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68. Jahrgang. Dienstag, den 29. April 1902. Nr. 47. Anzeiger für Dippoldiswalde und Umgegend Amtsblatt für die Königliche WnislMptmannfchaft, das Königliche Amtsgericht und den Stadtrath zu Dippoldiswalde. Verantwortlicher Vedacteur: Paul Jehne. - Druck und Verlag von Carl Fehlte in Dippoldiswalde. Mit land- und haurwirthschaftNch« Monats-Beilage. Mit achtfettigem „Illustrirten Anterhattungoblatt". Inserate, welche bei der bedeutenden Auslage des Blattes eine sehr wirk same Verbreitung finden, werden mit 12 Pfg., solche aus unserer Amtrhaupt- mannschaft mit 10 Pfg. die Spaltzeile oder deren Raum berechnet. - Ta bellarische und complicirte Inserate mit entsprechen dem Aufschlag. - Einge sandt, im redactionellen Theile, die Spaltenzeil« 20 Pfg. rnal: Dienstag, Donners- laq und Sonnabend und wird an den oorhergehen- r>en?lbenden ausgegeben. Preis vierteljährlich 1 M. 25 Pfg-, zweimonatlich S4 Pfg-, cinmonatlich 42 Pfg. Einzelne Nummern 10 Pfg. Alle Postan- ftalten, Postboten, sowie unsere Agenten nehmen Bestellungen an. «nehmen alle kaiserlichen Postanstalten, Briefträger, unsere Zeitungsboten und die unterzeichnete Expedition entgegen. Inserate werden in unserer Expedition und in allen «unseren Annoncen-Annahmestellen angenommen und finden die weitgehendste Verbreitung. Ak KMm in „MmhMW". AMM md wWtm i» Immer mehr häuft sich das Beweismaterial dafür, daß die Ermordung des russischen Ministers Ssipjagin « kein privater Racheakt, sondern die That eines fanatischen Revolutions-Komitees ist, dem nicht nur Studenten, sondern > auch sehr einflussreiche andere Personen in Ruhland an gehören. Am deutlichsten geht dies daraus hervor, daß M bis heute Niemand weih, wer der Mörder Ssipjagins M eigentlich ist, denn alle Angaben, die der Verbrecher über leinen Namen und Stand machte, haben sich hinterher W als unwahr herausgestellt, und dieser junge Russe macht -sich nur ein Vergnügen daraus, die Polizei und die Untersuchungsrichter durch dicke, schöne Lügen zu ver spotten. Nun ist aber durch den Brief eines jungen russischen Gelehrten vr. Julius Bierbaum herausgekommen, daß auch auf den jetzt eben entlassenen russischen Kultus minister Wannowski ein Attentat von dem Revolutions- Komitee beschlossen worden war. Das Loos, den Minister Wannowski zu ermorden, war auf l)r. Bierbaum gefallen. Statt aber den Minister zu erschießen, erschoß sich vr. Bierbaum selbst, und in einem an seine Mutter ge richteten Briefe hat der unglückliche junge Mann, der nicht den Muth hatte, das furchtbare Verbrechen des Ministermordes auszuführen, einen Theil der Verschwörung oerrathen. So hätten leicht in wenigen Tagen zwei i russische Minister dem revolutionären Fanatismus zum f Opfer fallen können. Aber zum Unglück für Rußland steht dem radikalen Fanatismus unter den russischen Studenten und unter vielen unzufriedenen, aber gebildeten Elementen des Zarenreiches ein noch schlimmerer reak tionärer Fanatismus gegenüber. Der Zar Nikolaus wollte ohne Zweifel einige maßvolle liberale Einrichtungen für Rußlands Schulen und Universitäten einsühren, aber Ler Oberprokurator des heiligen Synod Pobjedonoszew hat mit Beharrlichkeit die Aufrechterhaltung der alten Zwangs- und Kontrolmaßregeln verlangt und offenbar nun auch, wie die Entlassung deseinwenigliberaldenken- Len Kultusministers Wannowski beweist, durchgesetzt, denn Ler neue russische Kultusminister Plehwc gilt nur als ein Werkzeug in den Händen des Oberprokurators des heiligen Synod, und die russische Regierung wird nun erst recht zur Reaktion zurückkehren. So stehen sich in Rußland «ine fanatische Regierungspartei und eine fanatische Re volutionspartei gegenüber, die einander auf Leben und Tod bekämpfen, und es ist sehr leicht möglich, daß in Rußland eine ganze Aera politischer Morde und Unthaten in blutige Erscheinung treten wird, zumal bei der russischen Revolutionspartei bekannt ist, daß die rücksichtslose Praxis Ler reaktionären russischen Regierung weder Leben, noch Eigenthum ihrer Gegner schont. Dazu kommt, daß ein großer Theil der russischen Gesellschaft, die Beamten nicht ausgenommen, den ganzen jetzigen Zustand der Reaktion nur äußerlich zustimmend hinnehmen, aber in ihrem Herzen Reformen wünschen und mit den Revolutionären sympathi- siren. Nur die Festigkeit des russischen Reiches an sich und das strenge Polizeiregiment sind im Stande, solchen fanatischen Bewegungen Stand zu halten, aber vorwärts wird dabei Rußland nicht kommen Lokales und Sächsisches. Dippoldiswalde. Am vergangenen Sonnabend hielt die hiesige Ortskrankenkasse eine Hauptversammlung unter Vorsitz des Herrn Schuhmachermeister Linse ab. Nachdem Letzterer die Anwesenden begrüßt hatte, theilte er u. A. mit, daß in den ersten 4 Monaten dieses Jahres an Beiträgen 700 Mark mehr eingingen, als in dem gleichen Zeiträume des Vorjahres. Darauf berichtete Herr Apotheker Meißner über die mit den Herren Buchhalter Horlbeck und Maschinist Klotz vorgenommene Prüfung der vorjährigen Rechnung und betonte, daß das Rechnungs werk den Beweis einer äußerst korrekten Kassenführung darstellc, weshalb Herrn Kassirer Scheibe der Dank der Versammlung ausgedrückt und derselbe entlastet wurde. Da der bisherige Vorsitzende, Herr Linse, wegen Aus scheidens aus der Kasse sein von ihm jederzeit musterhaft geführtes Amt zum Bedauern aller Mitglieder niederlegt, mußte man zur Wahl eines Vorstandsmitgliedes verschreiten, durch welche Herr Bäckermeister Gietzolt gewählt wurde. Nach dem sprach Herr Stadtrath Reichel dem scheidenden Vorsitzenden nochmals den besonderen Dank für sein Wirken, für seine mühevolle, aber ehrende Arbeit in seinem Amte aus und forderte die Anwesenden auf, durch Erheben von den Plätzen ihrer Anerkennung Ausdruck zu geben. Für diese Ehrung dankte Herr Linse herzlichst, zugleich der Kasse ein ferneres gutes Gedeihen wünschend. Hierauf wurde nach Erledigung noch einiger innerer Angelegen heiten die Generalversammlung geschlossen. — Die Neu wahl des Vorsitzenden sindet heute Montag Abend in einer Vorstandssitzung statt. — Das Thermometer nach S. zeigte heute stütz 6 Uhr noch 7v unter Null im Thale. Ein Glück, daß es trocken dabei ist und so die Kälte hoffentlich der Baum- bluth noch nicht viel geschadet hat. — Die Handwerker, welche letzte Ostern Lehrlinge angenommen haben, werden darauf hingcwiesen, daß sie binnen 4 Wochen nach Beginn der Lehre die Lehrver träge schriftlich in 3 gleichlautenden Stücken abschließen müssen. Der Inhalt der Lehrverträge ist von der Ge werbekammer Dresden in den von dieser zur Regelung des Lehrlingswesens erlassenen Vorschriften näher bestimmt worden. Diese Vorschriften liegen bei den Ortsbehörden zur Einsichtnahme aus. Das eine der drei Stücke, in denen die Lehrverträge abzuschließen sind, ist von den Hand werkern, welche keiner Innung angehören, an die Gcwerbe- kammer cinzusendcn. Die Nichtbeachtung dieser Be stimmungen ist mit Strafe bedroht. Wegen plötzlich eingetretener Hindernisse konnte das für Sonntag angekündigte Konzert des Dresdner Künstler-Ensembles nicht stattfinden und wird dasselbe Dienstag, den 20. April, bestimmt abgehalten werden. Die bereits gelösten Eintrittskarten haben Giltigkeit für Dienstag. Reichstädt. Vergangenen Freitag feierte hier Herr Gutsauszügler Kirchvater Karl Zönnchcn mit seiner Ehefrau das seltene Fest der goldenen Hochzeit. Nachdem im Laufe des Vormittags die meisten Kinder des Jubel paares und andere Verwandte ihre Wünsche persönlich überbracht hatten, erschien am Nachmittag Herr Pfarrer Schädlich mit einer Abordnung des Kirchenvorstands in der Wohnung des Jubelpaares. Hier hielt der Herr Otts pfarrer auf Grund des Psalmworts „Danket dem Herrn, denn er ist freundlich und seine Güte währet ewiglich" eine von 2 Gesängen des Kinder-Kirchenchores umrahmte, herzliche Ansprache inmitten einer kleinen Festgemeinde und segnete das Jubelpaar ein, ihm dann noch ein Ge schenk des Kirchenvorstands und ein persönliches, ein schönes Andachtsbuch, überreichend. Im Laufe des Tages waren überaus viele Glückwunsch-Karten und Geschenke eingegangen. Gott, der Herr, schenke dem noch rüstigen würdigen Paar einen heiteren glücklichen Lebensabend. Pofsendorf. Die diesjährigen Frühgottesdienste be ginnen Sonntag, den 4. Mai, und werden jeden Sonn- und Festtag in den Monaten Mai bis Ende August früh 7 Uhr in unserem Gotteshause abgehalten. Hänichen. Die Feier des 25 jährigen Bestehens des K. S. Militäroereins „Königin Carola" findet am 22. Juni d. I. auf der Goldenen Höhe statt. Lockwitz. Am Mittwoch wurde hier ein fünfjähriger Knabe aufgegriffen, welcher sich von zu Hause entfernt hatte, aber den Namen seiner Eltern und deren Wohnort nicht anzugeben mußte. Der Knabe wurde vorläufig von einer hiesigen Familie in Pflege genommen. Nur durch Zufall gelang es am anderen Tage, den Vater des Kindes zu ermitteln und dieses ihm wieder zu übergeben Der Vater des Knaben war am Mittwoch von Geising nach Kleinzschachwitz verzogen und da hatte sich erwähntes Kind in einem unbewachten Augenblick von der neuen Wohnung entfernt und sich dann verlaufen. Die Eltern hatten 24 bange Stunden nach dem Kleinen gesucht. Dresden. In Bezug auf die wichtige Frage der Reform unseres direkten Steuer wese ns ist man nach einer Auslassung der „Sächs. Cons. Corr." zu der An nahme berechtigt, daß die Zweite Kammer bei dem be vorstehenden Einigungsverfahcen nicht unbedingt und in allen Theilen auf ihren Beschlüssen bestehen wird. Sie dürfte im Gegentheil nicht abgeneigt sein, zu einem Ent gegenkommen, namentlich in der Richtung der Anträge, die von der Mehrheit der Deputation der Ersten Kammer vertreten werden, sich bereit finden zu lassen. Jedenfalls aber werde dieses Entgegenkommen der Zweiten Kammer seine Grenze an dem Punkte finden, wo infolge eines Eingehens auf die Wünsche der Ersten Kammer die Ver abschiedung der Vorlagen noch auf dem gegenwärtig tagenden Landtag ausgeschlossen wäre. Die Zweite Kammer wird vielmehr voraussichtlich ihren ganzen Ein fluß geltend machen, daß die Steuerreform nicht abermals einer gänzlich ungewissen Zukunft zugewiese» wird, und sie würde für den Fall, daß durch das Verhalten der Ersten Kammer eine Erledigung der Stenervorlagen auf diesem Landtage unmöglich gemacht würde, die volle Ver antwortung vor dem Lande dafür allein der Ersten Kammer überlassen. Saatenstand im Königreich Sachsen Mitte April 1002. (Zusammengestellt in der Kanzlei des Landes kulturraths.) Infolge des außergewöhnlich milden Winters zeigen alle in Frage kommenden Saaten einen guten Stand. Namentlich trifft dies für das Winter getreide, das bereits im Herbst zu den besten Hossnungen berechtigte, zu. Frostschäden sind säst garnicht wahrzu- Baumfrevel! Am 17. oder 18. dieses Monats sind innerhalb der Stationen 0,8 und 0,0 der Bezirksstraße Dippoldiswalde—Glashütte in Glashütter Flur von 4 Stück im Vorjahre -gepflanzten Aepselbäumen gewaltsam Aeste abgeschlagen worden. Wer den oder die Verüber dieses Baumfrevels so zur Anzeige bringt, daß ge richtliche Bestrafung herbeigeführt werden kann, erhält eine Belohnung von 15 Mark. Königliche Amtshauptmannschast Dippoldiswalde, am 23. April 1002. -450 ä. Lossow. S">- Freitag ml Sommveiw, kn 2. ml 2. Mai l. 3, werden die Geschäftsräume der unterzeichneten Königlichen Amtshauptmannschast ge reinigt. An diesen Tagen werden nur dringende Geschäfte erledigt. Dippoldiswalde, am 10. April 1002. Königliche Amtshauptmannschast. Rr. 441 Lossow. Edrs. Mmmnls ans hie „Mentz-MW" In dem Konkursverfahren über das Vermögen des Gasthofsbesitzers Ernst Her mann Weise in Naundorf ist in Folge eines von dem Gemeinschuldner gemachten Vorschlags zu einem Zwangsvergleiche Vergleichstermin auf den 7. Mai 1902, Vormittags '/2II Ahr, vor dem hiesigen Königlichen Amtsgerichte anberaumt worden. Der Zwangsvergleichsvorschlag ist auf der Gerichtsschreiberei des Konkursgerichts zur Einsicht der Betheiligten niedergelegt. Dippoldiswalde, den 28. April 1002. K. 2/02 Nr. 10. Königliches Amtsgericht. Arbeiterzählung betr? Für die am 1-Mai dieses Jahres vorzunehmende Arbeiterzählung werden den hierbei in Frage kommenden Gewerbeunternehmern in hiesiger Stadt rechtzeitig die er forderlichen Zählbogen zugestellt werden. , Dieselben sind am 1. Mai d. 2. sorgfältig auszufüllen und zu unterschreiben, sodann aber unverzüglich wieder anher abzugeben. Dippoldiswalde, am 28. April 1002. Der Stadtrath. Voigt.