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Ml ÄMOdkilU W AWm TtAtzkitW 1927. Nr. 81. zu Nr. 144 des HaupIbUttkS. Beauftragt mit der Herausgabe Regierungsrat Braub« in Dresden. LandtaMerhandlungtn. (Fortsetzung der S7. Sitzung von Dienstag, den LI. Juni 19L7.) Die Punkte 11 und 12 sind verbunden. Punkt 11: Erste veratung über den Antrag de» Abg. vöttcher «. «en. über die vesoldungsneuordnuug. (Drucksache Rr. 344.) Der Antrag Nr. 344 lautet: Der Landtag wolle beschließen: die Regierung zu ersuchen, 1. beschleunigt bei der Reichsregierung mit allem Nachdruck die sofortige Verabschiedung einer Be- soldungSordnung noch vor der Sommerpause zu fordern; 2. eine Vorlage bez. einer Zwischenregelung unter besonderer Berücksichtigung der Notlage der unteren Gruppen mit Rückwirkung vom 1 Avril 1927 dem Landtage zur Beschlußfassung vorzulegen. Für die Besoldungsreform fordert die Kom munistische Fraktion insbesondere Verminderung der Spannungen zwischen den Besoldungsgruppen, Streichung der höchsten Gruppen, Verminderung des Abstands zwischen Anfangs- und Endgehalt zur Erreichung des EndgehaltS in kurzer Frist, Beseitigung der bisherigen Gruppen I bis III, automatische Aus gleichung der Gehaltszulagen auf die Pensionen. Punkt 12: Anfrage des Abg. Arzt u. bien., die Wiedereinführung de» GchaltSklassensystem» der Vor. kriegdzeit bei der Revision der Besotdungsordnung betr. (Drucksache Rr. 391.) Die Anfrage unter Rr. 391 lautet: Nach Zeitungsmeldungen beabsichtigt die Reichs- regierung bei der Besoldungsreform die Wiederein führung des Gehaltsklassensystems, das in der Bor- kriegszeit bestand. Dieses System betont mehr die Vorbildung und die Herkunft der Beamten, während bei dem jetzt bestehenden Gruppensystem größerer Wert auf die Leistung der Beamten gelegt wird. Die Besoldungsregelung nach der Herkunft und Vorbildung bedeutet eine Stärkung der kastenmäßigen Gliederung der Beamten, die in sich schließt das Privileg der Beamten in den höheren Verwaltungs stellen für die Söhne der Besitzenden und die auto matische Ausschaltung der unbemittelten Schichten von den höheren Verwaltungsstellen. Wie berichtet wird, soll neben Preußen auch Sachsen sich für die Wiedereinführung des Gehalts klassensystems der Vorkriegszeit erklärt haben. Hat sich die sächsische Regierung tatsächlich für die Wiedereinführung des Gehaltsklassensystems der Vor kriegszeit ausgesprochen und wie will sie diese Stellungnahme begründen? Abg. Lieget (Komm. — Zur Begründung des Antrages Rr. 344): Die Notlage der unteren und mittleren Beamtenschaft ist wohl in der Gegenwart das Gesprächsthema. Wenn wir die Notlags der Beamten- schast, vor allem der unteren und mittleren Beamten schaft, in Betracht ziehen, so muß wirklich gesagt werden, daß die Regierung in den letzten Jahren ver missen ließ, wirklich die Notlage der Beamtenschaft zu lindern. Und auch jetzt wieder hat der Reichssinanz- minister vr. Köhler mit Pathos erklärt, daß es nicht möglich sei, vor dem 1. Oktober der Beamtenschaft irgendwelche Beihilfen zu gewähren, daß die Reichs- regierung allenfalls erst am 1. Oktober in der Lage sei, in eine Behandlung der Beamtenbesoldungsieform einzutrcten. Das ist doch unglaublich. Die Forderungen der Beamten gehen natürlich weit auseinander, aber in einem ist sich die Beamtenschaft einig, daß unbedingt geholfen werden muß. Ich glaube, man braucht die Not der unteren und mittleren Beamten nicht näher auseinanderzusetzen. Man braucht bloß an die ungeheuren Bestrafungeil von Beamten in den letzten 2 Jahren wegen Eigentum-Vergehen zu denken, die au- Not begangen wurden, dann sehen wir, daß die Notlage der Beamten zu den äußersten Mitteln geführt hat. Wenn das noch dazu bei den Justizbehörden vor- kommt, ist eS desto bedauerlicher. Aber wir geben offen zu, daß die Notlage nicht nur bei den Justizbeamten in Erscheinung tritt, sondern überall in der gesamten Beamtenschaft vorhanden ist. Es muß wirklich der Beamtenschaft geholfen werden, und die kommunistische Fraktion hat ja schon längst entsprechende Anträge ge- stellt. Dauernde leere Versprechungen können den Be amten nil.-t helfen. Da da» Reich die Sache immer wieder hinausschiebt, ist der einzige Au-weg der, daß den Beamten so schnell al- möglich durch eine Zwischen regelung geholfen wird. Die Zwischenregelung muß dergestalt sein, daß der Beamte bis zur Besoldung-reform auch wirklich sieht, daß die Parteien de- Landtag» willen- sind, ihnen zu helfen. Am Freitag werden ja die Finanzminister der einzelnen Länder in Ber lin zusammenkommen. Der Retch»finanz- Minister Köhler hat erklärt, daß e» unmöglich sei, bet der kommende« BesoldungSreform den Beamten Gelder au» den «eich-finanzen zu bewilligen, daß e» unmög lich sei, den Ländern iraendwelch« Unterstützungen zu gewähren und daß eS Ausgabe der Lander sein muß, auch bei der kommenden BesoldungSreform ihre Mittel elbst aufzubringen. Darum ist eS Aufgabe des sachsi- chen Landtages, daß wir heute den sächsischen Beamten n ihrer großen Notlage wirklich eine geldliche Ent- chädigung zukommen lasten und daß wir den Beschluß, der am 6. April gefaßt wurde, heute zur Tat werden assen, in dem wir die am 6. April angenommenen Anträge zur Durchführung bringen. Aber nicht allein dies wird die Beamtenschaft über die tat,Schliche Not hinwegbringen. Es ist Aufgabe der Beamtenschaft selbst, in Verbindung mit der unter drückten Arbeiterschaft, mit den ausgebeuteten StaatS- und Reichsarbeitern den Kampf gemeinsam zu führen. Die Zeiten der Petitionen und Anträge sind vorder, und nur ein geschlossener Kampf, wuchtige Demon strationen können der Regierung zeigen, daß es höchste Zeit ist, wirklich der Beamtenschaft in ihrer Notlage beizuspringen. lBravo! b. d. Komm.) Minister des Inner« Apelt: Meine Tarnen und Herren! Der Landtag hat am 6. April d. I. einen Beschluß gefaßt, der dahin geht, die Regierung zu ersuchen, unverzüglich bei der Reicksregieruug und beim Reicksrat zu beantragen, daß noch vor der Sommer pause des Reichstags eine reichsgeseyliche Neuregelung der Beamtenbesoldung erfolgt. In diesem Sinne ist die Regierung tätig gewesen. Sie hat sowohl bei der Reichsregierung wre im Reichsrat diesen Antrag ver- treten, und in Verfolg der Verhandlungen, die sich daran angeknüpft haben, werden morgen die Finanz- Minister und die beteiligten Innenminister der deutschen Länder in Berlin versammelt sein, um mit dem Reichs- sinanzminister die Sachlage zu bespreu)en. Wir werden daber mit aller Energie bestrebt sein, den Beschluß des Landtags durchzusetzen und, was an uns liegt, uns bemühen, daß die Beamtensorderungen bis zum 1. Oktober in Kraft getreten sind und Rückwirkung bis zum 1. Juli erhalten. Tas ist die Auffassung, an der die sächsische Regierung festhält. Was nun die Anfrage des Herrn Abg. Arzt anlangt, so ist dazu zu sagen, daß der Entwurf der Reick s regierung noch nicht vorliegt. Wir haben noch nicht Kenntnis von dem amtlichen Entwurf der Reichsregierung über die neue Besoldungsordnung. Wir haben unsere Vorarbeiten im Ministerium des Innern so weit ge- fördert, daß wir unseren Entwurf sofort dem Landtage zugehen lassen können, sobald die Reichsregelung ge troffen ist. Natürlich wird dieser sächsische Entwurf sich an die Rcichsregelung anzulehnen haben. Wie die sächsische Regierung selbst sich zur Frage des Systems stellen wird, kann ich heute nicht beantworten, da das Gesamtministerium darüber noch keinen Beschluß gefaßt hat. Tas Gesamtministerium hat noch keinen Anlaß gehabt, heute schon zu dieser Frage Stellung zu nehmen. Ich kann nur sagen, daß ich persönlich als zuständiger Ressortminister allerdings der Überzeugung bin, daß den zahlreichen berechtigten Beschwerden, die die Beamten gegen das gegenwärtige System erhoben haben, nur durch eine Änderung des Systems abgeholfen werden kann. Hierauf wird in die Aussprache der Punkte 11 und 12 eingetreten. Abg. Weckel (Soz.): Tas, was wir heute erleben, ist von uns bereits in der Sitzung vom 6. April vorauS- gesagt worden. lAbg. Reu: Sehr richtig!) Wir haben damals ganz offen erklärt, daß der Antrag, der semer- zeit von den Regierungsparteien vorgelegt worden rst, weiter nichts bedeutet als eine Verschleppung. Heute erleben wir die Tatsache, daß die ganze Angelegenheit verschleppt worden ist. Daß die Besoldung aufgebcssert werden muß, auch in Sachsen, darüber ist in diesem Hause schon zwei oder drei Jahre lang geredet worden, und darüber sind andauernd Anträge gestellt worden, und heute hören wir vom Innenminister, daß er morgen mit aller Energie — so hat jeder Finanzminister bisher gesagt — bei der Zusammenkunft der deutschen Finanz minister für eine Besserung der Besoldung eintreten würde. Ich glaube, wenn die Beamten diese ewige Litanei nicht einmal satt bekommen, geht es ihnen ent weder zu aut, oder sie sind bereit» so schachmatt ge worden, daß man mit ihnen alles treiben kann. Tie Versammlungen, d,e die Beamten in letzter Zeit ver anstaltet haben, sind getragen von innerem Groll. In Berlin sowohl als auch in anderen Städten, auch hier in Dresden, sind Beamtenversammlungen veranstaltet worden, in denen ganz gründlich der Reichsregierung und auch dem sächsischen Parlament gesagt worden ist, was die Beamten nun endlich erhoffen. ES sind in diesem Landtage ja schon eine ganze Reihe von Beamtenantrügen gestellt worden, so am 25. November 1926 von den Demokraten, am 27. Dezem ber 1926 von der SPD-, worauf dann die Regierungs parteien am 6. April dem Besoldung-au-schuß den de- kannten Antrag vorgelegt haben, unverzüglich bet der Reichsregierung und beim ReichS- rat den Antrag zu stellen, daß noch vor den Sommer ferien de» Reichstag» eine Neuregelung der Beamten- besoldung erfolat, für den Fall der Ablehnung diese» Anträge» aber dem Landtage eine Vorlage über eine Zwischenregelung vorzulegen. Am ö. Mai kommen nun die Kommunisten und bringen alle diese Anträge noch einmal unter der «r. 344 ein, was weiter nichts ist als eine Zusammenfassung dessen, was im Landtage bisher bereits gesprochen worden ist- (Sehr richtig! b. d. Soz.!) Wir stehen nun vor der Tatsache, daß die Reichs- regierung es abgelehnt hat, bis zum 1. Juli eine Neu ordnung der Besoldung vorzunehmen. (Abg.vr. Blüherr Nein!) Was gestern der Herr Reichssinanzminister Köhler erklärt hat, heißt so viel wie: erst vom 1. Oktober an wird eine Neuregelung erfolgen. Infolgedessen nehmen wir an, daß die sächsische Regierung auf Grund der Landtagsbeschlüsse mindestens am 2. Juli, vielleicht noch vorher dem Landtag die Vorlage unterbreiten wird, die sie für diesen Fall ausgearbeitet hat, denn ich kann nicht annehmen, daß sich die sächsische Regierung wieder über die Landtagsbefchlüsse Hinwegfetzen wird. Wir erwarten also, daß am 1. oder 2. Juli die Regie rung eine entsprechende Vorlage bringt. Die Regierungs parteien haben das selbst beschlossen, und wir sind ge spannt, wie sich die Regierungsparteien zu ihrem eigenen Antrag verhalten werden. (Sehr richtig! b. d. Soz.) Taß die Teutschnationalen nicht mitmachen, darüber sind wir nicht im Zweifel. Taß die Deutsche Polkspartei viel schöne Worte für die Beamten hat, auch das wissen wir schon lange. Meine Hoffnung — es ist eine schwache Hoffnung — steht heute bei den Demokraten, die ja immer draußen vorgeben, daß sie die Partei feien, die die Beamtenbelange am besten vertrete. Wenn die Herren Temokraten zu uns und zu unserem Anträge stehen, nun endlich eine Zwischenregelung zu bringen (Abg. Claus: Tas ist doch unser Antrag!) — ja, aber wir haben schon erlebt, daß Ihr zu Euren Anträgen nicht steht. Tie Kommunisten haben zugcsagt, die Sozialdemokraten haben auch zugesagt. Tann stebt also für den 1. Juli eine Zwifchenregelung bevor. Ich weiß ja nicht, ob da die Koalition etwa wackeln sollte, aber die Temokraten müßten, wenn sie jetzt nicht zustimmen, dann einfach nun einmal gewärtig sein, daß die Beamten mit den Demo kraten auch so reden, wie sie im allgemeinen über die Temokraten denken. Tie Beamten warten diesmal nicht nur auf schöne Worte und aus Taten nach .Menschenmöglichkeit", son dern sie warten jetzt aus eine Zwischenregelung, die bereits am 1. Juli einsetzt. Tie Regierungs parteien haben sich verpflichtet, die Beamten werden iehen, sonst vick-snt < onsule«! (Beifall b. d. Soz.) Abg. Ur. Leyser« (Dem ): Ter Herr Vorredner hat gesagt: Der Worte sind genug gewechselt, laßt nun endlich Taten sehen! Ich möchte diesem Grundsätze entsprechend nur eine ganz kurze Erklärung ab geben, die ich zugleich im Namen der übrigen Re gierungsparteien abgebe: Ter Minister des Jnnnern hat dem Landtag mit geteilt, daß morgen zwischen dem Reichsfinanzminister und den zuständigen Ministern der Länder Verhand lungen stattfinden, in denen die sächsiiche Regierung ibre Forderung, daß die zugesagte Neuregelung der Beamtenbesoldung mit Wirkung vom 1. Juli d. I. in Kraft treten soll, erneut geltend machen wird. Bei dieser Sachlage halten es die Regierungsparteien für zweckws, heute in eine sachliche Beratung des kommu nistischen Antrages einzutreten; sie verweisen vielmehr auf den Beschluß vom 6. April d. I., in dem der Land tag seinen Willen klar zum Ausdruck gebracht hat. Abg. Rötzscher (Komm): Man muß sich eigentlich über die Ausflüchte wundern, die immer wieder ge funden werden, um wieder eine Vertröstung zu er reichen. Wer in der letzten Zeit in Beamtenversamm lungen gewesen ist — die rechte Seite hat sich ja immer brieflich entschuldigt (Widerspruch rechts) —, der weiß im wesentlichen, wie die Stimmung besonders in der unteren Beamtenschaft ist, und der kann es nickt mehr, sowohl politisch wie auch menschlich, verantworten, auch nur bis morgen zu warten. Es ist sehr bezeichnend, daß die Regierungsparteien heute in keine sachlicke Aussprache eintreten wollen, wahrscheinlich aus dem einfachen Grunde, damit der Minister morgen nicht sachlich gebunden ist, damit er beute vor dem Lande wieder Versprechungen machen kann und morgen sich dem Votum deS Reichsfinanzministers unterwirft. Wir streiten uns in keiner Weise darum, wer de« Antrag, der beute vorliegt, zuerst oder zu zweit oder zuletzt gebracht hat, sondern eS handelt sich darum, die Not der Beamten so schnell wie möglich zu be seitigen oder ihr entgegenzutreten, Jeder Mensch, der den Apparat überschauen kann, weiß, daß die Besoldung»- reform, um die es sich für die Regierung handelt, wochen- und monatelang dauern wird, wenn eS etwas Grundsätz liches sein soll. Was die Beamten wünschen und brauchen, ist, daß sie spätestens diesen Monat oder vielmehr am nächsten Ersten eine Gehaltsaufbesserung, Geld in die Hand bekommen. DaS ist das einzige, was die Regie rung und der Landtag jetzt tun könnte, und wäre e» nur, in Form eines Kopfzuschlages den Beamten augenblicklich zu helfen. WaS heute die Deutsch demokratische Fraktion in Übereinstimmung mit der Koalition gegeben hat, zeigt, daß dieser Partei die Er haltung de» sächsischen Büraerblock» höher steht al» die Bekämpfung der Notlage der Beamten, zeigt, da- sie die Beamten im Stich« läßt, wenn e» in der Soalitio« um einer »iertel oder einer halben Million will«« irgendwie knistert. Da- einzige, wa- ua- retten könnte.