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Wöchentlich »schtinen drei Nummern. Pränumeration» ^ Preiö 22j Silbergr. Tdlr.) vierteljährlich, Z Thlr. für da» ganze Jahr, ohne Erhöhung, in allen Theilen her Preußischen Monarchie. Magazin für die Pränumerationen?« werden von jeder Buchhandlung (in Berlin bei Deit u. Comp., Jägerstraße Nr. 28), so wie von allen Königs. Post-Aemtern, angenommen. Literatur des Auslandes. 143. Berlin, Montag den 4- Dezember 1843. England. Erinnerungen an den Aufenthalt Napoleon's aus St. Helena.*) Von Elisa Abell. Während der drei Monate, welche Napoleon in den Briars bei uns zu brachte, schien er ganz zufrieden, so weit er überhaupt zufrieden seyn konnte, und er sprach oft seine Freude über die glückliche Lage unserer Besitzung aus. Er wünschte, daß ihm die englische Regierung erlauben möge, uns nie zu verlassen, und daß sie, wenn mein Vater darein willige, unser Häuschen an kaufe und eS ihm zum bleibenden Wohnsitz überlasse. Doch als er sein Gesuch der Regierung vorlegte, wurde eS zurückgewicsen, und er dachte nun selbst daran, die Briars zu kaufen, und sandte den General Montholon ab, um mit meinem Vater darüber zu unterhandeln; allein auch diese Unterhandlung kam durch das Einschreiten der englischen Politik nicht zu Stande. Als die Arbeiter, welche zum dreiundfunfzigsten Regimente gehörten, hierauf die be nachbarten Höhen erkletterten und auf ihren Schultern alle Werkzeuge und Geräthschaften trugen, mit denen man Longwood bewohnbar machen wollte, sah ihnen Napoleon mit Blicken nach, welche seinen inneren Unwillen und seinen Schmerz auszudrücken schienen. Er hörte dem Rauschen der Trommeln und Pfeifen zu, welches die Arbeiten begleitete, und es gemahnte ihn an alte RuhmcStage und verkündete ihm zugleich, mit welchem Eifer man die Arbeiten betrieb und wie nahe der Augenblick war, der ihn von den Briars zu scheiden zwang. Bei seinem Abschied forderte er uns auf, ihn in seiner neuen Behausung zu besuchen, und bald darauf begaben wir uns nach Longwood. Wir waren begierig, zu sehen, wie er wohnte, und vielleicht auch hofften wir, er werde unser niedliches Häuschen mit dem finsteren Aufenthalte, den man ihm mitten im öden, unfruchtbaren Gebirge angewiesen hatte, vergleichen, und unser Häuschen werde einigen Ruhm dabei ärndten. Was mich betrifft, ich sprang vor Freuden, daß ich meinen Spielgescllcn Wiedersehen sollte, seit dessen Ab reise ich so traurig gewesen war. Wir trafen den Kaiser, wie er aus den Stufen der Treppe saß, welche zum Billardzimmer führte. Er unterhielt sich scherzend mit dem kleinen Tristan Montholon und eilte, sobald er uns er blickte, auf uns zu, umarmte meine Mutter, machte meiner Schwester eine anmuthige Verbeugung und mich zupfte er am Ohr und rief lachend: „Ah, Fräulein Betsy, find Sie klug?" — Er fragte uns, wie sein Palast uns gefalle, und bat uns, ihn zu begleiten, weil er uns, wie er fich ausdrücktc, seine Wirthschaft zeigen wolle. Er führte uns zuerst in sein Schlafgemach. Dies war ein kleines, sehr düsteres Zimmer, dessen Wände mit einem Nankin- Stoff überzogen waren, welcher die Stelle von Tapeten vertreten mußte. Der einzige Schmuck, den ich hier bemerkte, bestand in einigen Familien bildern, die Napoleon mitgebracht hatte. Das Bett war noch das kleine eiserne Feldbett, in welchem der Kaiser einst nach den Schlachten von Marengo und Austerlitz schlief. Die Fenster-Vorhänge waren von grüner Seide. Dem Bette gegenüber stand eine kleine Büste von weißem Marmor, welche den König von Rom vorstellte, und darüber hing ein Portrait Marie Louisens, so daß beim Erwachen stets des Kaisers erster Blick auf seinen Sohn und dessen Mutter fiel. — Darauf gelangten wir durch ein Vorzimmer in ein Kabinet, in welchem eine mächtige Badewanne stand, weil der Kaiser täglich sich eine bis zwei Stunden zu baden pflegte. Außerdem besaß Napoleon noch einen Speise- und einen GesellschaftS-Saal, ein Toiletten- und ein Billard- Zimmer. Als er UNS d:ese Gemächer alle gezeigt und über jedes einige, meist scherzhafte, Bemerkungen hingcworfen hatte, führte er uns in die Küche und befahl dort, ein Töpfchen Milchrahm und einiges Zuckerwcrk für Fräulein Betsy zu besorgen, denn er hatte meinen Geschmack nicht vergessen. Dann zeigte er uns noch seine Speisekammer und führte uns hierauf zu Madame Montholon. Er nahm das noch nicht sechs Wochen alte Kind der Gräfin auf den Arm und schaukelte es in seiner ungestümen Art, daß wir jeden Augen blick fürchteten, er werde eS fallen lassen. Von Zeit zu Zeit blieb er stehen, streichelte es und kniff ihm die Nase oder die Backen, bis das kleine Wesen zu schreien anfing. Wir lachten über seine ungeschickte Weise, Kinder zu schau keln; doch er entgegnete uns, daß er den König von Rom oft genug so ge schaukelt habe, als er in dem Alter der kleinen Lily gewesen sey, doch dieser habe nicht so leicht geweint. Als wir uns empfehlen wollten, zeigte uns Napoleon den Garten und ') Fortsetzung der in Nr. Sl —»l de» Magazin« gegebenen Mittheilungen. die Umgebungen von Longwood. Diese boten einen so wüsten Anblick, daß er sich kaum schildern läßt, und daß Alle, die an die großartige, wilde Natur der Insel St. Helena nicht gewöhnt find, fast davor zurückschaudern müssen. Auf der einen Seite erhob fich ein dunkles, steiles Gebirge, auf dessen Ab hängen man nur hin und wieder einen wilden Birnbaum, einige Aloen oder anderes niedere Gesträuch erblickte. Auf der anderen Seite kreuzten sich dir Bergzüge, und man gewahrte einige Höhlen und Grotten, in denen fich während der ersten Zeiten der Colonisation der Insel die Hirten zur Seite der Ziegen bei Nacht geborgen hatten. Madame Bertrand erzählte mir einst, wie Napoleon oft Stunden lang stehe und die Gewölke betrachte, die sich über den Felsengipfeln zusammenballen, mit einem flüchtigen Schatten die Insel bedecken und sich dann im unendlichen Ocean verlieren; sie scheinen vor den Augen des gießen Gefangenen phantastische Gestalten angenommen zu haben; und er mochte in ihrem Neigen und Wehen Grüße erkennen, die ihm aus Frankreich kamen, und ihnen Grüße nach Frankreich auftragen. Zum Schluß machte uns der Kaiser den Vorschlag, uns in seinem irlän. dischen Wagen heim zu führen. Wir schickten unsere Pferde nach Hutsgate, dem Wohnsitz der Madame Bertrand, nahmen zur Seite unseres Wirthes Platz, und das Gespann flog im schnellsten Galopp davon. Ich bin zu Wagen stets sehr surchsam gewesen, und das Fuhrwerk, in dem ich mich damals bc- sand, schien mir noch weit gefährlicher als die gewöhnlichen; so war ich in Todesangst; doch man hatte kein Mitleid mit mir. Napoleon lenkte seine drei schnaubenden Rosse einem der gefährlichsten Wege zu, welchen man die Punsch-Bowle des Teufels nannte. Das eine Pferd schien stets in den Ab grund stürzen zu müssen, während die beiden anderen in Gefahr waren, fich die Köpfe an den Felsen einzurennen, die sich quer über den Weg neigten. Napoleon schien bei so wilden Fahrten allen Groll zu vergessen; er ergötzte sich an der Angst seiner Gefährten, und vorzüglich an der meinen, und rief mir von Zeit zu Zeit zu, daß wir jetzt in die Tiefe stürzen und Alle in tausend Stücke zerschmettert würden. Als fich Napoleon einige Monate auf St. Helena aufgehalten hatte, empfingen wir Journale mit Anekdoten, in denen er spielte und die auf sein Verweilen in den BriarS Bezug hatten. Besonders ergötzlich war hierbei ein Brief, den der Marquis von Montchenu geschrieben; in diesem wurden mehrere Scencn, welche zwischen dem Kaiser und einzelnen Mitgliedern unserer Familie vorgefallen waren, besonders mein Scherz mit dem Degen, ausführlich geschildert, und von Miß Betsy hieß es, sie sey das impertinenteste Mädchen, welches man je gesehen habe, und man dürfe wohl annehmen, daß es mit ihrem Verstände nicht richtig sey. Dieser Brief war aus den französischen Journalen in die deutschen und englischen übergegangen, und mein Vater war höchst verdrießlich, daß mein Name in solcher Weise der Oeffcntlichkeit preiS- gegeben sey. Er wollte Genugthuung vom Marquis fordern; doch meine Mutter wußte die Sache beizulegen, indem sie den Marquis veranlaßte, sein Wort zurückzunehmen und sich wiederholt zu entschuldigen. Als Napoleon die Schmähung erfuhr, die Miß Betsy seinetwegen erlitten hatte, sandte er den Doktor O'Meara nach BriarS, um mir mitzutheilen, auf welche Weise ich mich an dem alten Schwachkopf, wie er den Marquis nannte, am besten rächen könne. Der Marquis war, wie cs schien, sehr stolz auf den schönen Bau und die Eleganz seiner Pcrrücke, die in einen langen Schweif ausging und mit demselben, wenn er sich beim Gehen und Sprechen bewegte, bald die rechte, bald die linke Schulter peitschte. Diese Perrücke sollte ich nach dem Rathe des Kaisers aus irgend eine Art zu verbrennen suchen, am liebsten wohl durch eine ätzende Flüssigkeit. Ich war solchen Streichen nie abgeneigt, und ich brannte, den Marquis für seine Unverschämtheit zu züchtigen; auch hatte ich noch einen zweiten Sporn für meine Tapferkeit. Napoleon hatte mir näm lich versprochen, wenn ich das Abenteuer siegreich bestände, mir den schönsten Fächer zu kaufen, der in dem Laven des Herrn Salomon zu finden sey. Doch meine Mutter wurde die Beschützerin der Perrücke, indem sie mir streng unter sagte, meinen Uebermuth durchzuführen. Als mich Napoleon hierauf zum ersten Male wiedersah, rief er mir entgegen: „Nun, Fräulein Betsy, bist du meinen Befehlen nachgekommen? hast du den Fächer verdient?" Ich ant- wortete halb traurig, daß ich eine gehorsame Tochter gewesen sep, und Napo leon kniff mir das Ohr und sagte: „Ah, Fräulein Betsy, nun fängst du doch an, artig zu werden." Darauf ließ er den Doktor O'Meara rufen und fragte, ob er den versprochenen Fächer für mich gekauft habe? Der Doktor erwiederte, er habe keinen gefunden, der schön genug sey; und ich mochte bei dieser Ant wort ohne Zweifel ein etwas niedergeschlagenes Gesicht machen, denn wie mich Napoleon ansah, suchte er mit seiner gewohnten Freundlichkeit mich zu