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Anzeiger. Amtsblatt des Miigl. Bezirksgerichts Md des Rat-S der Stadt Leipzig. W 3«k. Sonnabend den 2. November. 1861. 11 « ' Bekanntmachung. Nachstehend bezeichnte, der Stadtgemeinde gehörige Wohnhäuser, das Hauptgebäude in dem ehemaligen Becker'schcn Grundstücke, Kleine Gasse Nr. 1 (584 des BrandkatasterS 8), daS ehemals Krüger'sche HauSgrundstück, Kleine Gasse Nr. 2 und 3 (585 und 586 deS BrandkatasterS 6.), das ehemals Gärtner'sche Haus, Bosenstraße Nr. 13 (666 deS BrandkatasterS 8.) sollen mit sämmtlichem dazu gehörigen Material und so wie sie stehen und liegen zum Abbruche versteigert werden. Wir haben hierzu den V. November 1881 als Termin angesetzt, und es werden Erstehungslustige geladen, an diesem Tage Vormittags 11 Uhr in der Rathsstube zu erscheinen, ihre Gebote zu eröffnen und sich dann weiterer Weisung zu gewärtigen. Die Versteigerungsbedingungen können vom 21. October d. I. an auf dem Bauamte eingesehen werden. Leipzig den 17. October 1861. Der Rath der Stadt Leipzig. vr. Koch. Schleißner. Bekanntmachung. Die an der Ecke der Waldstraße und der dieselbe durchschneidenden Querstraße Nr. 3 liegende, auf dem ParzcllirungS- Plane mit Nr. 35 bezeichnte Parzelle soll als Bauplatz an den Meistbietenden versteigert werden. ES ist dazu der ö November 1881 von uns anberaumt worden. Kauflustige haben sich an diesem Tage Vormittags 11 Uhr in der Rathsstube einzufinden, ihre Gebote zu eröffnen und sich weiterer Weisung zu gewärtigen. Die Verkaufsbedingungen nebst dem Plane liegen vom 21. October d. I. an auf dem Bauamte zur Ansicht bereit. Die zur Versteigerung kommende Parzelle selbst wird in den letzten Tagen vor dem Termine abgesteckt sein. Leipzig, am 17. October 1861. Der Rath der Stadt Leipzig. vr. Koch. Schleißner. Die wachsende Sittenlostgkeit in Paris. Eines der besten franz. Journale schreibt: Suchen Sie ein be stimmtes Symptom, um die Zunahme der immer wachsenden Ent sittlichung dieser Epoche des SchlaraffenthumS zu messen? Sehen Sie nur hin, folgen Sie mir Schritt vor Schritt, zählen Sie, wenn Sie können, einfach diese Vervielfältigung der CafeS. Von der Madelaine bis zur Bastille ist die ganze Linie der Boulevards nur noch eine Reihe von Cafes, Cafe an Cafe, Estaminet auf Estaminet, und das Trottoir von Tischen und Stühlen unter vor springenden Sonnenzelten eingenommen. Es scheint, daß die Hälfte d?r Pariser Bevölkerung weder mehr einen Herd, noch Häuslich keit, noch Gemüth, noch Pflichtgefühl für die Familie hat; daß sie nur noch im Cafe lebt, mit den Ellenbogen auf der Marmor platte, in tiefsinniger Betrachtung vor einem Dominobret, oder in Verzückung vor einem Glas Runkelrübenzucker-Branntwein. Und da fällt mir ein, daß erst gestern in meiner Straße, hart an meiner Thür, die Spekulation einen ganzen Garten mit Glas überdeckt, und daraus ein unübersehbares Cafe gemacht hat; in dieser Tabagie, so groß wie manches deutsche Herzogthum, rekelt sich bequem die Jugend des lateinischen Viertels, bunt durch einander mit weiblicher Jugend, und vergißt inmitten dieser, von allen combinirten Miasmen der Cigarre und der Anisettes ge schwängerten Luft, daß Frankreich auf sie seine Hoffnung setzt, und zerstört ihre Seele, wie die Chinesen, im Opiumrausch. Aber die unendliche Reihe von Cafes genügte nicht; es bedurfte noch einer Vervollkommnung — des Cafe Chantant. Das ist ein Cafe mit einer Rabatte von Frauen verziert, die von dem Scheitel abwärts halb entblößt sind. ES sind verdorbene MalibranS in Balltoilette, welche nach der Reihe mit einer Schnapsstimme leicht fertige Couplets singen, und sie noch leichtfertiger singen würden, wenn nicht der rauhe, immer kommende und gehende Stadtsergent, mit dem Degen an der Seite, die öffentliche Moral durch sein fortwährende- Patrouilliren beschützte. Aber e- giebt eine Ein richtung der Gegenwart, welche die Bevölkerung noch mehr ent sittlicht, eS sind die Locale, wo man ln Liqueur eingemachte Pflau men verkauft. Sie fragen mich vielleicht, wa- das ist? Eine Kneipe, die man durch den Namen Caboulot geadelt hat. ES ist eine Kneipe, die nach außen vergoldet und deren Comptoir nach innen mit Marmor von Carrara und, um die Kunden anzulocken, einer mit Bändern geschmückten Dame in einem Lehnsessel verziert ist. Man hat mir erzählt, daß zur Zeit Louis Philipps eine kluge Frau, die man Mutter Moreau nannte, vom Himmel einen be sonder» Beruf empfangen hatte Reineclauden einzumachen. Sie eröffnet? einen Laden am Ende de« Pont neuf, und batte nach kurzer Zeit Zulauf. Sie hatte Glück, pflanzte ihre Kundschaft fort, und Frankreich zählt in Folge dessen eine Dynastie mehr: die Dynastie der Mutter Moreau. Der Erfolg der in Brannt wein eingemachten Pflaumen rief natürlich eine Concurrenz hervor. Man sah hie und da eine neue Mutter Moreau aufsprossen, aber seit einiger Zeit vermehrt sich die Moreau überall um ganz Paris zu überfluthen. Von Straße zu Straße sieht man sie auftauchen, und deS Abends ihr Schaufenster im Gaslicht leuchten mit allen, blauen, grünen und rosa Farben, vollgethürmt mit allen möglichen gezuckerten alkoholischen Giften in Pocalen, Flaschen und Krystall- phiolen. Wie soll man diese Ueberfluthung mit Pflaumen in Branntwein erklären? Welchem Gott des Zorns verdankt man diese neue Plage Aegyptens? Ich habe eine Menge verschiedener Erzählungen in dieser Beziehung gehört. Ich will Ihnen eine nach der andern mittheilen, ohne dafür jedoch irgend eine Verant wortung zu übernehmen. Die erste Hypothese schreibt der afrika nischen Armee die Initiative der jetzt zur Gewohnheü gewordenen Zerstreuung durch Alkohol zu. WeNn nach heftiger Anstrengung gegen einen Beduinenstamm ein Detaschement ein Blockhaus tief in der Metidscha besetzte, so begreifen Sie wohl, daß diese brave Garnison, ans andere Ende der Welt verbannt, eingeschlossen wie in einer Zelle, von ihrer Heimath fortgrschleudert, in einer glühen den Luft, in einer tobten leblosen Ebene, ohne Beweaung, mit keiner andern Zerstreuung als dem Auftauchen einer Staubwolke oder einer Rauchsäule am fernen Horizont — Sie begreifen wohl, sage ich, daß der französische Soldat leicht dem Heimweh verfiel, und, um seine Traurigkeit zu verscheuchen, ein Allbi im Alkohol und vor allem im Absynth suchte. Aber der Absynth wird bald, nachdem er ursprünglich wie die Pfeife nur eine geborgte Quelle der Fröhlichkeit gewesen, zur zweiten Natur. Bon der afrikanischen Armee ist er nach Frankreich übergesiedelt, und hat sich dort ohne Zweifel in festerer Weise eingebürgert al- die Freiheit. Nach einer zweiten Hypothese haben die hohen Weinpreise den '' .