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HU Nummer 66 — 26. Jahrgang )n,al wöch. Bezugspreis für Mürz 3.00 Mk. einschl. LesteNgeld Anzeigenpreise: Die Igesp. Petitzelle 89^Z. Stellengesuche SV.Z. Die Petitreklamezeile, 89 Milli, meler breit. 1 Ossertengebühren siir Selbstabholer SO L. bei Uebersendung durch die Post außerdem Portozuschlag. Einzel-Nr. 19 L. Sonntags-Nr. 18 L. Geschäftlicher Teil: Artur Lenz in Dresden. SiickMve Sonntag, den 20. März 1927 Im Falle höherer Gewalt erlischt jeSe Verpflichtung auf Lieferung sowie Erfüllung v. Anzelgenaufträge» u. Leistung o Säiadenersatz. Für unüeutl. u. d. Fer» ruf übermilt. Anzeigen übernehmen wir Keine Ver antwortung. Unverlangt eingesandte u. m. Rückporto nicht versehene Manuskripte werd. nicht aufbewahrt. Sprechstunde der Redaktion 2—3 Uhr nachmittag» Huuptschristleit.: Dr. Joseph Albert. Dresden. volmmuna «Selchiiftsftelle, Druck und Verlag! Saronia- Bnchdruckcrei GuidH., Dresden s!. I, Policrslratze 17. Fernrus 21012. Pogscheckkonlo Dresden I17S7. Bankkonlo: Dresdner Va»s, Dresden. Für christliche Politik und Ktullur '.»«daktion der Sächsischen Volks,«ttinig DreSden-Allstadl 1. Polierstrahe 17. Fernruf 2MI1 und 21012. Eine bessere Idee In Oesterreich hat der Wahlkampf begannen. Tie sozialdemokratische Hochburg Wien rüstet ganz energisch zum Streite, und im Lande regt es sich an allen Enden. Kegen die sogenannten bürgerlichen Parteien, die bisher im Abgeordnetenhaus die Mehrzahl der Sitze innehatten. Es wird noch manche aufregende Szene in diesem Streit der Parteien geben, denn die Linke möchte nun endlich ihr höchstes Ziel, die „Erwerbung der Staatsgewalt", un ter allen Umständen erreichen und wird gewiß nicht ver säumen. Kapital ans allen möglichen Dingen zu schlagen. Aber auch die nichtsozialistischen Parteien werden stark auf der Hut sein, um ihre jetzige Mehrheit im Nationäl- rat zu erhalten und die von der Linken begangenen poli tischen Irrwege mit aller Deutlichkeit aufzuzeigen. Wir können zunächst diesen Kampf ruhig abwarten und dürfen dabei den Christlich-Sozialen, der uns am nächsten stehenden Partei, einen einigermaßen günstigen Verlauf durchaus prophezeie». Aber das ist schließlich nicht das wesentliche im gegenwärtigen Augenblick, son dern es kommt uns auf etwas anderes an, auf eine Er scheinung. die zwar b e s o n d e r s i n W a h l z e i t e n auf- tritt, — nicht allein in Oesterreich, sondern ebenso in Deutschland — aber weit über diese Wahlzeit hinaus größte Bedeutung hat. Es existiert in Oesterreich bekanntlich der sogenannte „republikanische Schutzbund", der in ausgezeichneter Wei se organisiert, ausgebildet und zu einem gewissen Teil auch noch bewaffnet ist. Nach den neuen Statistiken um faßt er weit über 300 000 Mitglieder, die sich aus den sreigewerkschaftlichen Arbeiterkreisen vom 18. Lebens jahre an rekrutieren. Eingehendes über seinen Aufbau, seine Gliederung, seine Uniformierung und seine Schlag kraft bringen wir an anderer Stelle dieser Zeitung. Diesen Schutzbund hat man — wie ebenfalls bekannt ist — sehr häufig mit unserem Reichsbanner verglichen und gelegentlich auch dem Zentrum Vorwürfe gemacht, daß es in diesem Reichsbanner, das an Kundgebungen des radikalen, antireligiösen Schutzbundes in Wien und anderswo teilnahm, vertreten sei. Der Vergleich war nicht ganz richtig gezogen, weil die gemischt-geistige Ein stellung des Reichsbanners doch nicht ohne weiteres mit dem ganz eindeutigen Charakter des Schutzbundes ver glichen werden kann. Allerdings wird der Tadel, der von Oesterreich in bezug auf das deutsche Zentrum ausging, in dem Moment in seiner Bedeutung bestätigt werden, wenn » die Verbrüderung des Reichsbanners und des Schutzbun des Uber einige lokale Mißgriffe hinaus, noch allgemeiner wird. Da nun der österreichische Schutzbund, wie überhaupt alle ähnlichen Organisationen in Deutschland, als Hilfs- slellung gewisser Parteien recht bedeutsam für die Politik des Staates überhaupt werden Können, so ist es notwen dig. einmal die Elemente, die hier ausschlaggebend sind, zu betrachten. Schon damals, als die tadelswerten Erscheinungen zwischen Reichsbanner und Schutzbund in Wien und anderswo auftraten, hätte man — vielleicht um besten von Oesterreich aus — auf dieses Ausschlaggebende sehr stark Hinweisen sollen. Wir meinen: das jugend- licheElement, das sowohl in den österreichischen, wie in den deutschen Organisationen, ganz gleich ob links oder rechts stehend, vorherrscht. Und bei rechter Würdigung dieser Jugendlichkeit hätte man sehr leicht verstanden, daß eine Verbrüderung der österreichischen Radikalen und der deutschen Neichsbannerleute durchaus nicht etwas außergewöhnliches ist. Die Jugend macht keine großen logische» Unterschiede. Wenn jugendliche deutsche Reichsbannerlcute, die nun einmal in der Mehr zahl der Sozialdemokratie angehören, in Wien weilen, so werden sie im österreichischen Arbeiter zuer st den Sozialdemokraten sehen, d. h. sie werden als Be rührungspunkt zwischen sich und diesen Oesterrei chern ihre s o z i a l i st i s ch e Idee sehen. Und weil die Jugend keine lange Ueberlegung besitzt, wird sie gleich darauf öffentlich Brüderschaft mit jenen trinken, von denen sie sich wenigstens mit Rücksicht auf andere Ange hörige ihrer eigenen Organisation in der Öffentlichkeit hätte fernhalten sollen. voller Beachtung beispielsweise von Zentrumsseite noch Ein neuer Balkan-Konflikt? Italien protestier! wegen Jugoslawiens Rüstungen gegen Albanien Besorgnisse in London London. 19. März. Die englische Regierung hat am gestrigen Freitag von Italien eine Rote erhalten, in der die italienische Regierung die Aufmerksamkeit darauf lenkt, daß in Jugoslawien Borberei tungen für eine» neuen Einfall in Albanien zum Sturz der ge genwärtigen albanischen Regierung getroffen würden. Die Note soll auch anoereu ausländischen Regierungen zugegangeu sein. Italien erklärt, daß es kürzlich mit dem albanischen Präsidenten den Vertrag von Tirana abgeschlossen hat und daß es dem Schick sal dieser albanische,, Regierung nicht gleichgültig gegenüber stehe» könne. Nom. 19. März. Giornele -'Italic, dringt Einzelheiten über die jugosla>visä>en Rüstungen. An allen Grenzen verstärke Jugo slawien seine Truppen, insbesondere aber an den albanischen und itaiieiüsä-en Grenzen. Gleichzeitig wurden die meisten Brigade- u»o Dioisions-Kommandeurstelleii neu besetzt und eine militärische Organisation der Komitatschis dnrchgesührt. In aller Eile würden die Eisenbahnlinien und Chausseen Jugoslawiens ergänzt und umgebaut. So sei die wirtschaftlich unbedeutende Eisenbahnlinie Belgrad-Sienika zweispurig ansgebaut und die Militärstraße Belgrad—Kragnjeoae—Kossooo unter Hinzu ziehung der Bevölkerung zu den Arbeiten erneuert woroen. In den Arsenalen sei die Arbeiterzahl verdreifacht. Im Anslande dränge Jugoslawien aus beschleunigte Lieferung ovn Kriegs material und Ansrüstungsgegenstünden. Alles weise ans eine unvorhergesehene Mobilisation hi». Gironale d'Italia sügt diese» Meldungen einen höchst be zeichnenden Kommentar bei, in dem es heißt: Es sei unzweiscl- weitere vorbeugende Maßregeln gegenüber dem Reichs banner ergriffen werden könnten. Ganz dieselbe Erschei nung haben wir ja ans der rechten Seite, in den soge nannten „Vaterländischen Bereinigungen". Auch hier spielt wiederum die Jugend die größte Rolle. Und zwar eine Jugend, die durchaus keine genügende Ahnung von dem Wesen eines Krieges, zu dein sie sich in ihren „Bünden" begeistern läßt, und von der Verantwortung für das Wohl lind Wehe eines Volkes hat. Nur zu einem geringeil Prozentsatz werden sich wirkliche Frontkämp fer. die in das ganze Elend des Weltkrieges und seine traurigste Tragik tatsächlich hineingezogen waren, durch irgendeinen mißverstandenen Umstand verleiten lassen, mitzumachen. Jugendliche — lauter Jugendliche, die Lust am Soldatenspiel, an Uniformen, an Parademärschen und ähnlichen Bewegungen haben, und die für diese Spiele reien auch eine mechanisch militärische Behandlung gern in Kauf nehmen. Ganz abgesehen von jenen schweren Bedenken, die in der Erziehung zum Haß gegen fr>mde Böiker schlechthin liegt. Diese Jugendlichen, die sich zwar differenziert haben in verschiedenen rein äuße ren Vorhänden — wir brauchen die Namen nicht erst aufznführen — und in der Öffentlichkeit alle ihre ver schiedenen Abzeichen tragen, sie stimmen doch im Grunde alle überein: auf der rechten in dem falschen allzu äußer lichen Begriff der B a t e r l a n d s l i e b e und auf der Linken in der falsch verstandenen iznd einseitig vom Klas senstandpunkt vertretenen sozialen Idee. Gerade darum legt man sich ja ganz allgemein auf der Rechten das vaterländische und auf der Linken das sozialistische Beiwort zu. Und in bestimmten Moinenten führt dieses einigende Merkmal alle in beiden Lagern z u s a m m e n , als ob sie van Anfang zusammengehört hätten und man nur verschiedene Wege ging, weil die einen an diesen, die anderen an jenen Spielereien und Aufzügen Gefallen hatten. Wie sich diese einigende Idee gerade in Wahlzel le n auswirkt, haben wir ja in Deutschland oft genug er lebt. Schwarz-wetß-rot gegen Schwarz-rot-gold, die Va terländischen gegen die Roten usw. Alle Verschieden heiten in der äußeren Organisation der jeiveils auf einer^ hast, das; Jugoslawien Lei dieser Politik oer bcwafsneten Faust und der verschleierten Provokation von einer anderen euro päischen Macht unterstützt werde. Während man in Gens die Abrüstungskonferenz vorbereile, schüre Frankreich aus dein Bal kan Mißtrauen gegen Italien und versuche, die Kleine Entente in einen Balkanblock zu verwandeln, um die italienische Balkan- politik zu zerstören. Belgrad. 19. März. Belgrad, 19. März. Die Agentur Avala erklärt de» Inhalt oes Artikels des „Giornale d'Italia" über angebliche militärische Barbereitnngen im Königreich Jugoslawien für in jeder Be ziehung ersnnde n. London, 19. März. Die italienischen Meldungen über angebliche Mobilisie rungsmaßnahmen in Jugoslawien sinden in einem Teil der eng lischen Presse große Beachtung. Ein Berichterstatter -der „Times" in Albanien schreibt: In Tirana sHauptstadt Albaniens sei beträchtliche und berechtigte Besorgnis verursacht worden durch Berichte, daß neue Vorberei tungen auf jugoslawischem Boden sür eine Erneuerung der letzten November gescheiterten Ausstandsbewegung gegen die albanische Regierung getroffen iveroen. Seit langem sei bekannt gewesen, daß die unzusriedcne» Elemente eine Organisation und einen verwaltenden Ausschuß in Jugoslawien haben. Bei einem Einsall von Koinitatschibairden nach Albanien würde der Vertrag von Tirana in Wirksamkeit treten und italienische Hilse würde den albanischen Widerstand stärken. Es erübrige sich, die ernsten Möglichkeiten einer solchen Lage hervorznheben. Seite sich befindlichen Einzelgruppcu verschwanden plötz lich soweit wie möglich. Und es ist nicht zu leugnen: Gerade in dieser Einigung beruht die Stärke, und darum sind und waren diese Jugendlichen sehr regsame und sehr tüchtige W a h l a g i t a t o r e n. Sie errei chen etwas mi! dem Feuer ihrer Begeisterung, mit dem Eifer ihres Geistes — gerade weil sie noch Jugend sind. Und auch in Oesterreich wird der republikanische Schutz bund den Roten wiederum ganz erhebliche Dienste lei sten. Wie ist nun dieser deutschen oder auch österreichischen Jugend eine neue bessere Idee zu geben, daß sie nicht in noch größerem Umfang in die Einseitigkei ten von Organisationen hineingeriffen wird — wie ist zum altermindesten die uns am nächsten stellende Jugend vor diesem -Hineingerissenwcrden in die „allgemeine Be geisterung der Straße" zu bewahren. Ist nicht wenig stens unter Vermehrung der schau vorhandenen .Kräfte eine gewisse kulturelle Kerntrnvpe zu bilden, die auch in politischen Stürmen als Wegbereiterin verantwortungs bewußter Parteien dienen wird. A'lerdings keine Kerntrnppe, die mit vielem äußeren Aufwand operiert, sondern viel mehr in der Stille schasst. Wer trägt zunächst die Schuld an der jetzigen Ent wicklung? An dem geradezu überragenden Einsluk, der Jugend auf die Politik und alle möglichen Fragen? — In erster Linie diejenigen, die seit 1018 nicht oft genug das Schlagmort au-fprechen konnten: „Auf der Jugend beruht die Zukunft", die nicht oft genug betonen konnten, daß „ein neues Geschleckt im Werden sei", daß „allles ein zig und allein von dieser Jugend abhänge und alles für sie da sei". Die Jugendlichen wurden plötzlich als zu etwas ganz gewaltigem kcrufen hingestellt. Als die größ ten Erneuere r der Welt. Kein Wunder, daß sich diese Jugend ans solche schmeichelhaften Mahnrufe hin auch so gleich recht tüchtig aus Erneuern machte. Kein Wunder, daß es in der Vorstellung dieser Jugend nichts oder we nigstens nicht mehr viel Großes gab, außer sie selbst. Das andere mar alt, abgebraucht, was vor 1014 gedacht und erlebt war. war Humbug. Und wer wollte es unverständ lich finden, daß diese Jugendlichen sich in allen möglichen