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WschkMfich ^scheinen drei Numnnrn. Plänumer>i!i°n»-Prüö 22^ SUöergr. (j Tvlr.) vtctt'efiährlich, Z Thtk. ftir da« ganze g.,hr. ohne Erhöhung, in aNen Theilen der Preußischen Monarchie. für die Pränumerationen werden von jeder Buchhandlung (in Berlin bei Veit u Comp., Jägerstraße Nr. 25), so wie von allen Königl. Post - Remtern, angenommen. Literatur d c s Auslandes. N6. Berlin, Sonnabend den 10. August 1844. Brasilien. Brasilien im Jahre 1844. (Moralische, polirische, kommcrzieUe und finanzielle vagcO I. Rio-Janeiro. Es ist gar nicht leicht, eine genaue und vollständige KcnMniß des brasi. lianischen Staates zu erlangen. Um das Land und seine Einwohner kennen zu lernen, reicht selbst ein verlängerter Aufenthalt in den Hauptstädten nicht hin: in das Innere des Landes muß man eindringen, dort, wo der europäische Einfluß nur halb seine Macht ausüben konnte, erkennt man das Volk, dort enthüllen sich auch die zahllosen Hindernisse, welche in diesem Reiche das Emportauche» des materiellen Glückes und der Civilisation verhindern. Als ich la Plata verließ, um mich nach Rio-Janeiro zu begeben, war ich fest ent schlossen, vor keiner Schwierigkeit zurückzubeben, welche eine Reise in das Innere dieser Länder darbieten konnte. Um diesen Preis allein war ich im Stande, die in Rio-Janeiro gesammelten Notizen über die Lage des LanveS zu vervollständigen. Die Eigenliebe der Brasilianer trug nicht wenig dazu bei, meine Neugierde zu steigern. Wenn man ihnen glauben wollte, wäre Brasilien der Mittelpunkt südamerikanischer Civilisation; einst würbe ein Tag kommen, wo cs mit den Vereinigten Staaten wetteifer» und alle» Völker» von Mittel-Amerika zum Muster dienen könnte- Ohne Zweifel hat Brasilien herrliche Hiilfsqucllcn, der Boden ist jahraus, jahrein produktiv; und doch — fragt sich der Reisende/Wcr in Rio-Janeiro landet, ob die Rolle, die dies ent artete portugiesische Geschlecht spielen will, seinen Kräften gemäß ist, so wird die Antwort nicht lange auf sich warten lassen; freilich in einem Sinne, der mit den Träumen des brasilianischen Stolzes durchaus nicht übercinstimmt. Das freundliche Anerbieten des Admirals Massieu de Clcrval übcrhob mich der Unbequemlichkeit, die Reise von la Plata nach Rio-Janeiro auf einer jener englischen Goelette» zurückzulegcn, welche den Depeschendienst zwischen Monte video und Brasiliens Hauptstadt verrichten. Nach einer glücklichen Fahrt von kaum acht Tagen erreichten wir die Bai von Rio-Janeiro. Ich hatte Zeit genug, mich an dem fremdartigen Anblick zu erfreuen, welchen die Gebirge, die diese Bai umgeben, darbietcn; besonders aber der Corevval, dessen Gipfel viel Aehnlichkeit mit einem menschlichen Profil hat. Widrige Winde hielten uns beinahe 3 Tage im Angesicht dieser bizarr abgcschnittenen Bergspitzen auf. Endlich, nach Sonnenuntergang, konnten wir die an den Seiten eines engen Kanals gelegenen Paläste umsegeln. Die Seebrise, welche sich täglich während der stärksten Hitze erhebt, macht die Einfahrt leicht, während man, um herauS- zusegcln, die Landbrise abwarten muß, die immer des Abends herrscht. Die Bai, spärlich erhellt von den letzten Strahlen der sinkenden Sonne, machte nicht den Eindruck auf mich, welchen ich erwartet hatte. Sie ist so weit, daß der Blick ihre Erstreckung nicht umfassen kann; man bleibt unbefriedigt vor einer Masse von Bilder», die man vergebens uni einen Mittelpunkt zu gruppircn sucht. Nur beim Eintritt in die Bai kann man das Ganze der Landschaft er fassen. Das Meer, dessen ruhige Gewässer sich bis zum Fluß des Gebirges ^,dos Orgaos" erstrecken, ist mit den lieblichsten Inseln besäet. Der „Zucker hut", der Corcoval beherrschen eine Gruppe pittoresker Hügel. Die Stadt Rio selbst verliert sich im Raume; es ist schwer, über ihren Umfang zu ur- theile»; die Kirchen la Gloria und San Theresa sind die einzigen Gebäude, die man unterscheiden kann. Mit Angst erwartete ich die langweiligen, martervolle» Untersuchungen der Zoll-Beamten und war angenehm überrascht, indem ich bei meiner Lan dung (an einem Festtage) keine menschliche Seele erblickte, die »reine Effekten zu visitiren verlangt hätte. Der französische Gesandte, Baron von Langsdorff, war bei seiner Ankunft in Rio-Janeiro weniger glücklich. Als er, mit seinem Portefeuille unter dem Arm, ans Land stieg, wurde er von eine», Zoll- Offizianten angehalten, der es ihm mit Gewalt entreißen wollte. Herr von LangSdorff leistete Widerstand; seine Einwendungen wurden jedoch nicht ge hört, und ohne die Dazwischenkunft einiger Brasilianer, welche dem Agenten die Stellung deS Herrn von Langsdorff auseinandersetzten, wären die Papiere des Gesandten der Untersuchung eines brasilianischen Zoll-Beamten unter, worfen gewesen. In Rio-Janeiro angelangt, konnte ich sehr bald wahrnehmen, wie viele Hindernisse eine Reise in das Innere dieser Länder darbieten würde. Ich wollte MinaS Gerai-S, die wichtigste Provinz Brasiliens, durchwandern, mußte also zu diesem Zweck genaue Nachrichten zu erhalten suchen. Die Minister so. wohl als die Männer, welche man mir als ausgezeichnet durch Geist und Stellung genannt, hatten durchaus keine Kenntniß von den Hülfsquellen dieser Provinz. Kaum kann man von den Einwohnern Brasiliens einige (meistens aber unvollständige) Notizen über die Gegend, welche sie bewohnen, erlangen. Niemals wird man einem Staatsmaune begegnen, der über die innere Lage der Provinzen eine auf Thatsachen begründete Meinung äußern könnte. Man ist genölhigt, seine Zuflucht zu den Abhandlungen der verschiedenen Reisenden zu nehmen, welche Brasilien untersucht haben. Rio-Janeiro, Hauptstadt des Reiches und Mittelpunkt der Regierung, dient allen Leuten zum Aufenthalte, die ihr Glück durch die Staats-Angelegenheiten zu machen hoffen. Dort be. gegncn sich alle Personen, die einstmals in den Revolutionen der Provinzen eine Rolle spielten und nun die Belohnung ihrer Ergebenheit einfordern oder den furchtsamen Ministern Bedingungen vorschreiben. Was die weltlichen Zer streuungen betrifft, so bietet Brasiliens Hauptstadt dem Europäer wenig dar. Die Einwohner weiche» dem Umgänge mit Fremden aus , nur einige Familien, die früher in Europa gelebt haben, kommen dem Reisenden freundlich entgegen uud behandeln ihn mit Zuvorkommenheit. Der Hof, anstatt die Gesellschaft zu beleben, ist immer traurig und ernst; der Kaiser flieht die Welt, und Fest lichkeiten sind so selten, daß man nicht davon reden kann. Die Etikette ist sehr bizarr. Seit langer Zeit herrschte die Sitte, daß des Kaisers Schwestern nur mit Frauen tanzen durften ; der Prinz von Joinville hat zuerst dieses seltsame Gesetz gebrochen. Es steht zu hoffen, daß die Gegenwart einer jungen Kaiserin, welcher die Vergnügungen eines heiteren Hoses zur süßen Gewohnheit würden, eine glückliche Veränderung in dem eintönigen Leben des brasilianischen Hofes hervorbringen wird. Für den Fremden ist der Aufenthalt in Rio höchst traurig. Die Frauen sind in ihrer Häuslicheit kaum bekleidet, deshalb genirt sie jeder Besuch, und ma» wird durch die Eifersucht der Männer noch mehr entfernt. Nur auf einigen Bällen findet man Gelegenheit, die Brasilianerinnen zu beobachten. Sie nahen sich, aufs prächtigste gekleidet, doch bieten die schönen Gewänder keinen Ersatz für den Mangel an Grazie, und dieser Luxus des schlechten Ge schmackes überrascht nur auf unangenehme Weise. Außer diesen feierlichen Gele genheiten gehen die Brasilianerinnen nur aus, um sich in die Kirche zu begeben; sie haben weder die Leichtigkeit noch die Gewandtheit der Spanierinnen und sehen in ihren Fcstgewändern nur beladen und unbehaglich aus. Fülle, schmale Taille, schöne schwarze Augen, eine mehr kupfrige als braune Hautfarbe, dichtes Rabenhaar, das sind ungefähr die vorzüglichsten Reize der Brasilia nerinnen. Es giebt vielleicht in Rio vier oder fünf Frauen, die man wirklich schön nennen kann, die anderen haben weder Reiz, noch sonst etwas Verfüh rerisches. Ihre Frechheit im Blick, ihr Cpnismus in der Unterhaltung flößen fast immer eine unüberwindliche Abneigung ein. In Spanien bilden die Frauen die Seele des gesellschaftliche» Lebens, Alles beugt sich ihrem Einfluß; in Brasilien schmachten sie in dem Stande so tiefer Niedrigkeit, daß man sich genöthigt sieht, sie ihrer Einsamkeit zu überlassen. Die Unwissenheit und Eigenliebe der Bewohner von Rio machen unglücklicherweise die Unterhaltung der Männer nicht angenehmer als die der Frauen. Man ist also auf einsame Spaziergänge beschränkt, welche, Dank der herrlichen Lage der Stadt, sehr anziehende Zerstreuungen darbiete»; wenn man aber die Vergnügungen der Welt genießen will, so muß man sic bei den Gesandten fremder Mächte aufsuchen. Um die Traurigkeit zu überwinden, welche sich des Fremden am ersten Tage seiner Ankunst bemächtigt, ist wirklich Brasiliens bewunderungswürdiges Klima erforderlich; nicht weniger trägt aber die herrliche Gegend dazu bei, welche sich um Rio nach allen Seiten hin erstreckt. Die Stadt selbst zählt wenig bemerkenswerthe Gebäude: der Palast des Kaisers ist ein großes vier eckiges Gebäude ohne Architektur, überdies noch unvollendet; die Kirchen, die öffentlichen Gebäude sind solid aufgeführt, doch ohne Zierde. Der einzige bemerkenswerthe Bau ist der Aquädukt, welcher die Gewässer des Coreoval in das Innere von Rio-Janeiro führt. Er wurde von den Portugiesen aus dem Ertrag der Bergwerke aufgeführt und 1740 vollendet. Die Straße Uvidor ist die vornehmste; sie wird mit der rus Vivienne in Paris verglichen und bietet wirklich dem Auge einige schöne Magazine dar, deren Eleganz und guter Ge schmack mit den schmutzigen Buden der anderen Stadtthcile sehr kontrastirt. Große Zwischenräume trennen Rio von seinen Vorstädten, und die Ver bindung dicscr verschiedenen Punkte wird nur durch unegale, schlecht gepflasterte und schlecht unterhaltene Wege hergestellt. Ich betrachtete cs als ein wahr haftiges Märtyrerthum, wenn ich mich in einem schlechten Cabriolet nach San- Cristoval, der Residenz der Kaisers, begab. Die fremden Gesandten und alle reichen Brasilianer bewohnen niedliche Häuser in den Vorstädten Cacete und