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O«kr Amtzer Erscheint Dienstag, Donnerstag u. Sonnabend. Abonnementspreis einschließlich der illustrirlen Beilagen „Gute Geister" u. „Zeitbilder" sowie des illustr. Witzblattes „Seisenblasen" 1,50 Ml. Zeitmig fm Hnriuld, Skifkrsdstks, Inserate kosten die Spaltenzeile oder deren Raum 10 Pf., für auswärtige Inserenten 15 Pf. Tabellarische Inserate werden doppelt berechnet. Annahme von Anzeigen für alle Zeitungen. Groß- und Kleinölsa, Obernaundorf, Hainsberg, Somsdorf, Coßmannsdorf, Lübau, Borlas, Spechtritz re. Mit verbindlicher Publikationskraft für amtliche Bekanntmachungen. Nummer 64. Donnerstag, den 31. Mai 1900. 13. Jahrgang. Aus Nah nud Fern. — Ein kritischer Tag 2. Ordnung war nach Falb der letzte Montag. Was das Wetter anbelangt, so hat man freilich Voit einer Krisis nichts beinerkt trotz der Sonnenfinsterniß, die sich pünktlich um 4 Uhr einstellte und gegen 5 Uhr hier ihr Maximum erreichte. Die Sonne stand um diese Zeit als ein nach links unten weit geöffnete Sichel am Horizont. Von dieser Zeit an trat der Schatten des Mondes lvieder immer mehr von der Sonnenscheibe zurück, bis er sie 2 Minuten vor 6 Uhr ganz verlassen hatte. Ein leichter Wolkenschleier lagerte während der Verfinsterung zeitweilig vor dec Sonne, deren Strahlen einen eigenthüm- lichen fahlen Schein hatten. Das Phänomen wurde von zahlreichen Personen mit geschwärzten Gläsern (und dito Fingern und Nasenspitzen) beobachtet. — Die Kirschbäume zeigen vielfach reichen Frucht ansatz. Bei den frühen Sorten ist die Frucht schon zu ansehnlicher Größe entwickelt. Es ist anzunehmen, daß die Spätfröste die Fruchtbildung nicht sonderlich beeinträchtigt haben, denn der Fruchtstand ist ein gesunder und reicher. — Der am Montag in Köln stattgehabte Delegirten- tag des rheinischen Sängerbundes nahm eine Resolution an, die sich dagegen ansspricht, daß das nächstjährige sechste große deutsche S ä n g e r b u n d e s f e st in Graz abge- haltcn werde, weil Graz zu weit entfernt sei, namentlich aber auch die dortigen politischen Verhältnisse einem der artigen friedlichen Feste nicht günstig seien. — Am Donnerstag, den 31. Mai d. I-, feiert Mutter Brühl iu Fördergersdorf ihren 97. Geburtstag. Sie wurde also im Jahre 1803 geboren und weiß infolge dessen über die wichtigsten Ereignisse und Zeitabschnitte in unserem engeren Vaterlande des vel stoffenen Jahrhunderts zu berichten. Dieselbe besorgt über 50 Jahre, wöchentlich zweimal, die Botengänge zwischen dort und Wilsdruff. Wer Helegrapy. Humoreske von Otto Reinhold. «Nachdruck ueibwea.) I. Auf dem Bahn Hofe. Es war am l 5. November 1887 ., als auf dem .... er Bahnhöfe zu Beilin dem zur Absahit bereilsteheuden Voc- nültagszuge das drille G vckmzeichen gegeben wurde. Gleich darauf zirpte auch schou der Zugführer sein schrillendes Signal über den Perron hinweg nach der Maschine zu; '» demselben Augenblicke keuchte noch ein Drvschengaul »üt seinem Anhängsel die Auffahrt heraus, uud ehe der Nossc- lenker seinen Klepper zum Stehen gebrach! hatte, war der Insasse bereits herausgesprungen. Mit dunkelm Kaisermantel und Studentencalabreser angethan und auf dem Arme eine getigerte Neisedccke, die er, nebenbei gesagt, auf dem Boden hinter sich herschlcifte, — so stürzte unser Rasender zuerst mis den Billetschalter zu, uud als er denselben bereits ge schlossen fand, auf den Perron hinaus, wo er gerade noch zurecht kam, um das Schauspiel zu genießen, wie sich der Zug langsam in Bewegung setzte. Die Passagiere steckten — io weit es der Naum zulieb — die Köpfe heraus; hier wurde noch ein herzlicher Gruß, dort ein Handkuß oder ein kräftiger „Händedruck unter erschwerenden Umständen" znm Wagen heraus gewechselt; rvthgeweinte Abschiedsaugen und lachende Spritzfahrtgesichter glitten langsam vorüber — dazu hauchte das Dampfroß seine stoßweisen Athemzüge — nun noch einige wehende Taschentücher — und der Zug verschwand hinter dem Güterboden. Unser Reisender stand eine Weile wie auf die Stelle gebannt und betrachtete ärgerlich die leeren Schienen, als er sich endlich aufraffte, um den Streich des Schicksals mit Fassung zu ertragen, bemerkte er, daß sich der Perron ge leert hatte. Mißmuthig näherte er sich dem Wartesalon I. und II. Classe und begann seinen blonden, gekräuselten Vollbart mit der Rechten zu maltraitiren, indem er ihn fort während in der Mitte des Kinnes nach beiden Seiten hin abtheilte — währendseineNeisedeckeungestörtdenCementboden liebkoste. „Fatal!" murmelte der zu spät gekommene Fahrgast Vor sich hin; „gerade vor der Nasewea!" Ec wollte eben in den Wartesaal eintreten, als er Plötzlich stehen blieb. „Gewiß! Es wird das Beste sein! Ich telegraphire sofort!" Rasch entschlossen machte er Kehrt und wendete sich dem Telegraphenbureau zu. Hier trat er zu einem der sür das correspondirende Publikum bereitstehenden Pulte und begann mit der kam» brauchbaren Feder eines der Formulare auszufüllen. Wenn auch schwach auf die Füße, so erfreut sie sich dennoch der besten Gesundheit und seltener Geistesfrische. — Der Geheime Forstrath vr. Neumeister in Tharandt ist zum Mitglieds des Ehrencomitös des internationalen Forstcongresses in Paris ernannt uud zu den am 4. Jnni beginnenden Sitzungen eingeladeu worden. — Im Berlage von C. C. Meinhold und Söhne in Dresden ist eine Spezialkarte von Kipsdorf-Altenberg-Lauenstein erschienen, auf die besonders aufmerksam gemacht wird. Die im Maaßstab von 1: 25000 gehaltene Karte verdient in hohem Grade das Interesse der Sommerfrischler und Touristen, deren Zielen vorwiegend Rechnung getragen wurde durch Hervorheben von Aussichtspunkten, Hotels und Restanranis rc. Eine schntzenswerihe Neuerung ist auch die Nummerirung der Kilometersteine Ler Chausseen, wodurch eiue genauere Orientirung ermöglicht ist. Die Karte ist für Mk. 1.50 von obigem Verlag zu beziehen. — Die Zeit der verschiedensten Schießen beginnt. Auf den Wiesen herrscht immer eine lebhafte Nachfrage nach Fischwaaren aller Art. Wir glauben die Händler auf das heutige Inserat von E. Paschky in Dresden aufmerksam machen zu sollen. Der Preis der angebotenen Bratheringe ist sehr niedrig und für gute Waare wird garantirt. Fehlerhaftes wird sofort zurückgenommen. — Am Donnerstag Abend brannte inGostritz eine dem Gutsbesitzer Hänichen gehörige, durch Blitzschlag ent zündete Feime nieder. — Am Dienstag herrschte inKouitz eine fürchterliche Anfregung. Der Fleischermeister Hoffmann nebst Tochter sind wegen dringenden Verdachts verhaftet worden. Der ermordete Winter soll mit der Tochter geschlechtlich verkehrt haben und vom Vater dabei überrascht worden sein. Hoff- wann soll Winter erschlagen und die Leiche beseitigt haben. Die Tochter bestreitet Alles. — DasAbkommen wegen der Canalisation des Mains abwärts Offenbach ist noch nicht fertig, die Verhandlungen schweben noch zwischen Bayern, Hessen und Preußen. Dem bayrischen Landtage ist eine Nachtrags forderung von 80 0.00 Mk. zugegangen, um in Aschaffen burg ein Bureau für die projektirte Maincanalisirung zu errichten. Das Telegramm lautete: „Herrn Friedland ! Komme Nachmittags zwei Uhr. Rudolph Lassen." Das Telegramm wurde dem zur Annahme dienenden Beamten übergeben, bezahlt, und unser Reisender — das Telegramm hat uns seinen Namen verrathen — konnte noch sehen, wie seine Depesche einer der Telegraphistinnen zur Expedition übergeben wurde. Sein Gesicht verrieth dabei den Ansatz zu einem spöttischen Lächeln, und Während das Lächeln znm Durchbruche kam, verließ er das Bureau. Als er an den Fenstern vorüberschritt, an denen die „galvanischen Jungfrauen" faßen, sah er, wie die junge Dame am zweiten Fenster schon emsig in das Studium seiner Depesche vertieft war. Unser Reisender war ein ausgesprochener Damenfreund, und deshalb konnte er nicht umhin, einen flüchtigen, mustern den Blick über die Reihe der jungen Damen zu werfen. Dieser rasche Blick war jedoch scharf genug, um dort ai. Jener eine zu lange, spitze Nase, an einer Anderen zu dicke Lippen, an einer Dritten eine Brille zu bemerken, und nur eine niedliche, lachende Blondine hätte sein Geschmack allenfalls gelten lassen. Doch dieser kritische Blick war das Werk weniger Secunden, und seine Aufmerksamkeit eoneentrirte sich sofort wieder auf die vor ihm Sitzende. Immer noch hielt sie das Telegramm in den zarten, wohlgepflegtm Fingern und den Kopf so darüber gebeugt, daß unser Kritiker indessen nur den vollen, dichten, dunkel- branncn, fast schwarzen Haarwuchs untersuchen konnte. Die Frisur selbst konnte nicht einfacher sein. Vorn wellte das Haar ein klein wenig kokett in die Stirn; ebenso rings herum. Die Masse des Haares jedoch lag in Zöpfen kreis förmig gewunden auf dem Wirbel. Nach alledem stand es bei unserem Reisenden fest, die junge Dame müsse auch im Besitze eines „reizenden Gesicht chens" sein. Aber ach, wie oft trügt diese Ahnung! — Wie oft glaubt man eine Freia vor sich wandeln zu sehen, und wendet sie sich um, so ist's die böse Hella! Endlich hob die Telegraphistin die Augen auf — und nufer Reisender blickte in ein überaus liebliches Angesicht mit anmnthigen Zügen nnd sprechenden, lebhaften Augen, die von dunkeln Brauen überschattet wurden. Jetzt sah er auch, wie die junge Dame bei seinem Anblicke stutzte, die Augen niederschlug und heftig erröthete, und er vergaß dabei ganz und gar, daß es im höchsten Grade unschicklich sei, das Mädchen so unausgesetzt zu beobachten. Da er aber trotz dieses vorwurfsvollen Gedankens nicht — Am Montag wurde in St. Louis ein Straßenbahn wagen mit Dynamit in die Luft gesprengt. Zwei Bedienstete wurden schwer verletzt. — Ein gestörter Parademarsch. Aus Wiesbaden wird berichtet: Bei der in voriger Woche ab gehaltenen Kaiserparade des hiesigen 80. Infanterieregiments schwenkte — was allgemeine Heiterkeit erregte — die Regimentsmusik schon nach dem Vorbeimarsch des zweiten Bataillons ein, ohne zu bedenken, daß das dritte Bataillon aus Homburg zur Parade beordert war. Der langjährige Musikdirektor Münch ist alsbald „beurlaubt" worden. — Am 27. Mai fuhr der Postdampfer der Hamburg- Amerika-Linie Palatia (Kapt.Reesing)mit2040 Passagieren — zumeist Auswanderern — nach Newyork ab. Ueber die Hälfte der Auswanderer sind Russen, den Nest stellten haupt sächlich Oesterreich, Ungarn und Rumänien. — 19 desertirte Fremdenlegionäre, die sich in den Häfen der Levante auf dem Hamburger Dampfer „Tinos" nach der Heimath eingeschifft haben, werden in dieser Woche in Hamburg eintreffen. Es sind sämmtlich Deutsche und Oesterreicher, die sich in Frankreich zum Ein tritt in die Fremdenlegion verleiten ließen und dann bei günstiger Gelegenheit desertirten. — Für die Verwundeten und Leidenden. Wie der „Daily Telegraph" mittheilt, befinden sich in dem Natioual-Bazar iu London zum Besten der durch den Krieg in Südafrika Leidenden und zwar in der den Dragonern gewidmeten Verkaufs-Halle zahlreiche werthvolle Geschenke des Deutschen Kaisers, darunter von ihm selbst unterzeichnete Photographien. — Die Folter in Korea. Ein früherer korea nischer Beamter gab unter der Folter die Namen der an der Ermordung der Königin von Korea im October 1895 belheiligten Personen an. Mehrere derselben wurden daraufhin verhaftet. von der Stelle wich, war er auch noch Zeuge, wie seine Depesche an ihren Bestimmungsort „getippt" wurde. Nun erhob sich das Mädchen, um dem Vorsteher das Original der Depesche wieder zurückzugeben. Während sie hinging, fiel unserem Beobachter an der mittelgroßen, wohlproportionirten Figur nichts auf, als die zierliche, enge Taille — und als sie wieder zu ihrem Platze zurückkehrte, sah unser Reisender, wie über der Taille die üppige Büste ein warmes, quellendes Leben athmete, welches durch die Gluth des verlegen drein- schanenden Angesichtes nur noch an unmittelbarem Reize gewann. Noch ehe die junge Dame ihren Platz wieder ein genommen, hatte unser Reisender, einer inneren Stimme folgend, das Feld geräumt und spazirte lächelnden Mundes den Perron entlang- Das Mißbehagen war verschwunden, und er schien den „verpaßten Zug" vollständig vergessen zu haben. Nachdem er eine Cigarette in Brand gesteckt hatte, erbarmte sich unser Reisender auch endlich einmal seiner Neisedecke, faltete sie sorgfältig zusammen und warf sie über die Schulter. „Ein ganz passables Ding, die Brünette!" sagte er zu sich, während er seinen Gang forlsetzte und aus der kleinen Cigacrette mächtige Rauchwolken sog und mit Behagen vor sich hin paffte. Einen vorübereilenden Bahnbeamten befragte er nach dem Abgangstermine des nächsten Zuges; alsdann schlug er die entgegengesetzte Richtung ein, um aus der Noth eine Tugend zn machen, nämlich die elektromagnetischen Weib lichkeiten einer ferneren Ocularinspection zu unterwerfen. Unser Reifender schien an stete Beschäftigung gewöhnt zu sein; denn als er jetzt den Cigarrettenstummel auf die Schienen warf, begann er sofort eine Melodie aus der schönen Helena leife vor sich hin zu pfeifen. Dieses und die bequeme Gangart des jungen Mannes ließen in dem selben ein „fideles Haus" vermuthen. — Fortsetzung folgt. — — Dresdner Schlachthofbericht vom 28. Mai 1900. Austrieb: Ochsen 404, Kalben u. Kühe 209, Bullen 171, Kälber 818, Schafe 1143, Schweine 2700. Preise wurden sür 50 Kilo Lebend gewicht wie nachstehend gehalten: Ochsen: erste Sorte 35 Mk., zweite Sorte 31 Mk., dritte Sorte 28 Mk. Kalben und Kühe: erste Sorte 34 Mk., zweite Sorte 30 Mk., dritte Sorte 27 Mk. Bullen: erste Sorte 35 Mk., zweite Sorte 31 Mk., dritte Sorte — Mk. Kälber: erste Sorte 48 Mk., zweite Sorte 43 Mk., dritte Sorte — Mk. Schafe: erste Sorte 65 Mk., zweite Sorte 62 Mk., dritte Borte 57 Mk. Schlachtgew. Schweine: erste Sorte 39 Mk., zweite Sorte 37 Mk., dritte Sorte 31 Mk.