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Nr. »Lv — L«. Jatzrga»G Freitag de« LS. Geptrmber LVLL ZijchstschePolksreÜuna Erscheint täglich NMchm. mit Nulnahmr der Sonn- und Festtage t mtt .Die 8»» In «ort und »tld- vlertelsäbUIch «oten ,.4« 4». In gan, Deutschland sre, Hau» » 8» 4>: in Oesterreich 4,4» N, wultrlerte «eiinae dirrtkijährlich ».»»» 4t. °u?S L7?n ^errli'^4^ ^ Unabhängiges Tageblatt für Wahrheit, Recht und Freiheit Jusr»«t« werden die »gespaltene Petttzeile oder deren «nun alt» Ich 4, Sleklamen mit 80 4 die geile berechnet, bei Wiederholung«, entsprechenden Rabatt Buchdeuckrret, Stedaktto« und Veschastdftrlle: Lresdr», Vtluttze» Strafte 4». — Fernsprecher 18«« Fit» SiftSgab« uaderlan,». Schrtststttikekeine rvredindltcht«« Redaktions-Sprechstunde: 11 bis Itt Uhr Deutschlands Privilegien in Marokko. Dr«»den, den 14, September 1911. Die französisck>e Presse hat in ihrem Nebereifer einen schlimmen Hereinfall erlebt-, sie stellte als Kernpunkt der Marokkofrage hin. Deutschland fordert für sich Privilegien in Marokko. Daniit sollten alle anderen Machte gegen uns mobil gemach: werden. Heute schon aber mutz sie einge stehen, datz Deutschland in Marokko kür sich gar nichts Besonderes fordert, sondern datz es alles unter denselben Voraussetzungen für alle anderen Mächte beansprucht. Der Grundsatz der offenen Tür soll allen Mächten garantiert werden. Deutschland wünscht keine Vorzugsstellung, ge stattet aber auch kein wirtschaftlici)es Monopol Frank reich. Scho» der eine Umstand, datz das neue Abkommen der Algecirasakte angegliedert werden soll, hätte den Fran zosen sagen müssen, datz wir keine Privilegien verlangen. Aber die französische Presse behandelt diese Angelegen heit nicht mit dem Verstand, sondern mit dem Herzen und nach den Wünschen einzelner Interessenten. Darum die vielen Falschmeldungen. Zunächst wurde behauptet, Deutschland habe durch Entsendung des .Panther" nach Agadir die Okkupation und Besitzergreifung Südmarokkos einleiten wollen. Das ist eine Erfindung, die nicht den geringsten hinlänglichen Hintergrund hat. Die Al lst, eine landesherrliche Stellung in Marokko zu gewinn.'»», hat keinen Augenblick bestanden, wohl aber hat Deutschland durch das Zeigen seiner Flagge in Agadir Frankreich daraus Hinweisen wollen, datz es nicht geneigt sm, sich düpieren zu lassen, wie es seit Abschlutz der Algeciras- vertrages gegen den Geist dieses Vertrages und durch Um gehung seiner Bestimmungen systematisch von Frankreich versucht worden ist. Um diesem Zustande ein Ende zu machen, hatte Deutschland das Abkommen vom 6. Februar 1611 abgeschlossen, das bestimmt war, klare Verhältnisse zu schaffen und unserem Handel sowie anderen Wirtschaft- lichen Unternehmungen in Marokko einen festen Boden zu ruhiger Entfaltung zu sichern. Frankreich hat es möglich gemacht, durch ein System konsequenter Schikanen auch diese Vereinbarung zu umgehen, und schlietzlich durch den Marsch nach Fes gezeigt, datz es die Bestimmungen der Akte von Algeciras völlig über Bord geworfen habe. Wenn nun Deutschland in den Verhandlungen, die nach Agadir nngeknüpft wurden, sich bereit zeigte, seinerseits den Franzosen die politische Stellung in Marokko zu über lassen, der sic zustrebten, so konnte das selbstverständlich nur unter zwei Voraussetzungen geschehe». 1. Deutschland mußte für die Machtcrweiterung, die eine Festsetzung Frankreichs in Marokko für die afrikanische Stellung der Republik bedeutete, eine Entscl>ädigung an afrikanischem Territorium gewinnen, und 2. es mutzte Garantien dafür erhalten, datz die offene Tür in Marokko, die der Vertrag von Algeciras in der Theorie gesichert hatte, für Deutsch land auch hauptsächlich auf immer offen bleibe. Datz solche Sicherheiten erforderlich sind, zeigt die Erfahrung, die alle Welt an den französischen Kolonien gemacht hat. in Algier, in Tunis und in Madagaskar. Es läßt sich zu weiterer Belehrung der Welt an dem englisch-französischen Vertrag vom 8. April 1604 erkennen, der ausdrücklich die offene Tür in Marokko für England auf nur 30 Jahre terminierte. Was Deutschland verlangte, ist also nicht mehr, aber auch nicht weniger als die offene Tür, ohne Privilegien und Monopole, wie der „Temps" seinen Lesern insinuiert und wie, dem Beispiele Herrn Tardieus fol gend. die übrige französische Presse wiederholt. Unter dem Eindruck dieser Nachrichten scheint das französische Ministerium zu stehen; denn wenn wir zu treffend unterrichtet sind, protestiert es in seiner heute in Berlin eingegangenen Note gegen Forderungen, die nicht erhoben worden sind. Frankreich »volle bei dem gegen wärtigen Stande der Tinge sich nach keiner Seite hin die Hände binden, daher auch keinem Vorschlag näher treten, der die Hoheitsrechte des marokkanischen Staates einzu schränken geeignet wäre. Dies gelte ganz besonders von den öffentlichen Arbeiten und von den Grubenkonzessioncn, doch bestehe keine Gefahr, datz Frankreich alles monopoli sieren wolle. Dem freien Wettbewerb der anderen Alge- cirasmächte bleibe noch ein gutes Feld zur Betätigung übrig. Mit solche» Phrasen kommt man nicht »veiler, und »venu das das letzte Wort von Frankreich ist, dann sind die Verhandlungen gesclwitert. Es »imnit sich mehr als läcl>er. lich aus, wenn sich heute Frankreich auf die Hoheitsrechte Marokkos beruft. Wo waren denn diese bei dem Zuge in die Schauja bei Casablanca und vor allem beim Zug nach Fes? Wochenlang verkündete man der Welt, datz die Stadt belagert, ausgehungert sei und die Europäer dem sicheren Tode verfallen seien. Alles war eine französische Lüge. Fes war vollständig ruhig in Handel und Wandel. Damals täuschte man Europa und behandelte Marokko wie herren loses Land. Diesem Zustand muß ei» Ende gemacht werden. Wenn Frankreich in Marokko herrscht, dann mutz es auch die Verantwortung dafür übernehmen. Es darf bei unan genehmen Dingen nicht inehr die „Maske des Scherifen' tragen, sondern mutz für die Taten seiner Beamten ver antwortlich gemacht werden. Das ist heute der Kernpunkt unserer Forderungen. Wir dulden nicht, daß unser Handel und unsere Kaufleute länger dem unsicheren Rechte von Marokko unterstellt bleiben, wo man keine Richter und keine Reichsgarantien findet. Wer politisch herrscht, mutz auch die Kosten dieser Vorzugsstellung übernehmen. Daran läßt sich nichts mehr ändern und darauf sieht Deutschland in erster Linie. Kein Privileg fordert es, wohl aber räumt es Frankreich ein politisches Privileg ein, um für den gesamten Handel Europas Gleichberechtigung zu heischen. Wenn das Frankreich nicht geben will, sage es solches frei und offen; dann wird schnell Klarheit herrschen. Aber keine Seitensprünge mehr. Ein unerhüri 'r Pressesfandal. Dresden, den 14 «.evrember >911. Seit Woche» wird der englische Botscliafter in Wien, Sir Cartwright, als Beleidiger Deutschlands hingestellt und sein Rücktritt vertan t. Auf Grund der Veröffent- lichung eines Interviews in der „Neuen Freien Presse" »rar dies vollständig berechligt. Datz die Regierungen in Berlin, London und Wien diesen Vorgängen ruhig zuge- 'chaut hatten, »rar nicht o, ubbaft. Um so inehr mutzte die Ruhe stutzig machen, womit der englische Botschafter aus seinem Posten verblieb. Nun lüftet sich das Geheimnis durch eine Veröffentlichung, die der Botschafter im konser vativen Wiener „Vaterland" und in den ..Münch. Neuest. Nachr." macht. Daraus geht hervor, daß ganz Europa durch einen frechen Schwindel der jüdisch-freisinnigen „Neuen Freien Presse" betrogen »vorden ist. Wie Sir Cartwright »nitteilt, traf ein Mitarbeiter des Wiener führenden deutschfreisinnigen Blattes den englischen Botscl-after, als er in Marienbad seinen Morgenspazier- gang machte, und begleitete den Diplomaten zehn Minuten lang, wobei er Fragen über den Stand der Marokko angelegenheit stellte. Die Mitteilungen, die er über dies Gespräch der Wiener Redaktion »nacht, werden von dieses so u m g e in o d e l t, daß dein englischen Botschafter Aus» spräche in den Mund gelegt werden, die er, wie er erklärt, niemals getan hat. Diese von der Redaktion Hinzuge-- dichteten Aeutzerungen betreffen nichts Nebensächliches, sondern Wesenheiten, so die angebliche feindselige Aeutze- inng über den deutschen Kaiser, und erregen in Deutschland einen Sturm des Unwillens gegen England, während sie gleichzeitig in Oesterreich gegen den deutschen Bundes genossen Stimmung machen. Der Mitarbeiter, der sich gegenüber dein englisclien Diplomaten durch diese Ent stellung des Interviews in Gefahr sieht, als ein Fälscher! betrachtet zu werde», richtet an seine Redaktion einen Brief, in dem er erklärt, daß sein Interview nicht so ge lautet habe, wie es veröffentlicht wurde, und er verlangt, daß diese für den englischen Botschafter am Wiener Hofs so peinliche und für die politische Lage so gefährliche Ent stellung berichtigt lverde. Das Wiener führende deutschfreisinnigo Organ aber verweigert den Wider- mf seiner Erdichtungen und hält eine Version aufrecht., »reiche den deutschen Bundesgenossen beleidigt, die ge spannte politische Lage außerordentlich verschärft und, da» sie in einem deutsch-österreichischen großen Blatte erschienen ist, in Deutschland den mehr als bedenklichen Eindruck er wecken mutz, als sympathisiere man in Oesterreich mit! solchen Verunglimpfungen des Bundesgenossen. Ein frecherer Schwindel ist schon lange nicht verübt! »vorden, noch dazu von mnem Blatte, das immer mit seinem Deutschtum prahlt und so tut, als ob es der beste Ver teidiger der Freundschaft Oesterreichs zuin Deutschen Reichs sei. Und nun verbreitet dieses führende deutsche Organ des österreichischen Freisinns so grobe Taktlosigkeiten gegeX den deutschen Bundesgenossen, die es selbst erfunden hat. Dieses Blatt ist damit ein Ränkeschmied gegen den euro päischen Frieden geworden und sucht das erprobte Ver trauen gegen die österreichische Bündnistreue zu unter minieren. Die Nutzanwendung aus diesen, publizistisct»en Skan dal ist: Man kann dieser Gattung von Presse nicht ein Wort glauben; sie lügt das Blaue vom Himmel mit einer bodenlosen Frechheit herunter. Die Sauberkeit eines ehr lichen Menschen fordert daher, datz man sich mit der Lesunq solcher Blätter nicht die Finger beschmutzt. Politische Ruu-scharr. Dresden, den >4. Sep.ember 19H. — K«iserm«»över. Die Meldungen der Flugzeuge haben die Manöverleitung außerordentlich befriedigt. Sir haben kolossale Dienste geleistet. Der Kaiser bat jedem einzelnen Flieger seinen Dank und seine Anerkennung aus gesprochen. Beide Armeesübrer haben sich dahin geäußert. Ein deutscher Kaiser, der Papst werden wollte. In den „Münchener Neuesten Nachrichten" iNr. 377) lesen wir: „Im August dieses Jahres sind es gerade lOO Jahre her, daß ein deutscher Kaiser und zwar kein linderer als Maximilian, dem die Geschichte den Beinamen „der letzte Ritter" gegeben hat, ernstlich mit dem Plane ninging, sich vom Kardinalskollegium zum P,rpst wählen zu lasse». Das Ouellenmaterial, auf dem unsere Kenntnis von dem seit samen Projekt dieses Habsburgers beruht, der, an den Matzstäben jener Zeit geniesten, durch und durch moderner Mensch und keinen Freuden der irdischen Welt abhold war, ist zwar von jeher bekannt ge»vesen, aber zum Teil als Fäl schung. zum Teil, joux'it es sich um des Kaisers Brief in dieser Angelegenheit handelt, als nicht ernst gemeint be trachtet »vorden, bis die neuesten Forschungen von Ge- hcimrat Dr. Alois Schulte in Bonn ergebe» liaben, datz es sich um eine »vohlerwogene Idee des Monarchen handelte, der sich mit der Hoffnung trug, Italien, dos er durch Waffengewalt nicht hatte unterwerfen können, sich als Träger der dreifachen Krone untertänig zu mach»»." Bevor Geheimrut Dr. Schulte-Bon» mit seinen »vissen- fchaftlich sehr Mitzenswerten Forschungen hervortrat, batten sich die Historiker bekanntlich längst und wiederholt mit der Absicht des Kaisers Maximilian 1., die päpstliche Tiara zu erlangen, beschäftigt. In seiner „Geschichte der der Päpste" (6- Band. S- 687 fl., bei Herder, Freiburg in Baden. 1896) behandelte Hofrat Prof. Ludwig Pastor die Frage eingehend und zitiert ausführlich die beiden Briefe Maximilians, auf die Schulte sich beruft. In einen, dieser Briefs vom 18. September lall, gerichtet an seine Tochter Margarata, die Regentin der Niederlande, heißt es: „Morgen werde ich Matthäus Lang, den Bischos non Gurk, nach Rom senden, »»in init den» Papste ei» Abkommen zu treffen, dair.it er mich zum Coaüjutor erwähle, aus datz »ch nach seinem Tode sicher auf den päpstlichen Stuhl ge lange, zum Priester geweiht und heilig gesprochen werden könne, dgmit ihr dann nach meinem Tode mich als solchen verehren miitzt, »voraus ich mir nicht wenig einbildeii werde. Ich habe gn den .König von Spanien eine Botschaft geschickt mit der Bitte »»» seine Unterstützung; er hat mir seine Mitwirkung gerne '.»»gesichert unter der Bedingung, datz ich die Kaiserkrone meinem Enkel Karl abtreten sollte, dem ich von Herzen beistimme. Das Volk and der Adel Rom» haben ein Bündnis geschlossen gegen die Franzosen und Spanier; sie können 20 000 Mann unter die Waffen stellen und haben mir die Erklärung gegeben, datz sie nie in die Erhebung eines Franzose», Spaniers oder Venetianers einwilligen, sondern einen Papst, abhängig von mir und nach dem Wunsch des deutschen Reiches, wählen werden. Ich fange an, die Kardinäle zu bearbeiten, wozu mir 2 !300 0lX1 Dukaten gute Dienste leisten würden. Der König von Spanien hat mir durch seinen Gesandten sagen lasse», daß er den spanischen »-kardinalen sogar gebieten »erde meine Werbung um das Papsttum zu unterstützen, Ich empfehle euch vorderhand tiefes Stillschweigen, vbwohl ich fürchte, datz in wenigen Tagen die ganze Welt das Ge heimnis wissen werde, da zu viele Leiite beim Geschäfte Mitwirken müssen und eine zu große Summe Geldes dazu erfordert wird. Gott empfohlen. Geschrieben von der Hand eures guten Vgters Maximilian, nächstkünftigen Papstes. Den 18. September. I'. Das Fieber des Papstes Hot zugenoinmen. er kann nicht inehr lange leben." Man kann in diesem Schreiben, so urteilt Prof. Pastor, allenfalls eine humoristische Ablehnung der von Margareta vorgeschlagenen neuen Heirat des seit dem 31. Dezember verwitweten Kaisers sehen; liebte es doch Marimilian, in dem brieflichen Verkehre mit seiner Tochter sich humo ristisch auszudrücken. Eine solche Deutung läßt aber ein zweiter Brief des .Kaisers, vom 16. Sept. 1611. gerichtet» an den Tiroler Landmarschall Paut v. Liechtenstein, nicht! zu. Pastor zitiert dann das lange Schreiben >i> uxtonm» und fügt hinzu: „Darüber kann wohl kein Zweifel bestehen, datz die Fassung dieses Briefes an den Landinarschall Liechtenstein keine scherzhafte Dentuiig zulätzl. Ebensowenig schint eine Mystifikation des Vertrauen» des Ziäisers als wahr scheinlich. Das Schreiben »nutz deshalb ohne Frage in seinen» eigentlichen Worts»»» verstanden werden. Frei lich erhebt sich hier noch ein Bedenken von nicht zu unter schätzender Bedeutung: dgs Triginat des Briefes gn Liechtenstein ist niemals zum Vorschein gekommen, und die liixtoi ischc Treue de» Gelehrten (Goldast), welcher das selbe hundert Jahre nach dem Tode des Kaisers ohne ge naue Angabe des Ursprunges veröffentlichte, unterliegt den größten Zweifeln. Mit ghsotuter Sicherheit läßt sich daher nach dein gegenwärtige» Stande der Forschung nicht behaupten datz Maximilian I. damals im Ernste daran gedacht hat, die kaiserlich und väpstliche Würde in seiner Person zu vereinigen und aus diese Weise seine italienisch»» Herrscherbestrebungen z» verlvickliche». Viele Momente sprechen allerdings dafür, datz der phantasievolle Monarch sich einen Augenblick von dem abenteuerlickien Trauinbild eines Kaiser-Papsttums hat berücken lassen; indessen »vur- den alle Pläne inbetreff einer Neubesetzung des Heiligen Stuhles sehr bald durch die vollständige Wiedergenesung Julius' ll. gegenstandslos."