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Ireilag, Nr. 11. 5. Ileöruar 1869. Sächsische D-rsMmS. Ne«ftadt> DreS dea, tn der Expedi tion, kl. Meißn. -affe Nr. S, zu Haden. Vrerst. viertetjLhrttch ir'/eN-r. beziehen d«ch alle kgl. Poft- Anstalten. Ein unterhaltendes Blatt für den Bürger und Landmann. Erscheint jeden Dienstag und Freitag früh. Redigirt unter Verantwortlichkeit des Verlegers G. Heinrich. Politische Weltschau. Die Erklärung der Konferenz, welche Graf Walewski dem griechischen Kabinet überbrachte, liegt jetzt ihrem Wortlaute nach vor. Zur Vervollständigung unserer Mittheilungen über den griechisch-türkischen Konflikt lassen wir das Aktenstück nachstehend folgen. Es lautet: Mit Grund besorgt hinsichtlich der Gefahren, welche aus einem Bruch der Beziehungen zwischen der Türkei und Griechenland entstehen können, haben die Mächte, welche den Vertrag von 1856 unterzeichnet haben, sich in- Einvernehmen gesetzt, um die zwischen den beiden Staaten entstandenen Differenzen beizulegen und zu diesem Zweck ihre bei Sr. Majestät dem Kaiser der Franzosen beglaubigten Gesandten bevollmächtigt, sich als Konferenz zu konstituiren. . Nach einer aufmerksamen Prüfung der zwischen den beiden Re gierungen gewechselten Dokumente haben die Bevollmächtigten sich in dem Bedauern geeinigt, daß Griechenland, einer Aufwallung nach gebend, zu der es durch patriotische Motive verleitet werden konnte, der Pforte Grund zu denjenigen Beschwerden gegeben habe, welche in dem am 11. December 1868 dem auswärtigen Minister Sr. Maj. des Königs der Griechen überreichten Ultimatum aufgezählt sind. In der That steht fest, daß die Prinzipien des Völkerrechts Griechenland ebenso wie alle anderen Nationen verpflichten, nicht zu gestatten, daß Banden auf seinem Gebiet rekrutirt oder daß Fahrzeuge in seinen Häsen ausgerüstet werden, um einen benachbarten Staat anzugreifen. Ueberzeugt, daß das Kabinet von Athen den Gedanken nicht ver kennen wird, der den drei Schutzmächten Griechenlands ebenso, wie allen übrigen Vertragsmächten von 1856 diese Beurtheilung eingiebt, erklärt die Konferenz, daß die griechische Regierung verbunden ist, in ihren Beziehungen zur Türkei die Regeln des Verhaltens zu beobach ten, welche allen Regierungen gemeinsam sind, und auf diese Weise den von der hohen Pforte in Betreff des Geschehenen geltend gemach ten Reklamationen zu entsprechen, indem sie derselben gleichzeitig Be ruhigung für die Zukunft schafft. Griechenland wird sich daher fortan enthalten müssen zu begün stigen oder zu dulden: 1) daß sich auf seinem Gebiet irgend eine Bande mit feindlichen Absichten gegen die Türkei bilde; 2) daß in seinen Häfen bewaffnete Fahrzeuge ausgerüstet werden, bestimmt, irgend einen Jnsurrektionsversuch in den Besitzungen Sr. Maj. des Sultans, unter welcher Form es auch sei, zu unterstützen. Was die Forderung der Pforte in Betreff der Rückkehr der auf griechisches Gebiet ausgewanderten Kretenser betrifft, so nimmt die Konferenz Akt von den Erklärungen des Kabinets von Athen und hält sich überzeugt, daß dasselbe, so viel an ihm liegt, bereitwillig die Abreise der kandiotischen Familien, welche in ihr Vaterland zurückzu- kehren wünschen, erleichtern wird. Was die von ottomanischen Unterthanen erlittenen Privatverluste anlangt, so bestreitet die griechische Regierung der Türkei auf keine Weise das Recht, die etwaigen Ansprüche auf gerichtlichem Wege zu verfolgen, und die Türkei ist ihrerseits mit der Rechtsprechung der griechischen Gerichtshöfe einverstanden; die Bevollmächtigten glauben daher nicht, auf die Untersuchung der Thatsachen eingehen zu sotten und sie halten sich überzeugt, daß das Kabinet von Athen kein gesetz- Eimm-dni-igster Jahrgang. I. Quartal.. liches Mittel verabsäumen wird, damit die Justiz ihrer Aufgabe im regelmäßigen Wege nachkommen könne. Die Konferenz kann nicht bezweifeln, daß gegenüber dem ein stimmigen Ausdruck der Ansicht der Bevollmächtigten über die ihrer Prüfung »unterbreiteten Fragen, die griechische Kegierung sich beeilen wird, ihre Handlungen mit den vorstehend entwickelten Prinzipien in Uebereinstimmung zu setzen und daß infolge dessen die in dem Ulti matum der Pforte ausgedrückten Beschwerdepunkte sich definitiv besei tigt finden werden. Diese Erklärung wird ohne Verzug zur Kenntniß des Kabinets von Athen gebracht werden und die Bevollmächtigten haben die Ueber« zeugung, daß die hohe Pforte darauf verzichten wird, den von ihr als Folge des Abbruchs der diplomatischen Beziehungen angekündigten Maßregeln Folge zu geben, wenn in einer der Konferenz notisizirten Mittheilung die griechische Regierung der von dieser aufgestellten Auf fassung beipflichtet. Indem die Bevollmächtigten endlich an dieselben Gefühle der Versöhnung und des Friedens Berufung einlegen, welche die von ihnen vertretenen Höfe beseelen, drücken sie die Hoffnung au-, daß die beiden Regierungen nicht zögern werden, ihre Beziehungen zu einander wieder anzuknüpfen und so im gemeinsamen Interesse ihrer Unterthanen jede Spur jener Mißhelligkeit zu verwischen, welche den Zusammentritt der Konferenz veranlaßt hat. Eine ofsicielle Antwort Griechenlands ist bis zur Stunde eben sowenig bekannt, wie der Entschluß des Königs Georg hinsichtlich des Entlassungsgesuches seines Ministeriums, doch ist man allseitig über- zugt, daß die Angelegenheit einen friedlichen Ausgang nehmen wird. Die griechische Regierung, sagt die „Wes.-Ztg", kann natürlich nicht umhin, den völkerrechtlichen Grundsätzen der Deklaration ihre Zustimmung zu geben, sie macht aber geltend, daß, wenn die Grundsätze des europäischen Völkerrechts für Griechenland bindend sein sollen, sie es auch für die Pforte sein müssen. Die rück sichtslose Ausweisung der in der Türkei wohnenden Griechen ist allerdings in letzter Zeit suspendirt worden, offenbar weil die Türkei der Einstimmigkeit Rechnung tragen wollte, mit welcher die europäischen Großmächte diese exorbitante Maßregel verwarfen. Die Maßregel war um so verantwortlicher, als die Ausführung derselben, d. h. die Auswahl der Auszuweisenden in die Hände der türkischen Behörden gelegt war, deren notorische Bestechlich keit die griechischen Kaufleute in ein peinliches Dilemma bringen mußte. Wenn sich die Türkei vorbehält, durch Berufung an die Gerichte den Familien der auf griechischem Boden angegriffenen oder getödteten ottomanischen Offiziere oder Unterthanen eine ge rechte Entschädigung zu verschaffen, so verlangt auch Griechenland Entschädigungen für den seinen Nationalen durch die Aus weisungsmaßregeln zugefügten Schaden. Dieses ist der Haupt punkt des Anstoßes. Der fernere Vorbehalt in Bettest der Wiederanknüpfung der diplomatischen Beziehungen könnte höch stens die Folge haben, daß die Pforte und Griechenland sich eine Weile ohne diplomatische Beziehungen behelfen müßten. Die Großmächte werden natürlich kein diplomatisches Argument un versucht lassen, die griechischen Vorbehalte in der einen oder an deren Weise zu beseitigen, und man hält hier an der Auffassung fest, daß dieses nach einigem Sträuben seitens Griechenlands geschehen wttde. ii