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Nr. — ist. Jahrgang Freitag de« LS. Dezember ListLV SSlhslscheUolksMng »scheint täglich «ach«, mit «utnahme der «onn- und Festtage. «»Saab« 1-, MU ,Dte Zeit «n Wort und Md- biertelsLhrNch- 8,t<» ^t. In Dresden durch Boten 8,4« 8t. In gani Deutschland frei Hau« ».8» 8t. »««gab» N.r Ohne Illustrterte Betkage Viertels 1,8« 8t. I» Dresden d. Bote» 8,1« 8t. In ganz Deutschland frei HauS 8,88 8t. - «inzel Nr. I« 4. - LeitungSprelSl. «r. «888. Unabhängiges Tageblatt für Wahrheit, Recht und Freiheit Inserat« werden die «gespaltene Petitzeile oder deren Raum «tt 18 ^.Reklamen mit 8« 1 die Zeile berechnet, bei Wiederholungen entsprechenden Rabats vuchdrnckeret, Redaktion »nd Geschäftsstelle, Dresden, Villacher «trotze 4». - Fernsprecher I»«« 8»r Rückgabe naderlaaat. «chriftftücke keine «rrblndltchket« NedaktionS - Sprechstundc: >1—18 Uhr. dlii-irwaum - Konfekt ptunä von so Pt. ,n. Dl'e^ne!' unc! Kausen 5tr In bekannten guten Qualitäten b« Heklilig L «eitertagen In allen 5ts<ttteil,n. Das Arbettskammergeseh vor der dritten Lesung Dresden, den 15. Dezember 1SU). Die zweite Lesung der Arbeitskammervorlagc schloß mit grellen Disharmonien ab: Zwei Unannehmbar stehen den Beschlüssen des Reichstages entgegen. Was der Kaiser im Jahre 1890 verkündigte, was eine große Mehrheit im Reichstage seit zwei Jahrzehnten forderte, was der heutige Reichskanzler in so warmen Worten im Reichstage an führte und was eine Reihe von Knlturstaaten schon längst durchgeführt haben, das soll nun vor dem sicheren Hafen sinken, weil das Schiff zu schwer bepackt worden ist. Eine Menge von Arbeit ist umsonst getan, so manche Schwier' keit vergebens überwunden worden: ei» bedeutsamer sozi ler Fortschritt soll ans den Nimmerleinstag verschoben wer- den. Denn wenn heute die Vorlage scheitert, kehrt sie in absehbarer Zeit nicht wieder, wie es mit der Rechtsfähig keit der Berufsvereine auch geschah. Die Gegner des Ge setzes sind zahlreich und einflußreich: die schwere Eisen industrie hat die Führung. Man wird diesen Gegnern in einem Recht geben müssen: der sozialdemokratische Terro rismus wird auch dieses soziale Friedensinstrument zu Agi tationszwecken zu mißbrauchen suchen. Die revolutionäre Sozialdemokratie ist auch hier ein Hemmnis für einen ar- beiterfreundlichen Fortschritt. Aber man darf dieses Be denken nicht so scharf in die Wagschale werfen, daß diese sich zuungunsten des ganzen Gesetzes neigt, sondern man muß im Gesetze selbst genügende Vorsichtsmaßnahmen tref fen, um diesem Mißstande vorzubeugen. Sind nun beide Unannehmbar der Regierung begrün det? Wenn der Bundesrat die Eisenbahnarbeiter, die Ar beiter der Heeresverwaltung und der Werften, also kurz ge sagt, die staatlichen Arbeiter dem Arbeitskammergesetze nicht unterstellt haben will, so kann er, wie Herr Reichstagsabge ordneter Dr. Marx in seiner Rede am Sonntag in Dresden erklärte, dafür durchschlagende Gründe anführen, denen sich das Parlament gar nicht entziehen kann. Man braucht nicht an die Eigenart dieser Betriebe zu erinnern, nicht an die höheren öffentlichen Interessen der Allgemeinheit appellie ren, sondern mail kann einfach sagen: Es ist im Reichstage bis jetzt nicht gesagt worden, daß eine solche Unterstellung der staatlichen Arbeiter ein Armutszeugnis für die Regie rungen wie für die Parlamente sein würde. Warum? Die Löhne für diese Arbeiter werden allesamt im Etat festgesetzt; sind sie unzureichend, dann hat das Parlament wie die Re gierung die Verpflichtung, für eine Erhöhung zu sorgen; in der Frage der Arbeitszeit, der Behandlung der Arbeiter usw. steht es ähnlich. So scheiden die Staatsarbeiter ganz naturgemäß ans für nahezu alle Zlvecke der Arbeitskam mern. Der Reichstag hat schon seit Jahren eingehende Be richte über ihre Arbeitsverhältnisse erhalten, ebenso die Einzelstaateil. Die Staatsarbeiter hinwieder wenden sich ir Eingaben direkt an ihre Parlamente und wollen gar nicht den Umweg über die Arbeitskammern. Es vergeht keine einzige Etatsdebatte, in der nicht viele Stunden über diese Dinge geredet wird. Das Spandauer Duell Pauli-Zubeil ist im Reichstage zu einer ständigen Einrichtung geworden. Aus den Verhandlungen der Einzellandtage liegen lange Berichte über die Verhältnisse der Eisenbahnarbeiter vor. So bleibt hier für die Arbeitskammer gar kein Raum, denn man kann den Optimismus nicht haben, daß die parlamen tarischen Erörterungen dieser Fragen ausbleiben, wenn man die Staatsarbeiter den Arbeitskainmern anschließen würde. Die Staatsarbeiter selbst stellen auch ihr Petitions- recht an den Reichstag und Landtag höher als das Wahl recht zu den Arbeitskainmern. Das Unannehmbar der Ne gierungen ist somit schon aus diesem Grunde angezeigt; man braucht gar nicht erst auf einen „Briand" zu warten. Ganz anders verhält es sich mit dem zweiten Unan nehmbar der Regierung. Erst die Nationalliberalen haben cs anfgestöbert und sich auf die Kommissionsfassung des tz 13 beschränkt. Man kann doch nicht den ungeheuer lichen Satz cufstellen: „Tie Arbeitskammervorlage ist un annehmbar, wenn einige Arbeitersekretäre in diese Kam nier gewählt werden können." So kann ein ganz subalter ner Geist urteilen, aber nicht ein Staatsmann, und darum hat der Staatssekretär sich mit seinem Unannehmbar auch nur auf die Kommissionsfassung beschränkt. Er erstickte ja in seiner Rede die Arbeitersekretäre förmlich unter Rosen, so hoch klang das pinlamentarische Lied vom Arbeitersekre tär. Nur auch in p/' iliddrbar,' daß man diese trefflichen Männer nicht Arbeitskammer wirken lassen will. Aber man darf nach dem Wortlaute der Regierungserklärung anneh men, daß die Ablehnung nur gegen die Kommissionsfassung gerichtet ist, nicht gegen den gesamten Gedanken. Ungangbar erscheint die Andeutung des Staatssekre tärs, die Arbeitersekretäre erst bei der zweiten Wahl zuzu lassen, wenn sich die Arbeitskammern in der ersten Wahl periode bewährt haben. Gerade in der ersten Zeit braucht man die besten Kräfte in der Kammer. Da könnte man weit eher den umgekehrten Weg gehen und nach dem Vor gänge des Sprachenartikels bestimmen, daß die Arbeiter sekretäre bis zmn Jahre 1910 in die Kammern gewählt wer den können, dann kann die neue Generation weiter sorgen. Wer gute und brauchbare Arbeitskainmern will, muß den Arbeitersekretären sofort den Weg in diese ebnen. Beharrt die Regierung auf ihrem Nein, so kämen noch folgende Wege in Betracht: Man könnte den Arbeitskam mern das Recht der Kooptation geben, und zwar jedem Teil für sich. Dann kann man abwarten, ob die Arbeitervertre ter ihre Sekretäre zuwählen. Man könnte weiter bestim men, daß jede Kammer das Vorschlagsrecht für Beiwahl hat, und daß der Negierung eine entsprechende Liste zu über reichen ist; dann muß die Regierung hieraus einige Er nennungen vollziehen. Von anderer Seite hat man vorge- schlagen, der Negierung ohne weiteres ein solches Ernen- nungsrecht zu geben. Schon diese Andeutungen lassen er kenne», daß bei gutem Willen eine Verständigung möglich ist und daß sich Bundesrat und Reichstagsmehrheit auf hal bem Wege treffen können. Bayrischer Episkopat und „Bayrische Lehrerzeitung-. Im oberhirtlichen Aufträge haben die bayerischen Pfarrämter an sämtliche Lehrer und Verweser der Volks schule nachstehendes, vom 11. Dezember 1910 datiertes Schreiben, außerhalb der Schule und nicht in ihrer Eigen schaft als Lokalschulinspektoren mitzuteilen: „Im Vollzüge oberhirtlichen Auftrages teile ich Ihnen nachstehenden Erlaß der oberhirtlichen Stelle zur gefälligen Kenntnisnahme mit. N. N., Pfarrer": „Wir haben seit langer Zeit die „Bayerische Lehrer- zeitung" auf ihren kirchlichen Inhalt geprüft und haben z» unserem lebhaften Bedauern gefunden, daß seit mehreren Jahren in einer Reihe von Artikeln Anfeindungen der katholischen Glaubenslehre und der Betätigung kirchlicher Gesinnung vorkamen: Jahrgang 1909 Nr. 1 Seite 6; 1908 Weihnachtsartikel, 1908 Nr. 34 S. 852, 1909 Nr. 8 S. 146. „Wir erinnern an jene Artikel, welche sich gegen die kirchliche Hierarchie, die Bischöfe richten: Jahrgang 1907 Nr. 1 S. 3 und Nr. 13 S. 2 "1—211, 1909 Nr. 8 S. 116 und Nr. 10 S. 189: „ferner an jene Artitel, welche Ausfälle gegen die Wissenschaft der religiösen Wahrheiten und den Glauben enthalten: Jahrgang 1909 Nr, 8 S. 116 und Nr. 21 S. 116 und 154; „ferner an die Artikel, welche das Recht der Kirche auf die Aufsicht über den Religionsunterricht der Kirche be streiten: Jahrgang 1908 Nr. 36 S. 917, „und Bücher empfehlen, die wir vom Standpunkte des Glaubens und der Sitte verurteilen müssen: Jahrgang 1907 Nr. 12 S. 823, 1908 Nr. 13 S. 1132, 1900 Nr. 8 S. 156 und 1909 Nr. 11 S. 303. „Nachdem hinsichtlich der „Bayerischen Lchrerzeitung" für die katholischen Mitglieder des Bayerischen Lehrer- Vereins Abonnementszwang besteht, sehen wir uns veran laßt, im Namen und Auftrag unseres Hochwürdigsten Herrn Bischofs das ebenso dringende wie ernste Ersuchen an die katholischen Lehrer unserer Diözese zu stellen, auf die Vorstandschaft des Bayerischen Lehrcrvercins einwirken zu wollen, daß der Abonnementszwang beseitigt oder wenig stens die Redaktion der „Bayerischen Lehrerzeitung" cinf- gefordert werde, sich aller Angriffe auf Religion und kirch liche Autorität zu enthalten. „Wir setzen in die katholischen Lehrer das Vertrauen, daß sie auch in ihrer Fachpresse nichts dulden, was katho lische Lehrer verletzen könnte. N. N., Bischof." Diese oberhirtliche Kundgebung, die wohl auch eine Frucht der letzten Freisinger Bischofskonferenz sein dürfte wie die Mahnung, gewisse Preßerzeugnisse vom christlichen Hause auszuschließcn, wird ähnlich Staub aufwirbeln, wie die Mahnungen der reichsländischen Bischöfe an die katho lischen Lehrer. Die gegnerische Presse wird laut auf- schreien, was jedoch die Herren Bischöfe nicht hindern kann, ihres Hirtenamtes zu walten. Lange genug hatte man Geduld; milde und schonend, jedoch mit der ganzen bischöflichen Autorität ergeht nun die Mahnung an die katholischen Lehrer, ihren Einfluß bei der Vorstandschaft des Bayerischen Lehrervereins geltend zu machen, fürs erste den Abonncmentszwang aufzuheben, und zweitens die Angriffe auf Religion und kirchliche Autorität zu unterlassen. Die Oberhirten hätten schärfer reden können: allein die Sprache der Kirche ist mild und nicht verletzend. Die Bischöfe verlangen, daß der Anstand, wie er unter gebildeten Menschen üblich ist, gewahrt werde; das dürfte keine unberechtigte Forderung sein. Ableugnen kann man dieses Mal die Berechtigung des Schrittes des Episkopates nicht gut; die Anklage ist mit Beweisen belegt. An den Lehrern ist es nun, zu zeigen, ob und was sie vermögen. Politische Rundschau. Dresden, den 14 Dezember ISlv — Reichstag. Der fünfte Tag der Generaldebatte zum Etat brachte große Ueberraschungen und war stürmischer als alle zuvor. Die Rechte und das Zentrum wollten nach der zweiten Serie der Redner schließen, so daß noch die Abg. Heinze, Raab und Fürst Hatzfeld zu Worte kommen sollten, aber der Schlußantrag wurde mit 113 gegen 112 Stimmen abgelehnt. Nun ging es weiter: erst der wilde Böhme, der sehr schwach sprach. Dann kam Müller- Meiningen, der mindestens 100 mal den Namen Erz berger brauchte und eine Reihe persönlicher Angriffe machte. Er konnte aber nur die üblichen Kinkerlitzchen Vorbringen und erregte durch unfreiwilligen Humor viel Heiterkeit. Abg. Gröber gab ihm sofort die Antwort, daß solche per sönlichen Angriffe sich selbst richteten. Dann hielt er eine scharfe Abrechnung mit Schräder, der nach neuen Kultur kampfsgesetzen rufe und die Katholiken auSschließen wolle von Staatsämtern. Die Ausführungen GröberS verdienen höchste Beachtung, zumal was er über den Modernisteneid sagte. Die Worte SchraderS sind ein Sturmzeichen für die Katholiken des Reiches. — Die Herbstversammluug der Deutschen Laudwirt- schaftSgesellschaft fand mit einer Sitzung des GesamtauS- schusseS am Mittwochmittag ihren Abschluß. Oberamtmann Görg, Gimritz bei Halle, referierte über die LehrlingS- und Beamtenfrage. Er betonte die Notwendigkeit des Studiums für angehende Landwirte; für größere Land- wirte sei das Maturum nötig, für die anderen mindestens das Einjährige. Volontäre sollten nur Ausnahmen sein; die Beamtenprüsungen sind so lange nötig, als die Lehr- lingSprüfung noch nicht allgemein ist. In der theoretischen Ausbildung ist die Landwirtschaft hinter anderen Berufen zurückgeblieben. Anzustreben ist die Bildung von Kassen oder Versicherungen für alte Beamte. Das waren die Grundgedanken des Referats. — Mit der eljaß lothriugischeu Berfaffuugsrrform haben sich die Ausschüsse des BundeSratS am Montag und am Dienstag beschäftigt. Die Verhandlungen wurden, nachdem sie am Montag wegen der Festsitzung der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft abgebrochen waren, am Dienstag in fünfstündiger Beratung in erster Lesung zu Ende ge führt. lieber das Ergebnis der Besprechungen liegen widersprechende Meldungen vor. Der Berl. Lok.-Anzeiger berichtet, daß sich, namentlich bezüglich des veränderten Wahlrechts zum LandeSauSschuß von Elsaß-Lothringen so tiesgehende Meinungsverschiedenheiten herausgestellt hätten, und daß deshalb eine Entscheidung noch nicht getroffen werden konnte. So teilt die „Tägl. Rundschau" mit. daß Sachsen zwei bedeutsame Anträge im BundeSrat etn- gebracht habe. Es hat beantragt, daß der Wahlrechts entwurf in seiner jetzigen Gestalt zurückgezogen und dafür ein Entwurf ausgearbeitet werde, der nicht auf dem Fun dament des gleichen Wahlrechtes aufgebaut sein dürfe. ES wird in den Verträgen verlangt, tue Verfaffungkvorlage solle scharf zum Ausdrucke bringen, daß der Kaiser landes herrliche Rechte in Elsaß-Lothringen nur als Mandatar der verbündeten Regierungen ausübe und landesherrliche Befugnisse an den Statthalter nur unter Grenzbezeichnung des Reichskanzlers übertragen dürfe. Noch einen anderen Antrag hat Sachsen eingebracht, daß nämlich in die Erste Kammer nicht 4 von den Gemeinderäten der Städte Straßburg, Kolmar, Mülhausen und Metz gewählte Ge- meinderatsmitglteder, sondern jeweils die ersten Magistrats beamte dieser 4 Städte aufzunehmen seien. Der BundeS rat hat darüber noch keinen Beschluß gefaßt. — Fer»sprechgebührrn - Ordnung. Der Abgeordnete Nacken ist damit beschäftigt, einen Abänderungsantrag aus- zuarbeite», nach dem der das Telephon stark benutzenden Presse eine Ermäßigung der Gebühren bewilligt werden soll. — Befreiung von der Einkommensteuer. In maß gebenden Kreisen der preußischen Finanzpolitik wird gegen wärtig der Plan ernsthast erwogen, die untersten vier Stufen der Einkommensteuer demnächst fallen zu lassen, also die Einkommen bis 1500 Mark von der Besteuerung zu entbinden. Man erklärt, daß der Steuerertrag dieser vier Stufen in allzu großem Mißverhältnis zur Anzahl der Steuerpflichtigen und zu den Kosten und Schwierig keiten ihrer Veranlagung stehe. 1908 war nämlich das Verhältnis so. daß über vier Millionen Steuerflichtige der untersten Stufen etwas mehr als 36 Millionen Mark Steuern aufbrachten, wogegen die übrigen Steuerpflichtigen rund 238 Millionen Mark zur Staatskasse zu liefern hatten. Die unteren vier Steuerstufen brachten also den siebenten Teil der Gesamtsteuer auf. Hierzu waren aber doppelt soviel Veranlagungen nötig, als für den Hauptertrag von 238 Millionen Mark. — Drrnburg protestiert gegen die Anklagen, die im Reichstage von mehreren Seiten gegen ihn erhoben worden sind, aber sein Protest hat keine Beweiskraft, sagt er doch