb, kurz benahm sich so unbändig, daß alle Anwesenden in Erstaunen gerie- lbcn. Er schien sehr geneigt, sich mit den Behörden in einen per sönlichen Streit einzulaffcn, und nur mit Schwierigkeit überredeten wir Tön, die Sache ganz dem Englischen Minister, Herrn Hill, an- heimzusiellen, der sic am besten beilegen würde. Bvron'e Ausse hen und Bcnebmen bei dieser Gelegenheit erinnerten mich stark an Rousseau. Dieser hielt sich überall für ein Opfer der Verfolgung meinle, alle Potentaten hätten einen Bund geschlossen, ihn zu vei folgen und zu kränken, und beging tausend andere Tvorbeiten, welche bewiesen, daß er nicht Herr über sich war. Jetzt begriff ich, wie leicht man, bei der geringsten gewaltsamen Aufregung, ihn für wahnsinnig hallen konnte, und überzeug» mich von der Wahrheit jener Zeilen: „M,i Siarobeit stets ist großer Witz .. erwinbl- . Es lrenm sie nur ein äußerst schmaler Rand." Als wir am nächsten Tage zusammenkamcn, sagte Bvron, er hätte von Herrn Hill eine befriedigende Erklärung erhalten, und fragte mich dann, ob ich ihn nicht vergangenen Abend für närrisch gehalten hätte ( „Ich versichere Ihnen", sagte er, „daß ich mich ost selbst nicht recht bei Sinnen glaube, und dies ist vielleicht der ein zige Punkt, in welchem ich mit Ladv Bvron (seiner Frau) übercin- stimme; die liebe gefühlvolle Seele hält mich nicht allein für ver rückt, sondern möchte auch gar zu gern andere Leu» bereden, etz ebenfalls zu glauben." „Ich denke ost," sag» er ein anderes Mal, „daß ich mein heftiges und schlimmes Temperament von meiner armen Mutter geerbt habe, wie wohl mein Vater, so viel ich iemale wabrnehmen konnte, eben kein besseres hat»; es ist daher nicht zu verwundern, daß das meinige so sehr böse ist. Ich war, so weil ich mich zurückerinnern kann, von je her heftigen Wuthanfälle» unterworfen, deren Veranlassungen oft so unbedeutend waren, daß ich selbst darüber erstaunte, wenn sic vor über waren, und so ist es noch jetzt; ich kann nichts, das mein Ge fühl aufrcgt, mit kaltem Blute betrachten, und ist einmal der lauernde Dämon in mir erwacht, so verliere ich alle Selbstbeherrschung. Bon einem solchen Anfälle kann ich mich mehrere Tage lang nicht erho len. Verstehen Sie mich recht, ich meine nicht, daß die üble Laune anhält, im Gcgcntheil, diese verfliegt schnell, durch ihre eigene Hef- "gken erschöpft, aber die surchlbare Erschütterung dauert fort und macht mich niedergeschlagen und nervenschwach. Sehen Sie ver sichert, unser Gemütb muß in der Kindheit gebessert werden; denn mit den besten Entschlüssen sind wir nicht im Stande, die Gewohn heit der üblen 2au»e ober des Jähzorns zu besiegen, so sehr wir es auck nachher bereuen. Meine arme Mutter gcriclh täglich in heftigen Zorn und mach» mich zuweilen fast wahnsinnig, besonders wenn sie mir, in ihrer Leidenschaft, mein körperliches Gebrechen vor warf; dann rannte ich fort, »m j„ per Einsamkeil ungesehen meine Wuth und meinen Schmerz auszi,lassen, und verflssch» mein Gebre chen, welches ick jetzt anfing, als Beweis dec besonderen Un gerechtigkeit der Vorsehung zu betracht.». Das waren bittere Augen blicke; "noch jetzt leben sie in meiner Erinnerung; sie verwundeten unheilbar ei» Herz, welches, glaubc ich, von Natur liebevoll war, und zerrütteten vollends ein zur Heftigkeit geneigtes Temperament. Jene Eesühlc waren cs, dic mir die Idee zu der „umgestal»»» Mißgestalt" cingabcn. Oft blicke ich aus die Tage meiner Kindheit zurück und bin erstaunt, wenn ich mich erinnere, wie lief ich damals fühl»; die ersten Eindrücke sind unauslöschlich. Meine Muller und spälcr meine Schulgefährlcn brachten es durch ihre Verhöhnun gen dahin, daß ick meine Lahmheit als das größte Unglück belrach- >rle, und nie war ich im Stande, dies Gefühl zu brpcgen. Es ge hört eben so viel natürliche Gutherzigkeit als Nachdenken dazu, das Gefühl tiefer Kränkung zu uulcrdrücken, welches ein körperlicher Fehler im Gemüthe erzeugt, und welches, fortwährend an sich selbst nagend, uns gegen die ganze Well erbittert. Ich habe gelesen, daß ein körperliches Gebrechen sich stets auf dcm Gesichte verrathe, so schön diese« auch sehn tuögc; ich bin überzeugt, man meint damit bloß, daß das Bcwußlscyn eines solchen Gebrechen« den Zügen einen Ausdruck sortwahrrndc» Mißvergnügen« verleihe, und dies balle ich für wahr; denn es wäre zu arg (fügte er mit Bitterkeit hinzu), wenn man darum kein einnehmendes Gesicht sollte haben können, weil man einen lahmcn Fuß hat." Es ist zum Erstaunen, wie krankhaft sein Gefühl in diesem Punk» ist, und ich glaube fast, daß dic« sehr viel zu der Richtung seines Charakters beurug. Als Bvron mir sagte, cr habe dic Idee zu der „umgeflaltctcn Mißgestalt" aus seinem eigenen Zustande geschöpft, wagte ich die Einwendung, daß cr in der Vorrede zu diesem Drama behaupte», cr habe es aus der Erzählung „die drei Brüder" genom men; er antwortete, beides wäre richtig, und sprach dann von ande ren Lingen. ES ist möglich, daß cr selbst nicht weiß, welche Ideen er borgt; denn er liest äußerst fluchtig, und dic Gedankcn, die er^- ausfaßt, werden, von seinem Genius durchglüht, so verschönert, baß von den ersten rohen Geburten nicht« mehr zu erkennen ist. Ich fand dies bei einer anderen Gelegenheit bestätigt, als ich ein Buch in dir Hände bekam, welche« cr ost durchzublattcrn pflegte; ich sand mehrere Stellen, in dencu ich de» Ursprung gewisser Gedanken in seinen Werken zu erkennen glaubte. Er sagte mir, cr lese selten eine Seite, dic nicht cine Reihe von Gedanken in ihm erzeugte, die erste Idee wäre dann gleichsam der Ring der Kette, an den sich die andere» Glieder von selbst fügten. „Nur Eine weck', >md Mvriadcn steigen auf." Ich habe bemerkt, daß hingcworscne Acußcrungcn im Gespräche ihn oft zu langen Erörterungen führten; feine Etnbildungskrasl ist so fruchthar, daß der kleinste Funke» sie entzündet. (kourn. »s i.acl^ klosäinAton ) S e e b i l d e r. Ein Leichenbegängniß und eine Hinrichtung. — — Ein Leichenbegängniß sollte staitfindcii. Wir batten die Ueberreste de« braven Richard Bowen, Capilains der „Terpsichore", und die seines ersten Lieutenants von der Insel mitgenommen. Un sere Feinde selbst, um der Tapferkeit unserer Helden die letz» Hul digung darzubringcn und sie mit uns zu betrauern, bauen uns deren Leichname durch Spanier an Bord gesandt. Die düsteren Zuberei tungen zu dieser Ccremonic begannen. Nicht« war trauriger, al« der Anblick der unermeßlichen Wasserfläche, die einem der tapfersten Vertbcidigcr seine« Vaterlandes zum Grabe dienen sollte. Er, der so oft aus dem Ocean gekämpft batte, der ihn nun verschlingen sollte, cr, der nach dcm Zcugniffe de« großen Nelson selbst, sich eben so viele Rechte aus die Erkenntlichkeit der Britischen Nation erworben hatte, als irgend Einer, den ein Denkmal in Westminster verewig», sollte, von seinem treuen Achates begleitet, in da« un ermeßliche Grab sinken, dessen Drl kein Denkmal bezeichnete. Wir waren damals auf der hohen See, wo das Senkblei kei nen Grund fand. Alle Matrosen waren auf dcm Verdecke versam melt, um dic Ccremonic scierlicher zu machen. Die Leichen lagen auf dem Boden des Verdecks ausgestrcckt. Während der Capilain Trompson dic Todlengebcte las, herrschte eine andächtige und srier- lichc Stille. So unempfindlich gewöhnlich die Englischen Matrosen sind, so unzugänglich für Gram und Trauer sie uns auch erscheinen mögen, diesmal bedeckte dennoch liefe Schwermuth selbst die härte sten Züge, und mehrere von ihnen vergossen schweigend »ichlichc Tbräncn bei der Erinnerung an die erprobte Tapferkeit ihrer Kampfgenossen. Ein heiliger Schauer crgriss uns, als der Capilain, in dem Augenblicke, wo man dic Leichname ins Meer warf, das sie gierig verschlang, mit diesen Worten den Trauerdicnst beschloß; „Wir über geben ihre Leiber dem Abgrunde, damit sic, durch Auflösung und Fäulniß, mit neuem und höherem Glanze bervorgehen. Wenn jener Tag unseren Augen leuchten wird, an dem sic, zum Lichte berufen, in cine künftigc Welt schauen, dic der Heiland der Menschen uns verkündete, dann wird» aus seinen Ruf dir Erde sich öffnen, und Alles, was gelebt hat, wird au« ihrem Lchooße hcrvorgchcn, voi^