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Amtsblatt der Amtshauptmannschaften Bautzen und Löbau, des Landgerichts Bautzen und der Amtsgerichte Bautze«, SchnHiswaüa. Herrsche Bernstadt meß Ostrk^ des Hauptsteueramts Bautzen, ingleichen der Stadträte zu Bautzen und Bernstadt, sowie der Stadtgememderirte zu Schirgiswalde und WeHerckarg. Organ der Handels» und Gewerbekammer z « Zittau. Verantwortlicher Redakteur Georg G. Monse (Sprechstunde» wock-entags von 10 bis 11 und vo« L di« 4 NHH. — Ferusprechauschkch Mr. St. «r 245 Sonnabend, den IN. Oktober, abends 1895 Die Bautzener Nachrichten erscheinen, mit Ausnahme der Sonn- und Kestto««, täglich abends. Bret« des viertettäbrliche« «»»»»«»«»I« » «tr d« U»m« N—e PN» Epaltzeile aewShnltchen Satzes 12'/, in geeiqneten Fällen unter ««Währung von Rabatt; Ziffern., Tabellen- und auderer schvtrri««r Sech «chp«ch«N M«r. R«chw<t»«et«hr ied« «u^che «S Insertion 20 Pfg., für briefliche Auskunstserteiiung 10 Pfg (und Portos. Bis früh 9 Uhr eingehende Inserate finden in de» abend« erscheine»»«« «atte A«ft«ch»e. Inserat« »eh»«» Ne üxpeduwn und die Annonceudureaus an, desgleichen die Herren Waide in Löbau, Clauß in Weißenberg, Lippitsch in Schirgiswalde, «ustao «röitng in Bernstndt, Buhr i« Löntgshnia b«t LMstA , Reußner in Ober-Cunnersdorf und von Lindenau in Pulsnitz Bekanntmachung. Wegen Reinigung der Amtsrüume werden Freitag, am 25., und Sonnabend, am 26. dieses Monats, Lei der unterzeichneten Behörde nur dringliche Angelegenheiten erledigt. Bautzen, am 11. Oktober 1895. Königliche Amtshauptmannschaft. 0«. Hempel. Hpr. Oeffeutliche Zustellung. 1. Minna Auguste verehel. Engel geb. Beer, Dienstmagd in Olbernhau, 2. Anna Marie verehel. Täschner geb. Härtel, Fabrikarbeiterin in Bauyen, zu 1 und 2 vertreten durch den Rechtsanwalt Justizraih Martini in Bautzen, 3. Mane Auguste verehel. Dittberner geb. Knospe, Wäscherin in Zittau, vertreten durch den Rechtsanwalt Seyfert in Bauyen, Lagen gegen ihre Ehemänner zu 1 den Handarbeiter Franz Engel, zuletzt in Reichenau bei Zittau, zu 2 den Steindrucker Emst Wilhelm Täschner, bisher in Bautzen, zu 3 den Tagearbeiter Johann Friedrich Wilhelm Dittberner, zuletzt in Zittau, deren Aufenthalt jetzt unbekannt ist, mit dem Anträge, die Beklagten zur Herstellung des ehelichen Lebens zu verurtheilen, bei deren Außenbleiben im Termine aber die zwischen den Parteien bisher bestandene Ehe wegen böslicher Berlassung der Klägerinnen selten der Beklagten zu scheiden und laden die Beklagten zur mündlichen Verhandlung des Rechtsstreits vor die zweite Civilkammer des Königlichen Landgerichts zu Bautzen auf de« 3. Januar 1896, Bormittags /,1V Uhr, mit der an die Beklagten gerichteten Aufforderung, einen bei dem gedachten Gerichte zugelassenen Anwalt zu bestellen. Zum Zwecke der öffentlichen Zustellung wird dieser Auszug der Klagen bekannt gemacht. Bautzen, den 3. Oktober 1895. Der Gerichtsschreiber des Königlichen Landgerichts. — Sekretär Hempel. Bekanntmachung. Freitag, den 25., und Sonnabend, den 26. Oktober dieses Jahres, werden bei dem unterzeichnetes Königlichen Amtsgericht wegen Reinigung der Geschäftsräume nur dringende Sachen expedirt. Schirgiswalde, am 16. Oktober 1895. Das Königliche Amtsgericht. Lcidler. Gl. Bekanntmachung. Der nächste hiesige Viehmarkt findet Sonnabend, den 26. Oktober 1895, in den Gehöften der am Holzmarkte gelegenen Grundstücke Cat.-No. 498 (Gasthof zum Kurfürsten) und Cat.-No. 499 (Gasthof zum Markgrafen) statt. Bautzen, am 14. Oktober 1895. Der Stadtrat h. vr. Kacublcr, Bürgermeister. Schdt. KirchtUliorstauds-ErgänWgglvahl in der tvang.-!u1hmschtn Parochie St. Michael hier. Diejenigen stimmberechtigten HauSväter der evang.-luth. Parochie zu St. Michael, welche sich zur Betheiligung an der bevorstehenden Kirchenvorstands-Ergünzungswahl bei ihren Gemeindenvrständen gemeldet haben, werden hiermit aufgesordert, diese Wahl Sonntag, den 27. Oktober v., Bormittags '/,12 Uhr nach Beendigung des deutschen Gottesdienstes in der Sakristei der St. Michaeliskirche zu vollziehen und zu diesem Zwecke ihre Stimmzettel, aus denen Vor- und Familienname, sowie Stand und Berus des von ihnen Gewählten deutlich verzeichnet sein muß, daselbst persönlich abzugeben. Die bei der diesmaligen Ergänzungswahl in Frage kommenden Wahlbezirke sind folgende: 1) Seidau, 2) Strehla, Auritz, Rabitz, 3) Oehna, Malsitz, Nimschütz (Raths-Antheils), 4) Nimschütz (Domstistlichen Antheils), Salzensorst, Temritz (Domstistlichen Antheils), 5) Großwelka, Kleinwelka, Kleinseidau und Temritz (landvoiqtlichen Antbeils). 6) Stiebitz und Rattwitz. Für den 1. Wahlbezirk (Seidau) sind drei, sür die übrigen Wahlbezirke ist je ein Vertreter zu wählen. Wählbar ist jeder 30 Jahre alte stimmberechtigte evangelisch-lutherische Hausvater im betreffenden Wahlbezirke. Die Wähler haben jedoch gesetzlicher Bestimmung zufolge ihr Augenmerk aus Männer von gutem Rus, bewährtem christlichen Sinn, kirchlicher Einsicht und Erfahrung zu richten. Die ausscheidcnden Kirchenvorstandsmitglieder sind wieder wählbar. Der Herr der Kirche lenke die Herzen und Stimmen der Wähler aus Männer seiner Wahl. Bautzen, den 15. Oktober 1895. Der Wahlausschuß. Pfarrer Rüde, Vorsitzender. Die Agramer Cxcefse. Es mag ein Gefühl höchster Befriedigung für Baron Bansfy, den ungarischen Ministerpräsidenten, gewesen sein, als er den Dank der begnadigten Rumänen entgegennahm, deren harte Verurteilung durch magyarische Richter nicht nur unter ihren rumänischen Landsleuten, sondern unter allen von den' Magyaren bedrängten Nationen eine tiefe Entrüstung hervorvorgerufen hatte. Baron Banffy mochte sich der Hoffnung hingeben, daß dieser Begnadigungsakt, der auf seine Anregung oder richtiger wohl: mit seiner Zu stimmung erfolgt war, einen der magyarischen Regierung günstigen Einfluß auf die Stimmung der unterdrückten Völker des ungarischen Reiches, der .Ungarn zweiter Klaffe", auSüben werde, ja daß nun seinem Regiment gelingen werde, was weder Koloman Tisza noch dem Ministerium Wcckerle gelungen war: die streitenden Völker des ungari schen Staates versöhnt der großen bevorstehenden Feier des Millenniums entgegenzuführen. Hat der ungarische Ministerpräsident sich in solcher Hoffnung gewiegt, so ist er in diesen Tagen grausam ent täuscht worden. Die groben antimagyarischen Demonstra- tionen in Agram, die in der Verbrennung einer ungari- scheu Fahne ihren Gipfelpunkt erreichten, mässen dem Baron Banffy die Ueberzeugung beibringen, daß auf die all gemeine Versöhnung der Gegner des Magyarismus noch keineswegs sicher zu rechnen sei. Und diese Ueberzeugung wird auch nicht durch die Thatsache entkräftet, daß die Excedenten aus einer Anzahl kroatischer Studenten und aus Pöbelhaufen bestanden; denn man muß doch annehmen, daß diese unter allen Umständen tadelnswerten Excefse nicht stattgefunden hätten, wenn die Urheber und ihr Gefolge sich nicht auf die geheime Sympathie eines Teiles ihrer Landsleute hätten verlaffen können, verlaffen in dem Sinne, daß ihnen dieselbe zu einer gewissen Ermutigung gereichte. Man darf nicht vergessen, daß die Kroaten sich als Slaven fühlen und nicht mit Gleichmut der magyarischen Ver gewaltigung anderer slavischen Volkspartikeln zuschaucn, die nicht so glücklich find, einer Autonomie, wie die Kroatiens, zu genießen, ja daß eS eine kroatische Partei giebt, die von einem „Großkroatien' mit völliger Unabhängigkeit von Ungarn träumt. Man ist nun darauf gespannt, welche Sühne die Re gierung Ungarns für die der Nation widerfahrene Be leidigung verlangen wird. Immerhin ist anzunehmen, daß man in Pesth nicht allzu hitzig sein und keinensalls mit den Kroaten so kurzer Hand verfahren werde, als wenn eS z. B. an den armen, ohnmächtigen Elovaken etwas zu ahnden gäbe. Auch wird eS in Pesth zu denken gebm, was aus Agram noch berichtet wird: daß die Studenten, welche die ungarische Fahne verbrannten, gleichzeitig auSriefen: „Wir verbrennen die Fahne jene« Volkes, das gegen das Herrscherhaus gekämpft hat, um uufere Treue sür die Dynastie zu bezeugen I" k. Eine Lvvjährige Jubelerinnerung ist im Lauf der verflossenen Woche ziemlich still und un- beachtet vorübergegangen — selbst in dem Teil unseres deutschen Vaterlandes, den sie am unmittelbarsten auging. Wir meinen die Erinnerung an den Geburtstag des Königs Friedrich Wilhelm IV. von Preußen, den 15. Oktober 1795. Wir dürfen uns darüber nicht wundem. Die Regierungszeit dieses Königs ruft manche schmerzliche Erinnerungen wach, besonders wenn wir an die zuletzt ein- tretende Geistesumnachtung desselben denken. Dennoch ist er es wert, daß wir ihm einen Kranz auf sein Grab legen. Unser engeres Vaterland Sachsen verdankt ihm ja in be- sonderer Weise die Niederschlagung des frevelhaften Auf- standeS, der im Mai 1849 die Dynastie und Verfassung des Landes bedrohte. Wenn namentlich liberale Politiker und Historiker über diesen Monarchen mit einem verächt lichen Achselzucken zur Tagesordnung übergehen, so ist das nicht gerecht geurteilt. Man hat Friedrich WilhelmIV. nicht mit Unrecht als einen „Märtyrer auf dem Throne" bezeichnet. Die gärungsvolle Zeit, in die sie traf, und die Gemütsart des Monarchen wirkten zusammen, seine Re- gierung zu einer tragischen und scheinbar unfruchtbaren zu machen. Wie treffend hat doch seine Mutter ihren erst geborenen, zum Thron berufenen Sohn schon in der Ent- Wickelung seines Kindesalters beurteilt. Die Königin Louise schrieb 1808 an ihren Vater: „Der Kronprinz ist voller Leben und Geist. Er hat vorzügliche Talente, die glücklich entwickelt und gebildet werden. Ec ist wahr in allen seinen Empfindungen und Worten, und seine Leb- Hastigkeit macht Verstellung unmöglich. Er lernt mit vor züglichem Erfolge Geschichte, und das Große und Gute zieht seinen idealischenSinnan sich. Für das Witzige hat er viel Empfänglichkeit und seine komischen, überraschen, den Einfälle unterhalten unS sehr angenehm. Er hängt vorzüglich an der Mutter und er kann nicht reiner sein als er ist. Ich habe ihn sehr lieb, und spreche mit ihm oft davon, wie es fein wird, wenn er einmal König sein wird." Ach! die arme schwergeprüfte Königin ahnte wohl kaum, daß dieser ihr geliebter Sohn einst aus eigenster Er- sahrung das Wort aussprechen würde: „Die Wege der Könige sind thränenreich'. Und doch lag gerade in den von der Mutter so treffend und scharf gekennzeichneten Charakterzügen Friedrich Wilhelms ein wesentlicher Faktor, der seine Regierung in verhängnisvoller, gärender Zett zu einer unglücklichen machen mußte. Sein lebhafter Sinn, seine idealistische Geschichtsauffassung, sein Seist und Witz — für einen sein gebildeten Privatmann treffliche Eigen- schäften — haben ihn in der Ausübung seines KönigS- berufeS oft empfindlich gestört. 8S fehlte ihm die Nüchtern heit und charaktervolle Ruhe seines jüngeren Bruders, des späteren Kaiser« Wilhelm I. — Bekanntlich hat der un- gläubige Theolog David Strauß (-j- 1874) tu seiner geist reichen aber boshaften Schrift: „Julian der Abtrünnige oder der Romantiker auf dem Thron', Friedrich Wilhelm IV. mit jenem römischen Kaiser verglichen, der das alte Heiden, tum geistig aufsrischen und wiederum zur StaatSreligion machen wollte. Manche Züge der übrigens mehr nur an gedeuteten Vergleichung find bestechend wahrscheinlich. Und doch hat der schwäbische Gelehrte einen Punkt übergangen, worin Friedrich Wilhelm I V. und Kaiser Iulian total sehr verschieden waren. Dem Iulian klebte ein Zug der Un- Wahrhaftigkeit an, den man bei Friedrich Wilhelm IV. nicht fiidet. Dieser war wahrhaft und treu. „Treue ist keine Romantik", so hat ein engerer Landsmann von David Strauß dessen geistreiche Tendenzschrift kritisiert. Treu — nach seiner Einsicht — ist König Friedrich Wilhelm IV. auch in seiner Regierung gewesen; und darum ist diese Regierung für die Zukunftsentwickelung Deutschlands keineswegs so unfruchtbar gewesen, wie manche Historiker es darstellen. Sein Verdienst in dieser unklaren Gärungszeit ist es gewesen, daß er das Abpflücken un reifer Früchte verhinderte. Gerade das, was den Zeit genossen am wenigsten gefiel, hat sich als ein Freihalten der Bahn für eine spätere gesunde Entwickelung in einer glücklicheren Zeit herausgestellt. Es war ein Glück, daß Friedrich Wilhelm IV. am 3. April 1849 die ihm vom Frankfurter Parlament angebotene deutsche Kaiserwürde ab lehnte. Er hatte Recht mit seiner Anschauung, daß diese nur von den deutschen Fürsten in freier Initiative ihm oder seinem Nachfolger übertragen werden könnte. Seine damals ausgesprochene Ansicht, daß die deutsche Kaiser krone nur auf einem siegreichen Schlachtfeld gefunden werden könne, hat sich wörtlich erfüllt. — Der Tag von Olmütz am Schluffe des Jahres von 1850, wo Preußen vor Oester reich noch vor Beginn des Krieges die Waffen streckte, hat damals alle begeisterten preußischen, ja auch deutsche Pa trioten auf das äußerste entrüstet. Und doch war es ein Glück, daß der unvermeidliche Entscheidungskampf noch 16 Jahre aufgeschoben wurde, und daß man fürs erste sich lieber noch einmal unter das Joch deS österreichischen Bundestages beugte. — Ein großes Verdienst Friedrich Wilhelms IV. war e« ferner, daß er den Bemühungen Englands, ja auch deut scher Diplomaten widerstand, die Preußen als Bundes genossen der Westmächte in einen Krieg mit Rußland ver wickeln wollten. Was in aller Welt hätte Preußen oder Deutschland gewinnen können durch Teilnahme am Krim kriege? Die Enthaltung von dieser verkehrten Politik hat uns dagegen Rußland im Jahre 1870 zu einem uns wohl wollenden Neutralen gemacht. Sin positives Verdienst um die zukünftige Entwickelung Deutschlands müssen wir aber Friedrich Wilhelm IV. zugestehen: „Sr hat Bis marck entdeckt" und ihn auch gleich an die Stelle — als Bundestagsgesandten — gebracht, wo feine großen staats männischen Gedanken sich eutwickeln konnten.