Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 19.02.1896
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-02-19
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960219025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896021902
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896021902
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1896
-
Monat
1896-02
- Tag 1896-02-19
-
Monat
1896-02
-
Jahr
1896
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Die Morgen-Av-gad« erscheint um ft,7 llhr. die Abend-Au-gabr Wochentag» um 5 Uhr, Filialen: Ott» Klemm s Sortim. (Alfred Haha», Uawersitätssiratze 1, -. Loui» Lösche, Katharinenstr. 14, pari, und König-Platz 7. Nrdartio« und Erprditioa: Johannesgasse 8. Die Expedition ist Wochentag- ununterbroche« gevffnet »»» früh 8 bi» «bendS 7 Uhr. Bezugs-Preis kn der^dauptexpedition oder den im Stadt, bezirkend den Bororten errichteten Au-- «bestellen abgeho!t: viert,tjLhrlich^I4.50> bei zweimaliger täglicher Zustellung ins Hau» ö.50. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: vierteliährlich S.--. Direkte tägliche Kreuzbandiendnag ins Lu-Iaud: monatlich 7.50. Abend-Ausgabe. tipMcrTaMatt Anzeiger. Amtsblatt des Königlichen Land- nnd Amtsgerichtes Leipzig, des Ratljes und Nolizei-Ämtes der Stadt Leipzig. Auzetgeu-Prets die 6 gespaltene Petitzeile 20 Reklamen unter dem Redactionsstrich (-ge spalten- bO^H, vor dea FaintUe»»achrtchten (6 gespalten) 40^. SrShere Schriften laut unserem Preis- verzeichuttz Tabellarischer nnd Ztffernsatz nach höherrut Laris. Extra-Urilageo (gesalzt), nur mit der Dörgen-Ausgabe, ohue PostbefSrderuag 60.—, mit Pvstbcsörderung »l 1V.—. —»-OO«c>-— ^nnalfmeschlnß fiir Äkyriz«: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morg« n-Ausgabe: Rachmittags 4 Uhr. Kür dir Montag-Morgeu-Ausgab«: Sonnabend Mittag. Bei drn Filiale» und Annahmeftrlle» je etue halbe Stund« frätz-n. Auzcigcn find stets au dle GgPedttiau zu richteu. Druck und Verlag von (k. Pvlz in Leipzig. Mittwoch den 19. Februar 1896. W. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 19. Februar. Gestern hat in Berlin die Generalversammlung des Bundes der Landwirthe ftattgefunden. Sie war, wie in den früheren Jahren, gut besucht, und die „Deutsche Tagest zeitung" schreibt denn auch: „Die deutschen Bauern waren gekommen." Wie viel Bauern außerhalb der Berlin nahe gelegenen Provinzen anwesend waren, wird sich diesmal ebensowenig controliren lassen wie in den Vorjahren. Aber so viel hat auch diese Versammlung ergeben, daß der Bund eine Vereinigung, die den Anspruch erheben darf, die deutsche Land- wirthschast zu repräsentiren, nicht ist. Er zählt nach dem Bericht seines Directors 189 796 Mitglieder. Die landwirthschaftliche Bevölkerung Deutschlands ist mit 42 Proc. der Gesammt- bevölkerung nicht zu hoch geschätzt. Das sind rund 22 Millionen Menschen, die nicht unter 8 Millionen männliche Personen umfassen, die sich und Angehörige ernähren. Die größere Hälfte davon sind Landbesitzer. Rechnet man jedoch deren nur 3 Millionen, so bilden noch nicht 7 Proc., also noch nicht ein Vierzehntel der ohne Zweifel als bäuerlich anzusehenden Bevölkerung den Bund, der, was Wohl zu beachten ist, keine Repräsentanz, kein Ausschuß der deutschen Bauern schaft sein, sondern al- mit ihr zusammenfallend betrachtet sein will. Wie die absolute Zahl der Mitglieder diesen Anspruch lächerlich erscheinen läßt, so die Zunabme die gestern gehörte Berühmung mit der Befestigung. Es sind im letzten Jahre ca. 1600 Mitglieder mehr hinzu- als aus getreten! Freilich tröstete Herr Director SuckSland: „Jetzt ist der Bund kein großer Haufen mehr, sondern eine woht- diSciplinirte Truppe". Das wäre schön und wirksam, wenn die Truppe von den nicht zu ihr gehörigen Landwirthen zu ihrer Vertheidigung aufgestellt wäre. Das ist jedoch keines wegs der Fall, übrigens auch nicht behauptet worden; viel mehr ist sicher, daß die Landwirtbe — die kleinsten haben wir in unfern Ansätze mehr als reichlich ausgeschieden — die nicht zum Bunde gehören, von ihm auch nichts wissen wollen. Diese Annahme ift um so gegründeter, als nach dem gestern verlesenen Jahresberichte die Einrichtungen des Bundes dem Mitqliede mehr als das Zehnfache des jenigen einbringen sollen, was es als Jabresbeitrag zahlt. WaS nun die Frage nach den im Bunde überwiegend ver tretenen Elementen angeht, so giebt der Geschäftsbericht auch hierüber eine Auskunft, die beweist, daß die Vereinigung nicht den Charakter, einer gesammtdeutschcn beanspruchen darf: „Nach den sorgfältigsten statistischen Erhebungen gehören 75 Proc. der Mitglieder zu den Kleingrundbesitzern, die ein Areal von 80—lOO Morgen besitzen, nur 2 Proc. der gesammten Mitgliederzahl kann mit Fug und Recht zu den Großgrund besitzern gerechnet werden." Es ist nickt crfaßlich, welchen Maßstab die Bundesleitung anlegt, um mit Fug und Reckt nur 2 Proc. Großgrundbesitzer herauszurechnen. Aber daron abgesehen: eine Bereinigung, die den Kleingrundbesitz erst mit 80 Morgen beginnen läßt, stellt sich Thüringen und — das einzige Niederbayern vielleicht ausgenommen — allem, was südlich davon liegt, ebenso dem ganzen Südwesten Deutschlands und dem Rheinlande als etwas völlig Fremdes gegenüber. Denn in diesem Riesengebiete sind schon 40 Morgen ein über den durchschnittlichen bäuer lichen hinausgehender Besitz, und 80 Morgen in einer Hand — von dem die verschwindende Ausnahme bildenden Groß grundbesitz abgesehen — eine Seltenheit. 80 bez. lOO Morgen machen nur nn Osten und in Theilen des Nordens den Anfang des Kleinbesitzes. Mit der Legitimation des Bundes, sich als deutsche und bäuerliche Vereini gung anszugeben, sieht es also sehr windig aus. Er bedeutet polnisch nur etwas durch die Agitation, die von seiner Leitung und dem „Nachgeordneten" Organe gewerb- mäßig betrieben wird. AuS diesem Grunde bietet an der gestrigen Berliner Versammlung nur das Interesse, was Licht über die künftige agitatorische Campagne der Leitung werfen kann. Man wird die dort gehaltenen Reden der Herren v. Ploetz und Suchsland verschieden auslegen; in unS befestigen sie den unmittelbar nack der Ablehnung des Antrags Kanitz im Reichstage gewonnenen Eindruck, daß man dieses Mittel etwas in den Hintergrund treten lassen und mit den bis zur Unausfübrbarkeit verzerrten „kleinen Mitteln" ebenso zu Hetzen entschlossen ist, wie bisher mit den großen. Die „Freisinnige Zeitung" des Herrn Eugen Richter setzt jetzt fort, WaS die „Vossische Zeitung" kürzlich begonnen hat, nämlich die Schuld an der elenden Lage einer großen Zahl von Confcctionsarbeiterinnen der Schutzzollpolitik aufzubürden. Merkwürdig nur, daß die anderen Industrien sich über diese Politik seit Abschluß der neuen Handelsverträge nicht beklagen. Der Zweck der Diversion auf das handelspolitische Gebiet, Vie Hintertreibung gesetzgeberischer Maßnahmen zum Schutze der Aermsten der Armen, wird jedoch nicht erreicht werden. Er verräth sich deutlich genug in der ärgerlichen Bemerkung der „Freisinnigen Zeitung" über die „zerfahrene Reichstagsdebatte am Mittwoch, die der ganzen An gelegenheit mehr genützt, als geschadet hat". Möchte das Blatt nicht sagen, warum und inwieweit geschadet? Wir glauben, daß die kritische Lage der ConfectionS- industrie durch nichts mehr verschlimmert wird, als durch die Einschüchterungsversuche in Zeitungen, die man als ihre Organe ansehen darf. Frivole Andeutungen, wie die der „Freisinnigen Zeitung", daß die nationallibcralen Anträge gestellt seien, um den deutschen Kleider- und Wäsche-Export zu gefährden, sind mehr geeignet, der Bcurtheilung des Berliner Schneiderstreiks allgemeine industrielle Gesichts punkte aufzudrängen, als eine Erörterung zu begünstigen, die den besonderen Verhältnissen, wie sie in der Berliner Con- fectionsbranche zur Zeit nun einmal vorherrschend sind, gerecht zu werden bestrebt ist. Im Staate Ncw-Vork ist jetzt ein auch in Deutschland intcressirendeS Gesetz zu Stande gekommen, welches Wieder vergeltung für die angebliche, in Wahrheit nicht vor handene, differentielle Benachtheiligung amerika nischer Versicherungsgesellschaften in Preußen ermöglichen soll. Im Unterbause des Staates wurde es mit 104 gegen 21 Stimmen angenommen. In dem von dem Comitv für Versicherungswesen einberichteten Entwürfe war es dem Superintendenten des Versicherungswesens zur Pflicht gemacht, keiner auswärtigen Versicherungsgesellschaft die Er- laubniß zum Geschäftsbetrieb zu ertheilen, wenn in dem Heimatbsstaate der Gesellschaft den amerikanischen Gesellschaften der Betrieb zufolge „ungerechter" Gesetze untersagt wird. Der Vorsitzende des Juslizcomites versuchte, das Haus zu einer milderen Form des Gesetzes zu bewegen, in welcher es dem angeführten Beamten nickt zur Pflicht gemacht, sondern nur anheim gestellt werden soll, nach feinem Ermessen auswärtigen Gesellschaften den Betrieb im Staate New-Dork zu untersagen. Jndeß ist dieser mildernde Vorschlag nieder gestimmt worden, und da auch der Senat der Staats gesetzgebung die Bill angenommen, bat dieselbe durch die Unterschrift des Gouverneurs Morton Gesetzeskraft erlangt. Auch im Repräsentantenhaus der Union ist die An ¬ gelegenheit zur Sprache gekommen. DaS New-Dorker Mitglied George N. Southwick von Albany hat nn Anlckluß an die vom Präsidenten Clcvrland in seiner Jabresbolschaft gemachten Bemerkungen einen Beschluß eingebrackt, deni zufolge die gesammte zwischen der amerikanischen und der preußischen Regierung in dieser Angelegenheit gepflogene Correspondenz dem Hause vorzelegt werden soll. Dieser Beschluß ist vom Repräsentantenhause angenommen worden, und eS besteht kein Zweifel darüber, daß der Secretair des Auswärtigen, Olney, dem Gesuche entsprechen wird. Bekanntlich haben selbst amerikanische Blätter, wie die „New-Aorker Staatsztg.", anerkannt, daß von Preußen lediglich Forderungen gestellt sind, welche die Sicherheit der Versicherten bezwecken und von den Gesell schaften, wenn sie wollen, befolgt werden können. Uebrigens beschäftigt die Angelegenheit eben jetzt wieder das preußische Ministerium des Innern. Wie die „Nordb. Allg. Zig." mit- tbeilt, haben die beiden in Betracht kommenden amerikanischen Versicherungsgesellschaften durch Vorbringung weiteren Mate rials nachzuweisen gesucht, daß sie den preußischen Vor schriften zu entsprechen in der Lage seien, weshalb diesseits eine erneute Prüfung der Angelegenheit in Aussicht genom men ist. — Das englische Blau buch über Arineuien bringt massenhaftes Actcnmaterial zur weiteren Beleuchtung der durch den Gang der Ereignisse bereits hinlänglich be kannten Thatsache bei, daß es nicht das Werk des Cabinets von St. James ist, wenn eine Aufrollung der ge sammten Orientfragc bis zum gegenwärtigen Augenblick noch vermieden werden konnte. Mit welcker Gelassenheit die Leitung der britischen Politik diese Eventualität ins Auge faßte, erhellt aus einer im Blaubuche mitgetbeilten Unterredung des englischen BotsckafterS in Wien, Monson, mit dem österreichisch-nngariscken Minister des Auswärtigen Grafen Goluchowski, indem Monson auf die von Goluchowski geäußerte Besorgniß, daß das europäische Concerl gesprengt werden könnte, erwiderte, früher oder später müsse eS doch zum Zusammenbruch der Türkei kommen, es sei daher angezeigt, denselben so wenig nachtheilig wie möglich zu macken. In England überwog mithin die Ansckauung, daß die armenische Reformfrage die geeignetste Handhabe zur An bahnung eines für das britische Interesse möglichst vortheil- hafteu Zusammenbruchs der türkischen Herrschaft bilde. Europa fand sich seinerseits nun hinwiederum nicht bewogen, im Orient den Handlanger für englische Sonderintereffen zu machen. Als an der Spitze der antienglischen Bestrebungen siebend läßt das Blaubuch, den Tbatsachen völlig entsprechend, Rußland erkennen. Zwischen der englischen und russischen Politik spielte sich denn auch der eigentliche diplomatische Feldzug um die Behandlung der armenischen Angelegen heiten ab; WaS über die Dispositionen der anderen Cabinete mitgekheilt wird, zeigt, daß dieselben sich wesent lich mit denen des Petersburger EabinetS decken. Was nun die russische Orientpvlitik während der Dauer des armenischen Conflicis, also von Anfang September bis zu dem dieser Tage slattgehabten Ausgleich von Zeitun betrifft, so gipfelt sie in dem beharrlichen Widerstande gegen jede weitergehende internationale Einmischung in die inneren An gelegenheiten der Türkei. Es stimmt zu dem engen, zwischen Konstantinopel und Petersburg bestehenden Einvernehmen, vaß die russischen Staatsmänner alle Versuche Englands, sie zur Beugung des Sultans unter das Machtgebot Europas zu bewegen, consequent mit dem Ausdruck des nach unserer Ansicht allerdings der zuverlässigen Grundlage entbehrenden Vertrauens in deu ehrlichen Willen des Sultans zur Einführung von Reformen beantworteten, nnd daß sie eS für geboten erachteten, dem Sultan Zeit zu lassen, damit er seinen Willen in die ent sprechenden Tbaten umsetzen könne. Anscheinend bat Lord Salisbury alle erdenklichen Versuche gemacht, Rußland im Rath der Mäcktc zu isoliren und erst als er anerkennen mußte, daß all sein Liebeswerben verlorene Mühe war, den Rückzug angetreten, den er in einer an den englische» Botschastssecre- tair in Petersburg, Goschen, gerichteten Depesche vom 29. Januar in die Worte kleidet: er, Salisbury, habe erkannt, daß Rußland mit seiner Ansicht, man müsse sich jedes über einen freundschaftlichen Rath hinausgeheuden Druckes auf den Sultan enthalten, nicht allein stehe. So verhält es sich in der Tbat. Nicht Rußland, sondern England steht in der armenischen Frage allein, deshalb hat es nothgrdrungen klein beigeben müssen. Aller Wahrscheinlichkeit nach dürfte diese Nachgiebigkeit Englands aber nicht länger Vorhalten, als seine Ueberzeugung von der Einmüthigkeit deS continentalen Europa. ES liegt daher ini eigensten Interesse de« letzteren, auch fernerhin gegenüber der Orientfrage, ein Verhalte» zu beobachten, welches jeden Verdacht ausschlirßt, daß eS um die Einigkeit der Mächte am Ende doch nicht so ganz sicher be stellt sei. Daß natürlich durch die Zurückhaltung der Signa tarmächte die Lösung der Orientfrage nur aufgeschoben ist, liegt auf der Hand. Man wird jetzt noch einige Zeit warten müssen, ob der Sultan mit den versprochenen Reformen that- sächltch Ernst macht. Löst er sein Versprechen nicht voll ein, und daS ist das Wahrscheinlichst«, dann sind neue, noch weit gefährlichere revolutivnaire Eruptionen zu befürchten. Ob dann aber die Mächte genau so ruhig werden zusehen können, wie bei den letzten Wirren, daS ist eine Frage, die wohl Niemand unbedingt bejahend beantworten möchte. Was aber auch kommen wird, die egoistischen Sonderinteressen Englands, das bei der „Theilung" den größten Bissen schnappen möchte, werden jederzeit auf die einmüthige Abwehr der übrigen Mächte stoßen. In Abessinien ist jetzt insofern klare Lage geschaffen, als die Entscheidung nun definitiv auf dem Schlachtfeld fallen wird, nachdem die FriedenSverhandlungen einen jähen Ab bruch erfahren haben. Menelik hatte, wie gemeldet wurde, al- Frievensbedingung die Forderung aufgestellt, daß die Italiener die besetzten Landstriche, d. h. Tigre räumen und den Vertrag von Utschalli, d. h. die Bestimmung des Artikels 17, wonach Italien zwischen Abessinien und den Mächten den Vermittler bildet, anfbeben sollten. Wenn die italienische Regierung eS ablehnt, auch nur grundsätzlich von diesen Be dingungen auszugeben, so ist das erklärlich. Schon im Sep tember 1895, als General Baratieri'S Ankunft in Erythräa bekannt wurde, verkündeten römische Zeitungen, er werde dem Negus folgende Bedingungen stellen: Abrüsturm auf abessi nischer Seite, Abberufung deS RaS von der Grenze TigreS, Einkerkerung des RaS Mangascha, Verzicht auf Tigre und Agame und Anerkennung der italienischen Oberhoheit über ganz Abessynien. Hier zeigt sick der unvermittelte Gegensatz zwischen den beiden Anschauungen. In der Zwischenzeit haben sich die italienischen StreNkräste vom Aschangisee bis nach Adigrat zurückgezogen und Menelik hat den größten Tbeil der Provinz Tigre wieder besetzt. Er möchte deshalb nun auf den Vertrag von Utschalli zurückgehen und die frühere Grenze von Erythräa Herstellen. Schon daö EiNgthett auf Verhandlungen unter dieser Bedingung würbe daS Ansehen Italiens in Afrika sehr schädigen, mehr als eine Nieder lage im offenen Felde. Wie stehen nuN gegenwärtig die Cbancen der bei EntiScio deS EntfcheidungSkaUkpfeS harrenden Italiener? Mit den Truppt», welche schon zum Theil nach FerriHetsn. Leine „dumme" kleine Frau. 4s Roman von F. Klinck-Lütet-burg. Nachdruck verboten. Sollte er diesen Weg weiter wandeln müssen — diesen Weg, der ihm der Hölle Schrecknisse schon auf Erden offenbar werden ließ? Und wie lange noch? Ging er wirklich dem Abgrund zu, der erbarmungslos alles zu verscklingen drohte was er vielleicht vergebens noch zu vertheidigen versuchte? Er hatte unter solchen Gedanken das letzte Haus der Stadt erreickt. Nun war er allein. Nicht mehr durfte er von den Augen Sckadenfroher sich verfolgt und beobachtet wähnen. Zur Rechten die sanft ansteigende Höhe, zur Linken bis in die duftige Ferne sich auSdehnenden, im herrlichsten FrühlingSgrün prangenden Wiesen, und keine Menschenseele weit und breit. Drüben aber das kleine Haus, von halber Höhe inS Tbal, blickend, mit freundlich vom wilden Wein und Geisblatt um rankter Veranda, umgeben von einem wohlgepflegten Garten — sein Werk — dort würde er wieder einstweilen ruhig werden, und vielleicht den Mutb finden, den Kampf mit den grausamen Henkern seines Glücke- von Neuem aufzunehmen. Zweites Capitel. Der Consultation, die Herr von Greisingen mit Herren grund gehabt» folgte eine andere, die den Fabrikanten Nagel zu demselben geführt. Die junge Frau hatte theilweise auch dieser Unterredung beizewobnt, nicht etwa einer bewußten Absicht folgend. Sie war im Begriff gewesen, bei ihrem Manne einzutreten, um Rücksprache mit ihm über das zu nehmen, wa- sie hergefuhrt, etwas Unerhebliches, nur für sie, die mit dem festen Entschluß, dem Gatten die Liebe zu danken, welch« er ihr entgegengebracht, in die Ehe getreten war, von Bedeutung. Fabrikant Nagel war ihr zuvorgekommen und unmittel bar, nachdem Herr von Greisingen das Zimmer verlassen, eingetrrten. Ihr Gatte batte sie, unzweifelhaft im geschäft lichen Eifer, vergessen. Sie war nicht etwa dadurch verletzt gewesen, glaubte aber, daß eS am besten sein würde, Uber die Hintertreppe das HauS zu verlassen, da sie ibre Absicht kaum noch würde zur Ausführung bringen können. In den Spiegel blickend, der einen großen Tbeil des Arbeitszimmers sehen ließ und in welchem sie jede Bewegung, jeden veränderten Gcsicktsaus- druck des Herrn von Greisingen hatte beobachten können, wartete sie einen günstigen Moment ab, in welchem sie un bemerkt an der offenen Tbür vorüberschlüpfen konnte, um das Freie zu gewinnen. Sie wollte unter keiner Bedingung Zeugin dieser zweiten Consultation sein, hatte doch schon die erste sie in einen Zustand von Aufregung versetzt, der ihr bisher fremd geblieben war. Sie hatte ein Gefühl, als ob die Angst und Qual des unglücklichen Mannes, dessen Mit- theilungcn sie xnit angehaltenem Atkem gefolgt war, auf sie übertragen worden seien. So ganz überwältigt war sie von den Leiden dieses Bemitleidenswerthen gewesen, daß sie sich von Zorn gegen den Gatten, welcher eine ihr grausam scheinende Kaltblütigkeit bei den Verhandlungen an den Tag gelegt, beherrscht fühlte und nicht mehr in der Stimmung war, mit ihm über Dinge zu sprechen, die ihr neben einem großen Elend, daS sie erschaut, lächerlich nebensächlich er schienen. „Aha, mein lieber Herrengrund! Gratuliere! Herr von Greisinnen hat Sie Wohl mit der Führung seiner inter essanten Geschäfte beehrt?" Die junge Frau sah das Gesicht des Mannes, welckeS ihr im Spiegel direct zugekehrt war. Der kalte Hohn in den hageren, unschönen Zügen gab demselben etwas MephistopheleSartiges. Frau Getrud glaubte, nie zuvor einen gleich widerwärtigen Eindruck von einem Menschen antlitz empfangen zu haben. Erhöht wurde derselbe nicht wenig durch die unangenehm rauh klingende Stimme, mit welcher er die vorerwähnten Worte gesprochen. Und dann Wilhelm Herrrngrund: „Man kann nicht immer, wie man Wohl möchte, mein lieber Nagel. Da giebtS der unangenehmen Dinge freilich genug, aber sie müssen eben mit verknackt werden. Ich weiß ja recht gut, daß mit dem Greisingen nicktS los ist, aber — er ist nun einmal zu mir gekommen, na und dann — — waS niuß ein Verteidiger nicht Alles vertheidigen!? Ich werde natürlich mein Bestes thun, ihn herauSzureißen. Eine Kleinigkeit wird das ja nun gerade nicht sein." „Also doch nicht r Was Sie sagen! Es ist wirklich etwas faul?" „Oberfaul. Dir Geschickte bat ihren Haken sage ich Ihnen. Es ist traurig, daß eS so weit mit dem Manne ge kommen ist. So macht er ja keinen schlechten Eindruck, aber di« Noth — die Noth!" „Dicknäsiges Volk! Schad't ihnen nichts. Denen muß es bageldickt kommen. Dir Sorte! Gehen Sie mir weg damit. Die hätte ich nicht vertheidigt." Herrengrund hob die breiten Schultern ein wenig empor. „Und was haben Sie denn, Nagel?" „Ach so — ja! Verzwackte Geschichte! Kann mir noch einen hübschen Posten Geld kosten. Die verwünschte Fabrik! Lesen Sie einmal." Herrengrund laS einen ihm überreichten Brief. „Patentverletzung?" „Nun — ja. c-cie babens ja schwarz aus weiß." „Ja, aber — die Erklärung ! Erklären Sie mir doch die Geschichte, vorausgesetzt, daß Sie meinen Rath wollen." „Na — freilich will ich den. Was denn sonst? Ich zahle doch die Strafe nicht." . „Liegt denn eine Patentverletzung vor?" Frau Gertrud hatte ein heißes Verlangen gehabt, da- Zimmer unbemerkt zu verlassen, aber sie dachte nicht mehr daran, eS zu thun, nachdem Fabrikant Nagel mit seiner Er zählung begonnen. Sie verstand nickt Alles, folgte aber ge- spannten Ohres den Mittheilungen eines Mannes, der unter allerlei cynischen Spötteleien sick schuldig erklärte, widerrecht lich daS Patent eines Anderen sich angeeignrt und auSgebeutet zu haben, jetzt aber sich weigern wollte, eine geforderte Entschädigungssumme zu zahlen. Wilhelm Herrengrund aber hatte für diesen Mann kein Wort des Borwurfs oder Tadels. „Da haben Sie sich ja eine schöne Supde eingebrockt. Denken Sie sich die Sache nicht allzu leicht. Roller <L Comp. haben Sie auf der Tbat ertappt, wenn nickt der Ge- schäftSvortheil der Firma einen anderen Ausgleich Wünschens werth erscheinen ließe, würbe man Sie sofort wegen Betrüge- venuncirt haben, mein lieber Nagel." In diesem Augenblick war Fabrikant Nagel an Herren grund berangetreten und kehrte nun der Thür deS Zimmers den Rücken. , „Na, e» wird nickts so heiß gegessen, als eS gekocht ist", hörte die junge Frau Nagel sagen. Dann — ein leise- Ge räusch, von keinem der beiden Herren gehört — Gertrud war draußen. Sir eilte flüchtigen Fuße- die Treppe hinunter. Als die warme, aber doch friscke und sckarfr FrüblingS- luft ihre heiße Stirn umwehte, kam sie allmäblich wieder zu sich. Dennock verharrte sic zögernd auf der Schwelle, wir unschlüssig, welche Richtung sie einscklagen solle, und doch war z sie darüber nicht im Zweifel, daß er direct in ihre Wohnung führen müsse. Aber nun gingen Leute an ihr vorüber, sie sah sich neu gierig gemustert. WaS wollte man von ihr? Ja, man hatte rechl, sie verwundert anzusehen, wenn daS, WaS in ihrer Seele vorgeganaen war, etwa einen Widerschein in ihrem Gesichte finden sollte. Sie fühlte wie von einer Ohnmacht sich bedroht, es wehte eisig kalt über Stirn und Wangen und dunkelte vor ihren Augen. Nasch zog sie den feinen Weißen Schleier über ihr Gesicht und trat dann den Heimweg an. .Ihr Gang war unsicher, ihre Kniee zitierten. Erst nach und nach gelang es ihr, sich zu fassen, aber die immer und immer wieder aufquellenden Tbränen, ein mühsam unterdrücktes Schluchzen waren sichere Zeichen einer Erregung, welcher Herr zu werden sie vergebens bemüht war. Das plötzlich auf der Straße sich entwickelnde Hasten nnd Treiben machte sie aufmerksam, daß eS 12 Uhr sei. Sie be schleunigte ihre Schritte, um ihre Wohnung zu erreichen. Hier angelangt, begab sie sich sogleich in die Küche, um der Köchin zu sagen, daß dieselbe heute da- Essen anrichten möge. Sie fühlte sich vollkommen unfähig, irgend etwas vorzunehmen. In dem hübsch und elegant eingerichteten Wohnzimmer hatte sie gerade ihres Hutes und Mantels sich entledigt, als der Klang der Hausglocke sie erschreckt zusammenfahren ließ. Besuch! Sie tdat ein paar Schritte vorwärts. Sie wollte Niemanden empfangen — jetzt nickt — sie hatte ganz und gar alle Selbstbeherrschung verloren. Aber — „Bitte, melken Sie der gnädigen Frau Fräulein Rritzen- stein, meine Liebe." Unmittelbar darauf wurde die Tbür geöffnet und hinter dem Mädchen tauchte aus dem Halbdunkel deS CorridorS das Gesicht einer fremden LUUcken Dame auf. Es war nicht wohl möglich, diesen Besuch, so unwillkommen er Frau Gertrud Herrengrund in diesem Augenblick sein mochte, abzuweisen. „Verzeihen Sir, gnädige Frau, ich hoffe nickt zu stören. Nur einige Augenblicke, wenn ich bitten darf. Nicht wahr, Sir erinnern sich meiner, oder — wäre r« dock zu anmaßend? Ich hatte neulich bei der Frau Bürgermeisterin die Ehre, Ihnen vorgestellt zu werden." 2a — Gott sei Dank! — Frau Gertrud erinnerte sich. Es wäre ihr peinlich gewesen, diesem Besuch gegenüber eine Vergeßlichkeit constatirrn zu müssen. E« lag in de» -«Itzrn
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite